Gerhard Neubert

Gerhard Neubert

Gerhard Neubert (* 12. Juni 1909 in Johanngeorgenstadt; † 5. Dezember 1993 in Diepholz) war SS-Unterscharführer und als Sanitätsdienstgrad im KZ Auschwitz III Monowitz eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gerhard Neubert absolvierte nach dem Abschluss der Volksschule eine Ausbildung zum Klavierbauer, die er 1927 erfolgreich beendete. Danach zog er nach Diepholz in Niedersachsen und führte eine leitende Tätigkeit in einem Möbelhaus aus. Neubert erhielt 1940 seine Einberufung zur Waffen-SS und absolvierte bei dem SS-Regiment „Ostmark“ in Prag eine militärische Grundausbildung. Anschließend war er ein Jahr mit seiner Einheit in den besetzten Niederlanden stationiert und gelangte danach zum Einsatz an die Ostfront. Am Sammelort Krakau traf Neubert nach einem Heimaturlaub im Sommer 1942 seine Einheit nicht mehr an und wurde daraufhin in das KZ Auschwitz versetzt. Zunächst verrichtete er in Auschwitz Dienst bei der Wachmannschaft und wurde zur Bedienung der Desinfektionsanlage und der Dampfkessel eingesetzt. Hier absolvierte er Lehrgänge im Bereich Krankenpflege und Desinfektion. Ab Anfang 1943 bis zum Januar 1945 fungierte er als Sanitätsdienstgrad (SDG) im KZ Auschwitz III Monowitz. Neubert war in dieser Funktion sowohl für vorläufige, vom jeweiligen SS-Lagerarzt zu bestätigende wie auch für endgültige Selektionen von Häftlingen des Häftlingskrankenbaus (HKB)[1] verantwortlich, die anschließend im Stammlager oder in Auschwitz-Birkenau mittels Phenolinjektionen oder in den Gaskammern getötet wurden:

„So oft waren Häftlinge bemüht, Bekannte vor der Vernichtung zu retten. Robert Waitz berichtet, wie ein an chronischer Nierenentzündung Erkrankter aus einem zur Vergasung bestimmten Transport herausgeschwindelt wurde, nachdem der Sanitätsdienstgrad von Monowitz, Neubert, mit 100 Dollar bestochen war. Jan Trajster erinnert sich an ein ähnliches Vorkommnis: Ein aus Frankreich deportierter Jude namens Zawadzki wurde von Neubert für 50 Dollar und einen Liter Schnaps von der Vergasungsliste gestrichen.“[2]

Nach der Evakuierung des Lagers Auschwitz war Neubert in dieser Funktion noch bis Kriegsende in den Konzentrationslagern Buchenwald, Mittelbau und Neuengamme eingesetzt.

Nach Kriegsende geriet er in Schleswig-Holstein in britische Gefangenschaft und wurde aus der Internierung bereits nach zehn Wochen entlassen. Anschließend arbeitete er in Diepholz als landwirtschaftlicher Gehilfe, Tischler und Maurer-Polier. Zwischen Oktober 1958 und Ende 1963 war bei der Standortverwaltung der Bundeswehr in Diepholz beschäftigt und bekleidete danach wieder seinen leitenden Posten in der Möbelfabrik, den er bereits vor dem Krieg innehatte. Im Rahmen der Untersuchungen zum ersten Auschwitzprozess geriet auch Neubert in das Visier der Ermittler. Neubert musste jedoch keine Untersuchungshaft antreten und schied im Verlauf des ersten Frankfurter Auschwitzverfahrens aus. Im zweiten Auschwitzprozess (Verfahren „4 Ks 3/63 gegen Burger u. a.“) vor dem Landgericht Frankfurt am Main, der am 14. Dezember 1965 begann und am 16. September 1966 endete, stand er mit zwei weiteren Angeklagten vor Gericht. Neubert, der seit Anfang 1966 in Untersuchungshaft saß, wurde vom Landgericht Frankfurt wegen der Teilnahme an Selektionen im Häftlingskrankenbau des KZ Auschwitz-Monowitz zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Nachdem er Ende Januar 1971 bedingt aus der Strafhaft entlassen worden war, lebte er ein unauffälliges Leben und starb im Dezember 1993.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Antoni Makowski: Organisation, Entwicklung und Tätigkeit des Häftlings-Krankenbaus in Monowitz (KL Auschwitz III), in: Hefte von Auschwitz 15 (1975), Auschwitz, Verlag Staatliches Auschwitz-Museum 1975, S. 113-181.
  2. Hermann Langbein: Menschen in Auschwitz. Frankfurt am Main, Berlin Wien, 1980, S.139

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