Germania superior

Germania superior
Lage der Provinz
Römische Provinzen unter Trajan (117 n. Chr.)

Germania superior („Obergermanien“) war eine römische Provinz, die spätestens ab dem Jahr 90 bis zum Ende des 3. Jahrhunderts bestand. Sie umfasste Teile der heutigen Schweiz, Frankreichs und des südwestlichen Deutschlands (insbesondere das Dekumatland). Die Provinz grenzte im Norden an Germania inferior („Niedergermanien“, später Germania secunda), im Westen an Gallia Belgica und Gallia Lugdunensis, im Südwesten an Gallia Narbonensis und im Südosten an Raetia. Östlich der Provinz lag Magna Germania (das „freie“ Germanien). Der Statthaltersitz der Provinz befand sich in Mogontiacum, dem heutigen Mainz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Mit den augusteischen Feldzügen ab 13/12 v. Chr. gelangten die linksrheinischen Gebiete unter römische Kontrolle. Bis zur Gründung der Provinz, die spätestens im Jahr 90 abgeschlossen war,[1] wurde das Gebiet militärisch verwaltet (exercitus superior). Vor allem im 2. Jahrhundert kam es durch rechtsrheinische Gebietserweiterungen und ein Vorschieben des Limes zu bedeutenden Vergrößerungen der Provinz (Dekumatland), die mit einer Fläche von insgesamt 93.500 km² zu den mittelgroßen Provinzen des römischen Imperiums gehörte. Die Bedeutung der Provinz lag aber nicht in ihrer Größe, sondern der Lage an einer gefährdeten Grenze des Reichs, weshalb sie stark militärisch dominiert wurde.

Spätantike

Expanision der Alamannen

Zwischen 260 und 280 wurde das Dekumatland von den römischen Truppen geräumt (Limesfall) und die militärische Grenze an Rhenus (Rhein) und Danubius (Donau) zurückverlegt. Unter Kaiser Diokletian wurde in der Spätantike nach 297 die Provinz Germania superior in die Germania prima im Norden und die Maxima Sequanorum im Süden geteilt und der Diözese Gallien mit der Kaiserstadt Trier (Augusta Treverorum) unterstellt. Kaiser Valentinian I. ließ die Grenze der Provinz um 370 aufwändig durch Festungen sichern.

406 überschritten germanische Angreifer im Zuge der Völkerwanderung den Rhein und plünderten mehrere römische Städte. Im frühen 5. Jahrhundert kontrollierten zunächst Burgunden (411–434) als foederati gemeinsam mit weströmischen Einheiten das Gebiet, nach etwa 455 traten dann Alamannen und schließlich, nach der Schlacht von Zülpich (496), die merowingischen Franken die Nachfolge der römischen Herrschaft am Rhein an.

Besiedlung

Limes und Limeshinterland in Germania superior

Aufgrund der Lage an der Grenze des römischen Reichs waren hier zahlreiche römische Truppenverbände stationiert. Legionen waren in Mainz/Mogontiacum, Straßburg/Argentorate und zeitweise Windisch/Vindonissa stationiert, außerdem viele Hilfstruppen am obergermanischen Limes.

Neben die anfangs dominierende militärische Komponente trat in der friedlichen Zeit vom späten 1. bis zum frühen 3. Jahrhundert im Hinterland eine zivile: Eine Strukturierung in civitates (Einzahl civitas: Hauptorte mit einem zugehörigen [Stammes-]Gebiet) erfolgte. Links des Rheins stellen diese Hauptorte wie Noviomagus (Speyer) und Borbetomagus (Worms) die ältesten deutschen Städte dar. Im rechtsrheinischen Gebiet bestand diese Kontinuität weniger, da hier die römische Herrschaft nur bis in das 3. Jahrhundert währte. Einige Civitas-Hauptorte wie Nida (heute: Frankfurt-Heddernheim) waren deswegen nicht bis in das Mittelalter kontinuierlich besiedelt, während in anderen Hauptorten wie Dieburg, Wiesbaden oder Ladenburg eine Siedlungskontinuität (wenngleich unter einfacheren Umständen) wahrscheinlich ist.

Neben den Hauptorten und den militärischen Lagern gab es kleinere zivile Siedlungen (vici) wie Altiaia (Alzey)[2], Eisenberg,[3] Rockenhausen,[4] Groß-Gerau[5] oder Heldenbergen.[6] Diese verfügten über keinen eigenen Rechtsstatus und waren der übergeordneten Civitas-Verwaltung zugeordnet. Oft lagen sie an Straßenkreuzungen oder hatten einen gewerblichen Charakter. Dominierend war die Besiedlung durch zahlreiche römische Landgüter (villae rusticae), von denen einige einen beträchtlichen Luxus aufwiesen. Beispielhaft kann dies etwa im Römischen Freilichtmuseum Hechingen-Stein besichtigt werden. Die Provinz profitierte von der Anwesenheit des römischen Heeres, da die kaiserlichen Soldaten über eine erhebliche Kaufkraft verfügten und die Truppen zudem überwiegend von der regionalen agrarischen Produktion abhängig waren; für diese waren vornehmlich die villae rusticae zuständig. Jenseits der römischen Städte und Landgüter blieb die alte germanische Bevölkerung meist ansässig, im Dekumatland, in das zahlreiche Einwanderer strömten, lebte eine keltisch-germanische Mischbevölkerung.[7]

Die folgenden obergermanischen civitates sind derzeit bekannt:

Als einzige bekannte Siedlung erreichte Augst (Augusta Raurica) den höheren Status einer Kolonie, Rottweil (Arae Flaviae) den eines Municipiums. Zu welcher civitas die Provinzhauptstadt Mainz (Mogontiacum) gehörte, ist wie der Rechtsstatus der Stadt selbst bislang unbekannt. Es wird darüber spekuliert, ob die im Umfeld siedelnden Aresaken (ein Teilstamm der Treverer) eine eigenständige civitas bildeten, oder ob das Gebiet um Mainz unter militärischer Verwaltung war und damit direkt dem Statthalter unterstand. Wie die Gebiete im nördlichsten Teil der Germania superior – dem Bereich um Koblenz (Confluentes) – verwaltungstechnisch gegliedert waren, ist ebenfalls unbekannt.

Einzelnachweise

  1. Erste inschriftliche Erwähnung der Provinz in einem Militärdiplom vom 27. Oktober 90 (CIL 16, 36).
  2. Angelika Hunold: Der römische vicus von Alzey. Archäologische Schriften des Instituts für Vor- und Frühgeschichte der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Mainz, 1997, 5. Band.
  3. Helmut Bernhard u.a.: Der römische Vicus von Eisenberg. Ein Zentrum der Eisengewinnung in der Nordpfalz. Archäologische Denkmäler in der Pfalz. Germersheim, 2008, 1. Band.
  4. Mathias Faul: Ein bislang unbekannter vicus in der Nordpfalz. In: Berichte zur Archäologie in Rheinhessen und Umgebung. Mainz, 2008, 1. Band, S. 30–34.
  5. Carsten Wenzel: Groß-Gerau I. Der römische Vicus von Groß-Gerau, „Auf Esch“. Die Baubefunde des Kastellvicus und der Siedlung des 2.–3. Jahrhunderts. Habelt, Bonn 2009, ISBN 978-3-7749-3637-9 (Frankfurter Archäologische Schriften 9).
  6. Wolfgang Czysz: Heldenbergen in der Wetterau. Feldlager, Kastell, Vicus. Mainz 2003, ISBN 3-8053-2834-6 (Limesforschungen 27).
  7. Tacitus: Germania 29 (lat. Text).
  8. Klaus Kortüm: Städte und kleinstädtische Siedlungen. Zivile Strukturen im Hinterland des Limes. In: Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau. Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Esslingen 2005, ISBN 3-8062-1945-1, S. 154–164; C. Sebastian Sommer: Die städtischen Siedlungen im rechtsrheinischen Obergermanien. In: Hans-Joachim Schalles (Hrsg.): Die römische Stadt im 2. Jahrhundert n. Chr. Der Funktionswandel des öffentlichen Raumes. Kolloquium Xanten 2. bis 4. Mai 1990, Rheinland-Verlag, Köln 1992, ISBN 3-7927-1252-0 (Xantener Berichte 2), S. 119–141.

Literatur

Weblinks

 Commons: Germania superior – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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