Geschichte Algeriens

Geschichte Algeriens

Inhaltsverzeichnis

Bis zur arabischen Eroberung

Die Gebiete Algeriens wurden seit Beginn der historischen Überlieferung von Berber-Stämmen besiedelt. Erst gegen Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. entstand das Königreich Numidien im Osten und das Königreich Mauretanien, welches neben dem nördlichen Marokko auch das westliche Algerien umfasste. Nach dem Untergang des Römischen Reichs im 5. Jahrhundert gewannen die Berber wieder ihre Unabhängigkeit, wurden aber im 7. Jahrhundert von den muslimischen Arabern unterworfen und der Provinz Ifriqiya unterstellt.

Mittelalter

Die Berber nahmen nach der Unterwerfung durch die Araber schnell den Islam an. Da ihnen aber von den Arabern die Gleichberechtigung als Muslime verweigert wurde, schlossen sie sich den Charidschiten an. Noch im 8. Jahrhundert wurde das Emirat der Rustamiden von Tahert gegründet. Später regierten die Fatimiden (908–972), die Ziriden (972–1015) und die Hammadiden (1015–1152). Mitte des 12. Jahrhunderts wurde der gesamte Maghreb von den Almohaden vereinigt. Nach deren Untergang bildete sich in Algerien das Reich der Abdalwadiden mit dem Zentrum Tlemcen (1236–1554).

Osmanische Herrschaft

Als im 16. Jahrhundert Spanien die algerischen Küstenstädte eroberte, ergriffen Korsaren unter Arudj und Cheir ed-Din Barbarossa die Macht. Sie erkannten die Oberhoheit des osmanischen Sultans in Istanbul an und konnten mit dessen Hilfe die Spanier in langwierigen Kämpfen vertreiben. In dieser Zeit befand sich der Kaperkrieg zwischen den Korsaren und den christlichen Staaten des Mittelmeers auf seinem Höhepunkt.

Die Osmanen setzten in Algerien Paschas als Regenten ein, die aber bald die effektive Kontrolle über das Land verloren. Korsaren und die osmanischen Janitscharen beriefen statt dessen den Dey von Algier als Machthaber. Mit der Stärkung der christlichen Seefahrermächte, vor allem Englands, Frankreichs und der Niederlande, verlor die Kaperei gegen den christlichen Handel im Mittelmeer zunehmend an Bedeutung. So wurde z. B. Algier 1661, 1665, 1682, 1683, 1688 durch die französische Flotte bombardiert. Im 18. Jahrhundert gewann der kommerzielle Handel mit Europa, vor allem mit Frankreich, an Bedeutung für die Wirtschaft.

Französische Kolonialherrschaft

1830 besetzten französische Truppen Algier, Oran und Beleb el-Anab (Bône) und begannen mit der Eroberung des Landes. Ihnen stellte sich Abd al-Qadir entgegen, der in Westalgerien erfolgreich Widerstand gegen die Franzosen leistete. So musste Frankreich im Vertrag von Tafna (1837) Abd al-Qadir als Emir von Algerien anerkennen. Allerdings kam es nicht zur Zusammenarbeit zwischen Abd al-Qadir und Ahmad ibn Muhammad, Bey von Constantine, der in Ostalgerien gegen Frankreich kämpfte. Nachdem die französischen Truppen Constantine erobert hatten, drangen sie in Westalgerien ein und zwangen Abd al-Qadir zur Flucht nach Marokko. Erst 1847 gab Abd al-Qadir den Widerstand auf.

Nach der Februarrevolution 1848 endete der Kolonialstatus für den nördlichen Teil Algeriens – er wurde integraler Bestandteil des französischen Mutterlands und als Siedlungskolonie definiert. Drei Départements (Algier, Constantine, Oran) wurden errichtet. Es kamen französische und andere europäische Siedler (vor allem Italiener, Spanier) ins Land, für die umfangreiche Ländereien der einheimischen Bevölkerung enteignet wurden. Der gegen diese Enteignungen gerichtete Aufstand unter Führung von Mohamed el-Mokrani (1815–1871) in der Kabylei (1870–1871) wurde unter dem Einsatz von 80.000 Soldaten von den Franzosen niedergeschlagen. Algerien verlor 25 % seiner Bevölkerung und weitere 70 % des Landbesitzes an die französischen Siedler. Danach wurde der sogenannte Code de l’indigénat erstmals in Algerien 1881 installiert und später in allen französischen Kolonien eingeführt. Der Code de l’indigénat zwang die einheimische Bevölkerung unter eine „besondere Gerichtsbarkeit“, so dass sie in einem permanenten Ausnahmezustand lebte. Der Code war bis 1946 gültig, wurde aber für die Algerier erst 1962 mit dem Ende des Algerienkrieges außer Kraft gesetzt.

Bis 1906 war auch der algerische Teil der Sahara den Franzosen unterworfen. Algerien bildete zusammen mit Tunesien und Marokko die Kolonie Französisch-Nordafrika, die im Zweiten Weltkrieg Kriegsschauplatz der britisch-amerikanischen Operation Torch wurde.

Unabhängigkeitskampf

Hauptartikel: Algerienkrieg

Zum Aufschwung der Unabhängigkeitsbewegung kam es, als unmittelbar nach Kriegsende 1945 nach Unruhen in Setif und Guelma zehntausende Algerier von der französischen Armee im Massaker von Sétif getötet wurden. Im November 1954 begann der Unabhängigkeitskrieg (Algerienkrieg) gegen Frankreich unter Führung der Front de Libération Nationale (FLN). 1962 erreichte Algerien mit dem in Evian geschlossenen Vertrag die Unabhängigkeit nach einem achtjährigen blutigen Krieg. Die Zahl der Verluste an französischen Soldaten betrug laut Angaben des französischen Militärs ca. 18.000. Laut französischer Aussage betrug die Todesopferzahl der Algerier 350.000, algerische Quellen gehen von über einer Million Toten aus.

Unabhängigkeit

Hauptartikel: Algerischer Bürgerkrieg

Nach der Unabhängigkeit infolge des Algerienkriegs (1954–1962) stand das Land vor großen Problemen. Bald brachen Machtkämpfe in der FLN über den politischen Kurs aus, der aber bald von Ahmed Ben Bella insoweit entschieden wurde, dass die FLN eine sozialistisch orientierte Einheitspartei wurde, die alle Behörden und die verstaatlichte Wirtschaft kontrollieren sollte. Es kam zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen, da mit der Unabhängigkeit der Großteil der französischen Fachkräfte das Land verlassen hatte.

Algerien kam vorerst nicht zur Ruhe, da der erste Präsident Ahmed Ben Bella am 19. Juni 1965 in einem blutigen Putsch von Boumedienne gestürzt wurde.[1] Unter der Führung Boumediennes (1965–1978) wurden die Bodenschätze des Landes, vor allem Erdöl und Erdgas verstärkt ausgebeutet, um die industrielle Entwicklung des Landes und einen „algerischen Sozialismus“ voranzutreiben.

Nachfolger für den 1978 verstorbenen Boumedienne wurde Bendjedid Chadli, der die Kontrolle von Wirtschaft und Gesellschaft etwas lockerte. Bei schweren sozialen Unruhen 1988 schossen Sicherheitskräfte auf die demonstrierende Menge. Ursache waren unter anderem der gesunkene Ölpreis und die daraus resultierende hohe Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen und die Wohnungsnot. Chadli musste eine Demokratisierung einleiten und 1989 einer neuen demokratischen Verfassung zustimmen. Sie sah die Trennung von Partei und Staat, parlamentarische Verantwortung, Pluralismus, politische Freiheiten und Garantien der Menschenrechte vor. Nachdem 1991 die radikalen Islamisten der „Islamischen Heilspartei“ (FIS) den ersten Durchgang der freien Wahlen gewannen (188 von 430 Sitzen), übernahm vor dem zweiten Wahldurchgang 1992 das Militär unter Verteidigungsminister Khaled Nazzar die Macht und annullierte die Wahl. Er löste das Parlament auf, rief den Notstand aus, verbot die FIS und zwang Chadli zum Rücktritt. Zeitweise übernahm Muhammad Boudiaf die Führung des Hohen Staatsrats. Seine geplante Reformpolitik konnte aber nicht mehr umgesetzt werden, da er am 29. Juni 1992 einem Attentat zum Opfer fiel. Bis 1994 regierte der Hohe Staatsrat unter der Leitung von Ali Kafi.

Als die FIS verboten wurde, ging die Mehrzahl ihrer Mitglieder in den Untergrund und ein Bürgerkrieg begann. Dieser Auseinandersetzung zwischen radikalen Islamisten und der Armee fielen seither über 120.000 Menschen zum Opfer. Auch nachdem die Regierung an Präsident Zeroual (1994–1999) übergeben wurde, dauerten die Terroraktionen der Islamisten an. Die Sicherheitskräfte konnten seit 1995 einige Erfolge erzielen. Unter den Islamisten kam es zu mehreren Spaltungen, deren radikalste Fraktion die GIA war. Sie war für die blutigsten Terroranschläge verantwortlich; sogar die FIS distanzierte sich von der Gruppierung. 1996 trat eine neue Verfassung in Kraft.

Auch unter Präsident Abd al-Asis Bouteflika (seit 1999) konnte das Problem des islamischen Terrors nicht beseitigt werden, ebenso wenig die sehr hohe Arbeitslosigkeit der Jugend (bis 80 %). So kam es 2001 zu erneuten Unruhen im ganzen Land. Nach Protesten der Berber in der Kabylei wurde die Berbersprache Tamazight zur Nationalsprache erklärt.

Nach dem Abflauen des Bürgerkriegs initiierte die Regierung 1999 eine Volksabstimmung über eine Versöhnungspolitik. Im Januar 2000 lief eine Amnestie für reuige Islamisten aus, die Bouteflika nach der Selbstauflösung der AIS (der bewaffnete Arm der FIS) im März 2000 unbefristet verlängerte. In dieser Politik wurde die ehemalige Einheitspartei FLN bei den Parlamentswahlen 2002 bestätigt.

Am 8. April 2004 fand eine erneute Präsidentenwahl statt. Da das Militär diesmal Neutralität zugesichert hatte, galt die Wahl als freieste seit der Unabhängigkeit Algeriens 1962. Insgesamt waren sechs Kandidaten angetreten. Abd al-Asis Bouteflika, der 1999 mit Rückendeckung des Militärs gewählt worden war, galt als Favorit. Der Ex-Premierminister Ali Benflis galt als der einzige ernstzunehmende Herausforderer. Bouteflika erhielt bereits im ersten Wahlgang der Präsidentenwahl 83 Prozent der Stimmen. Ali Benflis blieb damit weit hinter ihm. Bouteflika ist der erste Präsident Algeriens, der ein zweites Mandat erhält.

In einem Referendum stimmten die Algerier 2005 über eine Generalamnestie ab.

Staatspräsidenten:

Film

Siehe auch

Literatur

  • Ibn Khaldoun: Histoire des Berbères. Traduction du Baron de Slane, Tomes I, II, II et IV, Alger, 1852–1856 (französisch).
  • Friedrich Engels: Algerien. In: The New American Cyclopædia, 1857.[2]
  • Yves Maxime Danan: La vie politique à Alger de 1940 à 1944. L.G.D.J., Paris 1963.
  • Samuel Schirmbeck: Hinter den Schleiern von Algier. Hamburg 1996, ISBN 3-455-11116-5.
  • Diego de Haedo: Histoire des rois d’Alger. Topographia e Historia general de Argel. Valladolid, 1612, Traduction d’H.D. de Grammont, Bouchène, Paris 1998.
  • Duell in Algier. In: Die Zeit, 29. Januar 2004.[3]
  • Bernhard Schmid: Algerien. Frontstaat im globalen Krieg? Neoliberalismus, soziale Bewegungen und islamische Ideologie in einem nordafrikanischen Land. Unrast, Münster 2005, ISBN 3-89771-019-6.
  • M. Demnati, L.S.A. Oulahbib, M. Feki et M. Rahmani: A l’ombre de l’Islam. Minorités et minorisés. Filipson, Bruxelles 2005.
  • Bernhard Schmid: Das koloniale Algerien. Unrast, Münster 2006, ISBN 3-89771-027-7.
  • Fabian Klose: Menschenrechte im Schatten kolonialer Gewalt. Die Dekolonisierungskriege in Kenia und Algerien 1945–1962. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2009, ISBN 978-3-486-58884-2 (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 66).[4]
  • Boualem Sansal: Das Dorf des Deutschen oder das Tagebuch der Brüder Schiller. Zeithistorischer Roman u. a. über SS-Nazi-Einfluss auf die FLN in den 60er Jahren. Aus dem Französischen von Ulrich Zieger. Merlin, Gifkendorf 2009, ISBN 978-3-87536-270-1.

Weblinks

 Commons: Geschichte Algeriens – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Thomas Hasel: Machtkonflikt in Algerien (Seite 54). Verlag Hans Schiler 2002. ISBN 3899301900
  2. Online. In: mlwerke.de.
  3. Online
  4. Vgl. Lasse Heerten: Rezension zu: Klose, Fabian: Menschenrechte im Schatten kolonialer Gewalt. Die Dekolonisierungskriege in Kenia und Algerien 1945–1962. München 2009. In: H-Soz-u-Kult, 18. März 2010.

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