Geschichte der deutschen Sprache

Geschichte der deutschen Sprache

Mit allen anderen germanischen Sprachen gehört die deutsche Sprache zu denjenigen Sprachen, die sich aus der gemeinsamen indogermanischen Ursprache vor allem durch die erste Lautverschiebung ausgliederten. Die Änderungen durch die erste Lautverschiebung werden durch das Grimm'sche Gesetz beschrieben, benannt nach Jacob Grimm. Einige Ausnahmen, die sich durch anschließende Änderungen ergaben, erklärt das Vernersche Gesetz. Aus der indogermanischen Ursprache wurde so die Germanische Ursprache oder das Urgermanische. Das Urgermanische ist eine Proto-Sprache, welche die gemeinsamen Merkmale sehr nahe verwandter germanischer Sprachen oder Dialekte beschreibt.

Ab dem 5. Jh. bis zum 8 Jh. unterlag ein Teil der westlichen germanischen Sprachen südlich der Benrather Linie der zweiten Lautverschiebung, welche in die Althochdeutschen Sprachen - die weser-rhein-germanischen Sprachen Rheinfränkisch und Mittelfränkisch (Ripuarisch, Moselfränkisch) und die elbgermanischen Sprachen Ostfränkisch, Alemannisch und Bairisch - mündete. Nach der Entwicklung über die mittelhochdeutschen Sprachen wurde basierend auf neuhochdeutschen Mundarten das Standard-Hochdeutsche gebildet.

Von den westgermanischen Sprachen, die nicht unter dem Einfluss der zweiten Lautverschiebung standen, sonderten sich nach der Einwanderung der Sachsen, Angeln und Jüten nach Britannica deren altsächsische und anglo-friesische Sprachen ab. Zurück blieben die altniederdeutschen und altniederfränkischen Mundarten, die aber sprachlich in einem Dialektkontinuum eng mit den hochdeutschen Mundarten in Berührung blieben. Der Begriff Niederdeutsch bezeichnete allerdings keine Einheitssprache, sondern einen Sammelbegriff für die norddeutschen Dialekte. Auf der Grundlage niederfränkischer Mundarten entwickelte sich die niederländische Sprache.

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung

Wörter

Wenn man wissen will, warum ein Wort diese und keine andere Bedeutung hat, so muss man die Geschichte des Wortes betrachten - Wand zum Beispiel bedeutet heute eine senkrecht stehende Fläche als Begrenzung eines Raumes oder eines Gebäudes. In altgermanischer Zeit wurden zum Hausbau Holz und Zweige benutzt. Es wurde ein Gerüst aus Balken gefertigt, in dessen Zwischenräume Zweige geflochten und mit Lehm verschmiert wurden. Der Arbeitsprozess des Hineinflechtens zwischen den Balken gab dem Bauelement (der Wand) den Namen. Denn Wand ist eine Form von winden und bezeichnet das Gewundene, Geflochtene. Die noch stehenden Fachwerkhäuser zeugen noch heute von dieser Bauart. Der erste Bestandteil Fach bezeichnet den Raum zwischen den Balken und den Querbalken des Gerüsts. Erst als die Römer weit in den germanischen Raum eindrangen, lernten die Germanen den Steinhausbau kennen. Von den Römern wurde dann das lat. Wort für Wand murus übernommen, woraus das Wort Mauer wurde. Aus dem lat. Maskulinum wurde ein Femininum die Mauer.

Redensarten

Auch lassen sich viele Redensarten nur erklären, wenn man einen Blick auf die Geschichte wirft. So wurden z. B. im Mittelalter zum Anschreiben römische Zahlen verwendet. Das X bedeutete eine Zehn und das V eine Fünf. Ab und zu kam es vor, dass ein unehrlicher Gastwirt das V über den Schnittpunkt verlängerte, so dass daraus eine Zehn wurde. Daher stammt die Redensart sich kein X für ein V (U) vormachen lassen.

Wandel

Uns ist in alten mæren wunders vil geseit | von helden lobebæren, von grozer arebeit

Uns ist in alten Erzählungen viel Wundersames berichtet worden | von rühmenswerten Helden, von mühevollem Kampf

Wenn wir den mittelhochdeutschen Text (Anfangszeilen des Nibelungenliedes) mit dem nhd. Text vergleichen, so fallen zwei Dinge besonders auf:

1. Die Endung -bære lautet heute -bare. Außerdem sagen wir heute lobenswert u. nicht lobebære.

2. Des weiteren zeigt die Übersetzung, dass sich nicht nur die äußere Gestalt gewandelt hat, sondern auch die Bedeutung mancher Wörter. Das Wort aus dem mittelhochdeutschen mære bedeutete damals Erzählung, Bericht. Wenn wir heute das Wort Mär[−e] gebrauchen, dann mit dem Sinn, dass es sich um eine Kunde aus alter Zeit handelt, um eine absonderliche Geschichte.

Ebenso hat das Wort arebeit einen Wandel durchlebt. Im mittelhochdeutschen bedeutete es große Anstrengung, Mühsal u. auch Kampf. In der heutigen Zeit versteht man darunter eine körperliche o. geistige Tätigkeit. Diese Bedeutung erlangte das Wort im 16. Jahrhundert.

Sieben Arten des Bedeutungswandels

(Die Wissenschaft, die sich mit dem diachronen Bedeutungswandel beschäftigt, nennt man auch Semasiologie)

Quantitative Aspekte

1. Bedeutungsverengung: Im mhd. bezeichnete das Wort Hochzeit jedes kirchliche wie weltliche Fest. Heute wird darunter ausschließlich die Feier zur Eheverbindung verstanden.

2. Bedeutungserweiterung: Der Begriff Nadel ist eine Form von nähen u. bezeichnete früher ausschließlich das Gerät zum Nähen. Heute kommt der Begriff auch in anderen Verbindungen vor, z.B. in Kompassnadel, Stricknadel, Tachonadel.

Qualitative Aspekte

3. Bedeutungsverbesserung (Melioration): Der Begriff Marschall stammt ab aus dem alten Wort Mähre "Pferd" u. dem veralteten Wort Schalk "Knecht". Ursprünglich war ein Marschall also ein Pferdeknecht. Die Bedeutung des Wortes hat sich also verbessert.

4. Bedeutungsverschlechterung (Pejoration): In älteren Sprachformen stand das Wort Gift (eine Ableitung von geben) für ein Geschenk, eine Gabe (heute ist die Bedeutung noch in Mitgift enthalten). Erst in späterer Zeit wurde das Wort für eine todbringende Gabe verwendet (in der englischen Sprache steht "gift" heute noch für "Geschenk").

Bedeutungsverschiebung

5.Vom Besonderen zum Allgemeinen: mhd. "hüebsch" hatte damals die Bedeutung "hofgemäß, gesittet", heutzutage hat es eine allgemeinere Bedeutung.

6. Vom Allgemeinen zum Besonderen: mhd "berillus, berille" bezeichnete das Material, aus dem Brillen hergestellt wurden (Beryll), im Nhd wird der Name des Stoffes zum Namen des Gegenstandes.

7. Modusverschiebung: Das ahd. Wort "bald" war ein Adjektiv mit der Bedeutung "kühn", erhalten ist das noch in nhd Wörtern wie "Raufbold", das nhd. "bald" jedoch hat einen anderen Modus (Adverb) und eine temporale Bedeutung

Althochdeutsch

Hauptartikel: Althochdeutsch

Geschichte

Um 500 n. Chr. wurde aus den südlichen westgermanischen Dialekten die althochdeutsche Sprache. Das Althochdeutsche war eine Gruppe nahe verwandter Dialekte; da es im frühen Mittelalter keine einheitliche Schriftsprache gab, lassen sich die überlieferten Textzeugnisse den einzelnen Dialekten zuweisen, so dass man oft treffender von Altfränkisch, Altbairisch, Altalemannisch etc. spricht. Der älteste Beleg für das Wort "deutsch" in der mittellateinischen Form theodiscus stammt aus dem Jahre 786 n.Chr. Der wohl älteste handschriftliche Beleg der althochdeutschen Frühform thiutisce für das heutige Wort "deutsch" stammt aus dem 2. Viertel des 9. Jahrhunderts. (Siehe Hauptartikel Althochdeutsch) Das Wort theodiscus bedeutet "in der Volkssprache"; thiutisce bedeutet: "zu deutsch".

Grammatik

Das Althochdeutsche ist eine synthetische Sprache. Das Substantiv hat vier Fälle. Man unterscheidet zwischen einer starken (vokalischen) und einer schwachen (konsonantischen) Deklination. Auch beim Artikel wird entsprechend differenziert. Die Zahl der schwachen Verben war zu jeder Zeit höher als die der starken Verben, aber die zweite Gruppe war im Althochdeutschen deutlich umfangreicher als heute.

Phonologie

Die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Althochdeutschen und anderen germanischen Dialekten werden durch die hochdeutsche Lautverschiebung beschrieben. Ihre Grenze verläuft von West nach Ost, mehr oder weniger am Mittelgebirgsrand; sie wird als Benrather Linie bezeichnet.

Die hochdeutsche Lautverschiebung betrifft das System der Konsonanten. Typische Kennwörter sind hochdeutsch das, wasser, schlafen, machen, ich vs. niederdeutsch (bzw. englisch) dat (that), water, slapen (sleep), maken (make), ik.

Mittelhochdeutsch

Hauptartikel: Mittelhochdeutsch

Geschichte

Im Zusammenhang mit der politischen Situation ging im 10. Jahrhundert die Schriftlichkeit im allgemeinen und die Produktion deutschsprachiger Texte im besonderen zurück; eine Neueinsetzung einer deutschsprachigen Schriftlichkeit und Literatur ist ab etwa 1050 zu beobachten. Da sich die schriftliche Überlieferung des 11. Jahrhunderts in lautlicher Hinsicht deutlich von der älteren Überlieferung unterscheidet, bezeichnet man die Sprache ab etwa 1050 als Mittelhochdeutsch.

Phonologie

Das Mittelhochdeutsche unterscheidet sich vom Althochdeutschen insbesondere durch die Neben- bzw. Endsilbenabschwächung. Vom Neuhochdeutschen ist das Mittelhochdeutsche vor allem durch den Vokalismus der Stammsilben unterschieden; anders als das Neuhochdeutsche weist das Mittelhochdeutsche Kurzvokale in offener Tonsilbe auf, die zum Neuhochdeutschen hin durch die Dehnung in offener Tonsilbe beseitigt worden sind.

Frühneuhochdeutsch

Hauptartikel: Frühneuhochdeutsch

Geschichte

Die Periode der frühneuhochdeutschen Sprache wird ungefähr von 1350 bis 1650 angesetzt. Das bekannteste Textzeugnis dieser Sprachstufe ist Luthers Bibelübersetzung von 1545. Als Martin Luther die Bibel übersetzte, basierte die Sprache seiner Bibelübersetzung auf der meißnischen Kanzleisprache, einer Ausgleichsprache aus spätmittelalterlichen ostoberdeutschen (Mainfränkisch) und ostmitteldeutschen (Thüringisch-Obersächsisch) Dialekten.

Grammatik

Das Frühneuhochdeutsche behielt, wenn es geschrieben wurde, einen großen Teil der mittelhochdeutschen Grammatik bei, während die Sprache des Volkes bereits das Präteritum und den Genitiv zu verlieren begann, ein Phänomen, das sich heute sehr gut in Süddeutschland beobachten lässt. Es dauerte jedoch noch bis ins 18. Jahrhundert, bis sich eine einheitliche Schriftsprache herausbilden sollte, was das Ende der frühneuhochdeutschen Periode bedeutete.

Phonologie

Das Frühneuhochdeutsche ist von einer Reihe von Lautwandlungsprozessen gekennzeichnet, die das Mittelhochdeutsche vom Neuhochdeutschen abgrenzen und die im Frühneuhochdeutschen bereits begonnen hatten, aber noch nicht abgeschlossen waren. (Dazu gehören z.B. die sog. "Dehnung in offener Tonsilbe", die "Neuhochdeutsche Monophthongierung" und die "Neuhochdeutsche Diphthongierung".) So beginnt man in dieser Zeit zum Beispiel, das "ei", das im Mittelhochdeutschen noch [ei] ausgesprochen wurde (ähnlich dem "ay" im englischen "to say"), als [ai] auszusprechen, und "sl" wird zu "schl" (z.B. "slafen" zu "schlafen").

Neuhochdeutsch

Hauptartikel: Deutsche Sprache

Geschichte

Bis 1800 (in vielen kleineren Gemeinden und ländlichen Gebieten auch bis nach dem zweiten Weltkrieg) war Hochdeutsch fast nur eine Schriftsprache. In dieser Zeit sprach man in Norddeutschland nur niederdeutsche (plattdeutsche) Dialekte und lernte Hochdeutsch (fast) wie eine Fremdsprache. Man versuchte also eine Aussprache, die möglichst nahe an der hochdeutschen Schriftsprache lag.

Bedingt durch ihre großen Unterschiede zur hochdeutschen Schriftsprache sind die niederdeutschen Dialekte in Norddeutschland heute weitgehend verschwunden; in Norddeutschland wird hauptsächlich eine Umgangssprache auf hochdeutscher Grundlage gesprochen. Viele Sprachlehrbücher für ausländische Schüler orientieren sich - beeinflusst durch das Aussprachewörterbuch von Siebs - bei Erklärungen der hochdeutschen Aussprache an der Aussprache im Norden. Die Aussprache im süddeutschen Sprachraum (Bayern, Baden-Württemberg, Österreich, Südtirol, Liechtenstein und der Schweiz) weicht davon z.T. deutlich ab.

Heute wird weitgehend anerkannt, dass es im Bereich der Aussprache des Hochdeutschen (Orthoepie) einige gleichberechtigte regionale Varianten gibt.

Grammatik

Hauptartikel: Deutsche Grammatik

Die deutsche Sprache ist eine flektierende Sprache, d. h. die grammatischen Beziehungen zwischen den Wörtern werden mit Hilfe von Affixen und teilweise durch Wurzelflexion ausgedrückt. Dadurch ist ein im Vergleich zu nicht flektierenden Sprachen sehr flexibler Satzbau möglich. Deutsch zeichnet sich durch eine besonders flexible Wortbildungsfähigkeit aus. Es ist möglich, spontan Wörter zu bilden, die folglich in keinem Wörterbuch stehen, aber sofort von jedem verstanden werden.

Literatur

  • Peter von Polenz: Geschichte der deutschen Sprache 9. Auflage, Berlin, New York: de Gruyter, 1987 (Sammlung Göschen 2206) ISBN: 3-11-007998-4

Siehe auch

Weblinks


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