Geschäftsführerhaftung

Geschäftsführerhaftung

Unter Geschäftsführer-Haftung ist die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für seine Pflichtverletzungen zu verstehen.

Der Hauptzweck der Gründung einer GmbH liegt darin, die direkte Haftung mit dem persönlichen Vermögen auf das in die GmbH Eingezahlte zu beschränken, daher auch die Bezeichnung der Gesellschaftsform. Der Gesellschafter, der die Stammeinlage wirksam geleistet hat, kann von den Gläubigern grundsätzlich nicht für die Schulden der Gesellschaft in Anspruch genommen werden. Dieser Grundsatz erfährt einige - in der letzten Zeit von der Rechtsprechung immer stärker betonte - Ausnahmen. Auch ist zu unterscheiden zwischen Schulden der GmbH und eigenen Schulden, die dem Gesellschafter etwa durch persönliche Einmischung in Vertragsverhandlungen der GmbH mit Dritten entstehen können (vgl. § 311 Abs. 3 BGB). Allerdings sind solche Ansprüche praktisch sehr schwer durchsetzbar.

Die beschränkte Haftung der Gesellschafter hilft allerdings dem Geschäftsführer (s. auch unten zum sog. faktischen Geschäftsführer) nicht weiter, da für ihn ganz andere Pflichten und damit auch Haftungsgrundsätze gelten. Während der Gesellschafter sich aus den Geschäften der GmbH weitestgehend heraushalten kann, ist der Geschäftsführer das Organ der Gesellschaft, dem eben die Führung der Geschäfte obliegt. Bei der Erfüllung dieser Pflicht hat der Geschäftsführer die "Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden", § 43 Abs. 1 GmbHG. Das GmbHG enthält an mehreren Stellen Konkretisierungen dieser Pflicht, die aber nicht abschließend sind. Allerdings haftet der Geschäftsführer für Verletzungen dieser Pflichten grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber, § 43 Abs. 2 GmbHG. Er kann also insoweit nicht von Gläubigern der Gesellschaft in Anspruch genommen werden. Diese haben sich vielmehr an die Gesellschaft zu halten.

Wichtige Ausnahmen von diesem Grundsatz finden sich in §§ 266a, 14 StGB, §§ 69, 34 Abgabenordnung (AO) sowie in § 15a InsO (bisher § 64 Abs. 1 GmbHG). Die ersten beiden Ausnahmen betreffen die öffentlichen Kassen. Die Geschäftsführer haften für die Abführung von bestimmten Sozialversicherungsbeiträgen (dort ist vor allem zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen zu unterscheiden) und Steuern persönlich über die zivilrechtliche Bestimmung des § 823 Abs. 2 BGB. § 15a(bisher § 64 Abs. 1 GmbHG) betrifft die Spezialhaftung für die Verletzung der Insolvenzantragspflicht. Teilweise - soweit es sich bei dem Schaden um einen Gesamtschaden handelt - wird diese Haftung allerdings vom Insolvenzverwalter geltend gemacht, § 92 InsO. Die besagten Ausnahmen führen zum Teil zu Pflichtenkollisionen, die Gegenstand umfangreicher Rechtsprechung sind. Gemäß dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) führt die verspätete Insolvenzanzeige sowie die unrichtige Insolvenzanzeige zu einem Haftungsanspruch gegenüber den Geschäftsführern.

Dem Geschäftsführer hilft allerdings der Grundsatz, dass er nur der Gesellschaft haftet, allenfalls solange weiter, wie die Gesellschaft ihre Schulden - die gegebenenfalls auf Pflichtverletzungen des Geschäftsführers beruhen - bezahlen kann. Spätestens wenn die Gesellschaft es nicht mehr kann, sie also insolvent wird, wird sie den Geschäftsführer in Regress nehmen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Geschäftsführer nämlich seine Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis (§ 80 InsO), die dann vom Insolvenzverwalter wahrgenommen werden. Dazu gehört auch, dass der Insolvenzverwalter den Geschäftsführer wegen der Verletzung seiner Pflichten in Anspruch nimmt und erforderlichenfalls verklagt.

Schon gar nicht kann sich der Gesellschafter auf seine beschränkte Haftung (§ 13 GmbHG) berufen, wenn er zugleich Geschäftsführer ist und aus den soeben dargestellten Gründen in Anspruch genommen wird. Die sehr weit verbreitete Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer-GmbH bedeutet für die Gläubiger durchaus kein unüberwindbares Hindernis bei der Inanspruchnahme des Handelnden. Zwar wird der Alleingesellschafter-Geschäftsführer nur selten gewillt sein, sein eigenes Vermögen freiwillig für die GmbH-Schulden zu verwenden. Doch wird er spätestens vom Insolvenzverwalter dazu gezwungen, sofern er sich in seiner Rolle als Geschäftsführer pflichtwidrig (s.o.) verhalten hat. Die Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter kann auch nicht durch die Nichtstellung des Insolvenzantrages vermieden werden, denn auch die Gläubiger sind zum Antrag berechtigt, § 14 InsO. Zudem verschärft sich die Haftung zusätzlich, auch kommt die Strafbarkeit gem. § 84 GmbHG hinzu. Im Normalfall werden bei Ersttätern Geldstrafen zwischen 150 und 250 Tagessätzen verhängt, das kann jedoch von Fall zu Fall stark variieren.

Die Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter bleibt nur dann aus, wenn die Kosten des Insolvenzverfahrens nicht durch die vorhandene Masse gedeckt sind. Zu bedenken ist dabei aber zum einen, dass die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer auch zur Masse gehören. Zum anderen kann es auch vorkommen, dass ein Gläubiger die Kosten vorschießt. Schließlich können Gläubiger auf das Vermögen des Geschäftsführers auch ohne ein Insolvenzverfahren zugreifen. Sie haben zwar grundsätzlich nur Ansprüche der Gesellschaft. Wenn sie wegen diesen Ansprüchen in das Vermögen der Gesellschaft vollstrecken, können sie Gegenstände der Gesellschaft pfänden. Und zu diesen Gegenständen gehören auch die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer, § 43 Abs. 2 GmbHG. Die Gläubiger können sich diese Ansprüche daher zur Einziehung überweisen lassen.

Auch der Verzicht der Gesellschaft auf die Ansprüche gegen den Geschäftsführer ist nicht unangreifbar. Zum einen gilt schon das - freilich abdingbare - Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB. Zum anderen kann ein solcher Verzicht wegen seiner gläubigerbenachteiligenden Wirkung der (Insolvenz-) Anfechtung unterliegen.

Inhaltsverzeichnis

Strafrechtliche Haftung

Eine Verletzung der Antragspflicht wird als Insolvenzverschleppung nach § 84 bei vorsätzlicher Begehung (d. h. bei Kenntnis eines Insolvenzgrundes, vgl. dazu § 17 Zahlungsunfähigkeit, § 18 Drohende Zahlungsunfähigkeit und § 19 InsO Überschuldung) mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Unkenntnis der geschäftlichen Lage widerspricht den Sorgfaltspflichten des Geschäftsführers, eine Straffreiheit bei solch fahrlässigem Handeln kann nicht beansprucht werden, § 84 Abs. 2 GmbHG.

Bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit kann sich der Geschäftsführer als Kaufmann mit dem Bankrott nach § 283 StGB strafbar machen, wenn er in verschiedenen, definierten Fällen den Gepflogenheiten eines ordentlichen Kaufmanns zuwider handelt. Es droht Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren. Über § 14 StGB Handeln für einen anderen fällt der Geschäftsführer als Organ der GmbH unter diese Regelungen. Insbesondere die Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Buchführung stellt hierbei den oftmals einzig beweisbaren, strafrechtlich relevanten Verstoß dar, wenn ein Verdacht auf Bankrott (§ 283 StGB) oder Untreue (§ 266 StGB) sich nicht beweisen lässt. Die Beweisbarkeit stellt die Strafverfolgungsbehörden regelmäßig vor große Schwierigkeiten.

Auch die Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB kann sich für den Geschäftsführer als besonderes Problem darstellen. Schließlich muss nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit nicht unbedingt ausschließlich Gesellschafterinteressen nachgekommen werden, um mit Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren bedroht zu werden, sondern gerade in Verbindung mit steuerrechtlichen Aspekten ergibt sich ein echtes Dilemma: Der Geschäftsführer muss genau prüfen, ob er etwa die Umsatzsteuer in voller Höhe an das Finanzamt abführt und sich damit dem Vorwurf der Gläubigerbevorzugung aussetzt.

Als letzter Punkt sei an dieser Stelle Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt § 266a StGB erwähnt. Die Nichtzahlung der Sozialversicherungsabgaben wird mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe bestraft. Gerade in einer Liquiditätskrise werden häufig nur die Nettolöhne an die Arbeitnehmer rechtzeitig, Arbeitnehmerbeiträge jedoch verspätet bzw. gar nicht gezahlt. Daraus ergeben sich schwer abwägbare zivilrechtliche Haftungsfragen.

BGH: Haftung des „faktischen Geschäftsführers“

Das Rechtsinstrument des so genannten „faktischen Geschäftsführers“ kann eine Haftungsverantwortlichkeit von Personen begründen, die nicht Geschäftsführer einer Gesellschaft sind, aber dennoch wesentliche Einflussnahmen auf die Geschäftsführung ausüben. Zu denken ist hier beispielsweise an eine wesentliche Einflussnahme von Gesellschaftern, Beiratsvorsitzenden, Organen eines Mutterunterkonzerns oder von Geldgebern eingesetzten Sanierern. Handelt ein solcher Dritter faktisch wie ein Geschäftsführer, so kann er sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten haben.

Neben einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit kann ein „faktischer Geschäftsführer“ insbesondere auch persönlich in Anspruch genommen werden (z. B. kann der „faktische Geschäftsführer“ bei Insolvenzverschleppung persönlich gegenüber den Gläubigern haften).

Welche Voraussetzungen dazu vorliegen müssen, wurde jüngst in einer Entscheidung des BGH (vom 27. Juni 2005) weiter herausgearbeitet.

Der BGH führt in seiner Begründung aus, dass es für eine Haftung nicht erforderlich ist, dass der Handelnde die eigentliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Der eigentliche Geschäftsführer kann sogar zu einem „reinen Befehlsempfänger degradiert worden sein“. Entscheidend sei vielmehr, dass

„der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit [des Geschäftsführers] nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat.“

Demnach kann ein Dritter aus einer Haftung als „faktischer Geschäftsführer“ nur in Anspruch genommen werden, wenn sich seine Einflussnahme in einer Außenwirkung manifestiert. Als Beispiel hierzu nennt der BGH eine Abbuchung aus Konten der GmbH „per Hand“ durch den Einfluss nehmenden Dritten.

Mit dieser Entscheidung dürfte aber feststehen, dass eine rein interne Einflussnahme (wie z. B. Berichtspflichten, Preisfestsetzung, Genehmigungsvorbehalte, Buchführungsrechte oder Controlling) keine Haftung begründet.

Die Bedeutung für den Geschäftsführer

Der Geschäftsführer einer GmbH in der Krise sollte sich spätestens zu Beginn der Tätigkeit rechtlich genau beraten lassen. Insbesondere die Nicht-Feststellung eines Insolvenzgrundes sollte von unabhängiger Seite überprüft werden. Der Geschäftsführer sollte auch in der Krise die Beachtung seiner Pflichten genau dokumentieren; die widersprüchlichen Anforderungen hinsichtlich Steuerzahlungen und Gläubigerbegünstigung erfordern besonnenes Handeln.

Bei Nichtbeachtung drohen erhebliche strafrechtliche Konsequenzen und finanzielle Gefahren durch eigene Haftung. Diese Risiken sollten unbedingt beachtet werden, wenn sich der Geschäftsführer für die Unternehmensrettung einsetzt.

Diese Geschäftsführer-Haftung kann auch nicht durch die Beendigung des Amtes als Geschäftsführer oder den Verkauf der GmbH vermieden werden.

Absicherung

Die Geschäftsführerhaftung kann - zumindest teilweise - durch eine sog. D&O-Versicherung abgesichert werden.

Empfehlenswerte Literatur

  • Hoffmann, Dietrich / Liebs, Rüdiger, Der GmbH-Geschäftsführer: Handbuch für die Praxis des Unternehmers und Managers, 2. Auflage, 2000
  • Jula, Rocco, Der GmbH-Geschäftsführer, 3. Auflage, 2009
  • Krieger, Gerd / Schneider, Uwe. H, Handbuch Managerhaftung - Risikobereiche und Haftungsfolgen für Vorstand, Geschäftsführer, Aufsichtsrat, 2007
  • Meyke, Rolf, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 5. Auflage, 2007
  • Sikora, Karl, Der GmbH-Geschäftsführer in der Unternehmenskrise - Pflichten und Haftungsrisiken bis zum Stadium des hälftigen Stammkapitalverlusts, NWB 2007, 1165-1182
  • Sikora, Karl, Der GmbH-Geschäftsführer in der Unternehmenskrise - Pflichten und Haftungsrisiken im Stadium der materiellen Insolvenz, NWB 2007, 2583-2602
  • Weber, Robert / Brügel, Florian, Die Haftung des Managements in der Unternehmenskrise: Insolvenz, Kapitalerhaltung und existenzvernichtender Eingriff, DB 2004, 1923-1928

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