Gesellschaft für elektrische Unternehmungen

Gesellschaft für elektrische Unternehmungen
Gesellschaft für elektrische Unternehmungen
Rechtsform Aktiengesellschaft
Gründung 1894
Auflösung 1942/43
(aufgegangen in AEG)
Sitz Berlin
Leitung Isidor Loewe (Gründer),
Oskar Oliven (Direktor)
Branche Elektrotechnik
Energieversorgung

Die Gesellschaft für elektrische Unternehmungen (abgekürzt Gesfürel) ist eine ehemalige Beteiligungsgesellschaft, die in der Frühzeit der Elektrifizierung Deutschlands um 1900 als Kapitalgeber für die Gründung und den Ausbau zahlreicher Elektrizitätsversorger, elektrischer Bahngesellschaften und andere Unternehmen der Elektroindustrie wirkte.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Die Gesfürel ist eine typische Finanzierungsgesellschaft der deutschen Elektroindustrie des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Wegen des großen Kapitalbedarfes und des hohen unternehmerischen Risikos in dieser Phase der Industrialisierung gründeten einige große Industrieunternehmen in Verbindung mit Banken und anderen Geldgebern Tochtergesellschaften ohne operatives Geschäft, die ausschließlich der Beteiligung an anderen Unternehmen (meist über Obligationen) dienten.[1][2][3] So gründete z. B. die AEG 1895 die Bank für elektrische Unternehmungen („Elektrobank“) und die Elektrizitäts-Lieferungs-Gesellschaft (ELG). Die Elektrizitäts-AG vormals Schuckert & Co. gründete 1894 die Rheinische Schuckert-Gesellschaft für elektrische Industrie AG und 1895 die Continentale Gesellschaft für elektrische Unternehmungen („Continentale“).

Geschichte

Das Unternehmen wurde 1894 vom deutsch-jüdischen Unternehmer Isidor Loewe, dem Bruder von Ludwig Loewe, zusammen mit der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) und mehreren Banken (Darmstädter Bank, Disconto-Gesellschaft, Dresdner Bank, Privatbanken Born & Busse und S. Bleichröder)[4] gegründet. Loewe erkannte früh die Bedeutung der elektrischen Energie für die industrielle Entwicklung und das darin verborgene geschäftliche Potential.

Langjähriger Direktor der Gesfürel war Oskar Oliven, der Schwiegersohn des Gründers.

1929 wurde die Gesfürel mit dem Schwesterunternehmen Ludwig Loewe & Co. und der AG für Gas-, Wasser- und Elektricitäts-Anlagen (Agewa) zur Gesellschaft für elektrische Unternehmungen Ludwig Loewe & Co. verschmolzen.[5]

1930 beteiligte sich die Gesfürel an der Stützung der angeschlagenen AEG, indem sie im Rahmen einer Kapitalerhöhung AEG-Aktien für 25 Mio. Mark kaufte. Danach entsandten beide Unternehmen wechselseitig Vertreter in den Aufsichtsrat.

Unter dem Druck der nationalsozialistischen Regierung wurde der Vertrag zwischen der Gesfürel und AEG 1936 rückgängig gemacht. Im weiteren Verlauf wurde die Gesfürel „arisiert“, die jüdische Familie Loewe wurde aus der Geschäftsführung gedrängt und der Namenszusatz Ludwig Loewe & Co wurde wieder gestrichen.[6][7] Die Loewes emigrierten in die USA und wurden 1938 von den Nazis enteignet.[8]

1942/43 wurden die Gesfürel mit der AEG verschmolzen.[9][10]

Beteiligungen

Die Gesfürel finanzierte unter anderem die folgenden Unternehmungen:

Kraftwerke und Elektrizitätsversorger:

  • Elektrizitätswerk Südwest AG, Berlin-Schöneberg, 1899
  • Kraftwerk Bannwil / Elektrizitätswerk Wangen (Schweiz), 1898 / 1903
  • Neckarwerke AG, Esslingen, 1906
  • Amperwerke AG, München, 1908
  • Elektricitätswerk Schlesien AG, Breslau, 1909
  • Niedersächsische Kraftwerke AG (Nike), Ibbenbüren, 1912
  • Elektrizitätswerk Westerwald, 1913
  • Rheinkraftwerk Laufenburg (Schweiz)
  • Gas- und Elektrizitätswerk Singen, 1930 (Übernahme von der Agewa)

Elektrische Bahngesellschaften:

Sonstige:

Einzelnachweise

  1. Gerald Spindler: Recht und Konzern: Interdependenzen der Rechts- und Unternehmensentwicklung in Deutschland und den USA zwischen 1870 und 1933 Mohr Siebeck, 1993, ISBN 3-16-146123-1
  2. Hans Pohl: Wirtschaft, Unternehmen, Kreditwesen, soziale Probleme: ausgewählte Aufsätze. Franz Steiner Verlag, 2005, ISBN 3-515-08583-1
  3. Eckhard Wandel: Banken und Versicherungen im 19. und 20. Jahrhundert. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1998, ISBN 3-486-55072-1
  4. Michael Dorrmann: Eduard Arnhold (1849–1925): Eine biographische Studie zu Unternehmer- und Mäzenatentum im Deutschen Kaiserreich. Akademie Verlag, 2002, ISBN 3-05-003748-2, 413 Seiten
  5. Gesellschaft für Elektrische Unternehmungen auf reichsbankaktien.de (Achtung, in dieser Quelle wird Ludwig Loewe & Co. am Ende mit der Loewe AG verwechselt!)
  6. Maren Janetzko. Besprechung von: Christof Biggeleben, Beate Schreiber, Kilian J.L.Steiner: „Arisierung“ in Berlin and Gibas. Cornelia Briel, Petra Knöller: „Arisierung“ in Leipzig: Annäherung an ein lange verdrängtes Kapitel der Stadtgeschichte der Jahre 1933 bis 1945. H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews. February, 2008.
  7. Gerichtsurteil von 2004 zum Rückerstattungsverfahren Gesellschaft für Elektrische Unternehmungen Ludwig Loewe & Co. A.G. (PDF, englisch)
  8. Robin Detje: Was unterm Schlussstrich bleibt. In: Die Zeit, Nr. 3/2004.
  9. AEG Firmengeschichte auf gerdflaig.de
  10. Ludwig Loewe & Co. AG Firmenchronik auf albert-gieseler.de
  11. 1868-2001: Die Geschichte der Stuttgarter Straßenbahnen (PDF) auf ssb-ag.de

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