Alexander Ruzkoi

Alexander Ruzkoi
Alexander Ruzkoi bei einer Pressekonferenz, Foto: Mikhail Evstafiev

Alexander Wladimirowitsch Ruzkoi (russisch Александр Владимирович Руцкой; * 16. September 1947 in Proskuriw, Ukraine) ist ein russischer Offizier und Politiker. Er war von 1991 bis 1993 unter Boris Jelzin russischer Vizepräsident und wurde während der russischen Verfassungskrise 1993 für wenige Tage vom aufgelösten Parlament zum amtierenden Präsidenten anstelle Jelzins gewählt.

Inhaltsverzeichnis

Militär

Nach der Schule 1965 schloss Ruzkoi 1971 die Hochschule für Militärflieger Werschinin in Barnaul, danach als Offizier 1979 die Militärakademie der Luftstreitkräfte „J. A. Gagarin“, und zuletzt 1990 die Akademie des Generalstabes in Moskau ab. Von 1981 bis 1985 war er bei den Luftstreitkräften Chef des Zentrums der Militärausbildung. Von 1985 bis 1986 flog Ruzkoi als Kommandant eines Kampfbombers 438 Einsätze im Afghanistankrieg, wurde zweimal abgeschossen und dabei schwer verwundet. Bei dem Abschuss am 4. August 1988 drang er nachts mit seiner Su-25 in pakistanischen Luftraum ein und wurde von Major Bukhari von der pakistanischen Luftwaffe in dessen F-16 abgeschossen. Ruzkoi wurde mit dem Titel Held der Sowjetunion geehrt. Als Oberst verließ Ruzkoi den aktiven Dienst und wechselte als Anhänger Jelzins in die Politik.

Politik

Ruzkoi errang 1990 ein Mandat für den russischen Kongress der Volksdeputierten, wurde Fraktionsführer der jelzintreuen "Kommunisten für die Demokratie" (später Volkspartei des freien Russland) im Obersten Sowjet Russlands. Er war entscheidend daran beteiligt, dass der Kongress für eine Direktwahl eines russischen Präsidenten durch das russische Volk stimmte. Boris Jelzin holte den verdienten Militär im Präsidentschaftswahlkampf 1991 als Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten nach Moskau. Ruzkoi war vom 10. Juli 1991 bis zum 1. September 1993 der erste frei gewählte Vizepräsident Russlands.

Augustputsch

Während des Augustputsches in Moskau organisierte Ruzkoi an der Seite Jelzins und des Moskauer Bürgermeisters Popow die Verteidigung des Weißen Hauses, dem Sitz des Obersten Sowjets. Als der Putsch fehlgeschlagen war, flog Ruzkoi mit dem (letzten) Premierminister der Sowjetunion Iwan Silajew auf die Krim um den internierten sowjetischen Präsidenten Gorbatschow zu befreien. Das Amt des russischen Präsidenten ging aus dem Putschversuch gestärkt hervor, das Amt des sowjetischen Präsidenten geschwächt. Ruzkoi wurde am 24. August zum Generalmajor befördert. Der Augustputsch war ein Versuch die alte Sowjetunion zu retten. Jelzin und Vertreter der Sowjetrepubliken beschlossen die Auflösung der Sowjetunion zum 31. Dezember 1991. Seit der Auflösung der Sowjetunion befand sich Ruzkoi im Gegensatz zu Jelzin.

Wirtschaftsreformen

Nach der Wirtschaftskrise in Russland Mitte 1992 (Inflation 2.500%) geriet Ruzkoi immer öfter in Streit mit Jelzin. Ruzkoi war wie der Parlamentspräsident Chasbulatow nicht mit den radikalen Wirtschaftsreformen des Jelzin-Schützlings und Premierministers Gaidar einverstanden. 1993 setzte Jelzin ein Volksreferendum zur Wirtschaftspolitik des Präsidenten im Volksdeputiertenkongress durch, wobei Ruzkoi Jelzin zum ersten Mal die Gefolgschaft verweigerte. Kurz vor dem Referendum beschuldige Ruzkoi Jelzin der Korruption, woraufhin Ruzkoi selbst der Korruption beschuldigt und angeklagt wurde. Durch das Bündnis zwischen Chasbulatow und Ruzkoi wurde die Arbeit im russischen Parlament immer mehr behindert.

Verfassungskrise 1993

Jelzin gewann das Volksreferendum mit 58,1% und legte Ruzkoi den Rücktritt nahe. Er entzog Ruzkoi Befugnisse als Vizepräsident und enthob ihn schließlich wegen Korruption des Amtes. Ruzkoi bezeichnete das Vorgehen als verfassungswidrig. Der Oberste Sowjet und das Verfassungsgericht gaben Ruzkoi recht. Jelzin löste am 21. September den Obersten Sowjet und den Kongress der Volksdeputierten auf und kündigte für den 12. Dezember Neuwahlen, sowie eine Abstimmung über die von der Verfassungskonferenz neu entworfene Verfassung an. Chasbolatow, Ruzkoi und weitere 100 abgesetzte Deputierte des Volksdeputiertenkongresses sahen in der Auflösung einen Staatsstreich und widersetzen sich Jelzin. Sie erklärten Jelzin für abgesetzt, und ernannten den von Jelzin suspendierten Vizepräsidenten Ruzkoi zum amtierenden Präsidenten. Am 22. September leistete Rutzkoi den Präsidenteneid. Die 100 Deputierten verbarrikadierten sich am 3. Oktober im Weißen Haus in Moskau, dem Parlamentsgebäude. Jelzin ließ das Gebäude am 4. Oktober mit Panzergranaten beschießen und von der Eliteeinheit ALFA stürmen. Ruzkoi und Chasbulatow wurden unter dem Vorwurf des Hochverrats verhaftet und wegen Anstiftung zu Massenunruhen angeklagt. Bei Kämpfen in Moskau wurden mehr als 120 Menschen getötet.

Bei den Wahlen zur neu geschaffenen Duma errangen die Gegner Jelzins erneut die Mehrheit. Bereits am 26. Februar 1994 wurde, auf Antrag der nationalistischen LDPR unter Wladimir Schirinowski, gemeinsam mit den neu organisierten Kommunisten der KPRF, und gegen den Protest Jelzins, eine Amnestie der Putschisten des Augustputsches 1991 und der Verfassungskrise 1993 beschlossen.

Gouverneur

Ruzkoi arbeitete fortan mit jelzinkritischen Parteien wie der KPRF oder nationalistischen Organisationen zusammen. 1995 gründete er die nationalkommunistische Derschawa, die bei den russischen Parlamentswahlen jedoch erfolglos blieb. Bei den Wahlen zum Gouverneur der Oblast Kursk errang Ruzkoi 78,9% und wurde bis 2000 Gouverneur der Provinz mit Sitz im russischen Föderationsrat. Ruzkoi verschaffte seinen Brüdern und Söhnen lukrative Posten in Kursk, die diese teilweise wieder zurückgeben mussten. Bei den Gouverneurswahlen 2000 setzte sich der Kandidat des Kreml durch.

Alexander Ruzkoi ist verheiratet mit Ludmilla Alexandrowna. Seine beiden Söhne heißen Dimitri und Alexander.

Literatur

  • Jörg R. Mettke, Der vegetarische Wolf. In Kursk, am Schauplatz einer von den Deutschen verlorenen Schlacht, regiert heute ein General a. D., der auf die Deutschen hofft: Gouverneur Alexander Ruzkoi – der Mann, der 1993 gegen Jelzin putschte, Der Spiegel, 1, 1998, S.117–119
  • Der „Gegenpräsident“ – ein Luftwaffengeneral, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. September 1993, S.2

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