Giacomo Meyerbeer

Giacomo Meyerbeer
Giacomo Meyerbeer

Giacomo Meyerbeer (* 5. September 1791 in Tasdorf bei Berlin; † 2. Mai 1864 in Paris), eigentlich Jakob Liebmann Meyer Beer[1], war ein deutscher Komponist und Dirigent. Er war einer der erfolgreichsten Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts und gilt als Meister der französischen Grand opéra.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jakob Meyer Beer wurde als Sohn des jüdischen Zuckerproduzenten und Bankiers Jacob Herz Beer (1769–1825) und der Amalie („Malka“) Beer, einer Tochter des Liepmann Meyer Wulff in einem Reisewagen, mit dem seine Mutter von Berlin nach Frankfurt (Oder) unterwegs war, bei Tasdorf geboren.[2] Seine Brüder waren Wilhelm Beer (ein Geschäftsmann, der als Amateurastronom bekannt wurde) und Michael Beer (der als Schriftsteller bekannt wurde). Der dritte Bruder Heinrich Beer (1794–1842) war wohl das Sorgenkind der Familie und übte nie einen Beruf aus. Jakob wurde frühzeitig unter Leitung von Franz Seraphinus Lauska (1764–1825), zeitweilig auch von Muzio Clementi zum Pianisten ausgebildet und trat als solcher bereits im Alter von neun Jahren an die Öffentlichkeit. Seine späteren Kompositionsstudien leiteten der Kapellmeister B. A. Weber, Carl Friedrich Zelter und ab 1810 der Abbé Vogler in Darmstadt, wo Carl Maria von Weber sein Mitschüler war. Zu jener Zeit komponierte er kirchenmusikalische Werke verschiedener Art sowie eine Kantate: Gott und die Natur. Ab 1810 zog er die Namen Meyer und Beer zu einem Wort zusammen und nannte sich Meyerbeer. Im gleichen Jahr trat er der Gesellschaft der Freunde bei. Während der Studienzeit bei Zelter in Berlin war er auch Mitglied in der Sing-Akademie.

Zur dramatischen Komposition übergehend, welcher er fortan seine Kräfte widmete, schrieb er die Oper Jephthas Gelübde, die in München unter mäßigem Beifall zur Aufführung kam. Anfang 1813 ging er nach Wien und widmete sich hier zehn Monate lang musikalischen Studien bei Antonio Salieri. Auch seine zweite Oper Die beiden Kalifen hatte in Wien und Stuttgart nur geringen Erfolg. Meyerbeer ging 1814 nach Paris und Ende 1815 auf Anraten Salieris nach Italien, wo er in dem neuen, durch Gioacchino Rossini begründeten Opernstil für die dortige Bühne eine Reihe von Opern schrieb. In Deutschland bekannt wurden Emma di Resburgo, Margherita d'Anjou und Il crociato in Egitto (Der Kreuzritter in Ägypten), ohne jedoch einen durchgreifenden Erfolg zu haben. Die übrigen waren: Romilda e Costanza, La Semiramide riconosciuta, L’esule di Granada und Almansor.

Giacomo Meyerbeer, Lithografie von Josef Kriehuber, 1847

1824 nach Paris zurückgekehrt, verband er sich hier mit dem Dramatiker Eugène Scribe. Dieser Verbindung verdankte die Oper Robert le Diable (Robert der Teufel) ihre Entstehung, welche – 1831 uraufgeführt – in Frankreich mit einem bis dahin ganz unerhörten Beifall aufgenommen wurde und selbst die beiden gefeierten Meister jener Tage, Rossini und Auber, zeitweilig verdrängte. Das Sujet derselben ist in szenischer Hinsicht wirksam und bei genauer Kenntnis des Bühnenwesens mit außerordentlichem Geschick zusammengestellt. Die Musik steigert den Eindruck der Handlung; sie ist ungewöhnlich prägnant, melodiös ins Gehör fallend, sinnlich ansprechend und energisch erregend, oft charakteristisch und bezeichnend für die Situation, effektreich durch grelle, kontrastierende Instrumentalfarben.

Sein nächstes großes Werk war die ebenfalls von Eugène Scribe gedichtete, Anfang 1835 vollendete, aber erst am 29. Februar 1836 aufgeführte Oper Les Huguenots (Die Hugenotten), welche an Reichtum der musikalischen Erfindung, dramatischer Wirksamkeit und geschicktem Einsatz aller der französischen großen Oper zu Gebote stehenden Kunstmittel Robert le Diable noch übertrifft, und in Paris wie später in ganz Europa großes Aufsehen erregte.

1842 wurde Meyerbeer vom König von Preußen als Nachfolger Gaspare Spontinis zum Generalmusikdirektor ernannt mit der Verpflichtung, vier Monate im Jahr die Berliner Oper zu dirigieren; doch trug die Stellung in Wahrheit fast den Charakter eines Ehrenamtes. Auf das damit verbundene Gehalt von 4000 Talern verzichtete Meyerbeer zu Gunsten der Kapelle. Meyerbeer erhielt den Orden Pour le Mérite[3].

An Kompositionen folgten jetzt u. a. die Oper Ein Feldlager in Schlesien, zur Einweihung des Berliner Opernhauses geschrieben und 1844 zuerst aufgeführt; ferner die Musik zum Trauerspiel Struensee seines verstorbenen Bruders Michael Beer, sowie seine dritte große Oper Le prophète, die 1849 in Paris uraufgeführt wurde und ab 1850 auch auf den größeren deutschen Bühnen die Runde machte. In ihr ist bei allem individuellem Reichtum der Charakteristik gegen Robert der Teufel und Die Hugenotten ein Sinken der musikalisch schöpferischen Kraft des Komponisten unverkennbar, während das Aufgebot szenischer Mittel ungewöhnlichster Art überwiegend in den Vordergrund tritt.

Die letzten Arbeiten Meyerbeers, der von nun an abwechselnd in Berlin und Paris lebte, waren die Umarbeitung seines Feldlagers zu der für Paris bestimmten komischen Oper L'étoile du nord (1854) und eine zweite, hinsichtlich Stilreinheit wie Erfindung weniger bedeutende komische Oper Dinorah, ou le pardon de Ploermel (1859 uraufgeführt); ferner Gelegenheitsstücke, zu denen ihm Friedrich Schillers 100ster Geburtstag (Schillermarsch, 1859), die Krönung Wilhelms I. zum König von Preußen (Fackeltänze, 1861) und die Weltausstellung London 1862 (Festouvertüre) Anlässe boten.

Während er in Paris die Aufführung seiner bereits 20 Jahre zuvor vollendeten, aber immer zurückgehaltenen vierten großen Oper L'Africaine (Die Afrikanerin) vorbereitete, starb er plötzlich am 2. Mai 1864. Die Leiche wurde testamentarischer Bestimmung gemäß zur Bestattung auf dem jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee nach Berlin gebracht; in Paris wurde jedoch eine großartige Totenfeier veranstaltet. Ein Jahr später wurde die letztgenannte Oper unter Fétis' Leitung in Paris mit großem Aufwand aufgeführt und fand die glänzendste Aufnahme.

Meyerbeer war Mitglied der Freimaurerloge Les Frères Unis Inséperables in Paris.

Gesamtleistung

Meyerbeerdenkmal im belgischen Kurort Spa, den Meyerbeer oft besuchte

Die Opern Meyerbeers werden auch heute noch vereinzelt aufgeführt, ihre Anziehungskraft hat jedoch stark nachgelassen. Sie werden jedoch von Liebhabern geschätzt, namentlich Die Hugenotten, in denen die außerordentlichen Fähigkeiten des Komponisten, dramatische Wärme, unerschöpflicher Reichtum an charakteristischen Melodien, die Kunst, wirksam für die Singstimmen zu schreiben, und geistvolle Verwendung der Orchesterinstrumente zur Verdeutlichung der darzustellenden Charaktere und Situationen am entschiedensten hervortreten.

Dazu kommt noch seine Befähigung, sich den Kunstgeist der Musiknationen Deutschland, Italien und Frankreich anzueignen und zu einem eigenartigen Neuen zu verschmelzen, wie es die französische große Oper verlangt, deren wesentliches Merkmal eben jener Eklektizismus bildet. Gerade in den letzten Jahren wurde wiederholt aufgezeigt, wie eminent die Bedeutung Meyerbeers für die Weiterentwicklung der Großen Oper gewesen ist. Dadurch war er ein Vorbild für den jungen Richard Wagner (deutlich zu erkennen in Rienzi und Tannhäuser). Wagner stufte Meyerbeers Werk später jedoch als nur auf äußerlichen Effekt bedacht („Wirkung ohne Ursache“) geringer ein. Sein antisemitisches Pamphlet „Das Judenthum in der Musik“ zielte vor allem auf Meyerbeer.

Spott und Kritik erfuhr Meyerbeers musikalischer Stil aber auch von Heinrich Heine, Robert Schumann und Hector Berlioz. Letzterer schrieb über ihn: „Ich kann hier meinem musikalischen Glauben … nicht abschwören, einem Glauben, … dessen Apostel Gluck, Spontini, Mozart, Beethoven, Rossini (in Wilhelm Tell und der Barbier), Weber, Grétry, Méhul und so viele andere große Meister waren. Diese Abirrungen in der theatralischen Musik sind mir immer als die abscheulichsten Ketzereien vorgekommen und flößen mir tiefen Widerwillen ein.“

Nachlass

Grab Meyerbeers

Meyerbeer hinterließ ein fürstliches Vermögen, welches er, wie schon bei Lebzeiten so auch testamentarisch, zu freigebiger Unterstützung unbemittelter Kunstgenossen verwendete. In seinem Testament setzte Meyerbeer ein Legat von 10.000 Reichstalern aus (Meyerbeer-Stiftung), dessen Zinsen alle zwei Jahre an junge deutsche Komponisten zum Zweck eines Studienaufenthalts von je sechs Monaten in Italien, Paris, Wien, München und Dresden vergeben wurden. Zur Bewerbung um das Stipendium waren nur die Schüler der Königlichen Hochschule für Musik (Abteilung für Komposition), des Sternschen Konservatoriums, der Kullakschen Akademie in Berlin und die des Kölner Konservatoriums berechtigt. Die Bewerbung erfolgte durch die Komposition einer achtstimmigen doppelchörigen Vokalfuge, einer Ouvertüre für großes Orchester und einer dreistimmigen dramatischen Kantate mit Orchester.

Der größte Teil des schriftlichen Nachlasses von Giacomo Meyerbeer befindet sich in der Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin. Einiges befand sich bis 1987 noch im Staatlichen Institut für Musikforschung. Was bis dahin bereits im Besitz der Staatsbibliothek war, kehrte zum Großteil nicht aus kriegsbedingter Verlagerung zurück. Knapp dreißig Bände davon lagern gegenwärtig in der Biblioteka Jagiellonska in Kraków, der Rest gilt als verschollen bzw. verloren. Die Bibliothèque nationale de France hält ebenfalls etliche Autographe.

Familie

Giacomo Meyerbeer heiratete 1827 seine Cousine Minna Mosson (1804–1884). Sie hatten fünf Kinder:

Werke (Auswahl)

Opern
Andere Werke
  • Gott und die Natur, Lyrische Rhapsodie, Königliches Nationaltheater, Berlin 1811
  • Klarinettenquintett in Es-Dur, 1813
  • Gli Amori di Teolinda, dramatische Kantate, 1815
  • Fantasie für Klarinette und Streichquartett, wohl 1839
  • Pater noster für gemischten Chor, 1857
  • Festmarsch zu Schillers Geburtstag, 1859
  • Krönungsmarsch für 2 Orchester, zur Krönung Wilhelm I. von Preußen 1861
  • Festouverture zur Londoner Weltausstellung 1862
  • Vier Fackeltänze für königliche Hochzeiten
  • Lieder, u.a. Le chant du berger (mit Klarinette)
  • 91. Psalm (Trost in Sterbensgefahr) für achtstimmigen gemischten Chor 1853

Literatur (Auswahl)

  • Meyerbeer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 11, Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1892, ‎ S. 573.
  • Arnold Niggli: Meyerbeer, Giacomo. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 21, Duncker & Humblot, Leipzig 1885, S. 631–640.
  • Julius Kapp: Meyerbeer. 1920
  • Heinz Becker: Giacomo Meyerbeer in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek 1980, ISBN 3-499-50288-7.
  • Berndt W. Wessling: Meyerbeer. Wagners Beute – Heines Geisel. Droste, Düsseldorf 1984, ISBN 3-7700-0652-6.
  • Reiner Zimmermann: Giacomo Meyerbeer. Eine Biografie nach Dokumenten. Edition Parthas, Berlin 1991, ISBN 3-932529-23-5.
  • Anselm Gerhard: Die Verstädterung der Oper. Paris und das Musiktheater des 19. Jahrhunderts. Metzler, Stuttgart 1992, ISBN 3-476-00850-9.
  • Eugen Lennhoff, Oskar Posner, Dieter A. Binder: Internationales Freimaurerlexikon, Überarbeitete und erweiterte Neuauflage der Ausgabe von 1932, München 2003, 951 S., ISBN 3-7766-2161-3
  • Werner Michael Blumenthal: Die unsichtbare Mauer. Die dreihundertjährige Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie. 4. Aufl. Dtv, München 2004, ISBN 3-423-30788-9.
  • Giacomo Meyerbeer. Briefwechsel und Tagebücher, 8 Bände, Bd. 1 bis 4: hrsg. und kommentiert v. Heinz und Gudrund Becker, Bd. 5 bis 8: hrsg. u. kommentiert von Sabine Henze-Döhring, de Gruyter, Berlin 1960-2006, ISBN 978-3-11-002944-4, 978-3-11-006396-7, 978-3-11-004285-6, 978-3-11-009626-2, 978-3-11-014244-0, 978-3-11-017289-8, 978-3-11-018030-5, 978-3-11-019231-5
  • Michael Jahn: Giacomo Meyerbeers Opern in Wien von 1814 bis 1936, in: Jahrbuch des RISM-Österreich 2010. Verlag Der Apfel, Wien 2010, ISBN 978-3-85450-554-9, S. 119-228.

Weblinks

 Commons: Giacomo Meyerbeer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: „Eine Begegnung“ – (Eine Begegnung mit Meyerbeer) von C. Cressieux, in Die Gartenlaube (1872), Heft 13

Einzelnachweise

  1. NDR Info Zeitzeichen
  2. Porträt auf www.bad-bad.de. Abgerufen am 22. Juni 2010
  3. Welf Grombacher: Heimatloser Millionär. In: Märkische Oderzeitung vom 3./4. September 2011, S. 2
  4. Vgl. The Diaries of Giacomo Meyerbeer. 1791–1839. Fairleigh Dickinson Univ Press 1999, S. 186 f.

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