Gisela Elsner

Gisela Elsner

Gisela Elsner (* 2. Mai 1937 in Nürnberg; † 13. Mai 1992 in München) war eine deutsche Schriftstellerin.

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

Gisela Elsner stammte aus einer großbürgerlichen Familie und wuchs in Nürnberg-Erlenstegen auf; ihr Vater Richard Elsner war Direktor bei Siemens. Sie besuchte ein Realgymnasium in Nürnberg, wo sie 1957 ihr Abitur ablegte.

Bis 1959 studierte sie Philosophie, Germanistik und Theaterwissenschaften in Wien. Danach lebte sie als freie Schriftstellerin an verschiedenen Orten: am Starnberger See, in Frankfurt am Main, 1963 bis 1964 in Rom, 1964 bis 1970 in London, danach in Paris, Hamburg, New York und schließlich in München.

Am 30. August 1958 heiratete sie in Planegg bei München den Schriftsteller und Lektor Klaus Roehler; die Ehe wurde geschieden, nachdem Gisela Elsner ihren Ehemann und ihren dreijährigen Sohn Oskar verlassen hatte.

Gisela Elsner nahm 1962 und 1963 an Tagungen der Gruppe 47 teil, seit 1962 arbeitete sie in der Dortmunder Gruppe 61 mit, und seit 1971 war sie Mitglied des P.E.N.-Zentrums Deutschland.

Literarisches Werk

Gisela Elsner wurde gleich mit ihrem ersten Roman Die Riesenzwerge (1964), für den sie den „Prix Formentor“ erhielt, schlagartig bekannt. Ihr satirischer Blick auf die scheinheilige Welt der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft sorgte seinerzeit für viel Aufsehen. Die Riesenzwerge waren zeitweilig in Österreich als jugendgefährdend eingestuft.

Die erste Episode der Riesenzwerge, die Erzählung „Die Mahlzeit“, war bereits in einer Anthologie Hans Magnus Enzensbergers erschienen. Enzensberger gilt deshalb auch als Entdecker Elsners. Er prägte in der Einleitung seiner Anthologie die vielzitierte Charakterisierung Elsners als einer „Humoristin des Monströsen, das im Gewöhnlichen zum Vorschein kommt“.[1] Auch auf Tagungen der Gruppe 47 hatte Elsner 1962 und 1963 Kapitel aus den Riesenzwergen gelesen.

Insgesamt veröffentlichte Elsner zu Lebzeiten neun Romane, zwei Bände mit Erzählungen, einen Band mit Essays, drei Hörspiele und das Opernlibretto Friedenssaison. Die Rezeption ihres Werkes wurde vom Erfolg ihres Debüts überschattet, das gemeinhin als ihr wichtigstes Buch angesehen wird. 1991 warf Elsner ihrem Verlag, dem Rowohlt Verlag, öffentlich die „Verramschung“ ihres Werkes vor. Sie selbst sah sich innerhalb der bundesrepublikanischen Literatur „literarisch ghettoisiert“. Zugleich lehnte sie das Label „Frauenliteratur“ als diskriminierend ab.[2]

Mittlerweile bemüht sich die Hamburger Germanistin Christine Künzel um eine Wiederentdeckung der Autorin und Satirikerin Gisela Elsner, indem sie im Berliner Verbrecher Verlag eine Gesamtausgabe herausgibt.

Politischer Standpunkt

Gisela Elsner litt ihr Leben lang unter dem Zwiespalt zwischen ihrer bürgerlichen Herkunft und ihrer radikalen Opposition gegen alles Bürgerliche. Die drückte sie in einem in der Parteizeitung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) im Februar 1978 abgedruckten Gespräch mit dem Dramatiker Franz Xaver Kroetz so drastisch wie möglich aus:

„Im Grunde kotzen mich Schriftsteller an, die nicht von der Idee wegkommen, ein Außenseiter oder Prophet zu sein, und das, was sie als ihre individuelle Freiheit bezeichnen, gegen die kollektive Freiheit auszuspielen versuchen, die sich an der Gemeinschaft vergehen.“

Gisela Elsner sympathisierte vehement mit dem DDR-Sozialismus, wurde Mitglied der DKP, aus der sie angesichts vermuteter reformerischer Tendenzen im Juni 1989 austrat. Im Oktober 1989 wurde sie erneut Mitglied und hielt auch nach dem Untergang der DDR an ihren kommunistischen Überzeugungen fest.

Eine Mischung aus persönlichen Problemen, literarischer Erfolglosigkeit und politischer Perspektivlosigkeit führten zur völligen Isolation in ihrer Schwabinger Wohnung in der Giselastraße 4 und am 13. Mai 1992 schließlich zu ihrem Suizid durch Sprung aus einem Fenster im 4. Stock der Privatklinik Josephinum in München. Dort war sie am Vortag nach einem Zusammenbruch auf offener Straße eingeliefert worden.

Verfilmung

Über die Endphase ihres Lebens drehte Gisela Elsners Sohn Oskar Roehler im Jahr 2000 den Film Die Unberührbare mit Hannelore Elsner – die keine familiäre Beziehung zu Gisela Elsner hat – in der Hauptrolle.

Werke

  • Triboll, Olten [u.a.] 1956 (zusammen mit Klaus Roehler)
  • Die Riesenzwerge, Reinbek bei Hamburg 1964
  • Der Nachwuchs, Reinbek bei Hamburg 1968
  • Das Berührungsverbot, Reinbek bei Hamburg 1970
  • Herr Leiselheimer und weitere Versuche, die Wirklichkeit zu bewältigen, München [u.a.] 1973
  • Der Punktsieg, Reinbek bei Hamburg 1977
  • Die Zerreißprobe, Reinbek bei Hamburg 1980
  • Abseits, Reinbek bei Hamburg 1982
  • Die Zähmung, Reinbek bei Hamburg 1984
  • Das Windei, Reinbek bei Hamburg 1987
  • Friedenssaison, Hannover 1988 (Libretto; Musik: Christof Herzog)
  • Gefahrensphären, Wien [u.a.] 1988
  • Fliegeralarm, Wien [u.a.] 1989, 2009 erschien eine korrigierte Fassung, am Manuskript geprüft, im Rahmen der Werkausgabe des Verbrecher Verlags
  • Wespen im Schnee, Berlin 2001 (zusammen mit Klaus Roehler)
  • Heilig Blut, Berlin: Verbrecher Verlag 2007 (deutsche Erstveröffentlichung zum 70. Geburtstag). ISBN 978-3-935843-82-9
  • Otto, der Grossaktionär, Berlin: Verbrecher Verlag 2008 (nach einem unveröffentlichten Manuskript)

Auszeichnungen (Auswahl)

Literatur

  • Christine Flitner: Frauen in der Literaturkritik. Elfriede Jelinek und Gisela Elsner im Feuilleton der Bundesrepublik Deutschland. (= Frauen in der Literaturgeschichte, Bd. 3) Pfaffenweiler 1995.
  • Oskar Roehler: Die Unberührbare, Köln 2002
  • Dorothe Cremer: „Ihre Gebärden sind riesig, ihre Äußerungen winzig“. Zu Gisela Elsners Die Riesenzwerge; Schreibweise und soziale Realität der Adenauerzeit. Herbolzheim: Centaurus Verlag, 2003.
  • Martina Süess: Wenn Otto sich vertilgt. In: WOZ, 3. Juli 2008, Online-Version.
  • Christine Künzel (Hrsg.): Die letzte Kommunistin. Texte zu Gisela Elsner. (= konkret texte 49) Hamburg: konkret Literatur Verlag, 2009. ISBN 9783930786565

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans Magnus Enzensberger (Hrsg.): Vorzeichen - fünf neue deutsche Autoren. Frankfurt/M. 1962, S. 15.
  2. Gisela Elsner: Autorinnen im literarishen Ghetto. In: Kürbiskern 1983, H. 2, S. 136-144.



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