Gleiswechselbetrieb

Gleiswechselbetrieb

Zweigleisige Eisenbahnstrecken können im Gleiswechselbetrieb (GWB) betrieben werden, so dass beide Gleise in beiden Fahrtrichtungen gleichermaßen benutzt werden können. Damit verliert das Konzept vom richtungsbedingten Gleisbetrieb mit Gleis und Gegengleis zunehmend an Bedeutung.

Der erste einseitige Gleiswechselbetrieb in Deutschland wurde am 17. Oktober 1951 an der Bahnstrecke Bebra–Göttingen zwischen Bebra und Cornberg in Betrieb genommen.

Neue Schnellfahrstrecken werden von Beginn an für Gleiswechselbetrieb konzipiert. Altbaustrecken werden teilweise dazu ausgerüstet.

Inhaltsverzeichnis

Voraussetzungen

Voraussetzungen für den Gleiswechselbetrieb sind eine entsprechende Ausstattung der Stellwerke sowie eine vollwertige Signalisierung der Streckengleise in beiden Fahrtrichtungen. Aus technischer Sicht kann eine mit GWB ausgestattete Strecke wie zwei parallel verlaufende eingleisige Strecken betrachtet werden, aus betrieblicher Sicht bleibt es jedoch eine zweigleisige Strecke. Auch auf dem zweiten Gleis darf dann die volle Streckengeschwindigkeit gefahren werden. Während des Wechsels von einem Gleis auf das andere ist die Geschwindigkeit allerdings auf die zulässige Geschwindigkeit der zu befahrenden Weichen beschränkt, was einen begrenzenden Faktor für den Betrieb ausmacht. Lange und damit schlanke Weichen lassen sich mit höheren Geschwindigkeiten befahren, sind aber teurer in Anschaffung und Wartung.

Nutzung

Der Gleiswechselbetrieb kann dazu genutzt werden, dass ein Zug einen anderen überholt. Im Gegensatz zum Straßenverkehr ist es hierbei üblich, dass der langsamere Zug das Gleis wechselt, also (bei Rechtsverkehr) rechts überholt wird. Der Grund dafür ist, dass ihn die weichenbedingte Geschwindigkeitsbeschränkung beim Gleiswechsel in geringerem Maß behindert und er in manchen Fällen seine Geschwindigkeit zusätzlich verringern muss, damit das Überholmanöver innerhalb des dafür vorgesehenen Streckenabschnitts durchgeführt werden kann. Ohne Gleiswechselbetrieb müsste der auf einem Ausweichgleis wartende langsamere Zug überholt werden.

Eine weitere Möglichkeit zur Nutzung des Gleiswechselbetriebs besteht darin, annähernd gleich schnelle Züge parallel verkehren zu lassen, falls sich der Betrieb zeitweise auf eine Richtung beschränkt. Ein Beispiel für eine entsprechende Nutzung ist die 1991 in Betrieb genommene Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart. Am späten Abend wird die Strecke nur noch in Richtung Stuttgart und Karlsruhe befahren, zwei ICE verlassen gleichzeitig Mannheim Hauptbahnhof und fahren parallel auf derselben Strecke. Der Zug Richtung Karlsruhe fährt bis Graben-Neudorf auf dem linken Gleis und passiert den Abzweig Saalbach mit 200 km/h.

Schließlich erleichtert der Gleiswechselbetrieb bei Bauarbeiten oder Störungen wie defekten Fahrzeugen auf dem Regelgleis die Aufrechterhaltung des Betriebs, da der Fahrweg des Zuges in diesen Sonderfällen von der Stellwerkstechnik abgedeckt wird und somit wegen weiterhin gegebener signaltechnischer Sicherheit zusätzliche Maßnahmen entfallen können.

Gleiswechselbetrieb spart so Energie und Zeit sowie Streckenausbauten und erhöht die Kapazität der Strecke. Er ist umso bedeutsamer, je höher die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen langsamen und schnellen Zügen auf einer Strecke ist.

Verwendung des Begriffs

Mit Herausgabe der DB-Konzernrichtlinie (KoRil) 408 Züge fahren und rangieren zum 15. Juni 2003 wurde die Bezeichnung Gleiswechselbetrieb auch im Bereich der ehemaligen Bundesbahn nicht mehr verwendet. Stattdessen wird nun die Bezeichnung Befahren des Gegengleises mit Hauptsignal und Signal Zs 6 ständig eingerichtet verwendet. Innerhalb von Bauzuständen kann auch das Fahren auf dem Gegengleis vorübergehend angeordnet werden, wobei dann ebenfalls eine Signalisierung mittels des Gegengleisanzeigers - Zs 6 erfolgen muss. In anderen Richtlinien, wie zum Beispiel der Richtlinie (Ril) 406 Fahren und Bauen, wird jedoch die Bezeichnung Gleiswechselbetrieb weiterhin verwendet. Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung nennt den Begriff Gleiswechselbetrieb als Möglichkeit, von der generellen Rechtsfahrordnung abzuweichen (§ 38 EBO). Voraussichtlich ab Mitte 2012 soll in der Ril 408 wieder der durch die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung in Paragraph 38 vorgegebene Begriff Gleiswechselbetrieb verwendet werden[1].

In der Schweiz wird eine Strecke, die in beiden Richtungen für beide Gleise Signale besitzt, so dass bei beiden Gleisen eine signalmäßige Zugfahrstraße gestellt werden kann, als zweigleisige Strecke mit Wechselbetrieb bezeichnet. Eine zweigleisige Strecke mit Signalen nur am Regelgleis heißt zweigleisige Strecke für Einspurbetrieb und ist im Buchfahrplan speziell gekennzeichnet. Eine solche Strecke kann zwar auch auf dem falschen Gleis befahren werden, da diese aber in der Regel stellwerktechnisch nicht als Einspurstrecke betrieben werden kann, erfordert dies eine spezielle Vorgehensweise seitens der Fahrdienstleiter. Dabei ist auch eine schriftliche Meldung an den Lokomotivführer notwendig, die sogar in protokollpflichtiger Form abzugeben ist. Aus diesem Grund werden nach Möglichkeit alle mehrgleisigen Strecken als zweigleisige Strecke mit Wechselbetrieb gebaut oder umgebaut.[2] Auch der von der französischen Bezeichnung abgeleitete Begriff banalisierter Verkehr ist üblich.

Literatur

  • Sockel: Eisenbahntechnik, Jahrgang 5, Heft 11, Bericht über den einseitigen Gleiswechselbetrieb von Bebra nach Cornberg
  • Blume: Eisenbahntechnische Rundschau, Heft 12/1953, Betriebserfahrungen im Gleiswechselbetrieb Bebra - Cornberg

Einzelnachweise

  1. Betrieblich-technisches Regelwerk - geplante Änderungen. Deutsche Bahn, 9. März 2011, abgerufen am 19. April 2011.
  2. FDV R 300.6 4.5.1

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