Goldstandard (Verfahren)

Goldstandard (Verfahren)

Goldstandard ist ein Schlagwort. Es wird sowohl zur Bezeichnung von Verfahren verwendet, die bislang unübertroffen sind, aber auch solcher, die nach Meinung der Protagonisten eines neuen Verfahrens zum Standard werden sollen. Meist handelt es sich also entweder um Verfahren, die bereits seit längerer Zeit an vielen Orten angewandt werden, oder um solche, die angewendet werden sollen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Die Bezeichnung Goldstandard stammt aus der Geldwirtschaft. Es bezeichnet ein in der Vergangenheit übliches Währungssystem, in dem eine Währungseinheit durch den Wert einer feststehenden Menge von Feingold definiert ist.[2][3]

Vor dem Ersten Weltkrieg bestand ausgehend von England für einige Jahrzehnte ein internationales System von Ländern mit Gold-Standard, d.h. mit festen wechselseitigen Wechselkursen. Während des Krieges wurde die Eintauschbarkeit von vielen am Krieg beteiligten Ländern aufgehoben und konnte auch in den 1920er Jahren nicht in der alten Form wieder eingeführt werden. Auch die USA hoben in der Großen Depression 1931 die Deckung des US-Dollars mit Gold auf. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges stellte sich erneut die Frage nach der Zukunft des internationalen Finanzsystems. Man einigte sich auf das Bretton-Woods-System. Dieses bestand bis Anfang der 1970er Jahre; es basierte auf einer direkten Bindung der Wechselkurse (fester Wechselkurs) der teilnehmenden Länder an den US-Dollar und auf einer Umtauschbarkeit der Währungen in Gold.

Der damalige US-Präsident Richard Nixon stoppte am 15. August 1971 die Eintauschbarkeit von Dollar in Gold („Nixon-Schock“). 1976 empfahl der Internationale Währungsfonds (IWF) seinen Mitgliedern die Aufhebung der Goldbindung der Währungen.

Verwendung des Begriffes

In der Medizin wird das zurzeit allgemein anerkannte Handeln[4] bezüglich einer Krankheit als Goldstandard bezeichnet, der definitive und maßgebende Standard. Er bildet den Grundstock, an dem sich jedes neue Verfahren messen muss.[5] Der Begriff taucht in verschiedenen Zusammenhängen auf:[1]

  • für die beste Methode zum Nachweis oder Ausschluss einer Erkrankung
  • für besonders erfolgreiche Therapien von Erkrankungen, insbesondere in bestimmten Krankheitsstadien
  • bei der Planung von Studien.

Ist ein solcher Standard etabliert, ist seine Autorität oft so überwältigend, dass es einiger Anstrengung bedarf, um ihn zu erschüttern.[5]

Allgemein gelten die evidenzbasierte Medizin und randomisierte, kontrollierte Studien (Blindstudien) als Goldstandard.[6] Nicht jeder Goldstandard basiert aber auf diesen Grundlagen. So sind Blindstudien nicht in jedem Fall durchführbar, beispielsweise wäre die Verabreichung eines Placebos an schwer kranke Menschen, nur um eine Vergleichsgruppe zu haben, unethisch. Manches kann auch nicht mit evidenzbasierter Medizin erschlossen werden, beispielsweise durch Probleme mit der Vergleichbarkeit der Fälle.[7]

Die Metapher wird in der Medizin sehr umfangreich genutzt, oftmals ohne genau zu wissen, wovon sich der Begriff ableitet. [8][9]

In der Werbung wird der Goldstandard ebenfalls verwendet [10], inzwischen wirbt Reckitt Benckiser für sein Geschirrspülmittel Calgonit mit einem „Diamant-Standard“ [11].

Kritik

Der Begriff Goldstandard ist problematisch, da Standards fortwährend neu diskutiert und definiert werden.[12][9][13]

Für englischsprachige Publikationen wird deshalb empfohlen, gold standard nicht mehr zu verwenden.[14][15] Als bessere Alternative wird beispielsweise criterion standard vorgeschlagen.[16]

Literatur

  • Stefan Timmermans, Marc Berg: The gold standard: the challenge of evidence-based medicine and standardization in health care, Temple University Press, 2003, ISBN 1-59213-187-5

Einzelnachweise

  1. a b Wolfgang U. Eckart: Geschichte der Medizin 6. Auflage, Springer, 2008, ISBN 3-540-79215-5, S. 323-324
  2. gold standard In: Merriam-Webster Online Dictionary.
  3. gold standard In: Encyclopædia Britannica Online.
  4. Günter Krämer: Epilepsie von A-Z: Medizinische Fachwörter verstehen, Georg Thieme Verlag, 2005, ISBN 3-8304-3229-1, S. 193
  5. a b Stefan Timmermans, Marc Berg: The gold standard: the challenge of evidence-based medicine and standardization in health care, Temple University Press, 2003, ISBN 1-59213-187-5, S. 27
  6. Ellen Kuhlmann, Petra Kolip: Gender und Public Health grundlegende Orientierungen für Forschung, Praxis und Politik, Juventa, 2005, ISBN 3-7799-1566-9, S. 200
  7. Wolfgang Vollmoeller: Integrative Behandlung in Psychiatrie und Psychotherapie: Konzepte und Strategien, Schattauer Verlag, 2003, ISBN 3-7945-2207-9, S. 9
  8. Reiner W. Heckl: Mit kollegialen Grüßen...: Sprachdummheiten in der Medizin. Springer, 2006, ISBN 3-798-51618-9. in der Google Buchsuche
  9. a b Jurgen A H R Claassen: The gold standard: not a golden standard. BMJ 330 (2005), 1121, doi:10.1136/bmj.330.7500.1121
  10. Beispiel aus dem Internet
  11. Webseite Calgonit
  12. Brause, M. Königsweg zu Herzen: Bei wem aber ist der Goldstandard anzuwenden?
  13. E. Versi: "Gold standard" is an appropriate term. BMJ 305 (1992), 187, doi:10.1136/bmj.305.6846.187-b
  14. Tom E Love: All that glisters is not gold. BMJ 327 (2003), 1315, doi:10.1136/bmj.327.7427.1315
  15. P Finbarr Duggan: Time to abolish “gold standard”. BMJ 304 (1992), 1568-1569, doi:10.1136/bmj.304.6841.1568-b
  16. Glossary of Methodologic Terms Elsevier Verlag, siehe auch Criterion Standard

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