Gravitationswelle

Gravitationswelle

Als Gravitationswellen bezeichnet man Wellen in der Raumzeit, die den Raum durchqueren und ihn dabei stauchen und strecken.

Der Nachweis von Gravitationswellen ist außerordentlich schwierig, direkt ist er noch nie gelungen, indirekt durch ihre Wirkungen auf astronomische Objekte jedoch sehr wohl.

Gravitationswellen werden von der allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt, in der klassischen newtonschen Gravitationstheorie existieren sie nicht. Die im Folgenden genannten Eigenschaften dieser Wellen sind theoretische Schlussfolgerungen aus der allgemeinen Relativitätstheorie.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Eigenschaften – Vergleich mit elektromagnetischen Wellen

Erzeugung und Ausbreitungsgeschwindigkeit

In der allgemeinen Relativitätstheorie wirken Änderungen des Gravitationsfeldes nicht sofort, wie in der Newtonschen Himmelsmechanik, sondern breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus – siehe auch Aberration der Gravitation. Demnach werden von jedem System beschleunigter Massen (z. B. einem Doppelsternsystem oder einem um die Sonne kreisenden Planeten) Gravitationswellen erzeugt. Dieser Mechanismus ist dem der elektromagnetischen Strahlung vergleichbar, die durch beschleunigte elektrische Ladungen hervorgerufen wird.

Sonderfall: Aufgrund des Birkhoff-Theorems sendet eine sphärisch symmetrisch oszillierende Massenverteilung keine Gravitationswellen aus.

Vorzeichen

Im Unterschied zur elektrischen Ladung besitzt die schwere Masse als Ladungseinheit der Gravitation nur ein Vorzeichen; negative Massen gibt es nicht. Aus diesem Grund gibt es keine Gravitationsdipole, sondern die Gravitationsstrahlung ist in niedrigster Ordnung eine Quadrupolstrahlung.

Eichboson

Bei einer bislang nicht gelungenen quantenfeldtheoretischen Beschreibung der Gravitation wird die Gravitationswechselwirkung durch hypothetische Gravitonen vermittelt; das bedeutet, Gravitationswellen werden in Gravitonen genannten quantisierten Einheiten ausgestrahlt oder absorbiert. Diese Eigenschaft korrespondiert mit den Photonen der Elektrodynamik. Geht man von der in der Elektrodynamik gemachten Erfahrung (Dipol → Photon hat Spin 1) aus, erwartet man für Gravitonen (Quadrupol) den Spin 2.

Wellenart

Gravitationswellen sind analog zu elektromagnetischen Wellen Transversalwellen, aus Sicht eines lokalen Beobachters scheinen sie die Raumzeit quer (d. h. senkrecht) zu ihrer Ausbreitungsrichtung zu stauchen und zu strecken. Ferner verfügen sie ebenfalls über zwei Polarisationszustände und es gibt auch bei ihnen Dispersion.

Mathematische Beschreibung

Anders als für elektromagnetischen Wellen – die sich aus den linearen Maxwell-Gleichungen ergeben – lässt sich eine Wellengleichung für Gravitationswellen nicht mehr exakt herleiten. Aus diesem Grunde ist auch das Superpositionsprinzip nicht anwendbar. Stattdessen gelten für Gravitationswellen die Einsteinschen Feldgleichungen. Für diese können in vielen Fällen nur Approximationslösungen durch lineare Differentialgleichungen ermittelt werden, z.B. die Wellengleichung als Näherung für kleine Amplituden. Dies macht es sehr schwierig, die Abstrahlung von Gravitationswellen zu berechnen, was für Vorhersagen über die Messbarkeit der Wellen jedoch erforderlich ist.

Aus der Nichtlinearität der Gravitationswellen folgt die Möglichkeit ihrer Darstellung als solitäre Wellenpakete.

Quellen und bislang fehlender Nachweis

Ein Ring von Testpartikeln unter dem Einfluss einer Gravitationswelle
Zweidimensionale Betrachtung von Gravitationswellen, die von zwei einander umkreisenden Neutronensternen ausgesandt werden.

Jede Veränderung in der Verteilung von Masse und/oder Energie im Universum, bei der zumindest das Quadrupolmoment zeitlich variiert, führt zur Abstrahlung von Gravitationswellen. Im einfachsten Fall sind dies zwei umeinander kreisende Massen. Aufgrund der sehr geringen Stärke der gravitativen Wechselwirkung ist dieser Effekt jedoch bei gewöhnlichen Massen wie denen unseres Sonnensystems so gering, dass er bislang nicht nachweisbar ist.

So erzeugt der Umlauf der Erde um die Sonne Gravitationswellen, allerdings unmessbar schwache. Die abgestrahlte Leistung beträgt gerade einmal 300 W, weswegen auch die Beeinflussung der Erdbahn durch diesen Effekt nicht messbar ist; um nur ein Millionstel der kinetischen Energie dieser Bewegung abzustrahlen, wären ungefähr 1018 (eine Trillion) Jahre nötig.

Quellen intensiverer und damit nachweisbarer Gravitationswellen erwartet man bei Supernova-Explosionen sowie bei in geringem Abstand einander umkreisenden oder zusammenstoßenden Neutronensternen und/oder Schwarzen Löchern. Wellen aus solchen Quellen hofft man in aktuellen Experimenten nachweisen zu können, s.u. Aufgrund der großen Entfernung derartiger Ereignisse ist die Wirkung dieser Wellen auf der Erde jedoch sehr gering und nur schwer von lokalen Phänomenen (z. B. Erschütterungen der Erde) zu unterscheiden.

Auch der Urknall könnte Gravitationswellen angeregt haben, deren Frequenz aufgrund der kosmischen Expansion inzwischen jedoch so gering ist, dass erst der für 2019 geplante Detektor LISA eine Chance hat, sie zu registrieren.

Experimente zum direkten Nachweis

1958 versuchte Joseph Weber an der Universität Maryland Gravitationswellen mithilfe von Resonanzdetektoren nachzuweisen: Ein massiver Aluminiumzylinder (Länge 1,8 m, Durchmesser 1 m, Gewicht 3,3 t) wurde erschütterungsfrei an Drähten aufgehängt. Zur Reduktion von Störungen (Luftmoleküle, eigene Wärmeschwingungen) befand sich der Zylinder gekühlt in einem Vakuum. Außen angebrachte Piezokristalle waren imstande, Längenänderungen des Zylinders von 1:1016 zu detektieren, d. h. 1/100 eines Atomkerndurchmessers. Um lokale Störungen unterscheiden zu können, wurde eine identische Apparatur 1000 km entfernt aufgebaut; gleichzeitige Schwingungserscheinungen an beiden Zylindern würden auf Gravitationswellen hinweisen. Eine Ende der 1960er Jahre beobachtete Schwingung könnte durch Gravitationswellen aus dem Zentrum der Milchstraße ausgelöst worden sein. Weiterentwickelte Detektoren bestanden später aus Niobzylindern, die auf wenige Kelvin heruntergekühlt wurden; die Empfindlichkeit wurde auf 1:1019 gesteigert. Fünf dieser Detektoren in Genf, Louisiana, Westaustralien, Maryland und Stanford wurden zusammengeschaltet.

Ein eindeutiger Nachweis gelang mit diesen Methoden bislang nicht. Ein Nachteil dieser Technik war, dass die Zylinder nur in einem sehr engen Bereich ihrer Resonanzfrequenz und nur auf sehr starke Gravitationswellen ausreichend empfindlich waren. Aus diesem Grund wandte man sich anderen Möglichkeiten zum Nachweis dieser Wellen zu.

Heute werden Michelson-Interferometer verwendet, die hindurchwandernde Wellen in Echtzeit beobachten sollen, indem die lokalen Änderungen der Raumzeit-Eigenschaften die empfindliche Interferenz zweier Laserstrahlen verändern. Aktuelle Experimente dieser Art wie GEO600 (Deutschland/Großbritannien), VIRGO (Italien), TAMA300 (Japan) und LIGO (USA) benutzen Lichtstrahlen, die in langen Tunneln hin- und herlaufen. Ein Unterschied in der Länge der Laufstrecke, wie er durch eine durchlaufende Gravitationswelle verursacht würde, könnte mittels Interferenz mit einem Kontrolllichtstrahl nachgewiesen werden. Um auf diese Art eine Gravitationswelle direkt zu detektieren, müssen minimale Längenänderungen – etwa 1/10.000 des Durchmessers eines Protons – in Bezug auf die Gesamtlänge der Messapparatur festgestellt werden. Diese Experimente laufen bereits seit einigen Jahren, konnten aber bisher noch nicht den erhofften Nachweis erbringen. Das geplante Experiment LISA soll im Weltraum stattfinden.

Indirekte Nachweise

Ein indirekter Nachweis von Gravitationswellen gelang Russell Hulse und Joseph Taylor von der Universität Princeton. Die beiden Physiker konnten durch mehrjährige Beobachtung des 1974 entdeckten Doppelpulsars PSR 1913+16 nachweisen, dass die Umlaufbahnen dieses Systems einander umkreisender Massen im Laufe der Zeit immer enger werden und somit Energie verlieren. Die beobachteten Energieverluste entsprachen dabei mit einer Genauigkeit von einem Prozent[1] den aus theoretischen Betrachtungen erwarteten Abstrahlungen durch Gravitationswellen. Hulse und Taylor wurden für ihre Entdeckung 1993 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

Bei einem vor kurzem von einer finnischen Forschergruppe im Quasar OJ 287 nachgewiesenen binären (doppelten) Schwarzen Loch lässt sich derselbe Effekt noch um ein Vielfaches stärker beobachten.

Literatur

Bücher

Aufsätze

  • Lucien F. Trueb: Die schwierige Suche nach Gravitationswellen. Naturwissenschaftliche Rundschau 58(11), S. 573–580 (2005), ISSN 0028-1050
  • Peter Aufmuth: An der Schwelle zur Gravitationswellenastronomie. Sterne und Weltraum 46(1), S. 26–32 (2007), ISSN 0039-1263

Weblinks

 Commons: Gravitational waves – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Referenzen

  1. The Detection of gravitational waves (PDF) (Januar 2000). Abgerufen am 7. Januar 2009., Seite 4

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