Gruppentherapie

Gruppentherapie

Gruppenpsychotherapie nutzt die in einer Gruppe auftretenden speziellen Gruppenphänomene (Gruppendynamik, Übertragung) für die Psychotherapie, indem mehrere Patienten in einer Gruppe behandelt werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Begriff "Gruppenpsychotherapie" wurde zum ersten Mal in den frühen 1940er Jahren von Jakob L. Moreno, dem Begründer des Psychodramas, verwendet. Der Begriff "Group Analysis" (dt.: Gruppenanalyse) stammt von Trigant Burrow [1].

Therapeutische Arbeit in Gruppen gab es schon früher: 1905 Gruppenarbeit auf einer Tuberkulosestation von Josef H. Pratt, in den 1920er-Jahren durch die Analytiker Paul Schilder, Alfred Adler, August Aichhorn, Siegfried Bernfeld, schließlich Versuche mit Gruppen auch von Lazell, Marsh und Wender. 1921 entwickelt Moreno sein Stegreifspiel in Wien, Freud schreibt Massenpsychologie und Ich-Analyse. Aus Kostengründen arbeitete man damals mit Gruppen von 30 bis 200 Teilnehmern. 1923 bis 1926 publizierte Burrow über kollektive Phänomene in Gruppen. Der Wunsch, den Einfluss der Gruppe und der Gesellschaft auf den Patienten zu verstehen sowie die Notwendigkeit, viele Patienten gleichzeitig zu behandeln, waren die Motive dieser Entwicklung.

Die Gruppenpsychotherapie formal und institutionell etabliert haben - in den Jahren des Zweiten Weltkrieges - Jakob Levy Moreno und Samuel Slavson in New York, Wilfred Bion und S. H. Foulkes am Northfield Military Hospital in England.

Ein weiterer Entwicklungsschub erfolgte in den 1960er- bis 1980er-Jahren mit Michael Balint in London, Raymond Battegay in Basel, Raoul Schindler in Wien, Fritz Perls und Carl Rogers in New York, Josef Rattner in Berlin, Alice Ricciardi in Rom, Horst Eberhard Richter in Gießen und Annelise Heigl-Evers in Göttingen.

Die wichtigsten Vertreter der Gruppenanalyse im deutschen Sprachraum heute sind - in Österreich - Friedl Kubelka, Felix de Mendelssohn, Alfred Pritz, Josef Shaked, Elisabeth Vykoukal sowie - in Deutschland - Mohammad Ebrahim Ardjomandi, Angelika Berghaus, Rolf Haubl, Michael Hayne, Margarethe Seidl, Volker Tschuschke, Ursula Volz.

Kategorien

Grob lassen sich folgende Gruppentherapien unterscheiden.

  • Gruppentherapien, deren Ziel es ist, die Persönlichkeitsstruktur der Teilnehmer durch freies Assoziieren zu erkennen und mit Hilfe der Deutungen des Therapeuten bewusst zu verändern (gruppenanalytischer Ansatz). Hier sind die individuellen Probleme der Gruppenmitglieder Gegenstand einer gemeinsamen Suche nach den Ursachen.
  • Gruppentherapien mit dem Ziel, das Verhalten zu verändern (verhaltenstherapeutischer Ansatz). Hier ist die Gruppe ein soziales Erfahrungsfeld (wie im Alltag), in dem der Teilnehmer sein Verhalten – unter geschützten Bedingungen – verändern und üben kann.
  • Gruppentherapien, bei denen die Interaktion zwischen den Gruppenmitgliedern im Mittelpunkt steht (Familien- und Paartherapie).
  • Gruppentherapie, bei der die Gruppenmitglieder die Bedingungen ihrer Existenz reflektieren (klientenzentrierte Therapie).

Methodik und Wirkung

Je nach Schule haben die drei Sichtweisen einen besonderen Schwerpunkt oder ergänzen einander:

Therapie des Einzelnen in der Gruppe
die Teilnehmer sind Beobachter
Therapie des Einzelnen durch die Gruppe
die Teilnehmer sind Co-Therapeuten, die Gruppe ist ein therapeutisches Element
Therapie der Gruppe
die Gruppe selbst ist Ziel der Beobachtung und der Veränderung

Die Gruppe wirkt als Abbild der Gesellschaft und der Herkunftsfamilie jedes Teilnehmers. Grundlage ist immer ein tiefenpsychologisches Konzept, ergänzt mit Erkenntnissen aus der Sozialpsychologie und der Gruppendynamik. In der Gruppe ist kein Thema vorgegeben. Die Teilnehmer sprechen über das was sie gerade beschäftigt und teilen Einfälle und Phantasien möglichst frei mit (freie Assoziation). Der Therapeut verhält sich wohlwollend, neutral und abstinent. Dadurch entsteht eine unstrukturierte Situation, in der Teilnehmer Beziehungserfahrungen aus ihrer Kindheit und die damit verbundenen Gefühle wiedererleben können (Übertragung). Im Konflikt werden verbotene Wünsche und verinnerlichte kulturelle und elterliche Tabus deutlich. Kraft-zehrender Widerstand wird abgebaut, abgewehrte Gefühle und Energien werden frei und können neu und zunehmend hilfreicher eingesetzt werden.

Die wichtigsten Wirkfaktoren sind (in dieser Reihenfolge): der Ausdruck von Gefühlen, der emotionale Zusammenhalt in der Gruppe, gemeinsames zwischenmenschliches Lernen. Erfolgreich sind Teilnehmer, die in der Gruppe zu anderen Beziehungen aufnehmen, sich selbst den anderen gegenüber öffnen, anderen Feedback geben und selbst welches erhalten und annehmen, [2]

Für den Therapeuten ist die Komplexität der Übertragungen und Gegenübertragungen der Teilnehmer untereinander und auf den Leiter und umgekehrt eine große fachliche und persönliche Herausforderung. Er arbeitet mit bewusst machen von Verdrängtem und aufdecken von Widerstand, mit der Analyse von Übertragung und Gegenübertragung, durch Einsicht und Ich-Stärkung, und ermöglicht in der Begegnung mit anderen neue emotionale Erfahrungen, unmittelbarere Beziehungen und eine neue Sicht der Welt.

Gruppengröße, Setting

In der Regel wird eine Gruppengröße von sieben bis zwölf Personen als ideal angesehen. Vier Teilnehmer gelten als Minimum. Die Gruppenmitglieder sitzen – ohne Tisch – im Kreis, so dass sich alle in die Augen sehen können. Hinzu kommen ein oder manchmal auch zwei Therapeuten. In Ausbildungsgruppen ist fallweise auch ein Beobachter anwesend, der nicht am Gruppengeschehen teilnimmt.

Jedes Treffen dauert anderthalb bis zwei Stunden. In der Regel gibt es kein Programm und kein vorformuliertes Ziel. Die Gruppenmitglieder initiieren und bestimmen durch ihre Beiträge den Verlauf des Gesprächs. Der Therapeut kann eine weitgehend passive Haltung einnehmen, kann aber auch aktiv ins Geschehen eingreifen. Seine wichtigste Aufgabe ist es, die unbewusste Kommunikation der Mitglieder untereinander und die Widerstände der Einzelnen gegen Veränderungen zu beobachten und zu deuten. Seine Rolle und seine Reaktionen sind zudem abhängig von der zugrunde liegenden Therapieform (siehe oben: Die verschiedenen Schulen). In der analytischen Gruppenpsychotherapie ist einerseits die freie Assoziation der Teilnehmer wichtig, andererseits die Deutungskraft des Therapeuten.

Offene Gruppe, geschlossene Gruppe

In der geschlossenen Gruppe bleibt die Zusammensetzung der Teilnehmer von der ersten bis zur letzten Sitzung gleich. Geschlossene Gruppen werden vor allem im Rahmen von Ausbildungswochen angeboten. Diese Gruppe trifft sich dann täglich drei- bis viermal.

Bei der – verbreiteteren – offenen Gruppe werden frei werdende Plätze mit neuen Teilnehmern besetzt. Um den therapeutischen Prozess nicht zu stören, herrscht in der Regel Anwesenheitspflicht.

Die verschiedenen Schulen

Eine Reihe von psychotherapeutischen Schulen befasst sich mit der Arbeit in Gruppen. Neben den hier ausführlich beschriebenen Richtungen sind dies auch:

Psychodrama

Siehe auch Hauptartikel: Psychodrama

Jakob Levy Moreno entwickelte das Psychodrama als "Therapie in der Gruppe mit der Gruppe für die Gruppe" und verband Gruppenpsychotherapie mit Soziometrie und Stegreifspiel. Der Klient (Protagonist) gestaltet als Hauptdarsteller des psychodramatischen Spiels im "Hier und Jetzt" einer Psychodrama-Bühne sein therapeutisches Thema. Bekannte Elemente sind das Doppeln, das Sharing und das Feedback. Ziel des Psychodramas ist die Aktivierung und Integration von Spontaneität und Kreativität. Konstruktives spontanes Handeln ist zustande gekommen, wenn der Protagonist für eine neue oder bereits bekannte Situation eine neue und angemessene Reaktion findet.

Gruppenanalyse

Siehe auch Hauptartikel: Gruppenpsychoanalyse

Psychoanalyse in der Gruppe: Slavson analysierte den Einzelnen in der Gruppe. Der "sozialen Hunger" könne nur in der Gruppe gestillt werden. Sein Ziel war die Stärkung des Ich gegenüber dem Es und dem Über-Ich. Dabei nutzte er die unstrukturierte Gruppensituation, um mittels Deutung traumatische Erinnerungen zu wecken und über deren Ausdruck in Gegenwart Dritter (Katharsis) Mitgefühl zu erfahren. Der Analytiker ist der entscheidende Wirkfaktor.

Klassische Gruppenanalyse: Wilfred Bion entwickelte die "führerlose Gruppe", das Tavistock-Modell der Gruppenpsychoanalyse. Siehe auch Gruppendynamik. Jeder Mensch ist immer Mitglied einer Gruppe, nur in der Gruppe kann er seine Fähigkeiten verwirklichen. Er betrachtet die therapeutische Gruppe als Einheit, als etwas Ganzes, "wie ein Individuum". Die "analytische Diade" besteht dabei nicht aus Therapeut und Klient, sondern aus Therapeut und Gruppe. Der Gruppenanalytiker ist als "Nicht-Mitglied" zentrales Objekt für die Übertragungen der Teilnehmer. Er richtet als "Anwalt der Realität" seine Deutungen immer auf die Gruppe als Ganzes und speziell auf die Grundeinstellungen Abhängigkeit, Kampf und Flucht, Paarbildung. Diese Grundeinstellungen sind Wünsche, die den Verlauf und die Arbeitsfähigkeit einer Gruppe prägen. Betrachtet wird immer das Hier-und-Jetzt. Ziel ist immer die Arbeitsfähigkeit, also Realitätsbezug, Zeitbezug, Verstehen der Zusammenhänge, kooperatives Handeln und bewusstes Gespräch. Dazu wird der Zusammenhalt in der Gruppe gestärkt, die Abwehr gegen ursprüngliche Ängste und die Abhängigkeit von einem idealen Führer verringert.

Analytische Gruppentherapie: Foulkes betrachtet die Gruppe als Netzwerk von Beziehungen und den Gruppenanalytiker als Gruppenmitglied mit besonderer Funktion. Der Mensch ist definiert durch die Gruppe in der er lebt und durch die Gemeinschaft der er angehört. Alle Kräfte in einer Gruppe bilden die ""Gruppenmatrix", die Gruppe ist mehr als die Summe ihrer Mitglieder. Psychische Störungen wurzeln in einer Störung der Kommunikation, in der Entfremdung von der Gemeinschaft, und ist immer Ausdruck einer Störung in der Herkunftsfamilie. In der therapeutischen Gruppe versucht der Einzelne genau diese gestörte Situation wiederherzustellen (Wiederholung als Widerstand gegen Erkenntnis und Veränderung). Die Gruppe wirkt dem entgegen durch Analyse und Konfrontation. Der Weg geht vom Symptom zum Konflikt zur Konfliktlösung. Durch Ich-Training in der Gruppe gelangt der Einzelne zu seiner wahren Identität. Der Teilnehmer teilt mit den anderen seine tiefsten Sorgen, erfährt die andern als in der gleichen Situation wie er, dadurch löst sich seine Isolation auf und er fühlt sich geborgen. Wie in einem Spiegel erkennt er seine Situation in der der anderen und lernt sich und die anderen verstehen. Je stärker der Gruppenzusammenhalt, desto leichter ist es immer tiefer zu gehen und auch untereinander Konflikte auszutragen. Dadurch entsteht großes Vertrauen und persönliche Stärke. Deshalb ist Gruppentherapie auch für Patienten mit frühen traumatischen Störungen geeignet. Die Hauptarbeit wird von den Gruppenmitgliedern selbst geleistet, der Therapeut sei nur Dirigent. Der Therapeut interveniert nur, wenn die Gruppe nicht weiterkommt. Er deutet sowohl die Lebensgeschichte des Einzelnen, als auch die Prozesse in der Gruppe, die als Inszenierung der kollektiven Phantasien verstanden wird.

Göttinger Modell: Heigl und Heigl-Evers entwickelten das Göttinger Modell für Ich-schwache schwer gestörte Patienten. Der Gruppenprozess soll dem Einzelnen in drei Stufen Einsicht in seine Konfliktstruktur vermitteln.

  1. Psychoanalytisch-interaktionelle Therapie
    Positives Beziehungsangebot des Therapeuten, stützende Arbeit im Hier-und-Jetzt, keine Deutung, wenig Konfrontation. Ziel ist Vertrauen schaffen.
  2. Psychoanalytisch orientierte Therapie
    Weniger Strukturierung, etwas mehr Konfrontation, abstinent stützend. Frühkindliche Abhängigkeit von den Eltern soll reduziert werden.
  3. Analytische Therapie
    Der Therapeut verhält sich abstinent, fördert dadurch Regression, durch Deutung werden Ich-Defizite deutlich. Durch Nachreifung wird Autonomie möglich.

Gestalttherapie

Siehe auch Hauptartikel: Gestalttherapie

Fritz Perls entwickelte - aus der "Einzelarbeit vor der Gruppe" zum Zwecke der Demonstration - die Gestaltgruppe. Die Gruppe wird nicht nur als Energieverstärker benutzt, sondern die Beziehungen und die Dynamik der Teilnehmer untereinander zum Thema gemacht wird. Bekannte Elemente sind der heiße Stuhl und das Feedback. Kontaktstörung, Gewahrsein, dialogisches Prinzip und der Umgang mit Aggression sind Schlüsselelemente. Die Sitzung endet mit einem Sharing, in dem die Teilnehmer einander Feedback geben. Ziel ist immer die Herstellung von Kontakt durch Gewahrsein seiner selbst und der anderen.

Casriel-Gruppe

Siehe auch Hauptartikel: Casriel-Therapie

Dan Casriel entwickelte die kathartische Casriel-Therapie. Durch Erfahrung von emotionaler Offenheit, verbunden mit körperlicher Nähe zu einem anderen Menschen, werden frühe Verletzungen aktiviert, und die damit verbundenen Gefühle, negativen Einstellungen, körperlichen Blockierungen und zerstörerischen Verhaltensmuster durchgearbeitet und gelöst. Dadurch entwickelt sich Lebensfreude und Lebensenergie.

Therapeutische Gemeinschaft

Siehe auch Hauptartikel: Therapeutische Gemeinschaft

Diese Verknüpfung verschiedener Gruppentherapieformen fördert gegenseitiges Lernen, soziale Verantwortung und spirituelles Wachstum. Die Therapeutische Gemeinschaft dient neben der Selbstorganisation des Alltagslebens insbesondere als ein Lern- und Übungsfeld, um in einem geschützten Rahmen Neues wagen zu können und über emotionale Neuerfahrungen emotionale Muster sowie Verhaltens- und Denkmuster zu verändern. Das Zusammenleben in der Gemeinschaft soll die dafür notwendige sichere und zur Veränderung ermutigende Atmosphäre schaffen. Dazu gehört der Austausch unter Betroffenen über gefundene Lösungswege, sowie auf den anderen zu reagieren, seine eigenen Wahrnehmungen und emotionalen Reaktionen auf dessen Verhalten ernst zu nehmen und dem anderen mitzuteilen, und sich so gegenseitig im Genesungsprozess zu unterstützen. Sich selbst in den Augen und Herzen seiner Mitmenschen begegnen uns im Spiegel unseres Nächsten zu finden. Wesentlich sind klare Strukturen und verbindliche Absprachen und Regeln. Die Therapeutische Gemeinschaft trifft sich mehrmals die Woche zu so genannten Komitees und zu einer Vollversammlung.

Die therapeutische Gemeinschaft ist ein System gegenseitiger Unterstützung in der Klinik, welches einen heilsamen und nährenden Rahmen für die Behandlung der Patienten bietet. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil im Konzept milieu- und soziotherapeutischer Arbeit. Die Beteiligung der Patienten an der Organisation und der Gestaltung der Abläufe in der Klinik fördert auch die Fähigkeit zur Bewältigung lebenspraktischer Aufgaben. Die Therapeutische Gemeinschaft ist verbreitet in psychosomatischen Kliniken und Sucht-Kliniken.

Großgruppe

In der Großgruppe werden Patienten in Gruppen mit bis 200 Teilnehmern behandelt, meistens jedoch 30 bis 80. Die Sitzungen werden von einem erfahrenen Therapeuten geleitet. Entwickelt wurde die Großgruppentherapie ursprünglich, weil für zu viele Patienten zu wenig Therapeuten zur Verfügung standen. Sie hat sich jedoch fallweise im klinischen Setting etablieren können, auch für die Behandlung schwerer Störungen, wie Psychosen und Persönlichkeitsstörungen, andererseits konnte sie - als seriöse Alternative - im Rahmen des Selbsterfahrungswelle nach 1968 Ansehen gewinnen. Gearbeitet wird entweder klassisch nach Bion und Foulkes oder nach Alfred Adler, für den die Bildung eine Gemeinschaftsgefühls als Basis zur Lösung der Lebensaufgaben Arbeit - Liebe - Gemeinschaft wesentlich war.

Je nach Gruppenleiter steht entweder ein Teilnehmer über mehrere Sitzungen im Zentrum der Aufmerksamkeit, alle anderen lernen durch Beobachtungslernen und durch teilnehmende Beobachtung, oder ein Thema wird multifokal diskutiert oder es gilt das klassisch-psychoanalytische Prinzip des freien Assoziierens. Bedeutende Großgruppenleiter im deutschen Sprachraum heute sind Felix de Mendelssohn und Josef Shaked, beide leben in Wien und arbeiten auch in Altaussee. Bekannt, freilich auch umstritten waren der verstorbene Friedrich Liebling (Zürich) und Josef Rattner (Berlin), der heute zurückgezogen lebt und keine Gruppen mehr leitet. [3]

Verwandte Gruppen

Die folgenden Gruppen werden nicht zur klassischen Gruppenpsychotherapie gezählt, wobei es bei manchen durchaus fließende Übergänge gibt. Dennoch haben sie oft therapeutische Wirkung.

  • Selbsterfahrungsgruppen und Encountergruppen sollen Lernen über das eigene Verhalten in der Gruppe eröffnen. Psychische Stabilität ist Teilnahmevoraussetzung.
  • Die T-Groups der Gruppendynamik haben oft therapeutischen Charakter und fast immer eine therapeutische Wirkung, auch die Großgruppen des Organisations-Laboratoriums.
  • Als Grupo Operativo wird eine analytische Gruppentechnik bezeichnet, die von Enrique Pichón-Rivière für Jugendliche entwickelt wurde. Er gab ihnen die Aufgabe, sich selbst zu betreuen.
  • Auch in Selbsthilfegruppen unterstützen sich Betroffene gegenseitig. Bekannt sind A-Gruppen nach dem 12-Schritte-Modell. Sie werden oft vorbereitend, begleitend und nachsorgend-stabilisierend parallel zur Therapie eingesetzt.
  • Psychoedukation bedeutet Schulung psychisch Kranke, manchmal gemeinsam mit den Angehörigen, damit sie Krankheit und Behandlung besser verstehen. Erfahrungsaustausch und Hilfe zur Selbsthilfe sind wesentliche Inhalte.
  • Trainings- und Übungsgruppen zur Stress- oder Angstbewältigung, zu Kommunikations- und Selbstsicherheitstraining folgen oft einem vorgegebenen Ablauf mit klar strukturierten verhaltenstherapeutischen Übungen nach einem Manual.
  • Gruppensupervision und analytische Balint-Gruppen behandeln die Beziehungen von Therapeuten, Pädagogen oder anderer psychosozialer Berufe zu Klienten und Patienten und ist zentriert um die berufliche Kompetenz.

Ausbildung des Gruppentherapeuten

Jede Schule hat ihr eigenes Ausbildungskonzept. Dabei unterscheiden sich die Zugangsvoraussetzungen je nach Land und Psychotherapiegesetz. In einigen Ländern ist eine vorausgehende Ausbildung in einem einzeltherapeutischen Verfahren vorgeschrieben. Allen gemeinsam ist intensive Selbsterfahrung in der Gruppe, Arbeit als Co-Therapeut und als Therapeut unter Supervision.

In Österreich werden - für die Eintragung in der Psychotherapeutenliste des Bundesministeriums für Gesundheit - gefordert:

  • das Psychotherapeutische Propädeutikum (765 Std. Theorie, 480 Std. Praktikum, 20 Std. Supervision und 50 Std. Selbsterfahrung), sowie anschließend daran
  • das Fachspezifikum mit 300 Stunden Theorie, mindestens 200 Stunden Selbsterfahrung, 550 Stunden Praktikum mit 30 Std Praxissupervision, weitere 100 Stunden je nach Schwerpunktbildung der Methode und folgende
  • Praxis: 600 Stunden therapeutische Arbeit und 120 Stunden Supervision.

Das Altausseer Zertifikat kann nach zehnmaliger Teilnahme am zehntägigen Fortbildungs-Workshops erworben werden - viermal als Teilnehmer, dreimal als Beobachter, dreimal als Co-Leiter. Außerdem sind in der ersten Studienphase zwei theoretische Referate und zwei Supervisionsfälle zu präsentieren, sowie zwei Aufnahmegespräche zu führen.

Für die Ausbildung von Gruppenpsychotherapeuten, Supervisoren und Gruppendynamikern ist die Teilnahme an Selbsterfahrung Zulassungsbedingung. In Selbsterfahrungsgruppen gibt es stets fließende Übergänge zu den verschiedenen Formen der Gruppenpsychotherapie (analytisch, klientenzentriert, gestalttherapeutisch, gruppendynamisch).

Literatur

aktuell

  • Raymond Battegay: Die Gruppe als Schicksal, 2000, ISBN 3-525-45881-9
  • Eric Berne: Grundlagen der Gruppenbehandlung. Gedanken zur Gruppentherapie & Interventionstechniken, 2005, ISBN 3-87387-424-5
  • Michael Hayne, Dieter Kunzke: Moderne Gruppenanalyse, 2004, ISBN 3-89806-312-7
  • Karl König: Psychoanalytische Gruppentherapie, 1992, ISBN 3-525-45732-4
  • Silke M. Lanzerath: Neue Segel setzen. Gruppentherapie: Selbsterfahrung und Entwicklungschancen, 2007, ISBN 3-89189-157-1
  • Joachim Lindner, Gabriele Angenendt, Volker Tschuschke: Gruppentherapie in der Psychosomatischen Rehabilitation, 2007, ISBN 3-89806-308-9
  • Joachim Lindner, Volker Tschuschke: Gruppentherapie in der Psychosomatischen Rehabilitation, 2007, ISBN 3-89806-308-9
  • Dankwart Mattke, Luise Reddemann, Bernhard Strauß: Keine Angst vor Gruppen! Gruppenpsychotherapie in Praxis und Forschung. 2009, ISBN 978-3-608-89077-8
  • Hilarion Petzold: Modelle der Gruppe in der Psychotherapie, 1986, ISBN 3-87387-258-7
  • Alfred Pritz, Elisabeth Vykoukal (Hg.): Gruppenpsychoanalyse, 2003, ISBN 3-85076-578-4
  • Dirk Revenstorf: Psychotherapeutische Verfahren IV. Gruppen-, Paar- und Familientherapie, ISBN 3-17-012663-6
  • Peter F. Schmid: Personenzentrierte Gruppenpsychotherapie, 2 Bd.Handbuch, 1994
  • Serge K.D. Sulz: Von der Balintgruppe zur Interaktionelle Fallarbeit, ISBN 3-932096-27-4
  • Volker Tschuschke: Kurzgruppenpsychotherapie, 2003, ISBN 3-211-83886-4
  • Volker Tschuschke: Praxis der Gruppenpsychotherapie, 2001, ISBN 3-13-127971-0

Klassiker < - sortiert nach Ersterscheinung in deutscher Sprache - >

  • Trigant Burrow: Die Gruppenmethode in der Psychoanalyse, 1926
  • Michael Balint: Der Arzt, sein Patient und die Krankheit, 1960, ISBN 3-608-94003-0
  • Raymond Battegay: Gruppenpsychotherapie und klinische Psychiatrie, 1963
  • Raymond Battegay: Der Mensch in der Gruppe, Bd. 1..3, 1963
  • Haim Ginott: Gruppenpsychotherapie mit Kindern, 1966 (en: 1961), ISBN 3-407-13102-X
  • Josef Rattner: Gruppenpsychologie und Großgruppentherapie, 1970, ISBN 3-933939-83-6
  • Irvin D. Yalom: Theorie und Praxis der Gruppentherapie - Ein Lehrbuch, 1970, (2005)
  • Wilfred R. Bion: Erfahrungen in Gruppen und andere Schriften, 1971, ISBN 3-12-900730-X
  • Wilfred R. Bion: Die Tavistock-Seminare, 1971/2007, ISBN 3-89295-777-0
  • Stefan de Schill: Psychoanalytische Therapie in Gruppen, 1971, ISBN 3-12-907640-9
  • Horst Eberhard Richter: Die Gruppe, 1972, ISBN 3-498-05672-7
  • Jacob L. Moreno: Gruppenpsychotherapie und Psychodrama, 1973, ISBN 3-13-378702-0
  • Michael und Enid Balint: Psychotherapeutische Techniken in der Medizin, 1976 (en: 1961), ISBN 3-12-900800-4
  • Carl Rogers: Encounter Gruppen, 1974 (en: 1970), ISBN 3-463-00571-9
  • Sigmund H. Foulkes: Praxis der gruppenanalytischen Psychotherapie, 1978/2007, ISBN 3-88074-490-4
  • Annelise Heigl-Evers: Konzepte der analytischen Gruppenpsychotherapie, 2. Aufl. 1978, ISBN 3-525-45286-1
  • Annelise Heigl-Evers: Handbuch der Ehe-, Familien- und Gruppen- Therapie, 1982, ISBN 3-463-00561-1
  • Irvin D. Yalom: Im Hier und Jetzt - Richtlinien der Gruppenpsychotherapie (1983) 2005, ISBN 3-442-73236-0

Fachzeitschriften

  • Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik, seit 1968 4x/Jahr, ISSN 00174947, Vandenhoek & Rupprecht
  • Jahrbuch für Gruppenanalyse und ihre Anwendungen, hg. Mohammed Ebrahim Ardjomandi
  • Österreichisches Jahrbuch für Gruppenanalyse, hg. von Wolfgang Martin Roth und Josef Shaked

Verbände

Quellen

  1. Trigant Burrow: The Basis of Group-Analysis, 1928
  2. Tschuschke: Wirkfaktoren der Gruppenpsychotherapie, in: Praxis der Gruppenpsychotherapie, 2001
  3. http://www.gemeindedienst.info/weltanschauung/texte/inmatrattner.htm

Siehe auch


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