Gustav Lombard

Gustav Lombard
Lombard am 10. März 1943 anlässlich der Verleihung des Ritterkreuzes

Gustav Lombard (* 10. April 1895 in Klein-Spiegelberg, Kreis Prenzlau; † 18. September 1992 in Mühldorf am Inn) war als SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS Kommandeur mehrerer SS-Divisionen. Während seiner Zeit als Regimentskommandeur im Kommandostab RFSS prägte er die Bezeichnung „Entjudung“ für die Ermordung der jüdischen Bevölkerung in den deutschbesetzten Gebieten Osteuropas. Als Kriegsverbrecher wurde er in der Sowjetunion zu 25 Jahren Haft verurteilt, jedoch bereits 1955 im Rahmen der von Konrad Adenauer erreichten Amnestie für deutsche Gefangene freigelassen (vgl. Heimkehrer). In Deutschland wurden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I 1970 eingestellt mit der Begründung, es könne „die öffentliche Anklage nicht mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden“.[1]

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung

Nachdem sein Vater 1906 starb, besuchte Lombard Verwandte in den USA. 1913 bestand er das High School (Oberschule) Examen und begann das Studium an der Universität Michigan. Nach Ende des Ersten Weltkrieges ging er im Herbst 1919 wieder nach Deutschland, wo er für American Express und die Chrysler Motor Company in Berlin arbeitete.

Rolle bei Judenvernichtung und Völkermord

Polen 1940

Als Führer der 3. Reiterschwadron der 1. SS-Totenkopf-Reiter-Standarte gab er am 7. April 1940 in Krolowiec den Befehl: „Im Gefechtsstreifen im Hinblick auf die Kampfmethoden der irregulären, polnischen Truppen sofort auf Nichtdeutsche schießen.“[2] Am selben Abend erhielt die Schwadron über Funk den Befehl, bei der Besetzung und Durchsuchung weiterer Ortschaften in der Umgebung „die gesamten, im Gefechtsstreifen liegenden Dörfer für die nachrückende Polizeitruppe zu umstellen und die gesamte männliche Bevölkerung gefangen zu nehmen. Abtransport erfolgt durch die nachfolgende Polizeitruppe. Bei Widerstand werden sämtliche Männer im Alter zwischen 17 und 60 Jahren erschossen und das gesamte Dorf eingeäschert. Jeder Fluchtversuch bedingt sofortiges Erschießen.“[3] Im Abschlussbericht gibt Hermann Fegelein, Kommandeur der Standarte, für die Aktion 250 Erschossene an.[4]

Weißrussland 1941

Im Juli 1941 befahl Himmler die „systematische Durchkämmung in den Pripjet-Sümpfen“ östlich von Brest. Lombard befehligte als Sturmbannführer die Reitende Abteilung des 1. SS-Kavallerie-Regiments. Seine Anweisung für die Durchsuchung der Gegend lautete: „Es bleibt kein männlicher Jude leben, keine Restfamilie in den Ortschaften“.[5] In diesem Zusammenhang prägte Lombard auch den Begriff „Entjudung“, der sich nun auf die physische Vernichtung der jüdischen Menschen in der Region bezieht.[6] Ein Abschlussbericht bilanzierte, „Weiber und Kinder in die Sümpfe zu treiben, hatte nicht den Erfolg, den er haben sollte, denn die Sümpfe waren nicht so tief, daß ein Einsinken erfolgen konnte.“ Gleichwohl könne „gesagt werden, daß die Aktion als gelungen zu bezeichnen ist.“[7] Im Laufe des Einsatzes ermordeten die SS-Soldaten unter Lombards Kommando mindestens 11.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder sowie über 400 versprengte Rotarmisten.[8]

„Partisanenkampf“

Bereits 1941 wurde klar, dass die Vernichtungsaktionen der Waffen-SS gegenüber der Wehrmacht als „Partisanenbekämpfung“ getarnt werden sollten. Vereinzelte versprengte Rotarmisten boten den Vorwand für „Säuberungsaktionen“, die jedoch in erster Linie die Ermordung der jüdischen Bevölkerung zum Ziel hatten. 1942 führte Lombard im Rahmen einer Besprechung zwischen SS und Wehrmacht jedoch aus: „Man kann vielleicht über die Maßnahmen verhandeln, wie der Jude am zweckmäßigsten aus den uns anvertrauten Gebieten verschwinden soll, aber daß er beseitigt werden muß, steht fest, denn der Jude ist der Partisane!“[9]

Nachkriegszeit

Lombard lebte vom Kriegsende bis 1947 unerkannt als Major Müller im sowjetischen Kriegsgefangenenlager in Akamara, im heutigen Georgien. Seine ehemalige Ordonanz, Sturmbannführer Wolf wurde 1947 dorthin versetzt, erkannte und denunzierte ihn. Lombard wurde 1947 wegen der Vergewaltigung und Ermordung einer Russin sowie der Erschießung von Partisanen durch Angehörige seines 1. Reiterregiments zu 25 Jahren Haft verurteilt. Am 10. Oktober 1955 wurde er im Rahmen der von Adenauer erreichten Amnestie für deutsche Gefangene aus dem Kriegsgefangenenlager Woikowo entlassen. Mit der Hilfe seiner Kameraden erhielt er in München eine Wohnung übertragen und wurde bald darauf als Versicherungskaufmann von der Allianz-Versicherung eingestellt. In den seit 1962 laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I wegen der Vernichtung der jüdischen Gemeinden im Pripjatgebiet wurde auch Lombard als Beschuldigter geführt. Die Einstellung des Verfahrens am 22. Dezember 1970 war aufgrund einer Novelle des § 50,2 des Strafgesetzbuches möglich geworden, wonach eine besonders grausame Tatausführung oder niedere Beweggründe nachgewiesen werden mussten, was einer „kalten“ Amnestie für NS-Mörder gleichkam.[10]

Lombard war aktiv in der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS und trat bei Kameradschaftstreffen öffentlich in Erscheinung. Er starb 97-jährig am 18. September 1992 in Mühldorf am Inn.

Laufbahn in der SS

  • SS-Mitgliedsnummer: 185.023 (Eintritt Mai 1933)
  • NSDAP-Mitgliedsnummer: 2.649.630
  • 1. Dezember 1937 – 1. März 1938: 7. SS-Reiterstandarte, Berlin
  • 1. März 1940: Eintritt in die Waffen-SS

Beförderungen

  • 15. September 1935 SS-Untersturmführer
  • 13. September 1936 SS-Obersturmführer
  • 11. September 1938 SS-Hauptsturmführer
  • 1. März 1940 SS-Hauptsturmführer der Reserve in der Waffen-SS
  • 21. Juni 1941 SS-Sturmbannführer der Reserve
  • 16. März 1943 SS-Obersturmbannführer der Reserve (mit Dienstalter vom 1. März 1942)
  • 30. Januar 1943 SS-Standartenführer der Reserve
  • 13. März 1944 SS-Oberführer
  • 20. April 1945 SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS

Auszeichnungen

Kommandos

  • 6. Dezember 1940 – 25. Februar 1941 I./SS-Totenkopf-Kavallerie-Regiment 1
  • 25. Februar – 19. August 1941 Reitende Abteilung/SS-Totenkopf-Reiterstandarte
  • 15. Oktober – 20. November 1941 in Vertretung Fegeleins Kommando über SS-Kavallerie-Brigade.
  • 18. August 1941 – 22. Oktober 1943 SS-Totenkopf-Kavallerie-Regiments 1 (am 1. September 1941 in SS-Kavallerie-Regiment 1 umbenannt)
  • zeitweilig auch Kommandeur der SS-Kavallerie-Brigade, die in dieser Zeit zur Division umgegliedert wird.
  • 28. Oktober – 6. Dezember 1943 Kommandeur der Waffen-Grenadier-Brigade der SS (italienische Nr. 1)
  • 14. April – 1. Juli 1944 8. SS-Kavallerie-Division „Florian Geyer“
  • 14. Juli – 23. August 1944 12. Divisions-Führerlehrgang in Hirschberg
  • 23. August – 1. September 1944 6. SS-Gebirgs-Division „Nord“ (tatsächlich nie angetreten)
  • September 1944 Führerreserve
  • 28. September – 1. Oktober 1944 23. Waffen-Gebirgs-Division der SS „Kama“
  • 1. Oktober 1944 – April 1945 31. SS-Freiwilligen-Grenadier-Division.

Literatur

  • Unsere Ehre heißt Treue. Kriegstagebuch des Kommandostabes Reichsführer SS, Tätigkeitsberichte der 1. und 2. SS-Inf.-Brigade, der 1. SS-Kav.-Brigade und von Sonderkommandos der SS. Europa, Wien 1965
  • Martin Cüppers: Wegbereiter der Shoah. Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939–1945.(auch mit der Titelung: ...Shoa...). WBG, Darmstadt 2005 ISBN 3-534-16022-3.
    • dsb.: Gustav Lombard. Ein engagierter Judenmörder der Waffen-SS. In: Klaus-Michael Mahlmann, Gerhard Paul (Hgg.): Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täterbiographien. ebd. 2004 ISBN 3-534-16654-X, S. 145–155

Einzelnachweise

  1. Cüppers, Wegbereiter, S. 324.
  2. Kriegstagebuch 3. Schwadron. vom 7. April 1940, BA-MA, RS 4/310.
  3. Befehl 1. SS-Totenkopf-Reiter-Standarte an 3. Schwadron vom 7. April 1940, 21.50, BA-MA, RS 4/683.
  4. Cüppers, Wegbereiter, S. 57f.
  5. Abteilungsbefehl Nr.28, Kommandeur Reitende Abteilung vom 1. August 1941, BA-MA, RS 4/441.
  6. Abteilungsbefehl Nr. 36 u. 37 vom 9. u. 11. August 1941, BA-MA, RS 4/441.
  7. Bericht über Einsatz Pripjet-Sümpfe, 12. August 1941, Bl. 3f., in: VVN (Hrsg.), Info-Dienst, 3 (1976), Nr. 12, unpag.
  8. Cüppers, Wegbereiter, S. 142-151.
  9. Redemanuskript Kdr. SS-KR 1 (undat./gehalten 25. September 1941, BA-MA, RH 22/225. siehe auch Cüppers, Wegbereiter, S. 221f.
  10. Cüppers, Wegbereiter, S. 324.
  11. a b Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939–1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S. 513

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