Gyroskop

Gyroskop
Einfaches Gyroskop

Ein Kreiselinstrument oder Gyroskop (von gr. γύρος / gyros für ‚Drehung‘ und σκοπεῖν / skopein für ‚sehen‘; der Name sollte auf das Sichtbarmachen der Erddrehung hinweisen) ist ein rasch rotierender, symmetrischer Kreisel, der sich in einem beweglichen Lager dreht. Das Lager kann eine kardanische Aufhängung sein, oder ein Rahmen in Form eines Käfigs (siehe Abbildung). Aufgrund der Drehimpulserhaltung behält der Kreisel seine Orientierung im Raum bei. Wird die Drehgeschwindigkeit zwischen Kreisel und Käfig gemessen und als Regelgröße herangezogen, spricht man von einem Gyrometer. Gyroskope werden als Navigationsinstrumente sowie zur aktiven Lageregelung eingesetzt, insbesondere für Luft- und Raumfahrt. Bei der Lageregelung von Raumflugkörpern wird ausgenutzt, dass das Gesamtsystem aus Raumflugkörper und Gyroscop seinen Drehimpuls beibehält und somit durch Drehimpulsübertragung zwischen beiden die Lage gesteuert werden kann. Es wurde 1852 von Jean Bernard Léon Foucault entwickelt.

Inhaltsverzeichnis

Physikalische Prinzipien

Kreiselsysteme lassen sich als geschlossenes System ansehen, dessen Drehimpuls konstant bleibt. Versucht eine äußere Kraft, die Drehachse des Kreisels zu kippen, resultiert daher ein Drehmoment. Um den Gesamtimpuls zu bewahren, kippt sich die Kreiselachse senkrecht zur angreifenden Kraft. Der Effekt ist u. a. vom Spielzeugkreisel bekannt, dessen Achse durch die ihn kippende Schwerkraft entlang eines Kegelmantels präzediert.

Messprinzipien

Daher sind am Kreisel folgende Messprinzipien möglich:[1]

  1. Die Stabilität der Kreiselachse: ein frei laufender, symmetrischer Kreisel hat das Bestreben, die Richtung seiner Drehachse im Inertialraum beizubehalten.  – Ein Bezug der Lage ist gegeben
  2. Die Präzession: versucht eine äußere Kraft, die Achsenrichtung eines laufenden Kreisels zu ändern, so folgt die Kreiselachse nicht der Angriffsrichtung dieser Kraft, sondern weicht rechtwinklig zu ihr im Sinne der Kreiseldrehung aus. – Äußere Kraft und Präzession stehen in direktem Zusammenhang, eine Lageänderung wird messbar

Die zwei Gesetzmäßigkeiten sind die Grundlage aller Kreiselinstrumente: Der 1. Satz ist eine Folge der Massenträgheit, der 2. Satz eine Folge des Drallsatzes (Satz vom Drehimpuls).

In einem abgeschlossenen System bleibt neben dem Gesamtimpuls auch der Drehimpuls erhalten. Stabilität und Präzession nehmen mit dem Drehimpuls des Kreisels zu.

Die Wirkung des Stabilitätssatzes wird auch als richtungshaltender Kreisel bezeichnet; wichtige technische Anwendungen sind der künstliche Horizont und der Kurskreisel der Luftfahrt. In der Praxis bewirkt jede kleinste Unwucht ein langsames Auswandern der Kreiselachse (Kreiseldrift), die z. B. beim Gyrosyn durch Magnetstützung unter 0,5° gehalten wird.

Die Präzession wird in noch breiterem Ausmaß angewandt: u. a. als Stellgröße bei Aufgaben der mechanischen Stabilisierung, beim Kreiselkompass der Nautik bzw. beim Vermessungskreisel (richtungssuchender bzw. nordsuchender Kreisel), oder für den Instrumentenflug beim Wendezeiger.

Technische Anwendungen

Weitverbreitet sind Kreiselinstrumente in der Verkehrstechnik, insbesondere zur Orientierung und zur Navigation. Auch Alarm- und selbststeuernde Geräte sind in Entwicklung.

Ein Gyroskop aus einem Flugzeug
  • In PKW können Gyrometer Richtungsänderungen genauer messen, als es über die Räder (Kurvenradien) möglich ist. Zusammen mit der Messung der zurückgelegten Strecke ist eine recht genaue Positionsbestimmung möglich (Koppelnavigation), die schon heute in manchen GPS-Navigationsanlagen die Anzeige fortführt, wenn die Satellitensignale (etwa im Tunnel) ausfallen.

Bei jedem Kreiselsystem würde aber über längere Zeiträume jede kleine Unwucht zu einer anwachsenden Kreiseldrift führen, die insbesondere im Flugwesen sehr störend wäre. Daher entwickelt man magnetgestützte Gyrosyn-Geräte, welche die Richtungsmessung auch über längere Zeit stabilisieren.

  • In jedem Flugzeug-Cockpit befinden sich mehrere Kreiselinstrumente. Das wichtigste ist der künstliche Horizont: er zeigt dem Piloten eine Linie, die vor dem Start horizontal ausgerichtet wird. Während des Fluges hält der Horizontkreisel infolge seiner Achsenstabilität diese Linie in der Horizontalen, auch wenn sich das Flugzeug nach vorn, hinten oder zur Seite neigt. Damit kann man im Cockpit die räumliche Lage des Flugzeugs bestimmen, auch wenn Dunkelheit, Wolken oder flugbahnbedingte Fliehkräfte eine unmittelbare visuelle Orientierung erschweren (siehe Instrumentenflug). Ein anderes Kreiselgerät ist der Wendezeiger, der einen genau kontrollierten Kurvenflug ermöglicht.

Lageregelung ist auch in anderen Bereichen von Bedeutung:

  • Bei Modellflugzeugen und -hubschraubern werden Gyroskope eingesetzt, um eine oder mehrere Achsen gegen Wind oder gegen Nebeneffekte der Steuerung zu stabilisieren, weil diese andernfalls nur schwer steuerbar sind. So ist es möglich, den Drehmomentausgleich (via Heckrotor) – eigentlich die größte fliegerische Herausforderung beim Hubschrauberflug – komplett dem Autopiloten anzuvertrauen. Dabei kommen mechanische Kreisel ebenso wie Piezo-Sensoren zur Anwendung; in beiden Fällen werden die Steuerkorrekturen über integrierte Mikrocontroller direkt im Flugmodell errechnet.
  • Torpedos oder unbemannte Fluggeräte wie z. B. ballistische Raketen benötigen keinen künstlichen Horizont. Stattdessen wird ein Kreiselinstrument direkt an die Steuerung angeschlossen, was erstmals bei der A4 (V2-Rakete) im 2. Weltkrieg geschah. Die Kreiselsteuerung dient dazu, unerwünschte Einflüsse wie die Abdrift durch Wind oder Unregelmäßigkeiten im Antrieb zu kompensieren, um die programmierte Flugbahn einzuhalten. Sie ist heute meist Teil eines inertialen Navigationssystems (INS).
  • In der Raumfahrt dienen Kreisel zur Lageregelung: Hierbei stabilisieren im fast kräftefreien Raum das Trägheitsrad und das Reaktionsrad selbst. Messtechnische Aspekte spielen dabei nur eine sekundäre Rolle. Das bisher präziseste und technisch anspruchsvollste Kreiselinstrument wurde für den im April 2004 gestarteten Gravity-Probe-Satelliten konstruiert, dessen erste Ergebnisse im April 2007 bekannt wurden.
  • Ebenfalls zum Einsatz kommen Gyroskope in kreiselstabilisierten Ferngläsern, bei denen das Kreiselinstrument eine Beobachtung auch von Schnellbooten oder aus Helikoptern bzw. Kraftfahrzeugen heraus ermöglicht.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Harro Simon: Instrumentenflugkunde und Navigation. Teil 1. Grundlagen und Ausbildung im Motor- und Segelflug. In: Bücher der Luftfahrtpraxis. 8, Reich, 1961. 

Literatur

  • W. Fabeck: Kreiselgeräte. 1. Auflage. Vogel-Verlag, Würzburg 1980, Kap.1, 3 und 8
  • H. Simon: Instrumentenflugkunde und Navigation, Teil I. Bücher der Luftfahrtpraxis Band 8. Hanns Reich-Verlag, München 1961

Weblinks


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