Haftung (Steuerrecht)

Haftung (Steuerrecht)

Haftung im deutschen Steuerrecht bedeutet das Einstehen mit dem eigenen Vermögen für eine fremde Steuerschuld. Es handelt sich dabei um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, für den die Regelungen des Steuerschuldrechts gelten. Die Haftung kann sich auf das gesamte Vermögen des Schuldners erstrecken oder auf einzelne Vermögensgegenstände beschränkt sein (dingliche Haftung). Schuldhaftes Handeln ist nicht immer erforderlich.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Die Haftungsschuld ist ein neben der eigentlichen Steuerschuld bestehender Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis. Haftungsschuldner kann jede natürliche und juristische Person sein, die den jeweiligen Haftungstatbestand erfüllt, Haftungsgläubiger ist der Staat als Gläubiger der Steuerforderung, für die gehaftet werden soll.

Voraussetzung für die Haftung ist das Bestehen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis. Damit kommt eine Haftung nicht nur für Steuern, sondern auch für steuerliche Nebenleistungen wie Säumniszuschläge, Zinsen oder Verpätungszuschläge in Betracht. Keine Rolle spielt, ob dieser Anspruch tatsächlich festgesetzt wurde. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige nicht mehr existent und eine Steuerfestsetzung aus diesem Grund nicht mehr möglich ist, z. B. nach Tod des Steuerschuldners oder nach Löschung einer juristischen Person im Handelsregister.

Haftungsbescheid

Die Haftungsinanspruchnahme ist eine Ermessensentscheidung der Behörde. Vor Inanspruchnahme muss der Haftungsgläubiger neben dem Vorliegen eines gesetzlichen Tatbestandes prüfen, ob er einen in Frage kommenden Schuldner in Haftung nehmen will (Entschließungsermessen) und bei mehreren möglichen Schuldnern, wen er in Haftung nehmen will (Auswahlermessen). Zu diesem Zweck muss dem möglichen Haftungsschuldner vorab rechtliches Gehör gewährt werden. Soll gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer ein Haftungsbescheid wegen einer Handlung im Sinne des § 69 AO, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, erlassen werden, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind, § 191 Abs. 2 AO. Kommt der Haftungsgläubiger zu dem Ergebnis, dass er den Schuldner in Haftung nehmen will, erlässt er einen Haftungsbescheid. Der Haftungsbescheid ist kein Steuerbescheid. Rechtsmittel ist der Einspruch bzw. nach erfolglosem Vorverfahren der finanzgerichtliche Weg.

Nach Ergehen eines Haftungsbescheides sind Haftungsschuldner und Steuerschuldner Gesamtschuldner. Das bedeutet, dass der Steuergläubiger von jedem die Befriedigung seines Anspruches verlangen kann und dass die Tilgung der Steuer durch einen der Gesamtschuldner auch für alle Gesamtschuldner wirkt.

Erlöschen des Haftungsanspruchs

Der Haftungsanspruch erlischt, sobald die zugrunde liegende Steuerschuld erloschen ist. Dies ist der Fall bei vollständiger Zahlung oder bei Erlass des Anspruchs. Ebenso erlischt der Anspruch, wenn der zugrunde liegende Steueranspruch wegen Ablaufs der Verjährungsfrist nicht mehr festgesetzt werden kann oder wenn bei erfolgter Festsetzung Zahlungsverjährung eingetreten ist.

Der Haftungsanspruch selbst erlischt ebenfalls durch Zahlung, Erlass oder Verjährung. Sowohl die Regeln über die Festsetzungsverjährung als auch die, über die Zahlungsverjährung sind auf den Haftungsanspruch anwendbar. Wurde die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt, endet die Verjährungsfrist nicht, bevor diese Steuer verjährt ist.

Haftungstatbestände

Für die steuerliche Haftung kennen die Steuergesetze eine Vielzahl von Tatbeständen. Daneben kommt eine Haftung auch nach privatrechtlichen Vorschriften in Betracht. Sofern ein solcher außersteuerlicher Tatbestand verwirklicht ist, muss dieser nach den für die steuerlichen Haftungstatbestände geltenden Regeln geltend gemacht werden, insbesondere bedarf es auch hier des Erlasses eines Haftungsbescheides. Schließlich kann sich ein Dritter durch Vertrag verpflichten, für die Steuerschuld eines anderen einzutreten. In diesen Fällen richtet sich die Haftungsinanspruchnahme allein nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.

Steuergesetzliche Tatbestände

Diese Tabelle enthält alle zum 1. Januar 2009 in den Steuergesetzen genannten Haftungstatbestände.[1]

Rechtsgrundlage Inhalt
§ 45 AO Haftung der Erben für Haftungsschulden des Erblassers
§ 69 AO Haftung des gesetzlichen Vertreters, Vermögensverwalters oder Verfügungsberechtigten
§ 70 AO Haftung des Vertretenen
§ 71 AO Haftung des Steuerhinterziehers und des Steuerhehlers
§ 73 AO Haftung der Organgesellschaft für die durch das Organschaftsverhältnis veranlassten Steuern
§ 74 AO Haftung des Eigentümers von Gegenständen
§ 75 AO Haftung des Betriebsübernehmers
§ 76 AO Sachhaftung
§ 10b Absatz 4 EStG Spendenhaftung
§ 42d EStG Haftung des Arbeitgebers für Lohnsteuern
§ 44 Absatz 5 EStG Haftung des Schuldners von Kapitalerträgen für die Kapitalertragsteuer
§ 45a Absatz 7 EStG Haftung des Ausstellers einer unrichtigen Steuerbescheinigung über Kapitalerträge
§ 48a Absatz 3 EStG Haftung des Leistungsempfängers bei zu wenig abgeführter Bauabzugsteuer
§ 50a Absatz 5 EStG Haftung beim Steuerabzug für bestimmte Leistungen von beschränkt Steuerpflichtigen
§ 20 Absatz 3 ErbStG Haftung des Nachlasses für die Erbschaftsteuer der Erben
§ 13c UStG Haftung bei Abtretung, Verpfändung oder Pfändung von Forderungen
§ 25d UStG Haftung für die schuldhaft nicht abgeführte Umsatzsteuer
§ 11 GrStG Haftung des Nießbrauchers und des Erwerbers für die Grundsteuer
§ 12 GrStG Dingliche Haftung des Steuergegenstandes für die Grundsteuer

Zivilrechtliche Tatbestände

Diese Tabelle enthält die zum 1. Januar 2009 gültigen zivilrechtlichen Haftungstatbestände, auf die sich die steuerliche Haftung beziehen kann.[1]

Rechtsgrundlage Inhalt
§ 26 BGB Haftung der Vorstände eines eingetragenen Vereins[2]
§ 54 BGB Haftung der Mitglieder eines nicht rechtsfähigen eingetragenen Vereins
§ 421 BGB Haftung der Gesellschafter einer GbR
§ 25 HGB Haftung des Erwerbers bei Fortführung der Firma
§ 27 HGB Haftung des Erben bei Fortführung der Firma
§ 28 HGB Haftung der neuen Gesellschaft bei Aufnahme eines Gesellschafters in ein Einzelunternehmen
§ 128 HGB Haftung des Gesellschafters einer OHG
§ 161 Absatz 2 HGB Haftung des Komplementärs einer Kommanditgesellschaft
§ 171 ff. HGB Haftung des Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft
§ 11 Absatz 2 GmbHG Haftung des im Namen einer GmbH vor deren Eintragung ins Handelsregister Handelnden
§ 24 GmbHG Haftung des Gesellschafters einer GmbH für seine noch nicht geleistete Einlage
§ 41 AktG Haftung des im Namen einer AG vor deren Eintragung ins Handelsregister Handelnden
§ 93 AktG Haftung der Vorstandsmitglieder
§ 116 AktG Haftung der Aufsichtsratsmitglieder
§ 34 GenG Haftung der Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft

Einzelnachweise

  1. a b Josef Schneider: Haftung. In: Finanz und Steuern Band 16: Lexikon des Steuerrechts. Schäffer-Pöschel, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-791028-33-0.
  2. Es gelten die gleichen Maßstäbe wie bei der Haftung von GmbH-Geschäftsführern, BFH-Urteil vom 23. Juni 1998, BStBl. II S. 761


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