Halide Edib Adivar

Halide Edib Adivar
Halide Edip Adivar

Halide Edip Adıvar (* 1884 in Istanbul; † 9. Januar 1964 ebenda) war eine türkische Dichterin, Revolutionärin und eine der bedeutendsten türkischen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Halide Edip stammte aus einer angesehenen Istanbuler Familie, die zum unmittelbaren Umfeld des Hofes des Sultans gehörte. Sie absolvierte bis 1901 das American College for Girls in Istanbul und bekam gleichzeitig Privatunterricht von bedeutenden türkischen Gelehrten, u. a. dem Philosophen Rıza Tevfik. 1901 heiratete sie einen bekannten türkischen Mathematiker, Salih Zeki, und begann gleichzeitig als eine der ersten türkischen Frauen eine berufliche Karriere, sie wurde Lehrerin. Zunächst war sie in der Lehrerausbildung tätig. Während der Revolution von 1908 redete sie als eine der ersten türkischen Muslimas auf öffentlichen Kundgebungen, damals eine Sensation und eine Provokation für konservative Glaubensbrüder.

1910 ließ Halide Edip Hanım sich von Zeki scheiden und war ab 1911 in einem nationalistischen Verein, Türk Ocagi, aktiv, wo sie mit zahlreichen Protagonisten der jungtürkischen Revolution, u.a. dem Schriftsteller und Soziologen Ziya Gökalp, zusammenarbeitete. Der deutsche Sozialdemokrat und Journalist Dr. Friedrich Schrader, den sie vermutlich bereits vor 1901 durch seine Tätigkeit als Dozent am US-amerikanischen Robert College kennengelernt hatte, übersetzte ihren Roman "Yeni Turan" ins Deutsche. Der Roman wurde von Ernst Jäckh unter dem Titel "Das Neue Turan - ein türkisches Frauenschicksal" in der "Deutschen Orientbücherei" 1916 veröffentlicht. Halide Edip war in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg der Prototyp der emanzipierten "neuen türkischen Frau". Schrader bezeichnet sie in der SPD-Theoriezeitschrift "Die Neue Zeit" als "die bewährte Führerin der türkischen Frauenwelt" [1].

Während des Ersten Weltkrieges war sie als Schulinspektorin und Internatsleiterin im Libanon tätig und leitete eine Schule in Damaskus. Sie leitete bis Februar 1917 die Umerziehung von kurdischen und überlebenden armenischen Kindern des Genozids zu Türken in einem Waisenhaus unweit von Ayntura in einem ehemaligen französischen Kloster bei Beirut. [2] 1917 heiratete Halide Edip erneut, und zwar Adnan Adıvar, einen Wissenschaftler und führenden Kopf der Revolution von 1908.

Ab 1920 verließ Edip die Hauptstadt und ging nach Anatolien, um sich der Armee General Kemal Paschas anzuschließen, wo sie bis zum Leutnant aufstieg und eine Schlüsselrolle bei der Beschaffung von Waffen und bei der Flucht von Kriegsverbrechern von der Istanbuler Regierung auf die kemalistische Seite spielte.[3] 1923 wurde Kemal "Atatürk" Staatspräsident, danach verließ Adıvar 1926 die Türkei, nachdem sie und ihr Mann beschuldigt wurden, in einen Putschversuch gegen den "Gazi" verwickelt gewesen zu sein. Nach einem bewegten Leben in Frankreich, England, den USA, und Indien (wo sie 1935 auf persönliche Einladung von Mahatma Gandhi Islamkunde unterrichtete) kehrte sie mit ihrem Mann 1940 nach Istanbul zurück, wo beide inzwischen rehabilitiert worden waren und von der CHP, der sozialdemokratischen Nachfolgepartei der Jungtürken, als Veteranen der Revolutionen von 1908 und 1923 hoch dekoriert wurden. Sie wurde Professorin für Englische Literatur und verbrachte ihren Lebensabend in ihrer Heimatstadt Istanbul, wo sie 1964 verstarb.

Werke

Auf Deutsch übersetzt:

  • Yeni Turan (deutsch 1916 unter dem Titel Das Neue Turan - ein türkisches Frauenschicksal, Übersetzung: Friedrich Schrader)
  • Das Flammenhemd (deutsch 1924, Übersetzung: Heinrich Donn)
  • Die Tochter des Schattenspielers (deutsch 2008, Manesse, Übersetzung: Renate Orth-Guttmann, ISBN 978-3717521648 )[4]

Von der Autorin in englischer Sprache verfasst:

  • The Shirt of Flame (1924, Übersetzung ihres eigenen Romans Ateşten Gömlek (1922) ins Englische)
  • Memoirs (1926)
  • The Turkish Ordeal(1928)
  • Turkey Faces West (1930)
  • Conflict of East and West in Turkey (1935)
  • The Clown and his Daughter (1935)
  • Inside India (1937)

Zahlreiche Werke in türkischer Sprache: 21 Romane, 4 Erzählbände, 2 Theaterstücke, etc.

Sekundärliteratur

  • Friedrich Schrader, Das Jungtürkische Lausanner Programm: Die Neue Zeit (Hg. SPD), 1920, Jahrgang 38, Band 2, pp. 6-11, 31-35
  • Pogrom. Zeitschrift für bedrohte Völker. Sonderausgabe zum 24. April 1915-1980. Armenier 1915: Verfolgung, Vertreibung, Vernichtung. Seite 14.

Einzelnachweise

  1. Friedrich Schrader: Das Jungtürkische Lausanner Programm: Die Neue Zeit (Hsg. SPD), 1920, Jahrgang 38, Band 2, pp. 6-11, 31-35
  2. Raymond Kévorkian: Le Génocide des Arméniens, Odile Jacob, Paris 2006 ISBN 2-7381-1830-5 p. 843
  3. Erik Jan Zürcher: The Unionist Factor: The Role of the Committee of Union and Progress in the Turkish National Movement 1905-1926 Brill Academic Publishers, 1997 ISBN 978-9004072626, Seite 82 f.
  4. Buchbesprechung: Der betörende Ton des Korans: Die Freiheit zum Glück: Halide Edip Adivars wiederentdeckter Istanbul-Roman ¸¸Die Tochter des Schattenspielers" - Christiane Schlötzer - Süddeutsche Zeitung, 20.2.2009 [ http://www.sueddeutsche.de/558382/847/2766709/Der-betoerende-Ton-des-Korans.html ]

Weblinks


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