Hambachfest

Hambachfest
Der Zug zum Hambacher Schloss 1832 mit den Fahnenfarben „schwarz-rot-gold von unten“
Das Hambacher Schloss heute

Das Hambacher Fest vom 27. bis 30. Mai 1832 auf dem Hambacher Schloss bei Neustadt an der Haardt (heute Neustadt an der Weinstraße, Rheinland-Pfalz) gilt als Höhepunkt frühliberaler bürgerlicher Opposition in Restauration und Vormärz. Die Forderungen der Festteilnehmer nach deutscher Einheit, Freiheit und Demokratie hatten ihre Wurzeln in der Unzufriedenheit der Bevölkerung der Pfalz mit der Verwaltung der Region durch das Königreich Bayern.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Die heutige Pfalz gehörte rechtlich ab 1801 zur Französischen Republik, und die Bevölkerung war von daher vertraut mit den Ideen der Französischen Revolution. Nach dem Ende der napoleonischen Ära wurde das Territorium 1816 gemäß den Beschlüssen des Wiener Kongresses dem Königreich Bayern zugeteilt und als „Rheinkreis“, später – zur Unterscheidung von der nordbayerischen Oberpfalz – als „Rheinpfalz“, unter bayerische Verwaltung gestellt. Dabei wurden die aus der Französischen Revolution übernommenen Freiheitsrechte der Bevölkerung zum Teil beibehalten. Hieraus ergaben sich immer wieder Konflikte mit der bayrischen Zentralgewalt. In der Folgezeit wurde die Wirtschaft der Pfalz durch hohe Zölle und Steuern stark benachteiligt, so dass große Teile der Bevölkerung verarmten.

Im Zuge der französischen Julirevolution von 1830 bildete sich auch außerhalb der Pfalz eine größere Bewegung, die mit ihren ursprünglich aus der Französischen Revolution stammenden Ideen von nationaler Einheit und Demokratie in Opposition zu den tatsächlichen Machtverhältnissen stand. Das Hambacher Fest stellte einen Höhepunkt dieser Bewegung dar.

Hambacher Fest

Gründung des „Deutschen Preß- und Vaterlandsvereins“

1830 wurden die Rechte der Pfälzer Bevölkerung noch weiter eingeschränkt als in den Jahren zuvor und eine strenge Zensur eingeführt. Als Reaktion hierauf und die daraus resultierenden Druckverbote gründeten die Publizisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth Anfang Februar 1832 den „Deutschen Preß- und Vaterlandsverein“. Vorsitzender wurde der pfälzische Rechtsanwalt und Abgeordnete Friedrich Schüler. Dieser Kreis organisierte am 27. Mai 1832 im damaligen Neustadt an der Haardt ein „Volksfest“, nachdem politische Kundgebungen von der bayerischen Obrigkeit verboten worden waren. Es fand auf dem nahen Schlossberg statt, der auf der Gemarkung des damals noch selbstständigen Dorfes Hambach liegt.

Zug zum Hambacher Schloss

Deutsche Briefmarke zum 150. Jubiläum des Hambacher Festes 1982...
...und zum 175. Jubiläum 2007. Aquarell von Boehn nach einem zeitgenössischen Holzstich

Auf dem Fest waren ca. 30.000 Menschen aus allen Bevölkerungsschichten und aus zahlreichen Nationen anwesend: vom Studenten bis zum Abgeordneten, vom Franzosen bis zum Polen, von denen zigtausende nach dem Scheitern des Novemberaufstandes 1830/31 über Deutschland nach Frankreich geflohen waren, zogen die Teilnehmer des Festes vom Neustadter Marktplatz zur 4 km vom Stadtzentrum entfernten Hambacher Schlossruine. Auch viele Frauen nahmen am Fest teil, denn in Siebenpfeiffers Aufruf hatte es geheißen:

Deutsche Frauen und Jungfrauen, deren politische Mißachtung in der europäischen Ordnung ein Fehler und ein Flecken ist, schmücket und belebet die Versammlung durch eure Gegenwart!

Seine Eröffnungsrede schloss Siebenpfeiffer mit den folgenden Worten:

Es lebe das freie, das einige Deutschland! Hoch leben die Polen, der Deutschen Verbündete! Hoch leben die Franken, der Deutschen Brüder, die unsere Nationalität und unsere Selbständigkeit achten! Hoch lebe jedes Volk, das seine Ketten bricht und mit uns den Bund der Freiheit schwört! Vaterland - Volkshoheit - Völkerbund hoch!

Die Hauptforderungen der Festteilnehmer waren Freiheit (Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit), Bürgerrechte, nationale Einheit, eine Neuordnung Europas auf der Grundlage gleichberechtigter Völker, Volkssouveränität und religiöse Toleranz.

Beim Hambacher Fest wurden zum ersten Mal in größerer Anzahl schwarz-rot-goldene Trikoloren mitgeführt, die das Streben nach Freiheit, Bürgerrechten und deutscher Einheit symbolisieren sollten. Die Farben hatten sich im Zusammenhang mit der Burschenschaftsbewegung bereits weit verbreitet; deshalb waren, wie zeitgenössische Abbildungen belegen, die Fahnen auf dem Hambacher Schloss noch mehrheitlich in der burschenschaftlichen Reihenfolge „schwarz-rot-gold von unten“ zu sehen.

Als Hauptfahne des Hambacher Festes fertigte Johann Philipp Abresch eine Trikolore in der heute gebräuchlichen Reihenfolge mit der Aufschrift „Deutschlands Wiedergeburt“. Diese „Ur-Fahne“ von 1832[1] befindet sich heute im Heimatmuseum von Neustadt an der Weinstraße. Unter diesen Farben sollte ein freies und föderales Deutschland entstehen, das dem demokratischen Grundgedanken verpflichtet sein und als Gegengewicht zur Heiligen Allianz Russlands, Österreichs und Preußens stehen sollte.

Versammlung in Neustadt

Am 28. Mai 1832, dem zweiten Tag des Hambacher Festes, trafen sich im Neustadter Schießhaus führende deutsche Demokraten und Liberale, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Der Publizist Carl Ludwig Börne, vom Preßverein zum Fest und zur Versammlung eingeladen, beschrieb in einem Brief vom gleichen Tag die aufgewühlte Atmosphäre in Hambach:

…Gestern brachten mir die Heidelberger Studenten […] ein Vivat mit Fackelzug vor meine Wohnung. Schon früher zog mir auf den Straßen alles nach mit Geschrei: es lebe Börne, es lebe der deutsche Börne!…

Im Schießhaus forderten Vertreter der Burschenschaften die sofortige Bildung einer provisorischen Regierung und den Beginn des bewaffneten Aufstands zu einem festen Termin. Siebenpfeiffer lehnte dies grundsätzlich ab, Wirth plädierte für den weiteren Aufbau von Oppositionsstrukturen durch Umformung des Deutschen Preß- und Vaterlandsvereins in eine schlagkräftige politische Organisation.

Die Vertreter des Preßvereins hielten die sofortige Revolte für aussichtslos - eine Einschätzung, die sich beim dilettantisch versuchten und dann auch gescheiterten Frankfurter Wachensturm im Nachhinein bestätigte. Den Bruch zwischen Siebenpfeiffer und den jungen Studenten verhinderte der angesehene Abgeordnete und Preßvereinsführer Friedrich Schüler, indem er den Aufstand zwar nicht ablehnte, aber weitere Vorbereitungen einforderte. Diese scheinbare Untätigkeit kritisierte später der Dichter und Journalist Heinrich Heine:

…Während den Tagen des Hambacher Festes hätte mit einiger Aussicht guten Erfolges die allgemeine Umwälzung in Deutschland versucht werden können. Jene Hambacher Tage waren der letzte Termin, den die Göttin der Freyheit uns gewährte…

Weitere Geschichte

Folgen

Hambacher Schloss von Norden

Die direkte Folge des Festes bestand in der staatsanwaltschaftlichen Verfolgung führender Persönlichkeiten des Vormärz. 13 Angeschuldigte wurden 1833 vor dem außerordentlichen Assisengericht (Schwurgericht) angeklagt, das in Landau zusammentrat und vom 29. Juli bis 16. August 1833 tagte. Das Verfahren endete zwar mit dem Freispruch der Hauptangeklagten, doch wurden diese anschließend in Zweibrücken und Frankenthal wegen angeblicher Beleidigungsdelikte vor Zuchtpolizeigerichte gestellt und verurteilt.[2][3]

Der 1833 gescheiterte Versuch, mit dem Frankfurter Wachensturm von der Hambacher Bewegung zur bewaffneten Revolution überzugehen, wurde oben bereits erwähnt.

Generell reagierte der Deutsche Bund in den Jahren 1832–34 mit vermehrter Repression. Demokraten und Liberale wurden verhaftet und die Versammlungs- und Pressefreiheit noch weiter eingeschränkt, die Universitäten noch strenger überwacht. Siebenpfeiffer und Wirth mussten in die Schweiz fliehen, auch viele der übrigen Oppositionellen sahen sich in die Illegalität gedrängt und gingen ins Ausland.

Mit den reaktionären Maßnahmen, die eine drastische Verschärfung der Karlsbader Beschlüsse von 1819 bedeuteten, wurde die republikanische Bewegung vorerst wieder zum Erliegen gebracht. Viele Künstler zogen sich vom politischen Leben zurück: Der Biedermeier entstand.

Bei der Märzrevolution 1848/49 lebte die republikanische Bewegung wieder auf und konnte ihre Ziele zunächst auch teilweise umsetzen. Nach der Niederschlagung dieser Revolution und einer neuen Restaurationsphase kam es erst nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zu einer – allerdings von oben bewirkten – „kleindeutschen“ Einigung der deutschen Staaten unter Ausschluss Österreichs, nämlich dem vom preußischen Ministerpräsidenten und späteren Reichskanzler Otto von Bismarck als Nachfolger des „Heiligen römischen Reiches Deutscher Nation“ initiierten 1. Deutschen Reich unter Kaiser Wilhelm I..

Relikte

Fahnen, eine Druckerpresse und zeitgenössische Dokumente sind in einer Dauerausstellung im Hambacher Schloss zu besichtigen. Eine der schwarz-rot-goldenen Fahnen des Hambacher Festes hängt im Plenarsaal des Rheinland-Pfälzischen Landtags im Deutschhaus zu Mainz, eine weitere hing im Großen Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe (wurde konserviert und durch eine neue Fahne ersetzt).

Siehe auch

Literatur

  • Erbar, Ralph: Sperriger Gedächtnisort. Das Hambacher Fest von 1832. In: Praxis Geschichte 3/2006 (Vormärz) S. 16–20
  • Foerster, Cornelia: Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/33. Sozialstruktur und Organisationsformen der bürgerlichen Bewegung in der Zeit des Hambacher Festes, Trier 1982 (= Trierer Historische Forschungen, Bd. 3)
  • Foerster, Cornelia: Das Hambacher Fest 1832. Volksfest und Nationalfest einer oppositionellen Massenbewegung, in: Dieter Düding, Peter Friedemann, Paul Münch (Hrsg.): Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg, Reinbek bei Hamburg 1988, S. 113–131
  • Heer, Georg: Geschichte der Deutschen Burschenschaft, Bd. 2: Die Demagogenzeit 1820–1833, Heidelberg 1927, 2. Aufl. 1965 (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung, Bd. 10), S. 291–302
  • Jakob, Josef: Die Studentenverbindungen und ihr Verhältnis zu Staat und Gesellschaft an der Ludwigs-Maximilian-Universität Landshut/München von 1800 bis 1833, Diss. phil. Fernuniversität Hagen 2002, S. 179–181, 206–209, 211–217
  • Kaupp, Peter: „Bezüglich revolutionärer Umtriebe“. Burschenschafter im „Schwarzen Buch“ (1838). Ein Beitrag zur Sozialstruktur und zur Personengeschichte des deutschen Frühliberalismus, in: Horst Bernhardi, Ernst Wilhelm Wreden (Hrsg.): Jahresgabe der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung 1980/81/82, o. O. 1982, S. 73–99
  • Kaupp, Peter: Das Hambacher Fest 1832 – Ringen um Freiheit und Einheit, in: Burschenschaftliche Blätter 97/3 (1982), S. 58–64
  • Kermann, Joachim: Harro Harring, die Burschenschaften und das Hambacher Fest. Das Burschenschaftsmotiv in seinem Drama „Der deutsche Mai“, in: Helmut Asmus (Hrsg.): Studentische Burschenschaften und bürgerliche Umwälzung. Zum 175. Jahrestag des Wartburgfestes, Berlin 1992, S. 197–217
  • Kermann, Joachim, Gerhard Nestler, Dieter Schiffmann (Hrsg.): Freiheit, Einheit und Europa. Das Hambacher Fest von 1832 - Ursachen, Ziele und Wirkungen. Verlag Pro Message, Ludwigshafen 2006, ISBN 3-934845-22-3
  • Kopf, Sabine: Studenten im deutschen Press- und Vaterlandsverein – Zum Verhältnis von Burschenschaften und nichtstudentischer bürgerlicher Opposition 1832/33, in: Helmut Asmus (Hrsg.): Studentische Burschenschaften und bürgerliche Umwälzung. Zum 175. Jahrestag des Wartburgfestes, Berlin 1992, S. 185–196
  • Kultusministerium Rheinland-Pfalz (Hrsg.): 1832-1982. Hambacher Fest. Freiheit und Einheit, Deutschland und Europa (Ausstellungskatalog zur Ausstellung des Landes Rheinland-Pfalz zum 150jährigen Jubiläum des Hambacher Festes. Hambacher Schloss, 18. Mai – 19. September 1982), Neustadt an der Weinstraße 1982
  • Lönnecker, Harald: „Unzufriedenheit mit den bestehenden Regierungen unter dem Volke zu verbreiten“. Politische Lieder der Burschenschaften aus der Zeit zwischen 1820 und 1850, in: Max Matter, Nils Grosch (Hrsg.): Lied und populäre Kultur. Song and Popular Culture, Münster, New York, München, Berlin 2004 (= Jahrbuch des Deutschen Volksliedarchivs Freiburg i. Br., Bd. 48/2003), S. 85–131
  • Lönnecker, Harald: „Wir pflanzen die Freiheit, das Vaterland auf!“ Das Hambacher Fest 1832, in: Burschenschaftliche Blätter 122 (2007), H. 1, S. 23–28
  • Polster, Georg: Politische Studentenbewegung und bürgerliche Gesellschaft. Die Würzburger Burschenschaft im Kräftefeld von Staat, Universität und Stadt 1814–1850, Heidelberg 1989 (= Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, Bd. 13), S. 192 f., 198–203, 207–214, 229 f., 247–259
  • Roeseling, Severin: Burschenehre und Bürgerrecht. Die Geschichte der Heidelberger Burschenschaft von 1824 bis 1834, Heidelberg 1999 (= Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte, Bd. 12), S. 150–235, 244–289, 296–312, 315–321, 324–329
  • Schröter, Hans: „Fürsten zum Land hinaus“ – Die Deutsche Burschenschaft und das Hambacher Fest von 1832, in: Burschenschaftliche Blätter 97/3 (1982), S. 66–70
  • Wolgast, Eike: Das Hambacher Fest als Ausdruck nationaler und demokratischer Opposition, in: Burschenschaftliche Blätter 97/5 (1982), S. 125–131
  • Wolgast, Eike: Feste als Ausdruck nationaler und demokratischer Opposition – Wartburgfest 1817 und Hambacher Fest 1832, in: Horst Bernhardi, Ernst Wilhelm Wreden (Hrsg.): Jahresgabe der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung 1980/81/82, o. O. 1982, S. 41–71

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Abbildung der „Ur-Fahne“
  2. Gallo: Die Verhandlungen des außerordentlichen Assisengerichtes zu Landau in der Pfalz im Jahre 1833. Sigmaringen 1996 (Schriften der Siebenpfeiffer-Stiftung, Band 3)
  3. Dury: Landauer Justiz zur Zeit der Freiheitsbewegung, in: Kerth/Falk: Hundert Jahre Justizgebäude – hundert Jahre Justiz im Gebäude. Landau 2003, S. 33 ff.

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