Hanau-Münzenberg

Hanau-Münzenberg
Grafschaft Hanau-Münzenberg|Territorium im
Heiligen Römischen Reich
Deutscher Nation
Übersicht Liste der Territorien im Heiligen Römischen Reich
Bezeichnung Grafschaft Hanau-Münzenberg
Staatsoberhaupt Graf von Hanau-Münzenberg, ab 1642: Graf von Hanau-Lichtenberg
Hauptstädte/Residenzen Hanau
Hervorgegangen aus Teilung der Grafschaft Hanau
Herrschaftsform Grafschaft
Herrscherhaus Grafen von Hanau-Münzenberg, ab 1642: Grafen von Hanau-Lichtenberg
Religion/Konfession römisch-katholisch, ab Mitte 16. Jh: lutherisch, ab Ende 16. Jh.: reformiert, ab 1642 bikonfessionell: reformiert/lutherisch
Sprache Deutsch
Reichstagskollegium über Wetterauer Grafenverein beteiligt an einer Kuriatsstimme im Reichsfürstenrat
Reichskreis Oberrheinischer Kreis
Aufgegangen in 1642 an Grafschaft Hanau-Lichtenberg, 1736 an Landgrafschaft Hessen-Kassel


Die Grafschaft Hanau-Münzenberg war ein Territorium des alten Deutschen Reiches. Sie ging 1458 aus einer Teilung der Grafschaft Hanau hervor.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung der Grafschaft

1452 starb nach nur einjähriger Regierungszeit Reinhard III. von Hanau. Erbe war sein erst vier Jahre alter Sohn Philipp I., der Jüngere. Aus Sorge um den Fortbestand der Familie einigten sich die Verwandten und andere wichtige Entscheidungsträger der Grafschaft, das Primogeniturstatut der Familie von 1375, eines der ältesten in Deutschland, nicht anzuwenden und dem Onkel des Erben und Bruder des verstorbenen Reinhard III., Philipp I., dem Älteren, das Amt Babenhausen aus dem Bestand der Grafschaft Hanau als eigene Grafschaft zukommen zu lassen. Hieraus entstand die Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Das verbleibende Territorium, das aber den überwiegenden Teil der Grafschaft Hanau darstellte, verblieb bei Philipp I., dem Jüngeren, und nannte sich nun Hanau-Münzenberg.

Die Geschichte der Grafschaft Hanau-Münzenberg ist geprägt von einer langen Reihe von Vormundschaften. Die Grafen von Hanau-Münzenberg verstarben fast alle sehr früh. Ob dahinter eine Erbkrankheit stand, ist ungeklärt.

Reformation

Die Grafschaft Hanau-Münzenberg schloss sich bald der Reformation an – zunächst in ihrer lutherischen Ausprägung. 1528 wurde der evangelische Prediger Philipp Neunheller von Graf Philipp II. nach Hanau berufen. Der Prozess der Reformation verlief aber gleitend und kann erst unter Philipp III. als abgeschlossen betrachtet werden.

Unter Philipp II. wurde 1528 auch mit dem Bau einer Stadtbefestigung für die Residenzstadt Hanau nach dem technischen Standard der Renaissance begonnen. Die mittelalterliche Mauer war in ihrem Umfang zu klein geworden und bot auch technisch gegen die aufkommende Artillerie nur noch unzureichend Schutz.

Für Graf Philipp Ludwig II., dessen Vater früh verstorben war, nahm Graf Johann VI. von Nassau die Vormundschaft wahr und heiratete schließlich auch dessen Mutter, Juliana Gräfin von Stolberg. Philipp Ludwig II. gelangte so unter starken calvinistischen Einfluss. Als regierender Landesherr machte er dann von seinem Recht Gebrauch, die Konfession seines Territoriums zu bestimmen („cuius regio, eius religio“). Die Grafschaft Hanau-Münzenberg wurde so in einer zweiten Reformation calvinistisch.

Gründung der Neustadt Hanau

Am 1. Juni 1597 schloss Philipp Ludwig II. einen Vertrag mit calvinistischen Flüchtlingen aus Frankreich und den Spanischen Niederlanden, die „Kapitulation der Neustadt Hanau“. Die Kapitulation wurde 1604 durch ein „Transfix der Neustadt Hanau“ ergänzt. Die Verträge gewährten den Neuankömmlingen das Recht, sich in der zu gründenden Neustadt Hanau niederzulassen und weitere Vergünstigungen. Der Graf wies ein Baugelände vor der Hanauer Altstadt aus (gegen den Widerstand des Erzbischofs von Mainz, der die Fläche als ihm zustehenden Wildbann betrachtete), bezahlte einen Teil der Infrastruktur – insbesondere die Befestigungsanlage – und gewährte Steuervorteile und politisches Selbstbestimmungsrecht für die neue Stadtgemeinde. Die Glaubensflüchtlinge aus Frankreich und den Niederlanden waren zuvor in der Reichsstadt Frankfurt am Main nicht besonders freundlich aufgenommen worden und hatten daher ein Interesse, den Hoheitsbereich des lutherisch dominierten Frankfurt zu verlassen und sich in ein calvinistisches Gebiet zu begeben, ohne sich all zu weit vom Frankfurter Messeplatz zu entfernen. Außerdem war der Hanauer Graf bei weitem nicht so mächtig, wie die reiche Stadt Frankfurt und deshalb bereit, wirtschaftliche und politische Zugeständnisse zu machen. Mit den Flüchtlingen kamen ungeheuere Kenntnisse in der Fertigung von Luxusgütern in die die Grafschaft, besonders in die Stadt Hanau.

Die Neustadt wurde von vornherein mit einer eigenen, modernen barocken Befestigungsanlage an die Befestigung der Altstadt anlehnt. Die planmäßige Anlage der Stadt legte ein regelmäßiges, schachbrettartiges Straßennetz fest, das die Hanauer Neustadt prägt und heute denkmalgeschützt ist. 1620 standen bereits mehr als 370 Häuser. Auch eine eigene große Doppelkirche (heute: Wallonisch-Niederländische Kirche) wurde bis 1611 errichtet, mit einer Kirche für die französisch und einer für die niederländisch sprechende Gemeinde unter einem gemeinsamen Dach.

Alt- und Neustadt Hanau existierten bis 1821 nebeneinander. Neben der räumlichen Trennung durch die Befestigung zwischen Alt- und Neustadt besaßen sie getrennte Verwaltungen und Stadträte mit jeweils eigenen Bürgermeistern.

Im Dezember 1603 erließ Philipp Ludwig II. auch das Privileg zur Ansiedlung der zweiten jüdischen Gemeinde in Hanau. Die erste jüdische Gemeinde Hanaus war im Zuge der spätmittelalterlichen Pestpogrome ausgelöscht worden. Zwischen der Alt- und der Neustadt entstand nun im Bereich des Zwingers der Altstadtbefestigung die Judengasse (heute: Nordstraße). Diese Gemeinde war direkt der gräflichen Verwaltung unterstellt, nicht einer der beiden Stadtverwaltungen von Alt- oder Neustadt Hanau.

Erbverbrüderung von 1610

1610 schlosse Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg und Johann Reinhard I. von Hanau-Lichtenberg einen Erbvertrag. Beim Erlöschen einer Linie sollte die andere in die Erbfolge eintreten.

Dreißigjähriger Krieg

Im Dreißigjährigen Krieg stand das calvinistische Hanau auf der Seite des „Winterkönigs“ Friedrich V. (Pfalz) (1596–1632). Graf Philipp Moritz von Hanau-Münzenberg übergab die Festung Hanau zwei heranrückenden schwedischen Reiterregimentern. König Gustav Adolf von Schweden verlangte acht Kompanien Fußvolk und ernannte Graf Philipp Moritz zum Obersten. Der aber reiste 1634 über Metz ins sichere Holland. Zwar hatte er seinen Bruder, Jakob Johann von Hanau-Münzenberg, zur Wahrung seiner Interessen zurück gelassen, aber auch dieser verließ Hanau, nachdem er feststellen musste, dass die schwedische Besatzung ihm keinen Handlungsspielraum ließ. Er ging zum Heer des Herzogs Bernhards von Weimar ins Elsaß, wo er 1636 beim Sturm auf Zabern fiel.

Von 1630 bis 1638 nutzte die schwedische Armee unter dem schottischen General Jakob von Ramsay die Festungsstadt Hanau als Stützpunkt, um von hier aus das Umland zu kontrollieren. Das Umland der Stadt Hanau, auch die ganze Grafschaft wurden dabei schwer verwüstet. Grimmelshausen verarbeitete die schwedische Besatzungszeit Hanaus in seinem Schelmenroman '"Der abenteuerliche Simplicissimus"'. 1635 bis 1636 wurde Hanau erfolglos von kaiserlichen Truppen unter General Lamboy belagert. In der Belagerung bewährte sich das erst wenige Jahre zuvor mit der Neustadt Hanau errichtete, moderne Befestigungssystem. Tausende waren aus den umliegenden Ortschaften in die Stadt geflohen, und es herrschten furchtbare Zustände. Nach neunmonatiger Belagerung rückte im Juni 1636 ein Entsatzheer unter Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel an und befreite die Stadt. Wilhelm von Hessen-Kassel war mit Amalie Elisabeth, einer Tochter von Philipp Ludwig II. verheiratet.

Im Februar 1638 wurden die Schweden aus Hanau vertrieben und Philipp Moritz wieder in die Regierung eingesetzt. Hessen-Kassel machte die Kosten der Entsetzung der belagerten Stadt Hanau gegenüber Philipp Moritz geltend. Da die völlig verarmte Grafschaft nicht zahlen konnte, wurden einige Ämter im Osten der Grafschaft Hanau an Hessen-Kassel verpfändet.

Das Ende der selbständigen Grafschaft Hanau-Münzenberg

Auf Graf Philipp Moritz folgte 1638 sein erst sechsjähriger Sohn Philipp Ludwig III., für den seine Mutter die Regentschaft führte. Drei Jahre später starb auch er. Ihm folgte 1641 Graf Johann Ernst von Hanau-Münzenberg, Sohn eines Bruders des Grafen Philipp Ludwig II. aus der Seitenlinie Hanau-Münzenberg-Schwarzenfels. Nach nur dreimonatiger Herrschaft starb auch er 1642. Damit war die Linie Hanau-Münzenberg erloschen. Gemäß dem Erbvertrag von 1610 erbte nun der erst neunzehnjährige Graf Friedrich Casimir von Hanau-Lichtenberg. Damit waren die beiden Teile der Grafschaft Hanau wieder vereint und die Geschichte der Grafschaft Hanau-Münzenberg eigentlich beendet.

Nachspiel

Letzte Erbteilung 1685–1712

Als Graf Friedrich Casimir von Hanau 1685 kinderlos starb, wurde die Grafschaft allerdings nochmals unter den Erben, den beiden Söhne seines Bruders Johann Reinhard II. von Hanau-Lichtenberg, den Grafen Philipp Reinhard und Johann Reinhard III. in Hanau-Münzenberg und Hanau-Lichtenberg geteilt. Als Philipp Reinhard 1712 starb, erbte Johann Reinhard III. auch den Hanau-Münzenberger Landesteil. Allerdings starb auch er 1736 und hinterließ nur eine Tochter, Charlotte Christine Magdalena Johanna von Hanau-Lichtenberg (* 1700 Buchsweiler, Elsass; † 1726 Darmstadt). Er war der letzte männliche Vertreter des Hanauer Grafenhauses.

Aufgrund des Erbvertrags von 1643 fiel der Hanau-Münzenberger Landesteil nun an Hessen-Kassel, aufgrund der Ehe 1717 der einzigen Tochter des letzten Grafen von Hanau-Lichtenberg , Charlotte Christine mit dem Erbprinzen Ludwig (VIII.) von Hessen-Darmstadt der Hanau-Lichtenberger Anteil nach dort. Jahrzehnte lang umstritten blieb zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt die Zugehörigkeit des Amtes Babenhausen zum Münzenberger oder Lichtenberger Erbteil. Dieser Streit wurde schließlich Ende des 18. Jahrhunderts durch eine Realteilung beigelegt.

Hessen-Kasselische Sekundogenitur

Mit der hessischen Assekurationsakte von 1754 wollte Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel sicherstellen, dass sein zum katholischen Glauben konvertierter Sohn, Friedrich II. nach seinem Regierungsantritt so wenig Macht wie möglich erhielt. Dazu wurde u.a. die Grafschaft Hanau von den Hessen-Kasseler Stammlanden getrennt und ab 1760 unter die Herrschaft seines Enkels, des hessischen Erbprinzen Wilhelm (IX.), des späteren Kurfürsten Wilhelm I., gestellt. Für den noch minderjährigen Prinzen führte zunächst seine Mutter, Landgräfin Maria von Großbritannien die Vormundschaft; ab 1764 regierte er selbst. Erst 1785 trat er auch die Regierung der Landgrafschaft Hessen-Kassel an. Bis dahin blieb die Grafschaft Hanau weitgehend selbständig und wurde erst anschließend allmählich in die Landgrafschaft inkorporiert. Erbprinz Wilhelm (IX.) versuchte erfolgreich, seine Grafschaft Hanau zu modernisieren. Die Residenzstadt Hanau wurde ausgebaut, die Kuranlage Wilhelmsbad – Baubeginn 1777 –, deren eisenhaltige Quelle 1709 entdeckt worden war, errichtet. Das Geld dafür stammte zum Teil aus der Vermietung von Militär in den Jahren 1776 bis 1783 an seinen Onkel, König Georg IV. von Großbritannien. Ein Truppenkontingent aus der Grafschaft Hanau, ca. 2400 Mann, wurde im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg eingesetzt.

In Hanau wurden in dieser Zeit, 1785 und 1786 Jakob und Wilhelm Grimm geboren.

Ämter (auch anteilig)

Literatur

  • Reinhard Dietrich, "Die Landesverfassung in dem Hanauischen" = Hanauer Geschichtsblätter 34, Hanau 1996. ISBN 3-9801933-6-5
  • Ernst J. Zimmermann, Hanau Stadt und Land, 3. Auflage, Hanau 1919, ND 1978.

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