Handfesseln

Handfesseln
Handschellen: Nach der Arretierung der Schließsperre kann der Bügel nicht weiter zugezogen werden.

Handschellen, auch Handfesseln oder Handschließen, bzw. umgangssprachlich ‚Acht‘ genannt, dienen zur Fesselung der Hände von Personen. Sie bestehen aus zwei miteinander verbundenen Metallringen, welche unter Einrasten in einen Schließmechanismus um die Handgelenke gelegt werden.

Inhaltsverzeichnis

Anwendungsbereich

Handschellen und Daumenschellen im Einsatz

Handschellen werden von der Polizei oder privaten Wachdiensten zur Durchführung von Festnahmen und Überführungen (unmittelbarer Zwang) verwendet. Des Weiteren werden Handschellen im Bereich BDSM verwendet. Der Besitz von Handschellen durch Privatpersonen ist im Gegensatz zu dem der meisten Waffen in Deutschland nicht verboten, da eine irreversible Schädigung von Leib und Leben im Nahbereich oder aus der Distanz nicht möglich ist.

Festnahmen

Bei Festnahmen unter Zuhilfenahme von Handschellen ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beachten, das jedoch nach gängiger Rechtsprechung bei der stets gebotenen Eigensicherung der die Maßnahme durchführenden Person meist gegeben ist. In einigen Bereichen, z. B. im Strafprozess, kann die Anwendung von Handschellen auch vorgeschrieben sein oder vom Richter angeordnet werden. Eine Festnahme unter Verwendung von Handschellen kann auch von Privatpersonen bei entsprechend vorliegenden Voraussetzungen durchgeführt werden.

BDSM

Handschellen finden häufig im Rahmen von Bondage- oder BDSM-Aktivitäten Verwendung. Hierbei werden zumeist hochwertige, ursprünglich für Sicherheitsbehörden entwickelte Modelle eingesetzt. Die unsachgemäße Anwendung auch in diesem Kontext birgt erhebliche Risiken und kann unter anderem zu dauerhaften Nervenschäden führen; daher werden alternativ regelmäßig auch spezielle mit D-Ringen ausgestattete Fesseln für Hand und Fußgelenke verwendet, die diese Gefahr erheblich reduzieren.
Die von Laien häufig sadomasochistischen Praktiken zugeordneten sogenannten Plüschhandschellen, d. h. Modelle mit flauschigen Polsterbezügen, werden in der BDSM-Szene praktisch nie benutzt und gelten hier, aufgrund ihrer mangelnden Qualität und designtechnischen Inkonsequenz als typische Sexspielzeuge für Vanillas. Neben der konkreten praktischen Anwendung werden Handschellen von Sadomasochisten, teilweise als Ketten- oder Schlüsselanhänger, auch ikonografisch verwendet.

Geschichte

Mittelalterliches Modell

Im Mittelalter bestanden Handschellen aus je halbkreisförmig gebogenen Bandeisenhälften, die mit Schlössern oder einfachen mechanischen Vorrichtungen (wie gehämmerte Niete) fixiert wurden und mit einer Kette verbunden waren. Während im 19. Jahrhundert in Europa (insbesondere Großbritannien) noch hauptsächlich Handschellen mit außen liegendem Klapp-Schloss mit federgelagertem Schraubgewinde (so genannte „Darby Type Fesseln“) vorherrschten, wurden in den Vereinigten Staaten ab den frühen 1860er Jahren mehr und mehr Handschellen mit „modernen“ Schlossmechanismen eingeführt. Erfinder und Hersteller wie John J. Tower und Edward D. Bean leisteten hier Pionierarbeit. Erste Handschellen mit mehreren Verschlusspositionen kamen ebenfalls im 19. Jahrhundert auf. Am 20. Februar 1912 wurde das heute noch aktuelle Prinzip des Bügelarms, der um einen Drehpunkt durch einen am Schließgehäuse fest angebrachten Doppelbogen schwingt, in den USA patentiert.

Ausführungen

Hiatt Speedcuffs im Holster. Das Modell ist bei den Polizeikräften Großbritanniens im Einsatz.
Modell mit zwei Kettengliedern.
Beispiel eines Standardschlüssels.

Die Verbindung der beiden Ringe wird mit einer meist aus zwei bis drei Gliedern bestehenden Kette oder einem Scharnier-Gelenk hergestellt. Handschellen mit Kette haben alle Freiheitsgrade (beliebige Stellung der Schellen zueinander); Handschellen mit Scharnierverbindung (z. B. „Schutzmarke Deutsche Polizei“) lassen mit nur einem Freiheitsgrad, nämlich dem Kippen um eine Achse (bzw. um zwei parallele Achsen), weniger Bewegungsspielraum, da ein Verdrehen der Hände gegeneinander nicht mehr möglich ist. Gelenkhandschellen gelten von daher als relativ sicher, da man sich, wenn sie mit den Schlüssellöchern zum Körper hin angelegt werden, in der Regel nicht selbst daraus befreien kann, selbst wenn man im Besitz des passenden Schlüssels ist. Gänzliche starre Fessel-Modelle gibt es ebenfalls, z. B. die so genannten britischen „Figure 8“-Handschellen aus dem 19. Jahrhundert oder auch die modernen Hiatt Speedcuffs, die ebenfalls aus Großbritannien kommen.

Handschellen können zwei symmetrische (links-rechts-verschiedene) oder zwei identische Schellen aufweisen.

Ansonsten gleiche Modelle können in verschiedenen Material- und Oberflächen-Varianten auftreten, meist werden Versionen mit Nickelbeschichtung und solche aus rostfreiem Edelstahl unterschieden.

Die meisten Handschellen der einzelnen Hersteller verwenden Standardschlüssel, die zwischen unterschiedlichen Exemplaren, auch von verschiedenen Herstellern, austauschbar sind. Außerdem gibt es Hochsicherheits-Handfesseln mit (evtl. individuellem) Zylinder-Schlüssel.

Neben den Handschellen gibt es auch noch Fußschellen und Daumenschellen. Obendrein existiert mindestens eine fabrikmäßig hergestellte historische Halsschelle. Diese wurde von Bean aus USA Anfang des 19. Jahrhunderts auf den Markt gebracht. In einem Katalog bewirbt sie der Hersteller als „humanere Alternative zur herkömmlichen Zwangsjacke“, wobei hier die Halsschelle zusätzlich durch kurze Ketten mit zwei Bean-Handschellen verbunden wurde.

Merkmale

Handschelle mit drei unabhängigen Ratschen mit je sechs Zähnen

Moderne Handschellen weisen meistens folgende Eigenschaften auf:

  • Mehrzähnige – teils auch mehrreihige – Ratsche (Sperrklinke), die entsprechend meist in mehrere Zähne des Bügels gleichzeitig greift, was die Sicherheit erhöht oder die Spanne der Verstellmöglichkeiten vergrößert.
  • Mit Drehlagern befestigte Kette (bei entsprechenden Modellen), sodass die beiden Schellen beliebig gegeneinander rotieren und die Kettenglieder nicht verkanten können. Dadurch muss bei der Anwendung nicht auf entsprechend richtige Lage geachtet werden.
  • Eine Vorrichtung zur manuellen Arretierung der Schellen nach dem Anlegen (sog. Doublelock) verhindert, dass sie sich weiter zuziehen (im Bild oben „Schließsperre“). Dies verhindert eine Verletzung des Gefangenen, sei es durch unbeabsichtigtes weiteres Zuziehen, etwa beim Versuch, die Handschellen abzustreifen, oder auch absichtlich, um die ausführende Person wegen Körperverletzung belangen zu können. Ein Nachteil dieser Arretierung ist, dass die Handschellen bei (versehentlicher oder unbefugter) Aktivierung in Ruheposition nicht ohne Verzögerung einsatzbereit sind. Die Arretierung kann meist ohne Schlüssel aktiviert und muss stets mit Hilfe des Schlüssels vor dem eigentlichen Lösen der Sperrklinke deaktiviert werden.

Anwendungsvarianten

Es können der Zielperson beide Hände aneinander geschlossen werden:

  • Vor dem Körper (auf dem Bauch), sodass durch die natürliche Stellung der Hände ein erheblicher Aktionsradius verbleibt.
  • Hinter dem Körper (auf dem Rücken), sodass die Hände aufgrund der Lage außerhalb des natürlichen Bewegungsbereiches in ihrer Position weitgehend fixiert sind und ein erheblich eingeschränkter Aktionsradius verbleibt.

Wegen der Anatomie des Schultergelenks sind die Arme nur wenig über den Rücken hinaus zu bewegen.

Daneben kann die Zielperson auch an einen festen Gegenstand oder an die festnehmende Person befestigt werden. Letzteres kann eine Gefahr für den Festnehmenden bedeuten, etwa bei einem Sprung des Festgenommenen in ein Gewässer oder vor ein Fahrzeug.

Ferner können zwei Gefangene an je einer Hand miteinander verbunden werden: an zwei verschiedenen Händen oder, um die Bewegungsfreiheit zusätzlich einzuschränken, an zwei gleichen Händen.

Gefahren

Hauptartikel: Arrestantenlähmung

Die Anwendung von Handschellen kann, vor allem im Bereich der Handgelenke, zu Nervenschädigungen führen. Insbesondere bei einer dauerhaften Zuglast oder bei einem zu engen Anlegen der Vorrichtung können Schädigungen eintreten, die in der aktuellen Situation häufig nicht bemerkt werden und zu monatelangen, wenn nicht sogar dauerhaften Schäden führen können. Besonders häufig sind die Nerven des Daumens betroffen, deren Schädigung zumeist mit dem Gefühl von Taubheit einhergeht.

Behördliche Anforderungen

Für deutsche Behörden existiert seit 2004 eine Technische Richtlinie für Handfesseln, die Anforderungen zu Material, Ausführung, Festigkeit, Sicherheit, Verschleiß und mehr enthält. Darin sind die Zug- und Torsionsfestigkeit, die Spanne der möglichen Innen- sowie die Außenmaße, Garantie, die Anzahl der Zuhaltungen, die Ausführung und die Zugänglichkeit des Schlosses, Prüfverfahren und mehr vorgeschrieben.[1]

Weitere Fesselwerkzeuge

Einzelnachweise

  1. Polizeitechnisches Institut der Polizei-Führungsakademie: Technische Richtlinie – Handfessel schließbar, Stand Oktober 2004 (PDF)

Weblinks


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