Handfeste

Handfeste

Die Handfeste war allgemein eine zur Sicherung eines Rechts ausgefertigte Urkunde, die dazu bestimmt war, dem Berechtigten ausgehändigt zu werden.

Allgemeine Bedeutung

Der Deutsche Ritterorden z.B. stattete während der von ihm betriebenen Ostkolonisation nach der Eroberung und in Besiedlungswellen zunächst entlang der Weichsel und der Ostseeküste, dann in die Wildnis vorgenommenen Kolonisierung des Prußenlandes sogenannte „Lokatoren“ mit einer Handfeste für jede neu zu gründende Siedlung aus, als er deutsche Siedler zur Sicherung der Eroberungen und zur Besiedlung als Einnahmequelle durch von der Nutzung der „Zinshufen“ zu leistende Abgaben ins Land rufen wollte. In diesen Handfesten für die Gründung der Städte und Dörfer wurden die Rechte der Lokatoren, meist die Verleihung des mit „Freihufen“ verbundenen Schulzenamtes und bestimmte Einnahmen (z. B. ein Drittel der Einnahmen aus der „niederen Gerichtsbarkeit“ – Gerichtsbarkeit ohne die ausschließlich dem Orden vorbehaltene Blut- und Halsgerichtsamkeit), sowie die Hofgrößen, „Freiheiten“ und „Gerechtsame“ (insbesondere Mühlen-, Fischerei- und Bierbraugerechtsamkeit und andere Privilegien) der anzuwerbenden Siedler aus den altdeutschen Gebieten und die von den Neusiedlern an den Orden als Grundherrn als Geld- und Naturalsteuer zu entrichtende Abgaben und Dienste geregelt.

Mit diesen in den Urkunden als Vergünstigungen gegenüber den Zuständen im Altsiedelgebiet verbrieften Rechten warben die Lokatoren meist in ihren Heimatgebieten um nachgeborene Bauersöhne ohne Erbanspruch auf den elterlichen Hof, die sie mit den glänzenden Erwerbsaussichten einer eigenen ökonomischen Vollstelle als Voraussetzung für eine eigene Familiengründung in den erst noch zu kultivierenden Gegenden der Neubesiedlung in die Wildnis des Prußenlandes lockten.

Zudem bezeichnete man das in dieser Urkunde bestimmte Recht selbst auch als Handfeste.

Spezielle Bedeutung

In seiner speziellen Bedeutung war die Handfeste ein Dokument über einen Rentenkauf. Im bremischen Recht gab es bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches 1900 eine spezielle Hypothek mit Namen Handfeste, in der die Publizität des Rechts nicht durch öffentliche Bücher herbeigeführt wurde, sondern die öffentliche Ausrufung mit der Wirkung des Ausschlusses verlangte. Die Handfeste wurde dort als Inhaberpapier ausgefertigt.

Namen von Dokumenten

Auch historische Dokumente sind unter der Bezeichnung Handfeste bekannt, z. B.

  1. die Georgenberger Handfeste, mit welcher 1186 die Zukunft der Steiermark beeinflusst wurde
  2. die so genannte Kulmer Handfeste, die erste Urkunde des Deutschen Ordens im Preußenland: Stadtrechtsverleihung für die Städte Kulm und Thorn
  3. die auf 1218 datierte, aber wahrscheinlich gefälschte Goldene Handfeste, die Bern zur Freien Reichsstadt machte.

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  • Handfeste — Handfeste, 1) das Eindrücken des Daumens in Wachs, in Ermangelung eines Petschafts, unter eine Urkunde; 2) nach früherem, bes. in Süddeutschland üblichem Sprachgebrauch jede Urkunde, bes. in deutscher Sprache; 3) das Recht aus einer solchen… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Handfeste — heißt die Bestätigung einer Erklärung durch eigenhändige Unterschrift, dann die so unterschriebene Urkunde selbst, namentlich ein Schutzbrief, Privilegium, endlich die Urkunde über einen Rentenkauf (s. d.). Über die Kulmer H. vom J. 1233,… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Handfeste — Handfeste, eine zur Sicherung eines Rechts ausgefertigte Urkunde; auch das in ihr festgestellte Recht selbst …   Kleines Konversations-Lexikon

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  • Handfeste — Sf mittelalterliche Verleihungsurkunde per. Wortschatz fach. (13. Jh.) Stammwort. Ursprünglich wohl ein Adjektiv (handfest) mit der Bedeutung durch Handschlag bekräftigt ; dann allgemein zu Vertrag, Verleihung . Vgl. ae. handfæstan verloben , ae …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Handfeste — 1. An jeder Handfeste hilft der Todte, als der Lebendige. – Graf, 458, 545. Bei Urkunden, wie z.B. zweiseitigen Verträgen, haben die Unterschriften der bereits verstorbenen Zeugen so viel Beweiskraft wie die der noch lebenden. Mhd.: An yeglichen… …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • Handfeste, die — Die Handfêste, plur. die n, ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, womit man ehedem nicht nur eine Handschrift oder Obligation, sondern auch eine jede schriftliche Urkunde bezeichnete; Schwed. Fastebref. S. Feste. Im mittlern Lat. auch Manufirma.… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

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