Hans Wehberg

Hans Wehberg

Hans Wehberg (* 15. Dezember 1885 in Düsseldorf; † 30. Mai 1962 in Genf) war ein deutscher Völkerrechtslehrer und Pazifist. Er war zusammen mit Walther Schücking der Begründer der pazifistischen Völkerrechtslehre. Von 1924 bis zu seinem Tod war Wehberg Herausgeber der Zeitschrift Die Friedens-Warte.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Hans Wehberg ist gebürtiger Düsseldorfer. Sein Vater war der Arzt Heinrich Wehberg. Seine Lebensgeschichte, ist die eines Völkerrechtlers, der mit einer Epoche der Zeitgeschichte von tiefgreifenden Wandlungen des Völkerrechts auf bewegte und dramatische Weise verbunden ist. Seine Zeit ist geprägt von den Versuchen des Aufbaus eines Organs zur allgemeinen Friedenssicherung, die Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907. Nach den Katastrophen des Zweiten Weltkriegs erhob sich aus den Trümmern eine mit großen Kompetenzen ausgestattete Organisation, die Vereinten Nationen. Auch der Internationale Gerichtshof wurde installiert. Eine neue Entwicklung der Menschenrechte bahnte sich an und wurde durch die Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember 1948 unterstrichen. In dieser Zeit des Umbruchs des Völkerrechts und unsicherer weltpolitischer Lage entwickelte sich Hans Wehberg vom Studenten bis hin zum anerkannten Hochschullehrer und wissenschaftlichen Autor, zu einem renommierten Wortführer des konstruktiven Pazifismus. Hans Wehberg war Generalsekretär des Instituts de Droit international, darüber hinaus seit 1924 als Herausgeber der Friedens-Warte tätig und legte der Wissenschaft, der Politik sowie der Publizistik eine Fülle wertvollen Materials vor. Dabei setzte er sich vor allem für die Ächtung des Krieges und die friedliche Streitschlichtung nachhaltig ein, so auch inhaltlich in seinen Vorlesungen am Genfer Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales, an dem er ab 1928 dozierte. Zusammen mit seinem Freund Walther Schücking brachte Hans Wehberg einen groß angelegten Kommentar heraus, der sich als wichtige Akzentsetzung in der Bewertung der Völkerbundssatzung herausstellte.

Die Ideen und Bemühungen für die Durchsetzung des Rechts- und Ordnungsgedankens beziehungsweise die Überwindung der Gewalt durch das Recht in internationalen Beziehungen zieht sich als Leitmotiv durch seine gesamte Biografie. Hans Wehberg starb am 30. Mai 1962 in Genf. Die im Institut für Öffentliches Recht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg aufgestellte Bibliothek Wehbergs wurde mit Mitteln der Stiftung Volkswagen auf Initiative der Professoren Werner von Simson und Joseph H. Kaiser aus dem Nachlass erworben. Eine Lehrtätigkeit Wehbergs an der Universität Freiburg ist nicht belegbar.

Während seiner Studienzeit wurde Wehberg Mitglied der Burschenschaft Marchia Bonn.

Völkerrechtswissenschaftliche Arbeit

In Anbetracht von Hans Wehbergs Völkerrechts-Bibliographie ist die Fokussierung auf das Kriegsrecht und den Völkerbund klar zu erkennen, genauer die Vision der Überwindung von Gewalt durch das Recht. Typisch für seine Werke ist, dass er sich als Jurist mit den wissenschaftlich-systematischen und positiv-rechtlichen Vordergründen des Völkerrechts befasst, aber nicht weniger Teildisziplinen wie die Soziologie und ethische Hintergründe mit einbezieht.

Kommentar der Völkerbundsatzung

Zu seinen Hauptwerken zählt der mit Walther Schücking verfasste Kommentar zur Völkerbundsatzung, der 1921 in erster Auflage erschien und die erste wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema überhaupt war. 1931 erschien die dritte Auflage zum ersten Mal in zwei Bänden. Wobei der erste Band ein Jahr vor dem zweiten erschien, da Wehberg und Schücking die Ergebnisse der Abrüstungskonferenz und die Harmonisierung von Kellogg-Pakt und dem Völkerbundstatut abwarten wollten. Diese Ergebnisse fielen dann thematisch in den zweiten Teil, der mit Art. 8 beginnt. Im ersten Band werden die Art. 1–7 auf den letzten 200 von rund 550 Seiten kommentiert, vor den eigentlichen Kommentar stellen Wehberg und Schücking eine Art Lehrbuch über den Völkerbund, die Entstehung dessen Rechtsnatur, seinen Grundgedanken, die Friedensverträge und die Fortbildung des Völkerbundes.

„Krieg verbieten“

Zeitgleich zur Überarbeitung für die dritte Auflage des Kommentars zur Völkerbundsatzung hielt Wehberg eine Vorlesung über die Ächtung des Krieges im Völkerbund an der Haager Völkerrechtakademie. Zu dieser Vorlesung erschienen 1930 das Buch in deutscher Sprache und etwas später auch eine englische Übersetzung. Zunächst geht er ausführlich auf die historischen Hintergründe ein, es wird die Völkerbundsatzung und ihr Verhältnis zum Krieg näher beleuchtet, außerdem wird auf den Kellogg-Pakt, den Locarno-Pakt und das Genfer Protokoll näher eingegangen. In den prinzipiellen Erörterungen, dem zweiten Kapitel, kann man folgende Hauptthesen Wehbergs entnehmen, von denen auch seine weiteren Veröffentlichungen – insbesondere in der Friedens-Warte – beeinflusst sind:

  1. Der Krieg als Mittel zur Streiterledigung müsse komplett verboten werden.
  2. Die alleinige Ächtung des Krieges genüge nicht: Wichtigstes Mittel zur Durchsetzung sei die radikale Abrüstung gleichzeitig und in gleicher Weise bei allen Mächten des Völkerbundes.
  3. Die Unterteilung in „gute und böse“ Kriege stelle sich schwierig dar. So zählt die Besetzung fremden Staatsgebietes schon zum kriegerischen Handeln. Der Verteidigungskrieg sei eines der bedeutsamsten Probleme, weil es einerseits schwer sei, den tatsächlichen Angreifer festzustellen, andererseits die Aufgabe eines organisierten Staatenbundes gerade darin bestehe, Konflikte friedlich zu lösen. Noch umstrittener sei der Sanktionskrieg, der von der Staatengemeinschaft begonnen wird.

Herausgeber der Friedens-Warte 1924–1962

Für die Wiederbelebung des seinerzeitigen Sprachrohrs der deutschen Friedensbewegung, der Zeitschrift Die Friedens-Warte, nach dem Tod des Herausgebers und Zeitungsbegründers Alfred Hermann Fried, setzte sich 1923 eine Gruppe von Völkerrechtsgelehrten ein – unter ihnen Hans Wehberg. Er stand schon seit der Zweiten Haager Friedenskonferenz (ab 1907) in enger Verbindung zur Friedens-Warte. Wehberg unterstützte die Zeitschrift, indem er sie in seinen Hörsälen auslegte und in ihr Beiträge zum Völkerrecht veröffentlichte. 1912 brachte er in Vertretung für Fried bereits eine Ausgabe heraus. Die Herausgeberschaft, die Hans Wehberg ab 1924 bis zu seinem Tod 1962 alleine innehatte, lässt sich in drei Perioden unterteilen:

  • 1924–1928: Die kritische Auseinandersetzung mit dem Völkerbund wird fortgesetzt und intensiviert. Der Anteil an völkerrechtlichen Beiträgen in der Zeitung nimmt noch weiter zu. Wehberg kritisiert, dass in der Völkerbundsatzung der Krieg nicht geächtet wird, als letztes politisches Mittel anerkannt bleibt. Zudem sei der Völkerbund wirkungslos ohne eigene Polizeitruppe zur Friedenssicherung. An der neutralen Haltung bei der öffentlich diskutierten Frage der Zulässigkeit von Militär im Allgemeinen verliert die Friedens-Warte ihre Meinungsführerschaft bei der Friedensbewegung. Mit Wehbergs Amtsantritt am „Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales“ in Genf (1928) tendiert die Friedenswarte mehr und mehr zu einer völkerrechtlichen Fachzeitschrift. Zudem ist mit Wehbergs Wohnortwechsel in die Schweiz und der Herausgeberschaft von dort aus der Weg geebnet für ein Weiterbestehen im Exil während des Zweiten Weltkriegs.
  • 1928–1945: Bis 1933 berichtet die Friedens-Warte noch breit über die Deutsche Friedensgesellschaft und Organisation der Friedensbewegung. Seit 1931 kann sie sich aber nicht den Themen der rechten Parteien verschließen. In der Frage der Angemessenheit des Versailler Vertrags, insbesondere der Schuldfrage des Ersten Weltkriegs, bezieht Hans Wehberg eine Mittelposition. Er betont die Mitschuld Deutschlands, lehnt aber eine Alleinschuld ab. Nach dem Verbot der Friedenswarte in Deutschland (1936) beendet Wehberg seine Zurückhaltung bei der Berichterstattung über die Nationalsozialisten. Gleichwohl ist mit dem Verbot die alte Auflage der Zeitung nicht mehr zu erreichen. Die Themen richten sich während des Krieges auf die Frage der Schlichterrolle des Völkerbunds. Wehberg startet eine internationale Rundfrage, ob bei zwischenstaatlichen Streitfragen in Zukunft zuerst der Völkerbund konsultiert werden solle (1939).
  • 1945–1962: Als sich in den letzten Kriegsjahren mit den Vereinten Nationen schon eine neue internationale Staatengemeinschaft abbildet, rückt diese in der Berichterstattung von Hans Wehberg in den Fokus. Seine Kritik richtet sich gegen die herausgehobene Stellung der Supermächte im Sicherheitsrat (Vetorecht) sowie gegen die Schwäche der ihr innewohnenden Institutionen. Die UN beschäftigen Hans Wehberg auch nach 1945. Weitere Themen sind die gewünschte deutsche Einheit, Nürnberger Prozesse, später die Atomenergie sowie die europäische Einigung. Auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt kann sich die Friedens-Warte allerdings nicht mehr auf Vorkriegsniveau etablieren. Auch der Kontakt zur Friedensbewegung wird nicht wieder hergestellt. Viele Forderungen der Friedens-Warte finden sich nach dem Zweiten Weltkrieg zudem in der Satzung der Vereinten Nationen. Mit dem Tod von Hans Wehberg sieht es 1962 daher so aus, als ob dies auch das Ende der pazifistischen Fachzeitschrift bedeutete.

1974 wurde der Versuch gestartet, die Friedens-Warte neu zu beleben. Zunächst unregelmäßig, spätestens seit der deutschen Wiedervereinigung mit neuem Schwung erscheint sie bis heute im Vierteljahresrhythmus.

Schriften (Auswahl)

  • Das Beuterecht im Land- und Seekriege, dargestellt unter besonderer Berücksichtigung der modernen Entwicklung des internationalen Handels. Tübingen 1909.
  • Kommentar zum Haager "Abkommen betreffend die friedliche Erledigung internationaler Streitigkeiten" vom 18. Oktober 1907. Tübingen 1911.
  • Das Problem eines internationalen Staatengerichtshofs. München/Leipzig 1912.
  • Das Papsttum und der Weltfriede. München/Gladbach 1915.
  • Als Pazifist im Weltkriege. Leipzig 1919.
  • Die Satzung des Völkerbundes, kommentiert (in Zusammenarbeit mit Walther Schücking). Berlin 1921.
  • Grundprobleme des Völkerbundes. Berlin 1926.
  • Deutschland und die Friedensbewegung, Gutachten, erstattet dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß des Deutschen Reichstags. Das Werk des Untersuchungsausschusses der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung und des Deutschen Reichstages, 1919-1930. Berlin 1929.
  • Der Kampf um die Reform des Völkerbundes (1920 bis 1934). Genf 1934.
  • Das Projekt eines panamerikanischen Völkerbundes. Athen 1941.
  • Die Organisation der Staatengemeinschaft nach dem Kriege. Das Problem einer wahren Repräsentation der Völker. In: Die Friedens-Warte 44, 1944, S. 49.
  • Der amerikanische Plan einer internationalen Kontrolle der Atomenergie. Eine Einführung in die Arbeiten der Atomkommission der Vereinten Nationen. In: Die Friedens-Warte 47, 1947, S. 5.
  • Ludwig Quidde. Ein deutscher Demokrat und Vorkämpfer der Völkerverständigung. Eingeleitet und zusammengestellt von Hans Wehberg. Offenbach am Main 1948.
  • Krieg und Eroberung im Wandel des Völkerrechts. Frankfurt am Main 1953.
  • Das Genfer Protokoll betr. die friedliche Erledigung internationaler Streitigkeiten. Berlin 1927.

Literatur

  • Denfeld, Claudia: Hans Wehberg (1885 - 1962) : die Organisation der Staatengemeinschaft; 1. Aufl.; Baden-Baden : Nomos, 2008; Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 2007; ISBN 978-3-8329-3798-0.
  • Keiner, Peter K.: Bürgerlicher Pazifismus und "neues" Völkerrecht: Hans Wehberg (1885 - 1962), Freiburg (Breisgau). Rechtswiss. Fakultät, Diss. 1976, http://d-nb.info/760745412

Weblinks


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