Hartheimer Statistik

Hartheimer Statistik
Schloss Hartheim 2005
Abholbus mit Fahrer

Die NS-Tötungsanstalt Hartheim war eine „Euthanasie“-Anstalt der Aktion T4. Sie war im Schloss Hartheim in der Gemeinde Alkoven bei Linz untergebracht.

Inhaltsverzeichnis

Hartheimer Statistik

Im Juni 1945 wurde bei Untersuchungen des amerikanischen Untersuchungsoffiziers Charles Dameron in der ehemaligen Vergasungsanstalt Hartheim ein Stahlschrank aufgebrochen, in dem sich die so genannte „Hartheimer Statistik“ befand. Es handelte sich um eine für interne Zwecke der Aktion T4 gefertigte 39-seitige Broschüre mit monatlichen statistischen Angaben zu den in den sechs T4-Tötungsanstalten im damaligen Reichsgebiet erfolgten Vergasungen von Behinderten und Kranken (hier als "Desinfektionen" bezeichnet). Daraus wurden auch die angeblichen Einsparungen an Lebensmitteln, Mietkosten, Personalkosten usw. errechnet.

Opferzahlen der 1. Tötungsphase in Hartheim

Nach dieser Statistik wurden in der Tötungsanstalt Hartheim in 16 Monaten zwischen Mai 1940 und dem 1. September 1941 insgesamt 18.269 Menschen in einer Gaskammer ermordet:

1940 1941 Summe
Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug.
633 982 1.449 1.740 1.123 1.400 1.396 947 943 1.178 974 1.123 1.106 1.364 735 1.176 18.269

(Quelle: Hartheimer Statistik, gedr. in: Ernst Klee, Dokumente, Dok. 87, S. 232)

Diese Statistik umfasst lediglich die erste Mordphase der Aktion T4, die auf eine Anordnung Hitlers hin mit dem Datum 24. August 1941 abgeschlossen wurde.

Insgesamt wird die Anzahl der Ermordeten im Schloss Hartheim auf über 30.000 geschätzt. Unter den Ermordeten waren Kranke, Behinderte sowie Häftlinge aus Konzentrationslagern. Die Tötungen erfolgten mit Kohlenmonoxid.

Sonderbehandlung 14 f 13

Bis Dezember 1944 fanden weitere Mordaktionen unter der Tarnbezeichnung Sonderbehandlung 14 f 13 oder Aktion 14f13 statt, denen über 5.000 Häftlinge aus den KZs Mauthausen, Gusen und Dachau zum Opfer fielen. Besonders aus den Steinbrüchen in Mauthausen wurden nicht mehr Arbeitsfähige, aber auch politisch Unliebsame nach Hartheim zu ihrer Ermordung gebracht. In den Papieren wurde die Verbringung mit Begriffen wie Erholungsurlaub getarnt. In den Angaben zur Krankheit stand unter anderem Deutschenhasser, Kommunist oder Polenfanatiker.

Tötungsärzte

Die T4-Organisatoren Viktor Brack und Karl Brandt ordneten an, dass die Tötung der Kranken ausschließlich durch das ärztliche Personal erfolgen durfte, da sich das Ermächtigungsschreiben Hitlers vom 1. September 1939 nur auf Ärzte bezog. Die Bedienung des Gashahns war somit Aufgabe der Vergasungsärzte in den Tötungsanstalten. Allerdings kam es im Laufe der Aktion auch vor, dass bei Abwesenheit der Ärzte oder aus sonstigen Gründen, der Gashahn auch vom nichtärztlichen Personal bedient wurde. Manche Ärzte traten im Schriftverkehr nach außen nicht mit ihrem richtigen Namen auf, sondern verwendeten Tarnnamen. In Hartheim waren als Tötungsärzte tätig:

Zwischenanstalt Niedernhart

Die Tötungsanstalten der Aktion T4 hatten vorgelagerte Zwischenanstalten. So wurden viele Transporte der Opfer für die Endstation Hartheim über die Landesirrenanstalt Niedernhart in Linz durchgeführt, wo Rudolf Lonauer als Arzt, wie auch in Hartheim, als Leiter tätig war. Tötungen erfolgten dort hauptsächlich durch Unterernährung und Überdosis von Medikamenten. Immer wieder wurden Selektionen und Zusammenstellungen durchgeführt. Mit den ausgewählten Opfern wurde dann ein Bus gefüllt, der nach Hartheim fuhr.

T4-Zentrale ab August 1943 in Hartheim und Weißenbach am Attersee

Aufgrund des Luftkrieges übersiedelte die Zentrale der NS-Euthanasie von der Tiergartenstraße 4 in Berlin in die Ostmark, welche damals spöttisch gerne als der Luftschutzkeller des Reiches bezeichnet wurde. Die Statistik, vermutlich Teil dieser Übersiedlung der T4-Zentrale nach Hartheim (Büroabteilung, Kostenverrechungsstelle) und ins Erholungsheim „Schoberstein“ bei Weißenbach am Attersee (Gustav Kaufmann) (Medizinische Abteilung).[1]

Opfer (Artikel in Wikipedia)

Hartheimer T4-Personal

  • Erwin Lambert: Maurermeister, Bauleitung Einbau Krematorium und Gaskammern
  • Rudolf Lonauer: Leitender NS-Euthanasie-Arzt in Hartheim, Landesirrenanstalt Niedernhart in Linz, Schloss Geschwend in Neuhofen an der Krems
  • Franz Reichleitner: Kriminalpolizist, Verwaltung
  • Georg Renno: Psychiater, Stellvertretender NS-Euthanasie-Arzt [2]
  • Anton Schrottmayer, Pfleger, Suizid [3]
  • Franz Stangl: Kriminalpolizist, Gestapobeamter, Stellvertretender Büroleiter
  • Karl Steubel: Oberpfleger, Suizid [4]
  • Josef Vallaster: Arbeiter, Oberbrenner
  • Christian Wirth: Kriminalkommissar, Büroleiter

Aufarbeitung und Gedenken

Literatur

  • Brigitte Kepplinger: Die Tötungsanstalt Hartheim 1940 – 1945. 21 Seiten. o. J., o. O. (online)
  • Ernst Klee (Hrsg.): Dokumente zur "Euthanasie". Frankfurt am Main, Fischer-Taschenbuch-Verlag. 1985, 4. Aufl. 1997. 342 Seiten, ISBN 3596243270
  • Ernst Klee: "Euthanasie" im NS-Staat: die "Vernichtung lebensunwerten Lebens". Frankfurt am Main: S. Fischer, 1983 , 11. Aufl. 1985, ISBN 3596243262
  • Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S. Fischer 2001, ISBN 3-10-039310-4. Kapitel 10: Österreich.
  • Walter Kohl: “Ich fühle mich nicht schuldig”. Georg Renno. Euthanasiearzt. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2000, ISBN 3-552-04973-8
  • Walter Kohl: Die Pyramiden von Hartheim. „Euthanasie“ in Oberösterreich 1940 bis 1945. Edition Geschichte der Heimat, Steinmaßl, Grünbach 1997, ISBN 3-900943-51-6.
  • Kurt Wolfgang Leininger: Verordnetes Sterben - Verdrängte Erinnerungen. NS-Euthanasie in Hartheim. Verlagshaus der Ärzte, Wien 2006.
  • Brigitte Kepplinger, Gerhart Marckhgott, Hartmut Reese (Hrsg.): Tötungsanstalt Hartheim, Linz 2008, ISBN 978-3-900313-89-0
  • Eberhard Gabriel, Wolfgang Neugebauer (Hrsg.): Vorreiter der Vernichtung? Von der Zwangssterilisierung zur Ermordung. Zur Geschichte der NS-Euthanasie in Wien. Teil II, Böhlau. Wien 2002, ISBN 3-205-77122-2.
  • Johannes Neuhauser (Hrsg.): Hartheim wohin unbekannt. Briefe & Dokumente. Bibliothek der Provinz, Weitra 1992, ISBN 3-900878-47-1.
  • Franz Rieger: Schattenschweigen oder Hartheim. Roman. (Zeitkritischer Roman), Styria, Graz 1985.

Weitere Literaturhinweise siehe im Hauptartikel: Die Euthanasiemorde in der NS-Zeit oder Aktion T4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://de.doew.braintrust.at/dokumente/200605101525_Euthanasie_Schautafel.pdf Onlineauftritt der DÖW Ausstellung in Wien] Ernst Klee: Organisationschema der NS-Euthanasie. Auslagerung der Aktion T4 nach Hartheim im August 1943
  2. DÖW DÖW-Jahrbuch 1999, S. 80-92. Peter Schwarz: Der Gerichtsakt Georg Renno als Quelle für das Projekt Hartheim
  3. Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S.Fischer 2001, Kapitel 10: Österreich, siehe Literatur
  4. Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S.Fischer 2001, Kapitel 10: Österreich, siehe Literatur

48.28115833333314.113757Koordinaten: 48° 16′ 52″ N, 14° 6′ 50″ O


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