Heilanstalt Weinsberg

Heilanstalt Weinsberg
Klinikum am Weissenhof von der Burgruine Weibertreu aus gesehen. Ganz rechts der Weißenhof, ganz links der jüngste Neubau

Das Klinikum am Weissenhof ist ein psychiatrisches und neurologisches Krankenhaus in Weinsberg. Es wurde als Königliche Heilanstalt (für Geisteskranke) 1903 auf dem Gelände der Staatsdomäne Weißenhof eröffnet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Hofgebäude (ehemaliges „Schlösschen“) des Weißenhofs
Plan der Anstalt von 1903

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren die bis dahin bestehenden vier staatlichen Heilanstalten für Geisteskranke in Württemberg (in Zwiefalten, Winnental, Schussenried und Weißenau) überfüllt. Zahlreiche Kranke mussten abgewiesen und in normalen Krankenhäusern oder in ihren Heimatorten untergebracht werden, wo sie nicht zweckmäßig versorgt werden konnten. Im nördlichen Teil Württembergs befand sich zudem überhaupt keine „Irrenanstalt“, was für die Kranken aus dieser Gegend und ihre Angehörigen als besondere Härte erachtet wurde, da sie weite Entfernungen zurücklegen mussten.

Im württembergischen Staatshaushaltsplan 1897/98 wurden Mittel für den Bau einer fünften Staats-Irrenanstalt eingesetzt. Im Norden des Landes begann die Suche nach einem Bauplatz für diese Anstalt, der einerseits ruhig gelegen, andererseits aber in der Nähe eines Bahnhofs und nicht zu weit von einer größeren Stadt entfernt war. Die Wahl fiel auf die Staatsdomäne Weißenhof, einen schon seit Jahrhunderten bestehenden Gutshof, der nur zwei km vom Bahnhof in Weinsberg und nur sechs km von Heilbronn entfernt liegt. Die Kammer der Abgeordneten bewilligte am 6. Juli 1899 drei Millionen Mark für den Bau der Anstalt. Es war zunächst eine Belegzahl von 500 Kranken vorgesehen, die dann bei Fertigstellung der Anstalt auf 550 erhöht werden konnte.

Im Herbst 1900 wurde zunächst mit dem Bau einer Wasserleitung für die Anstalt begonnen. Ab März 1901 wurde dann auf einer kleinen Anhöhe (drei Prozent Steigung) über dem Sulmtal, ca. 1 km nördlich von Weinsberg, im Anschluss an die Gebäude des Hofes ein Park angelegt, in dem die als „Landhäuser“ erbauten einzelnen Krankenstationen im „Pavillonsystem“ verteilt lagen – anfangs strikt getrennt nach Männer- und Frauenseite (westliche bzw. östliche Hälfte des Parks). In der Mitte wurden die zentralen Verwaltungsbauten errichtet. Am 23. November 1903 konnten die ersten Kranken aufgenommen werden, 1905 war die Anstalt dann voll belegt. Im Norden des Geländes wurde 1913–1915 eine Anstaltskirche gebaut und im Anschluss an sie ein kleiner Friedhof eingerichtet, auf dem heute aber keine Beerdigungen mehr stattfinden.

Im Rahmen der Aktion T4 zur Zeit des Nationalsozialismus wurden aus der Heilanstalt im Jahr 1940 mindestens 422 Personen nach Grafeneck gebracht, wo sie ermordet wurden. Später war das Krankenhaus eine der der Anstalt Hadamar zugeordneten Zwischenanstalten, wo Geisteskranke gesammelt und dann zur Tötung nach Hadamar gebracht wurden. In den freigewordenen Räumen wurde 1943 bis 1946 eine Lungenheilstätte eingerichtet. Während des Zweiten Weltkrieges fanden ab 1941 und noch bis 1952 große Teile des von Luftangriffen gefährdeten und 1944 zerstörten Heilbronner Krankenhauses hier Zuflucht. Anfang der 1960er-Jahre wurden im Westen des Geländes zusätzliche Krankenstationen neu erbaut, die 2000/01 größtenteils wieder abgerissen und durch einen weiteren Neubau ersetzt wurden.

Gedenkstein für zur NS-Zeit ermordete Patienten bei der Klinikkirche

Für Unruhe sorgte in jüngster Vergangenheit der Neubau eines Gebäudes für die Forensische Psychiatrie zur Unterbringung 50 geisteskranker Straftäter (Maßregelvollzug nach § 63 Strafgesetzbuch), gegen den sich im Jahr 2003 eine Bürgerinitiative wandte, die Unterschriften gegen das Vorhaben sammelte und auch eine Petition an den Landtag von Baden-Württemberg richtete. Unter Auflagen wurde das Gebäude dennoch errichtet und am 18. Mai 2006 offiziell eingeweiht. Im Juli 2007 stimmte die Stadt einer vorerst auf fünf Jahre befristeten Änderung des Konzeptes ab 2008 zu, die im Neubau die Unterbringung von jeweils 25 Patienten nach § 63 (Geisteskranke) und nach § 64 (Suchtkranke) StGB vorsieht. Je 25 andere Patienten werden nach diesen beiden Paragraphen in anderen Gebäuden des Klinikums untergebracht, so dass insgesamt 100 Patienten im Maßregelvollzug im Weinsberger Klinikum sind.[1]

Im Juni 2007 eröffnete das Klinikum mit zwei Tageskliniken einen Standort in Heilbronn. Eine Tagesklinik für allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie hatte seit Januar 2006 auf dem Weinsberger Klinikgelände bestanden und zog von dort nach Heilbronn um, während eine Tagesklinik für Gerontopsychiatrie und Psychotherapie neu geschaffen wurde. Beide sind im Gebäude der ehemaligen Heilbronner Privatklinik Dr. Reinhard ansässig, das im März 2006 vom Klinikum am Weissenhof erworben und in das rund drei Millionen Euro investiert wurde.[2][3]

Das Klinikum heute

Das Verwaltungsgebäude

Nachdem das Krankenhaus als Landesbetrieb seit 1954 über Jahrzehnte hinweg den Namen Psychiatrisches Landeskrankenhaus Weinsberg trug, wurde 1996 die Rechtsform zu der einer Anstalt des öffentlichen Rechts und der Name zu Zentrum für Psychiatrie Weinsberg geändert. 2002 wurde der Name erneut zum heutigen Klinikum am Weissenhof geändert, da das Krankenhaus auch nicht-psychiatrische Abteilungen besitzt. Statt des eigentlich korrekten Weißenhof wurde die Schreibweise Weissenhof gewählt.

Heute ist das Klinikum am Weissenhof ein modernes Krankenhaus für Psychiatrie (mit Abteilungen für Allgemeinpsychiatrie, Gerontopsychiatrie, Forensische Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie), Neurologie, Suchttherapie und Psychotherapeutische Medizin. Bei insgesamt 619 Planbetten werden jährlich etwa 7.600 Patienten behandelt. Das Krankenhaus beschäftigt etwa 950 Menschen (mit Teilzeitkräften) und ist damit der größte Arbeitgeber in der Stadt Weinsberg. Die insgesamt 81 Gebäude des Klinikums sind in einem 43 ha großen Park mit 3.800 Bäumen und insgesamt etwa 10 km Wegen verteilt.

Das Klinikum bietet für seine schulpflichtigen Patienten eine Schule für Kranke in längerer Krankenhausbehandlung. Zusammen mit der Klinik Löwenstein wird auch eine Krankenpflegeschule betrieben (an der Krankenschwestern und -pfleger ausgebildet werden). Seit 1. Januar 2004 heißt die Schule offiziell Gesundheits- und Krankenpflegeschule und bildet Gesundheits- und Krankenpfleger(innen) aus.

Literatur

  • G. Weinland: Festschrift zur Feier des fünfundzwanzigjährigen Jubiläums der Heilanstalt Weinsberg am 25. November 1928. Weinsberg 1928
    Abriss der frühen Jahre von Obermedizinalrat G. Weinland, Direktor der Heilanstalt

Einzelnachweise

  1. Joachim Kinzinger: Straftäter und Suchtkranke im Neubau. In: Heilbronner Stimme vom 26. Juli 2007, S. 30
  2. Thomas Dorn: Näher heranrücken an die Patienten. In: Heilbronner Stimme vom 28. Juni 2007, S. 31
  3. Offizieller Festakt zur Einweihung der Psychiatrischen Tagesklinik Heilbronn. Pressemeldung des Klinikums am Weissenhof vom 29. Juni 2007

Weblinks

49.1655555555569.29333333333337Koordinaten: 49° 9′ 56″ N, 9° 17′ 36″ O


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