Heinrich Blücher

Heinrich Blücher

Heinrich Friedrich Ernst Blücher (* 29. Januar 1899 in Berlin; † 31. Oktober 1970 in New York) war ein deutsch-amerikanischer Intellektueller und Hochschullehrer. Er war der zweite Ehemann der politischen Theoretikerin Hannah Arendt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft und Jugend

Sein Vater, August Charles Heinrich Blücher, starb vor der Geburt seines Sohnes bei einem Fabrikunfall. Seine Mutter, Klara Emilie Wilke Blücher, musste ihren Sohn allein großziehen. Sie war Wäscherin, und ihr Sohn half ihr den Lebensunterhalt zu verdienen, indem er Pakete austrug. Nach der Volksschule absolvierte Heinrich Blücher eine Ausbildung an einem Lehrerseminar, die er - durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen - nicht abschloss.

Als Jugendlicher war er sehr wissensdurstig und kaufte sich Bücher, wann immer er Geld hatte – u.a. deutsche Dichtung und Shakespeare. Während des Krieges las er Marx, Engels und Trotzki. Obwohl er kein Jude war, trat er der zionistischen Jugendgruppe Blau-Weiß bei.

1917 wurde Blücher zum Kriegsdienst eingezogen. An einem Offizierlehrgang konnte er wegen einer Gasvergiftung nicht teilnehmen. Im November 1918 schloss er sich in Berlin den Soldatenräten an, wurde Mitglied des Spartakusbundes und 1919 Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands. Er beteiligte sich an den Kämpfen und Streiks im Frühjahr 1919.

Bevor Blücher Hannah Arendt heiratete, war er mit Liselotte Ostwald und mit Natascha Jefroikyn (1932-1935) verheiratet.[1]

Reife Jahre

In Berlin besuchte Blücher Abendvorlesungen an der Deutschen Hochschule für Politik zur politischen Theorie und an der Berliner Akademie über Kunstgeschichte. Blücher war zu der Zeit ein enger Freund von Heinrich Brandler. Er war eine Zeit lang Angestellter der Politischen Ost-West Nachrichtenagentur. Mit seinem lebenslangen Freund Robert Gilbert arbeitete er an Kabarett-, Operetten- und Filmprojekten. Aus Protest gegen den Stalinismus verließ er 1928 die KPD und schloss sich der Kommunistischen Partei-Opposition an.

1933 floh er vor den NS-Regime nach Prag und ging 1934 nach Frankreich. Nach zwei Ehen begegnete er 1936 Hannah Arendt in Paris. Nach ihrer Scheidung heirateten sie am 16. Januar 1940. Von September bis Dezember 1939 war er in einem französischen Internierungslager als sogenannter feindlicher Ausländer inhaftiert. Von Paris aus flohen beide 1941 über Spanien nach Lissabon und zu Schiff weiter nach New York City, wo sie im Mai ankamen. Blücher erhielt am 7. August 1952 die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Ab 1950 hielt der Autodidakt Blücher Vorlesungen an der New School for Social Research in New York City. Ab 1952 war er Professor für Philosophie am Bard College in Annandale-on-Hudson, New York. 1968 wurde er dort zum Ehrendoktor ernannt. Im selben Jahr hielt er dort seine letzte Vorlesung.

Wie seine Ehefrau, stand auch Blücher – allerdings sehr selten – in brieflichem Kontakt mit Karl Jaspers. Dieser versuchte – stets vergeblich –, seine jüdische Ehefrau sowie Hannah Arendt und Heinrich Blücher dazu zu bewegen, sich als Deutsche zu fühlen. Blücher schrieb ihm dazu im Februar 1956:

„Damit stoße ich nun wieder an ihre alte Frage an mich: wie ich mich denn in dieser Zeit als Deutscher fühle? Meine Antwort muß sein: Gar nicht. So wie Hölderlin einst sagte, es sei die Zeit der Könige nicht mehr, so ist nun die Zeit der Völker nicht mehr.[2]

Anfang 1962 erhielt Blücher eine Wiedergutmachung für den Berufsschaden, den er durch die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten erlitten hatte.

1970 starb er an einem Herzinfarkt.

Zitat

„Man schreit nicht gegen die Menge, sondern wartet, bis sie sich zu verlaufen beginnt und ihres eigenen Geschreis ein wenig müde geworden ist. So wie man nicht gegen den Wind spuckt.[3]

„Pessimists are cowards and optimists are fools. (in einem Vortrag gegenüber amerikanischen Studenten)[4]

Literatur

  • Hannah Arendt/Heinrich Blücher, Briefe 1936 - 1968, München 1999.
  • Wolfgang Heuer: Hannah Arendt in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1987.
  • Wolfgang Heuer: Der Sokrates an ihrer Seite. In: du. Die Zeitschrift der Kultur. Heft 710, Oktober 2000, S. 8f, englischsprachige Fassung als PDF-Datei
  • Elisabeth Young-Bruehl: Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit, Frankfurt/Main 2004. S. 185-206, S. 367-383.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Elisabeth Young-Bruehl: Hannah Arendt. Leben, Werk und Zeit, Frankfurt/Main 2004. S. 198f
  2. So Blücher in: Hannah Arendt/Karl Jaspers, Briefwechsel, München 1993, S. 315.
  3. Vgl. Briefe, S. 273.
  4. Vgl. Booth, Ken (2007): Theory of world Security, S. 172.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Heinrich Blücher — (29 January 1899 ndash; 30 October 1970) was a German poet and philosopher. He was the second husband of Hannah Arendt.Blücher was born in Berlin. As a member of the Communist Party of Germany, Blücher, then a university lecturer ( Dozent ), had… …   Wikipedia

  • Heinrich Blücher — (29 janvier 1899 31 octobre 1970) est un philosophe allemand. Il fut le deuxième mari de Hannah Arendt. Heinrich Blücher nait à Berlin. Mobilisé en 1917, il participe en novembre 1918 à un conseil ouvrier, au cours de la révolution allemande. Il… …   Wikipédia en Français

  • Blücher — steht für: Blücher (Schuh), ein klassisches Herrenschuhmodell Blücher AG, ein ehemaliges deutsches Unternehmen, siehe Aplerbecker Hütte Blücher Orden, nie vergebener Kriegsorden der DDR Blücher (Lokomotive), eine frühe (1814) Lokomotive des… …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich Eduard Jacob — (* 7. Oktober 1889 als Henry Edward Jacob in Berlin Friedrichstadt; † 25. Oktober 1967 in Salzburg) war ein deutscher und amerikanischer Journalist und Schriftsteller. Er schrieb auch unter den Pseudonymen Henry E. Jacob und Eric Jens Petersen.… …   Deutsch Wikipedia

  • Blücher — People surnamed Blücher include: *Gebhard Leberecht von Blücher (1742 1819), a Napoleonic era Prussian general *Gebhard von Blücher (1865 1931), husband of Evelyn, Princess Blücher *Franz Blücher (1896 1959), politician *Heinrich Blücher (1899… …   Wikipedia

  • Blücher (1937) — Blücher p1 …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich von Brentano di Tremezzo — Heinrich von Brentano (ohne Hut), 1954 Heinrich von Brentano di Tremezzo (* 20. Juni 1904 in Offenbach am Main; † 14. November 1964 in Darmstadt) war ein deutscher Politiker ( …   Deutsch Wikipedia

  • Blücher [1] — Blücher. Das Geschlecht der B. ist sehr alt u. kam mit Heinrich dem Löwen im 12. Jahrh. nach Mecklenburg; bereits um 1215 wird ein Ulrich v. B. als der Großvater eines Bischofs von Ratzeburg genannt. Das Geschlecht theilt sich jetzt in 3 Linien:… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Heinrich Berghaus — Heinrich Karl Wilhelm Berghaus (* 3. Mai 1797 in Kleve; † 17. Februar 1884 in Stettin) war ein deutscher Kartograph. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Heinrich von Heß — Heinrich Hermann Josef Freiherr von Heß (1788 1870), Austrian soldier, entered the army in 1805 and was soon employed as a staff officer on survey work.He distinguished himself as a subaltern at Aspern and Wagram, and in 1813, as captain, again… …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”