Hermann Gretsch

Hermann Gretsch

Hermann Gretsch (* 17. November 1895 in Augsburg; † 13. April 1950 in Stuttgart) war ein deutscher Designer.

Nach einem Architekturstudium an der Technischen Hochschule Stuttgart bei Paul Bonatz und Paul Schmitthenner, bestand Hermann Gretsch 1923 seine Gesellenprüfung als Keramiker an der Stuttgarter Kunstgewerbeschule. 1928 verfasste er eine erfolgreiche Dissertation über Technische Merkmale süddeutscher Fayence-Fabriken und erhielt zwei Jahre später 1930 eine leitende Position im Landesgewerbeamt Stuttgart und später auch im Bund deutscher Entwerfer.

1930 kam Gretsch auch zur Porzellanfabrik Arzberg, für die er bis zu seinem Tod als künstlerischer Leiter tätig war.

Gretsch leitete ab 1934 als Mitglied der NSDAP den Deutschen Werkbund im Sinne des damaligen Regimes, obwohl sich viele bedeutende Mitglieder für eine Auflösung des Bundes aussprachen (vgl. Gerda Breuer: Willi Moegle. Die Sachfotografie). Zu den Höhepunkten seiner Karriere im NS-Staat zählt, dass er 1940 nicht nur zum Reichskommissar der deutschen Abteilung auf der 7. Triennale in Mailand avancierte, sondern auch zum Direktor der Stuttgarter Kunstgewerbeschule, 1941 zum stellvertretenden Direktor der Staatlichen Akademie der bildenden Künste Stuttgart ernannt wurde. All dies, auch sein "Abtauchen" Ende des Krieges, macht die Beurteilung des Menschen Hermann Gretsch zumindest schwierig. Einig sind sich Kritiker dagegen in der Beurteilung seiner wegweisenden Entwürfe, die in zahlreichen Museen zu finden sind.

Inhaltsverzeichnis

Arzberg Form 1382

Kaffeekanne Form 1382
Vase zur Form 1382

1931 gelang Hermann Gretsch der Entwurf des Kaffee- und Tafel-Services 1382 für die Porzellanfabrik Arzberg.

Es gilt als Musterbeispiel für eine zeitlos schlichte, klare Form, welche sich damals radikal von den bisherigen Formen und Dekoren im Stil des Art Déco oder rein historisierenden Formen unterschied.

Selbst eine Dekorierung wurde von Gretsch im Grunde abgelehnt, denn er war der Auffassung: "[...]vom Gebrauch aus gesehen ist das undekorierte Geschirr, dessen Form unter Umständen mit einer einfachen Linie unterstrichen ist, zweifellos am schönsten."[1]

Für die Form 1382 erhielt er die Goldmedaille der VI. Triennale von Mailand (1936) und die Aufnahme in die 1950 vom Museum of Modern Art, New York, veranstaltete Ausstellung „Good Design“.

Gretsch leitete mit der Form 1382 eine Trendwende in der industriellen Porzellanfabrikation ein. Die radikal neue Formensprache war für die Porzellanfabrik Arzberg ein enormes Risiko. Man konnte sich nicht vorstellen, dass ein so schlichtes, rein auf Funktion ausgelegtes Geschirr bei der Kundschaft ankommen wird.

Zusammen mit der Form führte man dafür ein weiteres Konzept ein, das erst mit einer langlebigen, zeitlosen Form möglich wurde: Das „Sammelgeschirr“, bei dem man jedes Teil je nach finanzieller Lage über die Jahre einzeln kaufen kann. Heute ist dieses Verkaufskonzept in der Branche nicht mehr wegzudenken.

Die Form 1382 wird bis heute von der Porzellanfabrik Arzberg unverändert verkauft, lediglich die Dekore wechseln mit dem Zeitgeschmack.

Bis zu seinem Tode 1950 blieb Hermann Gretsch künstlerischer Leiter der Porzellanfabrik Arzberg. Sein Nachfolger wurde Heinrich Löffelhardt.

Weitere bekannte Entwürfe

Das „Modell 81“ der Firma C. Hugo Pott, Ausführung Edelstahl

1947/48 kam mit dem „Modell 81“ der Firma C. Hugo Pott ein weiterer Entwurf Gretsch' auf den Markt, der ebenfalls bis heute produziert wird.

Ebenfalls von ihm in Grundzügen entworfen wurde das Pott-Besteck 83, das nach dem Tod von Gretsch von Wilhelm Wagenfeld vollendet und 1950/51 eingeführt wurde.

1936 entwarf Gretsch das Porzellanservice "Form 98" für die Porzellanfabrik Schönwald als Hotelporzellan. Auch dieses Geschirr wird bis heute unverändert verkauft.

Zitate

"Jede neue Form soll eine Kritik am Bestehenden sein, denn sie ist nur dann von Bestand, wenn sie sich praktischer und schöner als das Vorhandene erweist." [2]

"Es ist falsch, immer wieder auf die Gegensätze von Industrie und Handwerk hinzuweisen. Unterscheiden wir lieber gute und schlechte Erzeugnisse."[3]

"Wir wollen weder das 'Alte' noch das 'Neue', sondern das Wahre, Echte, Zweckmäßige. Unsere Wohnungen sind weder Schaufensteranlagen, noch Magazine, noch Museen. Die Gegenstände, die wir brauchen, sollen nicht krampfhaft etwas vorstellen wollen, sondern in ihrer zweckgebundenen Schönheit eine natürliche und gesunde Umgebung mitgestalten helfen."[4]

"Gestalten heißt erziehen, denn jede schöpferische Arbeit ist ein Stück Lebensweisheit." [5]

Werke

  • 1930er: Schönwald Form 111
  • 1930er: Arzberg Form 1350
  • 1931: Arzberg Form 1382
  • 1936: Schönwald Form 98
  • 1938: Arzberg Form 1495
  • 1938: Arzberg Form 1840

Literatur

  • Gretsch, Hermann: Die Fayencefabrik in Crailsheim., Stuttgart, 1928.
  • Gretsch, Hermann: Die VII. Triennale. In: Schwaben, Monatsschrift für Volkstum und Kultur, Heft 8/10, Jg. 1940, S. 475-480.
  • Cremer-Thursby, Marc: Design der dreissiger und vierziger Jahre in Deutschland - Hermann Gretsch, Broschiert - 325 Seiten, Verlag Peter Lang, Bern, 1996, ISBN 3-631-48542-5
  • Vom bleibenden Wert moderner Formen: Zum 10. Todestag von Dr. Herman Gretsch, Zeitschrift Porzellan und Glas, Mai 1960, S. 35 ff., im Nachdruck in Carlo Burschel: Heinrich Löffelhardt, 2004, ISBN 3-89757-184-6
  • Die "gute Form" als Geschäftsprinzip: Dr. Hermann Gretsch und seine Zusammenarbeit mit der Porzellanfabrik Arzberg, Tim Morris auf S. 77ff in Carlo Burschel: Heinrich Löffelhardt, 2004, ISBN 3-89757-184-6
  • Gerda Breuer: Willi Moegle. Die Sachfotografie, Wuppertal, 2004, ISBN 3-7757-1409-X
  • Sabine Weißler: Design in Deutschland 1933-45: Ästhetik und Organisation des Deutschen Werkbundes im "Dritten Reich", Gießen 1990, ISBN 3870381469.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.die-neue-sammlung.de/z/weiden/dns/b0001_9.htm
  2. Morris, Tim: Hermann Gretsch - 75 Jahre Arzberg 1382, S. 27
  3. Morris, Tim: Hermann Gretsch - 75 Jahre Arzberg 1382, S. 31
  4. Vom bleibenden Wert moderner Formen: Zum 10. Todestag von Dr. Herman Gretsch, Zeitschrift Porzellan und Glas, Mai 1960, S. 35 ff., im Nachdruck in Carlo Burschel: Heinrich Löffelhardt, 2004, ISBN 3-89757-184-6
  5. Vom bleibenden Wert moderner Formen: Zum 10. Todestag von Dr. Herman Gretsch, Zeitschrift Porzellan und Glas, Mai 1960, S. 35 ff., im Nachdruck in Carlo Burschel: Heinrich Löffelhardt, 2004, ISBN 3-89757-184-6

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