Herzmanovsky-Orlando

Herzmanovsky-Orlando

Fritz von Herzmanovsky-Orlando (* 30. April 1877 als Friedrich Josef Franz Ritter von Herzmanowsky in Wien; † 27. Mai 1954 in Rametz bei Meran/Südtirol) war ein österreichischer Schriftsteller und Zeichner.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Fritz von Herzmanovsky-Orlando war der Sohn nach Wien zugezogener böhmischer Eltern. Er besuchte in Wien das Gymnasium „Theresianum“. Danach absolvierte er 1896-1903 ein Hochbaustudium an der Wiener Technischen Hochschule. Innerhalb der folgenden eineinhalb Jahre lernte er seinen langjährigen Freund Alfred Kubin kennen und fand in München Anschluss an den Kreis der „Münchener Kosmiker“ um Karl Wolfskehl, Ludwig Klages und Alfred Schuler. Herzmanovsky-Orlando arbeitete 1904/05 als angestellter, danach als selbständiger Architekt. 1911/12 gab er wegen schmerzhafter, chronischer Nierentuberkulose seinen Beruf auf. Da er von Haus aus finanziell unabhängig war, lebte er von da an als Privatmann für die Kunst, zeichnete, sammelte, restaurierte und schrieb. Die Krankheit führte zu mehreren Kuren und Reisen in den Süden. Unter anderem kam er mit seiner Frau 1913 an die nordöstliche Adria, 1914 über vier Monate lang nach Ägypten, Sizilien und Süditalien. 1916 übersiedelte er krankheitshalber nach Meran (damals österreichisches Inland).

Seit Anfang 1918 trug er mit behördlicher Erlaubnis auch den ihm teuren mütterlichen Familiennamen. Die Familie seiner Mutter reicht in den Schweizer Uradel zurück. Herzmanovsky-Orlando konstruierte sich deren Stammbaum fälschlich sogar bis vor die Kreuzzüge.

Durch den Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich 1938 deutscher Staatsbürger geworden, zwang die Optionsvereinbarung Herzmanovsky-Orlando, Südtirol 1940 zu verlassen. Da er krankheitshalber nicht im Norden leben durfte, zog er nach Malcesine am Gardasee. Erst 1949 kehrte er nach Meran zurück. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er im nahegelegenen Schloss Rametz. Auf seinem Grabstein steht der Wahlspruch des Paracelsus: „Alterius non sit qui suus esse potest.“

Künstlerisches Schaffen

Fritz von Herzmanovsky-Orlando veröffentlichte zu Lebzeiten nur sehr wenig. Viele seiner Werke liegen nur in skizzenhafter Form vor. Sein umfangreiches schriftstellerisches Werk, das vorwiegend aus Prosa und Theaterstücken besteht, wurde erst postum durch die von Friedrich Torberg veranstaltete Gesamtausgabe bekannt.

Torberg griff als Herausgeber in Herzmanovsky-Orlandos Texte allerdings gravierend ein, was unter Literaturwissenschaftlern zu heftiger Kritik geführt hat. So änderte Torberg beispielsweise im „Maskenspiel der Genien“ völlig willkürlich den Namen des „Reichs der Tarocke“ von „Tarockei“ auf „Tarockanien“, offensichtlich in Anlehnung an den Begriff „Kakanien“ in Robert MusilsMann ohne Eigenschaften“. Herzmanovsky-Orlando schwebte jedoch ein gewisser Gleichklang mit der Türkei bzw. dem früheren Byzanz vor. Erst die zwei Jahrzehnte später erschienene zweite, von Germanisten herausgegebene Gesamtausgabe bietet einen zuverlässigen Originaltext.

Herzmanovsky-Orlando phantasierte sich in seinen Werken mit der „Tarockei“ ein mystisches Traumland, das er in einem ausschweifenden, barocken, ans Parodistische grenzenden Stil schilderte. Als Hauptfigur seines phantastischen Romans ließ er den italienischen Humanisten Cyriakus von Pizzicolli auftreten.

Nach Kontakten mit irrational-schwärmerischen Kreisen in München zeigt sich auch eine Verbindung zur Esoterik, Mystik und zum rassistischen Gedankengut des Jörg Lanz von Liebenfels bzw. diversen Pseudowissenschaften. Beispiele sind seine „Entdeckung“, dass die sagenumwobenen „saligen Frauen“ in Tirol, die auch in seinem „Tyroler Drachenspiel“ auftauchen, eigentlich Yoga-Mädchen seien, die an bestimmten Punkten, den so genannten „Erdnabeln“, durch Tänze Genmutationen hervorrufen könnten. Er verarbeitet derartige Themen jedoch immer in stark ironisierender Form und entzieht sich dadurch weitgehend einer politischen Schubladisierung.

Werke

  • Der Kommandant von Kalymnos, Wien 1926
  • Der Gaulschreck im Rosennetz, Wien 1928
  • Der letzte Hofzwerg, Wien 1928
  • Gesammelte Werke, München
    • Bd. 1. Der Gaulschreck im Rosennetz, 1957
    • Bd. 2. Maskenspiel der Genien, 1958
    • Bd. 3. Lustspiele und Ballette, 1960
    • Bd. 4. Cavaliere Huscher und andere Erzählungen, 1963
  • Tarockanische Miniaturen, Graz [u. a.] 1964
  • Zeichnungen, Salzburg 1965
  • Zerbinettas Befreiung, Frankfurt am Main 1965
  • Tarockanische Geheimnisse, Wien 1974
  • Das Gesamtwerk, München [u. a.] 1975
  • Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter, Frankfurt am Main 1975
  • 's Wiesenhendl oder Der abgelehnte Drilling, Köln 1975
  • Prinz Hamlet der Osterhase oder „Selawie“ oder Baby Wallenstein, Köln 1975
  • Perle und Tarockanien, München 1980 (zusammen mit Alfred Kubin)
  • Sämtliche Werke, Salzburg [u. a.]
    • Bd. 1. Österreichische Trilogie, 1. Der Gaulschreck im Rosennetz, 1983
    • Bd. 2. Österreichische Trilogie, 2. Rout am fliegenden Holländer, 1984
    • Bd. 3. Österreichische Trilogie, 3. Das Maskenspiel der Genien, 1989
    • Bd. 4. Erzählungen, Pantomimen und Ballette, 1991
    • Bd. 5. Zwischen Prosa und Drama, 1986
    • Bd. 6. Dramen, 1985
    • Bd. 7. Der Briefwechsel mit Alfred Kubin 1903 bis 1952, 1983
    • Bd. 8. Ausgewählte Briefwechsel 1885 bis 1954, 1989
    • Bd. 9. Skizzen und Fragmente, 1992
    • Bd. 10. Sinfonietta Canzonetta Austriaca, 1994
  • Im Garten der Erkenntnis, Salzburg [u. a.] 1988
  • Das Beste von Herzmanovsky-Orlando, Wien 1995
  • Gaulschreck, Hofzwerg, Exzellenzen, München 2001
  • Scoglio Pomo oder Rout am Fliegenden Holländer, St. Pölten 2007

Literatur

  • Friedrich Bohne (Hrsg.): Fritz von Herzmanovsky-Orlando, Nürnberg 1961
  • Barbara Bronnen: Fritz von Herzmanovsky-Orlando, München 1965
  • Fritz von Herzmanovsky-Orlando, Linz 1969
  • Herzmanovsky-Orlando, Wien 1970
  • Monika von Gagern: Ideologie und Phantasmagorie Fritz von Herzmanovsky-Orlandos, München 1972
  • Tino Erben (Hrsg.): Fritz von Herzmanovsky-Orlando, Wien 1977
  • Astrid Wallner: Allotria in artibus, Wien 1990
  • Gabriele Van Zon: Word and picture, New York [u. a.] 1991

Weblinks

Eintrag über Fritz von Herzmanovsky-Orlando im Architektenlexikon Wien 1880–1945 des AzW


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