Alphonse Daudet

Alphonse Daudet
Alphonse Daudet
Die Mühle bei Fontvieille, in der Daudet jedoch nie gewohnt hat.

Alphonse Daudet (* 13. Mai 1840 in Nîmes, Département Gard; † 16. Dezember 1897 in Paris) war ein französischer Schriftsteller. Er war der Bruder von Ernest Daudet und der Vater von Leon Daudet. Zu seinen bekanntesten Werke zählen Tartarin von Tarascon, Briefe aus meiner Mühle und der Roman Sappho.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend in der Provence

Alphonse Daudet war der dritte Sohn des Kaufmanns und Seidendruckers Vincent Daudet und dessen Frau Marie Adelaide, geborene Reynaud. Nach dem geschäftlichen Ruin des Vaters zog die Familie von Nîmes nach Lyon, wo Alphonse eine bedrückende Kindheit verlebte. Als Freischüler besuchte er das Lycée Ampère, bis ihn 1856 die finanzielle Situation der Familie zwang die Schule zu verlassen. Er wurde Studienaufseher in einem Internat in Alès – eine Stellung, die sich für ihn bald als unerträglich erwies: „ [...] verflucht der Tag an dem ich in diese Baracke eingetreten bin.“ [1]Im November 1857 gab Daudet diese Arbeit auf und suchte Zuflucht bei seinem drei Jahre älteren Bruder Ernest, der sich in Paris als Journalist versuchte. Die Geschichte von Alphonse frühen Jahren hat Ernest Daudet 1882 in seinen Erinnerungen Mon frère et moi (Mein Bruder und ich) erzählt.

Erfolg in Paris

Daudet schloss sich der Pariser Bohème an und begann Gedichte zu schreiben, die er 1858 in dem schmalen Band Les Amoureuses veröffentlichte und die wohlwollend aufgenommen wurden. 1859 wurde er Mitarbeiter der Zeitung Le Figaro unter dem energischen Herausgeber Hippolyte de Villemessant. Auf diese Weise wurde er den literaturinteressierten Kreisen bekannt als Autor mit Individualität und Zukunft. Der Herzog von Morny, der mächtige Minister und Halbbruder Napoleons III., machte ihn 1860 zu seinem Privatsekretär, eine Stellung, an der er bis zu Mornys Tod 1865 festhielt. Da sein Lebensunterhalt auf diese Weise gesichert war, konnte sich Daudet seiner Karriere als Schriftsteller widmen und begann nun auch Theaterstücke zu schreiben.

Im Winter 1861/62 unternahm er eine Reise durch Algerien, ein Jahr später folgte ein mehrmonatiger Aufenthalt auf Korsika. Wiederholte Besuche in seiner provenzalischen Heimat lieferten ihm Ideen und Anregungen für seine Erzählungen. Ab 1866 erschienen in Pariser Zeitungen die Briefe aus meiner Mühle (Lettres de mon moulin) , mit denen Daudet die Aufmerksamkeit vieler Leser errang. 1867 heiratete er Julia Allard; die Ehe war außergewöhnlich glücklich und harmonisch. Seine Frau besaß selbst viel literarisches Können und ist bekannt durch ihre Impressions de nature et d'art (1879), L'Enfance d'une Parisienne (1883) und einige literarische Studien, die sie unter dem Pseudonym Karl Steen veröffentlichte.

1868 erschien Daudets autobiographischer Roman Le Petit Chose (Der kleine Dingsda), eine Schilderung seiner jungen Jahre. 1872 schrieb er Die wunderbaren Abenteuer des Tartarin von Tarascon (Aventures prodigieuses de Tartarin de Tarascon) und das dreiaktige Schauspiel L’Arlésienne, eine Bearbeitung seiner gleichnamigen Erzählung, zu dem Georges Bizet die Bühnenmusik schrieb. Aber erst Fromont jeune et Risler aîné (1874) brachte den großen Erfolg und wurde von der Académie française preisgekrönt. [2]Mit Jack (1876), der Geschichte eines unehelichen Kindes, Opfer der Selbstsucht seiner Mutter, knüpfte er an seinen Erfolg an. Von nun an konzentrierte er sich auf Romane und publizierte erfolgreich Werke wie Le Nabab (Der Nabob) (1878), Les Rois en exil (1879), Numa Roumestan (1881), L'Evangéliste (1883) und Sappho, ein Pariser Sittenbild (1884). Trente ans de Paris, à travers ma Vie et mes Livres (1887) enthält die Entstehungsgeschichten zu seinen Büchern, und in Souvenirs d'un homme de lettres (1888) breitete er seine Erinnerungen aus. L'Immortel (1888) ist eine satirische Attacke gegen die Académie française, der Daudet nie angehörte. Ab 1889 schrieb Daudet auch wieder für das Theater. Daneben entstanden weitere Erzählungen, wie beispielsweise La Belle Nivernaise und die Tartarin-Fortsetzungen Tartarin sur les Alpes (1885) und Port-Tarascon. Dernières Aventures de l'illustre Tartarin (1890).

1886 lieh Daudet Geld an Édouard Drumont, den Gründer der französischen Antisemitenliga, damit dieser sein zweibändiges antijüdisches Pamphlet „La France juive“ vollenden konnte.[3]

Krankheit und späte Jahre

Alphonse Daudet

1884 traten die ersten Anzeichen einer Rückenmarkserkrankung auf. Daudet litt zunehmend an Tabes dorsalis, den späten Folgen einer Syphilisinfektion. Seine letzten Lebensjahre waren stark von der zur völligen Paralyse fortschreitenden Krankheit geprägt. In dieser Zeit entstand sein wohl ergreifendstes Werk, das erst 1930 unter dem provenzalischen Titel La Doulou veröffentlichte Im Land der Schmerzen. In dieser Notizensammlung betrachtet Daudet mit schonungslosem Blick seine Krankheit und die damit einhergehenden Veränderungen seiner Person und seiner Umgebung. „In meinem [...] Knochengerüst hallt der Schmerz wie die Stimme in einer Wohnung ohne Möbel und Vorhänge.“ [4] Bereits an den Rollstuhl gefesselt, blieb er dennoch tätig; er unterstützte junge Schriftsteller und schrieb noch einige Werke. Daudet starb am 16. Dezember 1897 während der Dreyfus-Affäre, in der er sich trotz seiner Freundschaft mit Émile Zola, gegen Dreyfus gestellt hatte. Daudet wurde auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris beerdigt; Zola hielt die Totenrede.[5]

Literarische Bedeutung

Die Romane haben Daudets Ruhm begründet, doch seine heutige Bekanntheit beruht vor allem auf seinen Jugendwerken, den Briefen aus meiner Mühle und vor allem dem Tartarin von Tarascon. [6] Daudet bekannte, er erfinde wenig, er schreibe alles nach der Natur. [7] Seine Erfahrungen, sein Milieu, die Männer, mit denen er bekannt war, Personen, die mehr oder weniger wichtige Rollen im Pariser Leben spielten, alle wurden in seiner Kunst eingearbeitet. Von großer Bedeutung für seine Entwicklung war die Freundschaft mit Frédéric Mistral und damit verbunden seine Hinwendung zu Themen und Stoffen seiner provenzalischen Heimat. Daudet war auch ein enger Freund von Edmond de Goncourt (der in seinem Haus starb), von Gustave Flaubert und Émile Zola, der ihn un charmeur nannte. Sein Stil gilt als realistisch-impressionistisch, [8] doch sein Werk entzieht sich jeder schulmäßigen Einordnung in die künstlerischen Strömungen seiner Zeit, [9] ob Naturalismus, Realismus oder Impressionismus. Er verwahrte sich auch gegen den Vorwurf Dickens zu imitieren, den er jedoch sehr geschätzt hatte. „Daudet war Individualist und behauptete sich so bis an sei Ende.“[10]

Werke

  • Les Amoureuses (1858),
  • Lettres de mon moulin, Erzählungen (1866; dt. Briefe aus meiner Mühle, 1879) E-Buch: Originalsprache, deutsche Übersetzung
  • Le Petit Chose, Roman (1868; dt. Der kleine (Herr) Dingsda, 1877)
  • Aventures prodigieuses de Tartarin de Tarascon, Roman (1872; dt. Die wundersamen Abenteuer des Tartarin von Tarascon, 1882) E-Buch: Originalsprache, deutsche Übersetzung
  • L’Arlésienne Schauspiel (1872)
  • Fromont jeune et Risler aîné, Roman (1874; dt. Fromont junior und Risler senior, Stuttgart 1887)
  • Contes du Lundi, Erzählsammlung (1875; dt. Montagsgeschichten, 1880)
  • Jack (1876)
  • Le Nabab, Roman (1877; dt. Der Nabob, Stuttgart 1888)
  • Les Rois en exil, Roman (1879; dt. Die Könige im Exil, Stuttgart 1890)
  • Numa Roumestan, Roman (1881; dt. Numa Roumestan, Stuttgart 1889)
  • Sappho, Roman (1884; dt. Sappho, Pariser Sittenbild, 1884)
  • Tartarin sur les Alpes (1885)
  • La Belle Nivernaise (1886)
  • Trente ans de Paris (1887)
  • La Doulou (1887−1895; dt. Im Land der Schmerzen, Bremen 2003)
  • Souvenirs d'un homme de lettres (1888)
  • L'Immortel, Roman (1888; dt. Der Unsterbliche, Stuttgart 1888)
  • Port-Tarascon. Dernières Aventures de l'illustre Tartarin (1890)
  • Les Femmes d’artistes (dt. Adolf Gerstmann: Künstler-Ehen. Pariser Skizzen, Leipzig 1884)
  • Le Soutien de famille (1898) (dt. Die Stütze der Familie, Stuttgart/Leipzig um 1919)

Literatur

  • Alphonse Daudet: Briefe aus meiner Mühle. Reclam Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-15-003227-X.
  • Alphonse Daudet: Meistererzählungen. Manesse Verlag, Zürich 1959, ISBN 3-7175-1088-6.
  • Alphonse Daudet: Sappho: Ein Pariser Sittenbild. Ullstein, Frankfurt am Main; Berlin 1992, ISBN 3-548-30291-2.

Einzelnachweise

  1. Alphonse Daudet: Briefe aus meiner Mühle. Reclam Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-15-003227-X, S. 186.
  2. Alphonse Daudet: Briefe aus meiner Mühle. Reclam Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-15-003227-X, S. 205.
  3. Gérard Gengembre: In: Alphonse Daudet (Hrsg.): Lettres de mon moulin. Pocket classiques, Paris 1998, ISBN 2-266-08323-6, S. 266.
  4. Alphonse Daudet: Meistererzählungen. Manesse Verlag, Zürich 1959, ISBN 3-7175-1088-6, S. 313.
  5. Gérard Gengembre: In: Alphonse Daudet (Hrsg.): Lettres de mon moulin. Pocket classiques, Paris 1998, ISBN 2-266-08323-6, S. 266.
  6. Alphonse Daudet: Meistererzählungen. Manesse Verlag, Zürich 1959, ISBN 3-7175-1088-6, S. 319.
  7. Alphonse Daudet: Meistererzählungen. Manesse Verlag, Zürich 1959, ISBN 3-7175-1088-6, S. 317.
  8. Alphonse Daudet: Briefe aus meiner Mühle. Reclam Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-15-003227-X, S. 182.
  9. Alphonse Daudet: Sappho: Ein Pariser Sittenbild.. Ullstein Verlag, Frankfurt am Main; Berlin 1992, ISBN 3-548-30291-2, S. 236.
  10. Alphonse Daudet: Briefe aus meiner Mühle. Reclam Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-15-003227-X, S. 207.

Weblinks

 Wikisource: Alphonse Daudet – Quellen und Volltexte (Französisch)
 Commons: Alphonse Daudet – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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