Hisab al-dschabr wa-l-muqabala

Hisab al-dschabr wa-l-muqabala
Eine Seite des Buchs.

Al-Kitāb al-muḫtaṣar fī ḥisāb al-ğabr wa-ʾl-muqābala (arabisch ‏الكتاب المختصر في حساب الجبر والمقابلة‎ ‚Das kurzgefasste Buch über die Rechenverfahren durch Ergänzen und Ausgleichen[1]‘) bzw. Ḥisāb al-ğabr wa-ʾl-muqābala oder Kitāb al-ğabr wa-ʾl-muqābala ist ein Mathematik-Buch, das ungefähr um 825 vom Mathematiker Muhammad ibn Musa al-Chwarizmi geschrieben wurde. Das Wort Algebra geht auf die lateinische Übersetzung des Titels (Ludus algebrae almucgrabalaeque) zurück.

Inhaltsverzeichnis

Historische Bedeutung

Dieses Buch ist ein wichtiger Grundtext der klassischen Algebra, der Wissenschaft vom Lösen von Gleichungen. Es prägte für Jahrhunderte den Charakter der Algebra als praktischer Wissenschaft ohne axiomatische Fundierung.

Das Werk ist ein gutes Beispiel für die Bedeutung der islamischen Kultur auf dem Höhepunkt der islamischen Expansion, wie sie im Haus der Weisheit in Baghdad betrieben wurde und auf die Geschichte der Mathematik einen nachhaltigen Einfluss ausübte. Zahlreiche islamische Gelehrte sammelten das mathematische Wissen der alten Griechen und schufen eine Synthese mit der indischen Mathematik, insbesondere von Aryabhata und Brahmagupta. Auch dieses Buch bildete eine Brücke zwischen der Antike, der abendländischen und der indischen Kultur. Es besaß größeren Einfluss als das Werk des Diophant, obwohl es inhaltlich weniger bot und als reine Wortalgebra auf Formeln verzichtete. Al-Chwarizmi stützte sich hier hauptsächlich auf Brahmagupta, kannte aber wahrscheinlich auch die entsprechenden griechischen Arbeiten.

Der Höhepunkt der mittelalterlichen, in arabisch geschriebenen, Algebra wurde zwar erst mit Omar Khayyāms Algebra Über die Beweise für die Probleme von al-ğabr und al-muqabalah („Auflösung kubischer Gleichungen mit Hilfe von Kegelschnitten“) erreicht, aber zum Standardwerk für die Behandlung linearer und quadratischer Gleichungen wurde bei den Persern, Arabern und ebenso später im mittelalterlichen Europa das Buch Al-Chwarizmis.

Inhalt

Nach den Aussagen des Autors enthält das Buch alles was „aus der Arithmetik überaus brauchbar ist, was Menschen bei Vererbungsangelegenheiten brauchen, bei Teilungsproblemen, bei Rechtsstreitigkeiten, im Handel, und überhaupt bei allen gegenseitigen Beziehungen; oder auch bei der Landvermessung, beim Graben von Kanälen, bei geometrischen Berechnungen und verschiedenen anderen Dingen“.

Das Buch ist in 3 Teile gegliedert:

  • Systematische Behandlung und Auflösungen der Gleichnungen vom ersten und zweiten Grad (Hauptteil des Buches) mit abschließenden Übungsaufgaben
  • Praktische Vermessungsaufgaben
  • Lösung von Erbteilungsaufgaben

In den Gleichungen werden keine Symbole verwendet, sondern diese werden stets verbal ausgedrückt. Alle Gleichungen werden auf 6 Standardtypen zurückgeführt (a,b,c sind dabei nicht-negative Koeffizienten; nur positive Lösungen werden betrachtet):

  • ax2 = bx
  • ax2 = c
  • bx = c
  • ax2 + bx = c
  • ax2 + c = bx
  • ax2 = bx + c

Jeder Gleichungstyp wird nach einer Regel gelöst, welche geometrisch bewiesen wird.

Der Autor gibt auch die Operationen an, mit deren Hilfe man Probleme auf eine seiner 6 Standardformen bringt:

  • al-ğabr („Vervollständigen“, „Wiederherstellen“, „Ganzmachen“) – Beseitigung der negativen Ausdrücke
  • al-muqabalah („Ausgleich“) – Zusammenfassung der Ausdrücke gleicher Potenz je Seite

und die vier Grundoperationen +, -, *, /.

Obwohl die dargestellte Methode umständlich war, konnten damit alle in der Praxis vorkommenden quadratischen Gleichungen gelöst werden.

Überlieferung

Das Werk ist in einer arabischen Abschrift und in mehreren lateinischen Übersetzungen erhalten.

Die sechs Gleichungstypen waren jahrhundertelang das Kernstück der Algebra. Erst Michael Stifel ließ 1544 negative Koeffizienten zu und konnte so die Anzahl der Gleichungstypen verringern. Und ebenfalls erst um diese Zeit (ca. Mitte des 16. Jahrhunderts) konnte man in Europa kubische Gleichungen lösen (vgl. hierzu Gerolamo Cardanos Ars magna sive de regulis algebraicis, Nicolo Tartaglia, Scipione del Ferro).

Quellen

  1. Helmuth Gericke: Mathematik in Antike und Orient. 9. Auflage. Marix Verlag, 2005, ISBN 3-937715-71-1, S. 197–199

Literatur

  • Muhammad ibn Musa Al-Khuwarazmi, Louis Charles Karpinski (Hrsg.): Robert of Chester's Latin translation of the Algebra of al-Khowarizmi. With an introduction, critical notes and an English version. Macmillan, New York/London 1915 (University of Michigan Studies, Humanistic Series, XI.1)

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