Alsterschifffahrt

Alsterschifffahrt

Alsterdampfer oder Alsterschiffe sind Linien-, Rundfahrt- und Ausflugsschiffe, die auf der Alster in Hamburg verkehren. Der Begriff „Alsterdampfer“ war mindestens bis zur Aufgabe des Linienverkehrs (1984) allgemein gebräuchlich und wird von älteren Hamburgern noch heute verwendet.

Alsterdampfer St.Georg

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Postkarte zum Streik der Alsterdampfer im Frühjahr 1908

Am 15. Juni 1857 nahm das erste Alsterdampfschiff, die Alina, den Linienbetrieb auf der Binnen- und Außenalster sowie den angrenzenden Kanälen auf. Der Linienverkehr bestand zwischen dem Mühlenkamper Fährhaus auf der Uhlenhorst, dem Winterhuder Fährhaus und dem Jungfernstieg mit mehreren Anlegestellen auf der Strecke. 1890 kam eine Linie über den Eilbekkanal nach Barmbek dazu. Zur Jahrhundertwende verkehrten rund 30 Dampfschiffe auf der Alster. Im Jahre 1911 erreichten die Passagierzahlen die 11-Millionen-Grenze, die Alsterdampfer waren damals ein leistungsfähiges und preiswertes Nahverkehrsmittel.

Nach dem Ersten Weltkrieg (1. April 1919) übernahm die Hamburger Hochbahn AG (HHA) den Betrieb von der Alsterdampfschiffahrts-GmbH mit 35 Dampfern und fünf Schuten. In den Jahren 1924 bis 1935 übertrug sie den technischen Betrieb jedoch der Ewerführerei Lütgens & Reimers. Die Fahrgastzahlen erreichten in den „Goldenen Zwanzigern“ pro Jahr nur noch rund 6 Millionen, in den 1930er Jahren lagen sie bereits unter 4 Millionen. Durch die Einrichtung von Straßenbahnen, Omnibuslinien und den Bau der U-Bahn wurden diese Verkehrsmittel für den normalen Stadtverkehr attraktiver als die langsamen Alsterdampfer. Dennoch ließ die HHA ab 1935 bis 1939 zehn Motorschiffe bauen. Einige davon wurden mehrfach umgebaut und gehören noch heute zur Alsterflotte.

Wenige Tage vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs musste der Betrieb auf den Alsterlinien wegen Treibstoff- und Personalmangel eingestellt werden. Die Fähre war bis 1944 in Betrieb.

Barkassen als Motorboot-Anschlussverkehr

In den 1920er und 30er Jahren gab es ab Mühlenkamp bzw. Winterhuder Fährhaus Anschlusslinien zur ehemaligen Stadthalle am Stadtparksee in Winterhude und über den damals neuen Alsterkanal bis Ohlsdorf. mit Anlegern am Lattenkamp, Deelböge und am Alsterdorfer Damm. Für einen dichten Taktabstand (in Spitzenzeiten 20-Minuten-Takt) wurden zwei Serien mit je fünf Barkassen gebaut, Diese erhielten zunächst Namen wie Klaus (die heutige Aue), Lulu und Irmgard. 1930 folgte als letzte, elfte Barkasse Clementine (die spätere Kollau) mit vollständiger Überdachung. Sie diente Mitte der 1930er Jahre als Vorbild für den Umbau der anderen Barkassen. Gleichzeitig erhielten viele Alsterdampfer neue Namen: Jetzt waren Tugenden wie Entschlossenheit, Kameradschaft, Glaube und Wahrheit als Schiffsnamen gefragt. Die fünf älteren Barkassen wurden verkauft. 1941 erfolgte der Verkauf der Emmy / Treue.

Schaffner kassiert auf Alsterfähre (1949)

Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach einer kriegsbedingten Unterbrechung wurde der Betrieb Ende 1946 als reguläres Verkehrsmittel der HHA wiederaufgenommen. Von den Barkassen waren noch vier vorhanden, sie erhielten die neuen Namen Grevenau, Mühlenau (beide 1957 verkauft), Collau (verkauft 1992) sowie Aue und wurden u.a. als Alsterfähre eingesetzt. Fahrten zum Stadtpark und bis Ohlsdorf konnten nicht wieder aufgenommen werden. Im Jahre 1950 wurden 3,4 Millionen Passagiere gezählt.

Auch der Neubau von Motorschiffen begann 1951 wieder, die Goldbek und die Eilbek wurden mit dieselelektrischen Antrieb 1951 bzw. 1952 in Betrieb genommen. Als für lange Zeit letztes in Deutschland gebaute Schiff ging 1956 die Rodenbek mit reinem Dieselantrieb in Betrieb. Ab 1958 (Barkasse Eilenau, verkauft 1994) kamen in den Niederlanden gebaute Rundfahrtboote nach Amsterdamer Vorbild auf die Alster, deren Bau dort war für die HHA billiger.

Der Tourismus erlangte zunehmend Bedeutung, 1956 wurden erstmals „Kaffeefahrten“ angeboten, gefolgt ab 1964 von „Frühschoppen-“ und schließlich „Kanalfahrten“. Die neu gebaute Eilenau wurde bereits speziell für den Ausflugs- und Rundfahrtbereich erworben.

Das Schwesterschiff der Barkasse Aue, die 1959 in Holland umgebaute Kollau, erhielt 1961 als erstes Schiff elektrische Anlegemagnete für den Ein-Mann-Betrieb. In den 1970er Jahren wurden alle Alsterschiffe in Linienfahrt damit ausgerüstet. Damit der Festmacher und Kassierer eingespart werden konnte, mussten auch die Einstiegstüren nach vorn verlegt werden, was weitere Umbauten erforderte.

Mit der Einrichtung des Hamburger Verkehrsverbundes 1965 wurden die Linien in das normale Angebot der Tarifgemeinschaft integriert. In den Folgejahren schrumpften die Fahrgastzahlen jedoch. Die Attraktivität litt u.a. auch durch die damals umfangreichen U- und S-Bahn-Bauarbeiten am Jungfernstieg (1973 Inbetriebnahme des Bahnknotens unter der Binnenalster). Zwischen 1962 und 1968 wurden jährlich 1,7 bis 1,9 Millionen Fahrgäste gezählt, 1969 waren es nur noch 1,5 Millionen.

Aufgabe des Linienverkehrs, Neuanfang der Alster-Touristik

Im April 1977 wurde die Alsterschifffahrt aus der HHA ausgegliedert und in die Tochtergesellschaft ATG Alster-Touristik GmbH mit einer Neuausrichtung auf Ausflugs-, Rundfahrt- und Touristikangebote überführt. Nachdem die Passagierzahlen im Linienverkehr 1983 auf 690.000 zurückgegangen waren und das jährliche Defizit eine Höhe von weit über eine Million DM erreicht hatte, wurde der bisherige Linienbetrieb aufgegeben. Dazu erfolgte am 7. Februar 1984 ein Senatsbeschluss „zur Einstellung des defizitären Alster-Linienverkehrs“ [1].

Die Linienschifffahrt wurde 1984 durch eine Rundfahrtlinie mit einem linearen Streckentarif (1 DM pro Anleger mit einem Höchstpreis für eine Richtung bzw. Hin- und Rückfahrten, außerhalb des HVV-Tarifs) ersetzt. Zeitfahrtausweise hatten nun keine Gültigkeit mehr. Für Senioren wurden Ermäßigungen eingeführt, denn für diese Personengruppe waren die Alsterschiffe bisher ein beliebtes und mit Senioren-Zeitkarten sehr preiswertes, oft genutztes Verkehrsmittel bzw. Ausflugsziel. Der bisherige 15-Minuten-Takt zwischen Jungfernstieg und Uhlenhorster Fährhaus wurde durch einen Stundentakt der neuen Alster-Kreuzfahrt-Linie ersetzt.

Die Alsterflotte wurde über die Jahre an die neuen Aufgaben angepasst. Bei den Ende der 1930er bzw. Anfang der 50er Jahre für den Linienbetrieb gebauten Motorschiffen erfolgten mehrfach Umbauten. Die Goldbek wurde 1987 als Salonschiff eingerichtet. Auch ein echtes Dampfschiff kehrte auf die Alster zurück: die St. Georg (ursprünglich Falke) als Museumsschiff das allerdings nicht der ATG sondern dem Verein Alsterdampfschiffahrt e.V. gehört.

Neue moderne Schiffe kamen hinzu, mit der Alstersonne wird ein Solarschiff mit Elektroantrieb eingesetzt. Ein weiteres Schiff mit Elektroantrieb ist die Alsterwasser, das die Energie durch zwei Brennstoffzellen erhält. Durch das dabei erzeugte heiße Wasser ist die Bezeichnung „Alsterdampfer“ dann nicht einmal verkehrt. Dieses Schiff wurde im Rahmen des Projektes Zemships (Zero Emission Ships) geplant und gebaut und am 29. August 2008 an die ATG übergeben.

Linien und Touristik-Angebote

Die Alsterdampfer waren einmal ein ganz normales Stadtverkehrsmittel. Vor dem Ersten Weltkrieg gab es Linienverkehr im 10- oder 20-Minuten-Takt. In den 1920er und 30er Jahren fuhren Linienschiffe bis zum Stadtpark, nach Ohlsdorf und über den Eilbekkanal bis zur Richard- und Von-Essen-Straße. Hier konnte man damals in die Straßenbahn zum Barmbeker Bahnhof umsteigen [2].

Die HHA betrieb in der Nachkriegszeit (ab 1967 innerhalb des HVV) zunächst zwei, später drei Linien im 30-Minuten-Takt und eine Fähre. Die Schiffe waren zur Linienbezeichnung mit unterschiedlichen Fahnen kennzeichnet. Es gab die gelbe Flagge, die blaue Flagge und die grüne Flagge:

51 Jungfernstieg – Atlantic – Rabenstraße – Uhlenhorster Fährhaus – Krugkoppelbrücke – Streekbrücke – Winterhuder Fährhaus
52 Jungfernstieg – Atlantic – Rabenstraße – Uhlenhorster Fährhaus – Mühlenkamp – Bachstraße – Saarlandstraße
53 Jungfernstieg – Mundsburger Brücke – Rabenstraße
55 Alsterfähre: Fährdamm – Uhlenhorster Fährhaus (Anschluss an Linien 51/52)

Im Linienbetrieb kamen etwa 12 Schiffe (gebaut in den Jahren 1935–1939 bzw. 1951–1959) und zwei kleinere Fähren (Kollau und Aue) zum Einsatz. Die grüne Linie zur Mundsburger Brücke wurde im Dezember 1975 eingestellt, sie war nur wenige Jahre in Betrieb, die anderen Linien fuhren bis zum Frühjahr 1984.

Anstatt der ursprünglichen Linien werden von der ATG sogenannte Alster-Kreuz-Fahrten angeboten, dabei kann an beliebigen Anlegern aus- und zugestiegen werden:

  • Jungfernstieg – Atlantic – Rabenstraße – Uhlenhorster Fährhaus – Fährdamm – Mühlenkamp – Krugkoppelbrücke – Streekbrücke – Winterhunder Fährhaus und zurück.

2008 wird auch die sog. Museumslinie zwischen Jungfernstieg und dem Museum der Arbeit in Barmbek sonnabends und sonn- und feiertags mit je vier Fahrten bedient.

Außerdem gibt es, jeweils ab Jungfernstieg,

  • Alsterrundfahrten (im Herbst und Winter als Punschfahrten)
  • Kanal-Fahrten über die Alster und ihre Seitenkanäle (täglich Ostern bis Oktober)
  • Fleetfahrten durch die Fleete der Alt- und Neustadt und die Speicherstadt (täglich Ostern bis Oktober)
  • Vierlande-Fahrten durch die Vier- und Marschlande nach Bergedorf (mittwochs bis sonntags von Mai bis Anfang Oktober)
  • Dämmertörn (von Mai bis Anfang Oktober täglich ab 20:00 Uhr)

An einigen Tagen werden Fahrten mit dem Dampfer St. Georg (Museumsschiff des Vereins Alsterdampfschiffahrt e.V.) vom Jungfernstieg aus nach Alsterdorf angeboten.

Die heutige Flotte der ATG (Auszug)

Solarschiff Alstersonne
Alstersonne
Motorschiff Eilbek
Schiffsname Länge (in m) Baujahr Anmerkung
Alster-Cabrio I 21,93 1995 oben offenes Schiff
Alster-Cabrio II 21,93 1996 oben offenes Schiff
Alsterschipper 25,60 1998
Alsterschwan 26,60 2006
Alstersonne 25,53 2000 Solar-Katamaran
Alsterwasser 25,56 2007/08 Wasserstoffantrieb (Brennstoffzellen)
Ammersbek 22,22 1939
Aue (Barkasse) 15,95 1926 seit 2004 Museumsschiff
Bredenbek 22,22 1938
Eilbek 22,22 1952
Fleetenkieker 25,60 2003
Goldbek 22,22 1951
Quartierslüüd 25,60 2003
Saselbek 22,22 1937
Schleusenwärter S.C. 25,60 1990
Seebek 21,85 1959
Sielbek 22,22 1939
Susebek 22,22 1937

Als technische Innovation ist die Alstersonne zu erwähnen, seit 2000 im Einsatz. Dies ist ein Zweirumpf-Katamaran mit Photovoltaik-Elementen. Das 25,53 m lange Schiff verfügt über 6 Tonnen schwere Gel-Akkumulatoren, die einen Betrieb mit Elektromotoren mit einer Geschwindigkeit von rund 5 Knoten für 110 Passagiere erlauben. die 78 Kunststoff-Solarmodule erzeugen einen Strom von bis zu 5 kW. Gebaut wurde das Schiff von den Firmen KOPF AG und SUNOVATION GmbH.

Literatur

  • Jürgen Blunck: Geschichte der Alsterschiffahrt. Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum 1985, ISBN 3-88042-256-7

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rolf-Fredrik Matthaei: Zeittafel Nahverkehr in Hamburg
  2. tramways.worlpress.com: Stadtplan Hamburg 1928, Karte 10

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