Hovhannes Kachaznuni

Hovhannes Kachaznuni

Hovhannes Katchaznouni, auch Hovhannes Kachaznuni (armen. Հովհաննես Քաջազնունի, * 1867 in Achalziche, Georgien; † 1938 in Eriwan, Armenische SSR) war der erste Ministerpräsident der Demokratischen Republik Armenien, des ersten armenischen Staates, der im Juli 1918 gegründet, allerdings international nicht anerkannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Katchaznouni studierte an Universitäten im Deutschen Reich und in Russland Architektur und Bergbauwissenschaften und ließ sich danach in Baku nieder, wo er sich der Armenischen Revolutionären Föderation (Daschnakzuzjun) anschloss. Nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges kritisierte er die Aufstellung armenischer Freiwilligenverbände. 1917 nach der Februarrevolution wurde er Mitglied des neugebildeten Armenischen Nationalrates und wurde nach der Oktoberrevolution in die kurzlebige Konstituante gewählt. In den Folgemonaten fungierte er als Delegierter der Transkaukasischen Föderation auf der Konferenz in Trabzon sowie als Abgeordneter und Sozialminister dieses kurzlebigen Staates. Nach der Unabhängigkeit Armeniens war er von Juli 1918 bis August 1919 Ministerpräsident der Demokratischen Republik Armenien, unternahm im Frühjahr einen längeren Staatsbesuch in Europa um um Unterstützung für Armenien zu werben und wurde in dieser Periode wegen seiner auf gemäßigten, auf Verständigung abzielenden Linie von Teilen der eigenen Partei kritisiert. Versuche seinerseits, im Herbst 1920 eine neue Regierung unter seiner Führung zu bilden, blieben erfolglos.

Nach der Machtübernahme armenischer Bolschewiki und der Gründung der Armenischen Sowjetrepublik Ende 1920 zeitweise inhaftiert, floh Katchaznouni in den Westen. Auf der Parteikonferenz 1923 der Daschnakzuzjun in Bukarest forderte er die Auflösung seiner Partei und die Unterstützung der Armenischen Sowjetrepublik, in welche er später übersiedelte. Katchaznouni wurde im Rahmen Stalins Großer Säuberung 1938 getötet.

Rezeption des Parteitagsberichtes von 1923

Eine gewisse Bekanntheit erlangte Katchaznouni in der aktuellen Debatte um den Völkermord an den Armeniern durch seinen wiederveröffentlichten "Bericht zur Parteikonferenz 1923" (Originaltitel Dashnaktsutiune anelik chuni uilevs) der Armenischen Revolutionären Föderation (Daschnakzuzjun). Darin setzt Katchaznouni sich selbstkritisch mit den von ihm, seiner Partei und seiner Regierung während des zurückliegenden Krieges eingegangenen Bündnissen und Bindungen auseinander. Kurz gefasst sieht er es im Nachhinein als strategischen Fehler an, zunächst mit den Russen und danach mit der Entente gegen die Türkei paktiert und gekämpft zu haben. Die Mächte, mit denen man Bündnisse gegen die Türken eingegangen sei, hätten nicht die Unabhängigkeit Armeniens angestrebt, sondern eigene Ziele verfolgt. Letztendlich hätten die Verbündeten Armenien fallen gelassen. Folgen dieser strategischen Fehlentscheidungen seien sowohl die Vertreibung von hundertausenden von Armeniern aus ihrer Heimat als auch der im Zuge dessen verübte Genozid sowie die letztendliche Aufteilung Armeniens zwischen der Türkei und Russland gewesen. Die Verantwortung für diese Bündnispolitik lastet Katchaznouni in großer Offenheit sich, seiner Daschnakzuzyun-Partei und seiner Regierung an.

Der Parteitagbericht wird von Kreisen, die den Genozid an den Armeniern leugnen, als Beleg dafür angeführt, dass es sich bei den Armenischen Opfern nicht um einen Genozid gehandelt habe, sondern um legitime Maßnahmen im Rahmen einer kriegerisch-militärischen Auseinandersetzung, wie es dem bislang offiziellen Standpunkt der Türkei entspricht. Die aktuell (2007) einzig verfügbare deutsche Ausgabe des Berichtes ist zudem mit einem fast gleich umfangreichen Vorwort von Mehmet Perinçek versehen, einem türkischen Linksnationalisten und Sohn des wegen Leugnung des Völkermords an den Armeniern verurteilten Doğu Perinçek. In Perinçeks Vorwort wird Katchaznounis Selbstkritik dahingehend interpretiert, dass Massenvertreibung und -mord nicht nur kausale Folgen strategisch unkluger Bündnispolitik gewesen seien, sondern dass darüber hinaus die Türkei keine und Katchaznouni bzw. die Armenier auch jedwede moralische Verantwortung für das ihnen zugefügte Leid und Unrecht trügen. Daraus wird schließlich geschlussfolgert, mit armenischen Dokumenten lasse sich nachweisen, dass die Rede vom Genozid an den Armeniern eine "Lüge" sei. Diese Schlussfolgerungen entsprechen weder den expliziten noch etwaigen impliziten Aussagen Katchaznounis. Sie sind offensichtlich den politischen Interessen des Herausgebers geschuldet.

Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung von neutraler Seite mit Katchaznounis Parteitagsbereicht hat bislang kaum stattgefunden, so liegt 2007 weder eine textkritische noch eine kommentierte Edition vor. Gelegentlich wird der Text als Pamphlet[1] bezeichnet, wobei allerdings zwischen Katchaznounis Bericht und Perinçeks interpretierendem Vorwort nicht unterschieden wird.

Werke

  • Dashnaktsutiune anelik chuni uilevs. Wien 1923

Literatur

  • Ruben Darbinian: Mer Pataskhane H. Kachaznunii. Boston, 1923. („Unsere Antwort auf H. Kachaznuni“, ein sich mit Katchaznounis Bericht kritisch auseinander setzender Text)
  • Mehmet Perincek (Hg.): Hovhannes Katchaznouni - "Für die Dascnakzutyun gibt es nichts mehr zu tun (Bericht zur Parteikonferenz 1923)", Band 1 der Reihe "Die Lüge vom Genozid an den Armeniern anhand armenischer Dokumente", Mit einem Vorwort von Mehmet Perincek, Übersetzt von Halime Yildirim, Dritte Auflage Juni 2006, (c) Analiz Basim Yayin Tasarim Gida Ticaret ve Sanayi Ltd. Sti. ISBN 975-343-454-5

Quellen

  1. z. B. Yves Ternon 1983 in La cause arménienne, Seite 123

Weblinks


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