Hugo Fiala

Hugo Fiala

Karl Löwith (* 9. Januar 1897 in München; † 26. Mai 1973 in Heidelberg, Pseudonym: Hugo Fiala) war ein deutscher Philosoph. Von den Nationalsozialisten als Jude verfolgt, musste er 1934 aus Deutschland emigrieren. Seine Forschungsschwerpunkte waren Geschichtsphilosophie und das Denken Friedrich Nietzsches und Martin Heideggers.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Karl Löwith wurde am 9. Januar 1897 in München geboren. Seine Eltern waren Wilhelm Löwith, ein renommierter Kunstmaler, und Margarete Löwith geb. Hauser. Er besuchte das Realgymnasium in München und meldete sich nach seinem Abitur freiwillig zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg. Während des Krieges wurde er schwer verletzt und kam in italienische Kriegsgefangenschaft. 1917 wurde er entlassen und kehrte in seine Heimatstadt München zurück. Dort fing er mit dem Studium der Biologie und Philosophie an. 1919 wechselte er nach Freiburg, wo er an der Albert-Ludwigs-Universität bei Edmund Husserl, dessen Assistent Martin Heidegger und dem Zoologen Hans Spemann studierte. 1922 kehrte er nach München zurück und promovierte 1923 bei dem Phänomenologen Moritz Geiger mit der Studie Auslegung von Nietzsches Selbst-Interpretation und von Nietzsches Interpretationen. 1924 folgte er Martin Heidegger nach Marburg und lernte dort Leo Strauss, Gerhard Krüger und Hans-Georg Gadamer kennen. 1928 habilitierte er bei Heidegger mit der Studie Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen. Bis 1934 las er als Privatdozent über Geschichtsphilosophie, Existenzphilosophie, philosophische Anthropologie und Psychoanalyse an der Universität Marburg.

Aufgrund seiner jüdischen Herkunft war Löwith nach Beginn der Nazi-Herrschaft von Lehr- und Publikationsverbot betroffen. Er musste emigrieren und ging zunächst 1934 als Rockefeller-Stipendiat nach Italien. In den Jahren 1935 und 1936 beendete er in Rom die Arbeit an den Monographien Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkehr des Gleichen und Jacob Burckhardt. Von 1936 bis 1941 lehrte er in Japan als Professor an der Kaiserlichen Universität Tōhoku in Sendai (heutige Universität Tōhoku). Als deutscher Emigrant auch von Deutschlands Verbündeten Japan nicht mehr geduldet, siedelte Löwith 1941 in die USA über und wurde, auf Empfehlung von Paul Tillich und Reinhold Niebuhr, am Theologischen Seminar von Hartford, Connecticut angestellt. In dieser Zeit entstanden seine bekanntesten Schriften Von Hegel zu Nietzsche und Meaning in History (Weltgeschichte und Heilsgeschehen). In einem Brief aus dem Jahr 1948 an Leo Strauss beschrieb Löwith seine Situation am Seminar in Hartford als die „eines auf dem trockenen Sand der protestantischen Theologie nach Wasser und Luft schnappenden Fisches“. 1949 wurde er dann an die New School for Social Research in New York berufen, wo er bis 1952 tätig war.

Durch Vermittlung Gadamers erhielt Löwith 1952 einen Ruf an die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und lehrte dort bis zu seiner Emeritierung 1964. Während dieser Zeit entstanden unter anderem Heidegger - Denker in dürftiger Zeit, Kritik der geschichtlichen Existenz und Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes bis zu Nietzsche. 1969 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Universität Bologna verliehen. 1973 starb Löwith im Alter von 76 Jahren in Heidelberg.

Philosophie

Löwith ist vor allem als Schüler Martin Heideggers bekannt, der sich schon früh von ihm distanziert und vor allem durch die NS-Zeit entfremdet hat. Löwith gilt als stoischer, skeptischer und agnostischer Philosoph. Sein Hauptthema war die Auflösung (Säkularisierung) der christlichen Philosophie und ihrer Heilserwartung durch Geschichtsphilosophie (Hegel, Marx) und Existenzialismus.

Das kosmologische Denken der Griechen und Naturbezogenheit galten ihm mehr als neuzeitliche Metaphysik und existenzielles Pathos.

Die Methode, nach der Löwith vorgeht, ist durchaus ein an Heidegger angelehntes Destruieren der Tradition durch philosophiegeschichtliche Analysen. Löwith macht dies jedoch ohne Aggressivität, sondern gelassen verstehend und aufklärend. Löwiths unaufgeregte Haltung wird auch dafür verantwortlich gemacht, dass er nicht so breit rezipiert wird, wie er es verdient hätte. Mit wenigen schlichten Worten negiert er große Traditionen:

„Daß wir aber überhaupt die Geschichte im ganzen auf Sinn und Unsinn hin befragen, ist selbst schon geschichtlich bedingt: jüdisches und christliches Denken haben diese maßlose Frage ins Leben gerufen. Nach dem letzten Sinn der Geschichte ernstlich zu fragen, überschreitet alles Wissenkönnen und verschlägt uns den Atem; es versetzt uns in ein Vakuum, das nur Hoffnung und Glaube auszufüllen vermögen.

Die Griechen waren bescheidener. Sie maßten sich nicht an, den letzten Sinn der Weltgeschichte zu ergründen. Sie waren von der sichtbaren Ordnung und Schönheit des natürlichen Kosmos ergriffen.“

Löwith: Weltgeschichte und Heilsgeschehen, Sämtliche Schriften Bd. 2, S. 14

Löwith charakterisiert das moderne Geschichtsdenken als eine zwiespältige Verschränkung einer antiken Geschichsausfassung (zyklisch/periodisch, ewiger Ausgleich von hybris und nemesis, nach Herodot, Thukydides, Polybios], gelenkt durch fatum und fortuna, Ewigkeit der kosmischen Ordnung) und eines jüdisch-christlichen Geschichtsverständnisses (geprägt von Eschatologie und Prophetie, begrenzt durch finis und gerichtet auf ein telos). Er resümiert:

„Um jedoch konsequent zu sein, müsste das Vertrauen in die "Kontinuität" der Geschichte zu der klassischen Theorie einer kreisförmigen Bewegung zurückkehren; denn nur unter der Voraussetzung einer Bewegung, die ohne Anfang und Ende ist, ist Kontinuität wirklich erweisbar. Denn wie sollte man sich die Geschichte als einen kontinuierlichen Prozess in Form eines gradlinigen Fortschreitens vorstellen können, ohne die Unterbrechung durch einen terminus a quo und ad quem, d.h. ohne Anfang und Ende? Das moderne Geschichtsdenken hat darauf keine eindeutige Antwort. Es entfernt aus seinem fortschrittlichen Denken die christlichen Elemente der Schöpfung und Vollendung, während es sich aus der antiken Weltschau die Idee der endlosen und kontinuierlichen Bewegung aneignet, ohne eine Kreisstruktur zu übernehmen. Der neuzeitliche Geist ist unentschieden, ob er christlich oder heidnisch denken soll. Er sieht auf die Welt mit zwei verschiedenen Augen: mit dem des Glaubens und mit dem der Vernunft. Daher ist seine Sicht notwenigerweise trübe, verglichen mit dem entweder griechischen oder biblischen Denken.“

Löwith: Weltgeschichte und Heilsgeschehen, Stuttgart 1961, S. 189.

Anlässlich seines 100. Geburtstages 1997 charakterisierte Klaus Podak Löwith wie folgt: "Destruieren ist ein Fremdwort für Zerstören. Diesem Ausdruck haftet etwas von Aggressivität und Gewalttätigkeit an. Löwiths große Lese- und Analysierkunst hatte aber die Eigentümlichkeit, daß sie ein verständnisvolles, ein oft geradezu liebevolles Destruieren war. Er konnte und kann mit seinem Werk noch immer seinen Lesern bis in kleine Verästelungen hinein, die er mit meisterlich ausgesuchten Zitaten sichtbar macht, einen Begriff und sogar eine Anschauung davon geben, warum die Welterklärungsversuche der von ihm sezierten Denker so faszinierend und so wirkungsmächtig waren, daß sie das Denken ihrer Zeit in Bahnen lenken konnten, die uns auch heute noch aus völlig verständlichen Gründen versucherisch anlocken. (...) hinzu also kommt eine nicht anders als urban zu nennende Schreibweise, die jeden Leser mit einem zivilisierten Vergnügen erfreut und belohnt."[1]

Schriften

Sämtliche Schriften, 9 Bde. Hrsgg. von Klaus Stichweh, Marc B. de Launay, Bernd Lutz u. Henning Ritter, Stuttgart 1981-1988:

  • Bd. 1: Mensch und Menschwelt. Beiträge zur Anthropologie, 1981
  • Bd. 2: Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Zur Kritik der Geschichtsphilosophie, 1983
  • Bd. 3: Wissen, Glaube und Skepsis. Zur Kritik von Religion und Theologie, 1985
  • Bd. 4: Von Hegel zu Nietzsche, 1988; Neuausgabe: Meiner, Hamburg 1995. ISBN 978-3-7873-1359-4
  • Bd. 5: Hegel und die Aufhebung der Philosophie im 19. Jahrhundert - Max Weber, 1988
  • Bd. 6: Nietzsche, 1987
  • Bd. 7: Jacob Burckhardt, 1984
  • Bd. 8: Heidegger - Denker in dürftiger Zeit. Zur Stellung der Philosophie im 20. Jahrhundert, 1984
  • Bd. 9: Gott, Mensch und Welt - G.B.Vico und Paul Valéry, 1986
  • (1923): Auslegung von Nietzsches Selbst-Interpretation und von Nietzsches Interpretationen; Diss. München
  • (1935): Politischer Dezisionismus, in: Revue internationale de la théorie du droit / Internationale Zeitschrift für Theorie des Rechts 9, 101-123 (Schmitt-Kritik, veröff. unter dem Pseudonym Hugo Fiala)
  • (1960): Der Weltbegriff der neuzeitlichen Philosophie, Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 4. Abhandlung
  • (1990): Der Mensch inmitten der Geschichte. Philosophische Bilanz des 20. Jahrhunderts, Stuttgart
  • (2007): Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933. Ein Bericht,neu herausgegeben von Frank-Rutger Hausmann, mit einem Vorwort von Reinhart Kosellek, 2. Aufl. ISBN 3-476-02181-5 ISBN 978-3-476-02181-6

Literatur

  • Hermann Braun und Manfred Riedel: Natur und Geschichte. Karl Löwith zum 70. Geburtstag; Stuttgart 1967
  • Dabag, Mihran: Löwiths Kritik der Geschichtsphilosophie und sein Entwurf einer Anthropologie; Bochum 1989
  • Habermas, Jürgen: Karl Löwiths stoischer Rückzug vom historischen Bewußtsein ; in: Ders., Philosophisch-politische Profile, Frankfurt/M. 1987, S. 195-216
  • Birgit Heiderich: Zum Agnostizismus bei Karl Löwith; in: Schlette, H.R., Der moderne Agnostizismus, Düsseldorf 1979, S. 92-109
  • Burkhard Liebsch: Verzeitlichte Welt. Variationen über die Philosophie Karl Löwiths; Würzburg 1995
  • Manfred Riedel: Karl Löwiths philosophischer Weg; in: Heidelberger Jahrbücher 14 (1970), S. 120-133
  • Wiebrecht Ries: Karl Löwith; Stuttgart 1992
  • Schwentker, Wolfgang; Karl Löwith und Japan; Archiv für Kulturgeschichte Vol 76, 2

Weblinks

Quellen

  1. Podak, Klaus : Ein glaubensloser Mensch des Denkens. Philosophie ohne Verheißung – Karl Löwith zum 100. Geburtstag, in: Süddeutsche Zeitung, 11. Januar 1997

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