Hundert-Tage-Reform

Hundert-Tage-Reform

Mit "Hundert-Tage-Reform" (Wuxu Bianfa; chinesisch: 戊戌变法) wird ein gescheitertes Vorhaben zur Modernisierung Chinas des chinesischen Kaisers Guangxu aus dem Jahre 1898 bezeichnet.

Nach der Niederlage im ersten Sino-Japanischen Krieg 1894/95 wurde deutlich, dass der Überlegenheit der Fremdmächte auf wirtschaftlichem, technologischem und militärischem Gebiet nur durch eine grundsätzliche Revision der tradierten, konfuzianisch geprägten Strukturen des Landes begegnet werden konnte. Guangxu wurde bei seinen Reformversuchen entscheidend durch die jungen konfuzianischen Gelehrten Kang Youwei (1858-1927) und dessen Schüler und Mitstreiter Liang Qichao (1873-1929) beraten.

Kang entschloss sich, nach Besuchen der inzwischen modernen Konzessionen in Shanghai und Hongkong, zum Reformer Chinas zu werden. Kang reichte nach Erlangen des jinshi-Grads und einer erfolglosen Petition Denkschrift um Denkschrift ein, die China nach dem Vorbild der Meiji-Restauration in Japan in einer einzigen Generation in einen modernen Staat umwandeln sollte. Kang entwickelte in theoretischen Schriften eine neue Sicht des Konfuzianismus. Seine Schriften erreichten schließlich den Kaiser, und mit Kangs Hilfe suchte dieser mit ihm die Reformen in China durchzusetzen.

Mit dem am 11. Juni 1898 ausgerufenen Dekret kündigte Guangxu einen Abbau des bürokratischen Beamtenapparats, eine Modernisierung des Prüfungswesens und der militärischen Ausbildung, eine Stärkung des Petitionsrechts und den Ausbau und die Verbesserung des Bildungswesens an. Auch sollte den mandschurischen Bevölkerungsteilen der ihnen traditionell verwehrte Weg zu bürgerlichen Berufen, etwa im Handelsbereich, geöffnet werden.

Bei der Umsetzung hätten viele Reformmassnahmen die Macht und Privilegien der konservativen Bürokraten beschnitten (z.B. die Abschaffung von nominellen Ämtern ohne Aufgaben). Daher stapelten sich die entsprechenden Verordnungen 100 Tage lang in den Amtstuben der Mandarine, die nichts zur Umsetzung der Dekrete taten.

Die Tante des Kaisers, die Kaiserinwitwe Cixi, erkannte die Machtverhältnisse am Hof und den massiven Widerstand der konservativen Kreise in der Bürokratie. Daher scharte sie reformunwillige Prinzen und Mandarine der höchsten Ränge um sich, ließ ihren Neffen am Morgen des 22. September 1898 im Neuen Sommerpalast internieren und verkündete, dass er schwerkrank sei. Nach diesem Coup d'État regierte sie in seinem Namen als Regentin - eine Rolle, die sie schon früher für den noch jungen Kaiser eingenommen hatte. Entscheidend für ihren Erfolg war, dass sie die drei neu geschaffenen modernen Beiyang-Armeen in der Pekinger Provinz Zhili hinter sich hatte, deren Befehlshaber ihr Freund Rong Lu war. Yuan Shikai, welcher Rong Lu beseitigen sollte, verriet den Kaiser Guangxu, als er sich auf Cixis Seite stellte.

Die Reformen wurden rückgängig gemacht, wobei die meisten noch nicht gegriffen hatten. Als einzige Maßnahme blieb die Schaffung einer modernen Hochschule in Peking, der Vorgängerin der Pekinger Universität. Die Urheber der Reformen, Kang Youwei und Liang Qichao, flüchteten nach Japan, um der Exekution zu entgehen. Aus dem Exil versuchten sie, Unterstützer für eine konstitutionelle Monarchie in China zu gewinnen. Sechs weitere Berater wurden hingerichtet, unter ihnen Kangs Bruder und Tan Sitong, der sich weigerte zu fliehen. In China werden diese sechs Intellektuellen als Märtyrer verehrt.

Siehe auch: Qing-Dynastie

Literatur

  • Wolfram Eberhard: Geschichte Chinas. Kröner, Stuttgart 1971
  • John King Fairbank: Geschichte des modernen China. 1800–1985. 2. Auflage. dtv, München 1989, ISBN 3-423-04497-7
  • Jacques Gernet: Die chinesische Welt. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-518-38005-2
  • Gisela Gottschalk: Chinas große Kaiser. Pawlak, Herrsching 1985, ISBN 3-88199-229-4
  • Jonathan D. Spence: Chinas Weg in die Moderne. Hanser, München 1995, ISBN 3-446-16284-4
  • Konrad Seitz: China. Eine Weltmacht kehrt zurück. Siedler, Berlin 2000, ISBN 3-88680-6464

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