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Der Begriff anaerobe Schwelle (auch als aerob-anaerobe Schwelle oder Laktatschwelle bezeichnet; englisch: anaerobic threshold) ist ein Fachbegriff aus der Sportmedizin und der Leistungsphysiologie. Es handelt sich dabei um die höchstmögliche Belastungsintensität, welche noch ohne zunehmende Übersäuerung aufrechterhalten werden kann. Es herrscht hier also gerade noch ein Gleichgewichtszustand („steady state“) zwischen Laktatbildung und -elimination. Die anaerobe Schwelle liegt bei den meisten Menschen in der Nähe einer Laktatkonzentration von 4 mmol/l; dieser Laktatwert wird daher häufig zur Definition der anaeroben Schwelle verwendet. Der Wert von 4 mmol/l kann als Durchschnitt angesehen werden, ist jedoch nicht allgemeingültig. Es sind größere individuelle Schwankungen möglich. Gemessen wurden 2,3 bis 6,8 mmol/l. Die Laktatkonzentration in Ruhe liegt bei etwa 1 mmol/l.

Inhaltsverzeichnis

Individuelle anaerobe Schwelle

Um Missverständnissen vorzubeugen, wird der Begriff individuelle anaerobe Schwelle (iANS), verwendet. Wird bei einem Testverfahren bspw. die Leistung an der iANS ermittelt, so bezieht sie sich auf einen individuell (meistens nach dem Freiburger Modell) für diesen Sportler festgestellten Laktatwert.

Seit den frühen 70er Jahren wurden an den deutschen Sporthochschulen verschiedene Schwellenwertmodelle (Winkelmodell, Freiburger Modell, Dickhuth-Modell usw.) diskutiert und erprobt.

Allen individuellen Modellen lagen verschiedene Belastungsprotokolle und Probandenmaterial zu Grunde, so dass die Voraussetzungen zur Nutzung der Modelle verschieden sind. Darüber hinaus sind die mathematischen Berechnungen in manchen Fällen sehr kompliziert.

Demgegenüber kann man davon ausgehen, dass bei der allgemeinen Verwendung des Begriffs anaerobe Schwelle (ANS) in vielen Fällen die 4 mmol/l-Konzentrationsgrenze gemeint ist.

Die individuelle anaerobe Schwelle ist genetisch determiniert und nicht trainierbar. Ab welcher Leistungsstufe der Organismus allerdings diese Schwelle erreicht (Rechts-Verschiebung der Laktat-Leistungkurve) bzw. überschreitet, hängt von verschiedenen — trainierbaren — Faktoren ab, u.a. die Dichte und Lage der Mitochondrien in der Zelle, der Kapillarisierungsgrad des Muskels, der Füllungszustand der Glykogenspeicher, die Diffusionskapazität für Sauerstoff durch die Zellmembranen, die Aktivität der Enzyme der Atmungskette und die Sauerstoffbindungs- und Sauerstofftransportkapazität. Jedwede längerfristige kontinuierliche Ausdauerbelastung (10.000-m-Lauf, Marathon, ...) muss unterhalb dieser Schwelle stattfinden. Somit haben Menschen mit einer hohen individuellen anaeroben Schwelle (> 4 mmol/l) eine günstigere Ausgangsposition für Ausdauerbelastungen.

Energiebereitstellung in Abhängigkeit von der Belastungsintensität

Je nach Belastungshöhe gewinnt der Körper die umzusetzende Energie aus verschiedenen Quellen. Es werden vier Arten der Energiebereitstellung unterschieden. In Bezug auf die anaerobe Schwelle können wir drei Situationen unterscheiden:

  • Bei einer Belastung unterhalb der anaeroben Schwelle läuft die Energiebereitstellung zwar nicht ausschließlich unter Verstoffwechselung von Sauerstoff, also aerob ab, doch ist der Anteil der anaeroben Verstoffwechselung so gering, dass durch die jeweils vorhandene (beim trainierten Sportler besser ausgeprägte) Fähigkeit zum schnellen Laktatabbau der „steady state“ (vgl. oben) aufrechterhalten werden kann. Eine Ausdauerleistung kann hier sehr lange aufrechterhalten werden, z. B. bei einem Marathonlauf.
  • Eine Belastung an der anaeroben Schwelle ist die relativ höchste Belastung, die langfristig durchgehalten werden kann. (Die Glykogen-Reserven sind allerdings bei intensiver Dauerbelastung je nach Trainingszustand nach 60 bis 90 Minuten weitgehend erschöpft.)
  • Bei einer Belastung oberhalb der anaeroben Schwelle erfolgt die Energiebereitstellung zunehmend anaerob. Es kommt bei Überschreiten der abbauenden Vorgänge zu einem die Leistung beeinträchtigenden Anstieg von Stoffwechselprodukten, v. a. zum Laktatanstieg. Die Leistung ist daher nur kurzfristig (wenige Minuten) durchzuhalten. Für die Erbringung der der Wettkampfsituation entsprechenden Leistung hat die Fähigkeit, über anaerobe Verstoffwechselung zusätzlich kurzfristig Energie bereit zu stellen, dennoch eine hohe Bedeutung (sog. Attacken im Radsport, in jüngster Zeit auch beim 5.000- und 10.000-m-Lauf). Neben der Nutzung der Kreatinphosphatreserven ist die anaerob-laktazide Verstoffwechselung die einzige Möglichkeit, Leistungen zu erbringen, die höher liegen, als die, die der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit pro Zeiteinheit (äußere Atmung) entspricht. Da das Laktat später wieder unter erhöhter Sauerstoffzufuhr abgebaut werden muss und Kreatinphosphat wieder aufgebaut wird, spricht man in diesem Zusammenhang auch davon, dass eine Sauerstoffschuld eingegangen wird.

Die Bedeutung der (individuellen) anaeroben Schwelle in der Leistungsdiagnostik

Festgestellt wird die Leistung an der (individuellen) anaeroben Schwelle durch einen stufenweisen Belastungstest verbunden mit mehreren Blutproben (Ohr). Durch Aufzeichnung der Kurve ist eine Bestimmung der iANS hier noch exakter möglich: Der starke Anstieg der Laktat/Leistungskurve signalisiert hier, dass der Organismus den „steady state“ nicht aufrechterhalten konnte. Eine näherungsweise Bestimmung ist auch unblutig über ein Herzfrequenz/Leistungs-Diagramm möglich: Ab der individuellen anaeroben Schwelle sinkt die Steigung der Herzfrequenz bei zusätzlicher Belastung (Knick in der Kurve). Bekannt ist in diesem Zusammenhang der Conconi-Test.

Nicht zu verwechseln mit der anaeroben Schwelle ist die aerobe Schwelle bei einer Laktat-Konzentration von ca. 2 mmol/l. Bei der aeroben Schwelle handelt es sich um die geringste Belastungsintensität, bei der erstmals ein Anstieg des Laktat-Werts gegenüber dem Ruhewert zu messen ist. Diese individuelle aerobe Schwelle wird in der Sportwissenschaft auch als minimales Laktatäquivalent oder Basislaktat bezeichnet. Bis zu diesem Wert werden vorwiegend Fettsäuren verstoffwechselt, da bei ausreichendem Sauerstoffangebot der Körper bestrebt ist, Glykose und Glykogen für das Gehirn bzw. für plötzlichen Leistungsanstieg aufzusparen. Bei darübergehender Belastung arbeiten die betreffenden Muskelgruppen im aeroben-anaeroben Übergang. Da Kohlenhydrate ein höheres kalorisches Äquivalent als Fette besitzen (mehr Energiebereitstellung bei gleichem Sauerstoffangebot), werden sie nun zusehends mittels der aeroben und anaeroben Glykolyse verstoffwechselt. Das dabei entstehende Laktat kann relativ schnell und problemlos vom Organismus abtransportiert und abgebaut werden („steady state“).

Das Laktatäquivalent ist der Quotient aus Laktat und Sauerstoffaufnahme. Da die Sauerstoffaufnahme nur in der aufwendigen Spiroergometrie direkt bestimmt werden kann und sich im unteren Leistungsbereich bei Gesunden proportional zur Leistung verhält, wird in der Regel alternativ der Quotient aus Laktat und Leistung zur Berechnung genutzt. Die Leistung, bei der dieser Quotient ein Minimum erreicht, wird als individuelle aerobe Schwelle bezeichnet.

Die anaerobe Schwelle hingegen hat im Leistungstraining eine große Bedeutung, da dem Training mit einer Intensität knapp unterhalb dieses Grenzwertes ein hoher Effekt bei der Entwicklung der aeroben Leistungsfähigkeit nachgesagt wird.

Heute ist es üblich – ausgehend von den im Stufentest ermittelten leistungsdiagnostischen Ergebnissen – die Einteilung der Trainingsbereiche in Prozentsätzen mit Bezug auf die iANS vorzunehmen. Dabei wird die Belastungsintensität in Intensitätsbereiche gegliedert, die in % der Leistung an der iANS in Watt oder in % der Herzfrequenz an der iANS angegeben werden, z.B. „Grundlagenausdauer – 65 bis 75% iANS“ (gemeint ist 65 bis 75% der Leistung an der iANS).

Quellenverzeichnis

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  • Jeschke, D., Lorenz, R. (Hrsg.) Sportartspezifische Leistungsdiagnostik – Energetische Aspekte, Köln (SPORT und BUCH Strauß) 1998
  • Letzelter, H., Letzelter, M. Leistungsdiagnostik – Beispiel Eisschnellauf, Niedernhausen/Taunus (Schors) 1983
  • Neumann, G., Hottenrott, K. Das große Buch vom Laufen, Aachen (Meyer und Meyer) 2002
  • Neumann, G., Schüler, K. Sportmedizische Funktionsdiagnostik, Sportmedizinische Schriftenreihe Band 29, Leipzig (Barth Verlagsgesellschaft mbH) 1994
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  • Rühle, K.-H. Praxisleitfaden der Spiroergometrie, Stuttgart (Kohlhammer) 2001
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  • Stegemann, J. Leistungsphysiologie, Stuttgart (Thieme) 1991
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  • Weineck, J. Optimales Training, Balingen (Spitta) 2004.

Weblinks


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