Infamie

Infamie

Infamie (lateinisch: infamia = „Schande, Schimpf“, wörtl. „Unaussprechliches“) bezeichnet im gewöhnlichen Sprachgebrauch ein ehrloses (gemeines, heimtückisches) Handeln oder die Ehrlosigkeit. Infamie setzt eine Gesellschaft voraus, die ein bestimmtes Verständnis von „Ehre“ besitzt.

Im juristischen Sinne wurde darunter die Schmälerung der bürgerlichen Ehre einer Person verstanden. Eng damit verknüpft war der Verlust der Rechtsfähigkeit.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeiner Gebrauch

In der Zeit der Aufklärung hieß Voltaires großes Motto gegen Selbstsucht und Infamie der seinerzeitigen christlichen Propagandisten und klerikalen Hegemonisten "Écrasez l'infâme!" (meint etwa "Radiert das Infame aus!").

Gotthold Ephraim Lessing schreibt: "ich sehe schon, woran ich mit dir bin, du ehrvergessener, nichtswürdiger, infamer verführer, betrieger". Friedrich Schiller veröffentlichte seine Erzählung "Der Verbrecher aus verlorener Ehre" zuerst unter dem Titel "Verbrecher aus Infamie, eine wahre Geschichte".

Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes scheint in Vergessenheit zu geraten. Eine infame Anschuldigung mag ursprünglich eine Anschuldigung durch eine ehr- und rechtlose Person, möglicherweise als entehrende oder entrechtende Anschuldigung gewesen sein. Heute wird infam meist nur noch als Unterstreichung der Zurückweisung der Aussage verwendet, teilweise auch synonym zu hinterhältig, unverschämt, zynisch. Der Niedergang des Begriffes ist dabei möglicherweise im Niedergang der Bedeutung des Begriffes der Ehre begründet, dessen Antithese er darstellt.

Früherer Gebrauch als Rechtsbegriff

Römisches Recht

Das römische Recht kennt folgende Begriffe zur Änderung oder Schmälerung des rechtlichen Status (capitis deminutio):

  • capitis diminutio minima als Wechsel in der Familienzugehörigkeit,
  • capitis diminutio media als Verlust des Bürgerrechts und der Familienzugehörigkeit,
  • capitis diminutio maxima als Verlust der Freiheit, des Bürgerrechts und Familienzugehörigkeit.

Diese Infamie, die so genannte Infamia iuris, ließ das römische Recht infolge gewisser Handlungen eintreten und zwar entweder als unmittelbare Folge der Handlung selbst (infamia immediata) oder erst infolge des Richterspruchs, welcher den Betreffenden einer solchen Handlung für schuldig erklärte (infamia mediata).

Ersteres war z. B. der Fall bei Verletzung des für die Witwe geordneten Trauerjahrs, letzteres bei einer Verurteilung im öffentlichen Volksgericht oder infolge gewisser Privatdelikte und Privatklagen (z.B. Missbrauch von Treuhandvermögen unter Ausnutzung der Eigentümerstellung).

Die hauptsächlichen Folgen dieser Infamie waren Unfähigkeit zu Staats- und Gemeindeämtern, zur prozessualischen Vertretung anderer vor Gericht und zum vollgültigen gerichtlichen Zeugnis.

Das Konzept der Einschränkung der Rechtsfähigkeit fand über das römische Recht Eingang in die späteren abendländischen Rechtssysteme.

Infamie im Mittelalter

Der Schutz der mittelalterlichen Rechtssysteme galt zunächst den (katholischen) Christen. Andersdenkende, sog. "dissidente" Christen (z. B. Waldenser, Katharer), Juden, Muslime und Heiden waren rechtlos, soweit ihnen nicht Privilegien seitens des Landesherren zugesichert waren. Diese Privilegien verliehen ihren Inhabern einen zumindest teilweisen und oft regional begrenzten Rechtsschutz.

Christen konnten Rechtsschutz und Rechtsfähigkeit verlieren, wenn sie als Häretiker oder Schwerverbrecher verurteilt wurden. Die Verurteilung zur Infamie konnte auch durch eine geistliche Autorität erfolgen und findet sich in den Ketzergesetzen Friedrichs II. und Gregors IX. im 13. Jahrhundert. Papst Innozenz III. führte aufgrund der Risiken der praktizierten Anklageverfahren (Akkusationsverfahren und Infamationsverfahren) das Inquisitionsverfahren ein. Viele Verurteilungen von Ketzern beinhalteten die Verurteilung zur dauerhaften Infamie.

Beispiele:

Siehe auch Kirchenstrafe, Akkusationsverfahren, Infamationsverfahren, Inquisitionsverfahren

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Infamie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Wilhelm von Humboldt: Über die Ehrlosigkeit (Infamie) als eine Kriminalstrafe [1]
  • Michel Foucault: Das Leben der infamen Menschen (Schriften, Frankfurt a. M., 2001 ff., 3. Band, S.309-332)

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • infamie — [ ɛ̃fami ] n. f. • mil. XIVe; lat. infamia → infâme 1 ♦ Vx ou dr. Flétrissure sociale ou légale faite à la réputation de qqn. ⇒ déshonneur, honte. Couvrir qqn d infamie. « N ai je donc tant vécu que pour cette infamie ? » (P. Corneille). « Je… …   Encyclopédie Universelle

  • infamie — INFAMÍE, infamii, s.f. Caracterul a ceea ce este infam; (concr.) faptă sau vorbă infamă; ticăloşie, josnicie, mârşăvie. ♢ expr. A ţintui (sau a pune pe cineva) la stâlpul infamiei = a supune (pe cineva) oprobriului public; a condamna, a înfiera… …   Dicționar Român

  • infamie — Infamie. s.f Ignominie, Flestrissure notable à l honneur, à la reputation, soit par le droit & les loix, soit par l opinion publique. Note d infamie. encourir note d infamie. cela porte infamie. l amende honorable emporte infamie. couvrir quelqu… …   Dictionnaire de l'Académie française

  • Infamie — L affiche originale du film Données clés Titre original …   Wikipédia en Français

  • infamie — Infamie, Dedecus, Infamia. Encourir une infamie, Turpitudinem siue turpitudines subire. Estre noté d infamie, Aspergi infamia …   Thresor de la langue françoyse

  • Infamīe — (lat. infamĭa, »Schande, Schimpf«), im gewöhnlichen Sprachgebrauch Bezeichnung für ein ehrloses Handeln, Ehrlosigkeit. Vgl. Ehrlosigkeit, Bescholtenheit und Ehrenrechte. Cum infamia, mit Schimpf und Schande (nämlich relegiert; vgl. Consilium… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Infamie — Infamie, lat. infamia, Ehrlosigkeit, entweder von Rechtswegen als Folge eines Verbrechens oder erst in Folge eines auf I. ausdrücklich oder mittelbar erkennenden Strafurtheils; s. Ehre; infam, ehrlos. Infamiae abolitio, lat., die Tilgung der I.… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Infamie — Infamie,die:1.⇨Gemeinheit–2.⇨Bosheit …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • infamie — (in fa mie) s. f. 1°   Flétrissure imprimée à l honneur, à la réputation, soit par la loi, soit par l opinion publique. Note d infamie. •   Soit que vous contraigniez pour vos dieux impuissants Mon corps à l infamie ou ma main à l encens, CORN.… …   Dictionnaire de la Langue Française d'Émile Littré

  • INFAMIE — s. f. Flétrissure imprimée à l honneur, à la réputation, soit par la loi, soit par l opinion publique. Note d infamie. Noter d infamie. Encourir infamie. Cela porte infamie. Cette peine emporte infamie. Couvrir quelqu un d infamie. L infamie est… …   Dictionnaire de l'Academie Francaise, 7eme edition (1835)

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”