Internationaler Gerichtshof

Internationaler Gerichtshof

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Internationaler Gerichtshof

Logo des Internationalen Gerichtshofs

Flagge der Vereinten Nationen

Dienstgebäude des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag
Englische Bezeichnung International Court of Justice (ICJ)
Französische Bezeichnung Cour internationale de Justice (CIJ)
Sitz der Organe

Den Haag, Niederlande

Gründung

1945

Vorsitz Richter Hisashi Owada (Japan), Präsident des Internationalen Gerichtshofs
www.icj-cij.org

Der Internationale Gerichtshof, IGH (französisch Cour internationale de Justice, CIJ, englisch International Court of Justice, ICJ), ist das Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen und hat seinen Sitz im Friedenspalast in Den Haag (Niederlande). Seine Funktionsweise und Zuständigkeit sind in der UN-Charta und im IGH-Statut[1] geregelt.

Inhaltsverzeichnis

Zuständigkeit

Parteien vor dem IGH können nur Staaten sein, jedoch keine internationalen Organisationen und andere Völkerrechtssubjekte. Zugang zum Gericht haben nur Vertragsstaaten des IGH-Statuts. Dies sind zum einen gemäß Artikel 93 Absatz 1 der Charta der Vereinten Nationen alle UN-Mitglieder und zum anderen solche Staaten, die kein Mitglied der UN sind, aber das Statut ratifiziert haben. Das Gericht ist nur dann für die Entscheidung eines Falles zuständig, wenn alle beteiligten Parteien die Zuständigkeit anerkannt haben. Eine solche Anerkennung kann durch Erklärung für das jeweilige Verfahren, durch Verweis in einem völkerrechtlichen Vertrag oder in abstrakter Form durch eine Unterwerfungserklärung erfolgen. Solche Erklärungen unterliegen allerdings häufig weitgehenden Vorbehalten, wie beispielsweise der im sogenannten Connally-Vorbehalt formulierten Einschränkung der von 1946 bis 1986 geltenden Unterwerfungserklärung der Vereinigten Staaten, dass die Anerkennung der Gerichtsbarkeit des IGH durch die USA nicht gelten sollte für Angelegenheiten, die nach Auffassung der USA der Zuständigkeit ihrer nationalen Gerichte unterliegen würden. Die Entscheidungen des IGH sind für die jeweiligen Parteien inter partes bindend. Unterorganisationen der Vereinten Nationen können mit jeweiliger Ermächtigung durch die Generalversammlung beim IGH Rechtsgutachten zu relevanten Themen anfordern. Die Generalversammlung oder der Sicherheitsrat der UNO können über jede Rechtsfrage ein Gutachten anfordern. Zwar kam es bis 2003 nur zu 76 Urteilen und 24 Rechtsgutachten, doch war der IGH wesentlich an der Fortentwicklung des Völkerrechts beteiligt.

Deutschland hat 2008 wie bisher 65 andere Staaten eine Unterwerfungserklärung[2] abgegeben und kann seitdem in allen völkerrechtlichen Streitfragen einen anderen Staat, der ebenfalls eine solche Erklärung abgegeben hat, verklagen oder selbst von diesem verklagt werden. Vorher war das nur möglich, wenn eine vertragliche Vereinbarung zwischen beiden Parteien bestand, in der der Internationale Gerichtshof ausdrücklich benannt wurde, oder wenn zumindest Einigkeit bestand, den Streit vor ihm auszutragen. Von der Unterwerfungserklärung hat Deutschland Streitkräfteeinsätze im Ausland und die Nutzung deutscher Hoheitsgebiete für militärische Zwecke ausgenommen.[3]

Luxemburg hatte bereits 1930 die Gerichtsbarkeit des StIGH als obligatorisch anerkannt.[4] Hinsichtlich des IGH folgten die Schweiz 1948,[5] Liechtenstein 1950,[6] Österreich 1971.[7]

Geschichte

Der Internationale Gerichtshof wurde 1945 gegründet. Er arbeitet unter der Charta der Vereinten Nationen als „Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen“ (Art. 92). Der Gerichtshof ging aus dem von 1922 bis 1946 bestehenden Ständigen Internationalen Gerichtshof hervor. Der 1949 abgeschlossene Korfu-Kanal-Fall, eine Klage Großbritanniens gegen Albanien, war der erste Fall, in dem der Gerichtshof ein Urteil fällte.[8]

Neuere Untersuchungen zeigen, dass die meisten Urteile des Gerichtshofs befolgt werden, auch wenn der Gerichtshof für die Durchsetzung seiner Entscheidungen auf den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angewiesen ist (Art. 94 Abs. 2 der Charta der Vereinten Nationen). Mehrere Staaten haben aber in der Vergangenheit Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs nicht anerkannt oder befolgt, u. a.:

  • 1971, die Republik Südafrika verstößt gegen den Beschluss zur Aufgabe der Besetzung Namibias.
  • 1973, Frankreich verstößt gegen eine einstweilige Verfügung der Richter im Zusammenhang mit den damaligen oberirdischen Atomwaffentests auf dem Mururoa-Atoll im Pazifik.
  • Marokko ließ kein Referendum über die staatliche Zugehörigkeit der ehemaligen spanischen Kolonie West-Sahara ausrichten, das jedoch im Gutachten des Internationalen Gerichtshofs von 1975 empfohlen wurde.
  • 1984, die USA erklären das Gericht im Fall „Militärische und paramilitärische Aktivitäten in und gegen Nicaragua“ für nicht zuständig, da eigene Sicherheitsbelange einer Anerkennung des Urteils entgegenstünden.
  • 2006 hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten in der Entscheidung Sanchez-Llamas v. Oregon in ausdrücklicher Abweichung von der Rechtsprechung des IGH im Avena-Fall (Mexiko gegen Vereinigte Staaten) die Anwendung von Präklusionsvorschriften des amerikanischen Rechts bestätigt, die eine Geltendmachung der Verletzung der Pflicht zur Information über konsularischen Schutz gegenüber Ausländern in zweiter Instanz oder in Verfahren vor Bundesgerichten praktisch unmöglich machen.

Bisherige Verfahren unter Beteiligung deutschsprachiger Staaten

Deutschland rief den IGH bisher viermal an. Im ersten Verfahren (1967−69 unter Beteiligung Dänemarks[9] und der Niederlande[10]) ging es um Schürfrechte im Festlandsockel unter der Nordsee. Im zweiten Fall (1972−74; Gegner war hier Island) wurde über das Fischereiwesen geurteilt.[11] Das dritte Verfahren war der „Fall LaGrand“ gegen die Vereinigten Staaten (1999–2001).[12] Am 23. Dezember 2008 reichte Deutschland Klage gegen Italien ein. Als Klagegrund wird die Verletzung der Immunität Deutschlands genannt. Deutschland wurde von italienischen Gerichten zu Entschädigungsleistungen wegen NS-Verbrechen verurteilt, weitere Verfahren sind anhängig.[13]

Als beklagte Partei war Deutschland bisher zweimal an Verfahren beteiligt. 1999–2004 ging es um den Kosovo-Konflikt.[14] Gegenstand der 2001 vom Fürstentum Liechtenstein eingereichten Klage[15] war der Umgang mit liechtensteinischem Vermögen auf dem Territorium der früheren Tschechoslowakei, das im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg als deutsches Auslandsvermögen behandelt und zur Begleichung deutscher Kriegsschulden genutzt worden war. Das Verfahren endete 2005 mit der Entscheidung, dass die Ansprüche Liechtensteins nicht gegen Deutschland zu richten seien. Der während des Verfahrens am Gerichtshof amtierende deutsche Richter Bruno Simma nahm wegen persönlicher Befangenheit nicht an der Entscheidung teil, da er zuvor als Rechtsberater der deutschen Regierung in diesem Fall tätig war. Anstelle von Simma war Carl-August Fleischhauer, der bis 2003 am Gericht gewirkt hatte, in diesem Verfahren Ad-hoc-Mitglied des Gerichts.

Liechtenstein war bisher an zwei Verfahren beteiligt;[16] ebenso die Schweiz.[17] Österreich und Luxemburg sind vor dem IGH noch nicht in Erscheinung getreten.

Mitglieder

Die 15 Richter des Gerichts, die alle unterschiedlicher Nationalität sein müssen, werden gemeinsam von der UN-Generalversammlung und dem UN-Sicherheitsrat für eine Amtszeit von neun Jahren gewählt, wobei eine spätere Wiederwahl möglich ist. Die Amtszeit der Richter endet am 5. Februar des angegebenen Jahres. Bei der Wahl achten die Staaten auf eine vorher in Form von Verständigungen festgelegte geografische Repräsentation der fünf Weltregionen. Das bedeutet, dass nach einer bestimmten Rotation freie Richterstellen durch Kandidaten aus einer Region besetzt werden. Alle drei Jahre wird ein Drittel der Richter neu gewählt. Bei ihrer Rechtsprechung vertreten die Richter nicht ihr Land, sondern müssen völlig unabhängig urteilen. Maßstab ist das Völkerrecht.

Wenn bei einem Rechtsstreit kein Staatsangehöriger einer der beteiligten Staaten Mitglied des Gerichts ist, kann auf Antrag ein von diesem Staat vorgeschlagener Richter ad hoc am Verfahren teilnehmen. Dann erhöht sich die Anzahl der Mitglieder auf bis zu 17.

Seit dem 6. Februar 2009 gehören dem Internationalen Gerichtshof folgende Richter an:

Präsidenten

Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs
Name Amtsantritt Ende der Amtszeit Herkunftsland
1 José Gustavo Guerrero (1876–1958) 1946 1949 El SalvadorEl Salvador El Salvador
2 Jules Basdevant (1877–1968) 1949 1952 FrankreichFrankreich Frankreich
3 Arnold Duncan McNair (1885–1975) 1952 1955 Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich
4 Green H. Hackworth (1883–1973) 1955 1958 Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Vereinigte Staaten
5 Helge Klæstad (1885–1965) 1958 1961 NorwegenNorwegen Norwegen
6 Bohdan Winiarski (1884–1969) 1961 1964 PolenPolen Polen
7 Sir Percy Claude Spender (1897–1985) 1964 1967 AustralienAustralien Australien
8 José Luis Bustamante y Rivero (1894–1989) 1967 1970 PeruPeru Peru
9 Sir Muhammad Zafrullah Khan (1893–1985) 1970 1973 PakistanPakistan Pakistan
10 Manfred Lachs (1914–1993) 1973 1976 PolenPolen Polen
11 Eduardo Jiménez de Aréchaga (1918–1994) 1976 1979 UruguayUruguay Uruguay
12 Sir Humphrey Waldock (1904–1981) 1979 1981 Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich
13 Taslim Olawale Elias (1914–1991) 1981 1985 NigeriaNigeria Nigeria
14 Nagendra Singh (1914–1988) 1985 1988 IndienIndien Indien
15 José María Ruda (1924–1994) 1988 1991 ArgentinienArgentinien Argentinien
16 Robert Yewdall Jennings (1913–2004) 1991 1994 Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich
17 Mohammed Bedjaoui (* 1929) 1994 1997 AlgerienAlgerien Algerien
18 Stephen M. Schwebel (* 1929) 1997 2000 Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Vereinigte Staaten
19 Gilbert Guillaume (* 1930) 2000 2003 FrankreichFrankreich Frankreich
20 Shi Jiuyong (* 1926) 2003 2006 China VolksrepublikChina China
21 Rosalyn Higgins (* 1937) 2006 2009 Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich
22 Hisashi Owada (* 1932) seit 2009 JapanJapan Japan

Literatur

  • Arthur Eyffinger, Arthur Witteveen, Mohammed Bedjaoui: La Cour internationale de Justice 1946–1996. Martinus Nijhoff Publishers, Den Haag und London 1999, ISBN 90-411-0468-2
  • Shabtai Rosenne: The World Court: What It is and How It Works. 6. Auflage. Nijhoff, Leiden 2003, ISBN 90-04-13633-9
  • Constanze Schulte: Compliance with Decisions of the International Court of Justice. Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-927672-2
  • Moritz Karg: IGH vs. ISGH. Die Beziehung zwischen zwei völkerrechtlichen Streitbeilegungsorganen. Nomos, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-1445-5
  • Andreas Zimmermann u. a. (Hrsg.): The Statute of the International Court of Justice: A Commentary. Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-926177-6

Weblinks

 Commons: Internationaler Gerichtshof – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Statute of the International Court of Justice, 26. Juni 1945, BGBl. 1973 II S. 505, UNCIO Vol. 15, S. 355.
  2. C.N.357.2008.TREATIES-1; BT-Drs. 16/9218
  3. Zur Kritik an diesen Vorbehalten siehe etwa den offenen Brief der Gewerkschaft ver.di vom 10. Juni 2008.
  4. LNTS Bd. C S. 154 (vgl. Art. 36 Abs. 5 des IGH-Statuts)
  5. UNTS Bd. 17 S. 116; → dt. Fassung
  6. UNTS Bd. 51 S. 120; LGBl. 1950 Nr. 6/1
  7. UNTS Bd. 778 S. 302; BGBl. Nr. 249/1971
  8. Encyclopedia of the Nations: The International Court of Justice – Some case histories of disputes submitted to the court. Abgerufen am 8. November 2009.
  9. North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/Denmark)
  10. North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany/Netherlands)
  11. Fisheries Jurisdiction (Federal Republic of Germany v. Iceland)
  12. LaGrand (Germany v. United States of America)
  13. Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy) PDF, zuletzt abgerufen: 16. Juni 2009.
  14. Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Germany)
  15. Certain Property (Liechtenstein v. Germany)
  16. Certain Property (Liechtenstein v. Germany) (s.o.); Nottebohm (Liechtenstein v. Guatemala) (1951–55)
  17. Interhandel (Switzerland v. United States of America) (1957–59); Status vis-à-vis the Host State of a Diplomatic Envoy to the United Nations (Commonwealth of Dominica v. Switzerland) (2006)

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