Iphigenia

Iphigenia

Iphigenie (auch Iphigeneía, Iphigenia oder Iphianassa) ist in der griechischen Mythologie die älteste Tochter von Agamemnon (dem König von Mykene auf der Peloponnes) und Klytämnestra und die Schwester von Orestes, Elektra und Chrysothemis.

Kymon und Iphigenie von Frederic Leighton

Inhaltsverzeichnis

Mythologie

Artemis bestrafte Agamemnon, weil er einen Hirsch in ihrem heiligen Hain getötet und sich gerühmt hatte, er sei – verglichen mit der Göttin – der bessere Jäger: Sie verhinderte zu Beginn des Trojanischen Krieges die Weiterfahrt der Griechenflotte unter Agamemnons Kommando nach Troja, indem sie bei Aulis eine Windstille bewirkte. Der Seher Kalchas weissagte, dass Agamemnon seine Tochter Iphigenie der Göttin zur Sühne opfern müsse, um seine Fahrt fortsetzen zu können.

Die Entrückung der Iphigenie während der Opferung

Einer Version dieser Geschichte folgend tat Agamemnon, wie ihm geheißen wurde. Nach einer anderen wurde statt dessen eine Hirschkuh geopfert. Iphigenie jedenfalls wurde von Artemis in das Land der Taurer entrückt (vergl. Abrahams Isaak-Opfer), um ihr dort als Priesterin im Artemistempel zu dienen.

Bei Euripides tritt Iphigenie in der Geschichte ihres Bruders Orestes auf. Um der Verfolgung durch die Erinnyen wegen der Ermordung seiner Mutter Klytämnestra und ihres Liebhabers Aigisthos zu entkommen (also nach dem Ende des Trojanischen Krieges), wurde ihm von Apollon aufgetragen, nach Tauris zu fahren, um die hölzerne Statue der Artemis zu holen, die dort vom Himmel gefallen sei, und sie nach Athen zu bringen.

Mit seinem Freund Pylades, dem Sohn des Strophios, reist Orestes zu den Taurern, wo die Einheimischen beide gefangen nehmen, um sie – wie alle Fremden – der Artemis zu opfern. Die Artemis-Priesterin, deren Aufgabe es ist, das Opfer zu vollziehen, ist aber seine Schwester Iphigenie, die Orestes nicht erkennt. Sie bietet ihm an, ihn freizulassen, falls er einen Brief von ihr nach Griechenland bringe. Orestes lehnt ab, er will in Tauris bleiben und sich töten lassen, schlägt aber gleichzeitig vor, Pylades den Botengang zu übertragen. Nach einem Streit zwischen Orestes und Pylades stimmt dieser dem Vorschlag endlich zu. Der Brief enthüllt dann die Verwandtschaft zwischen Orestes und Iphigenie, zu Dritt fliehen sie aus Tauris unter Mitnahme des Artemis-Bildes.

Nach seiner Rückkehr nach Griechenland nimmt Orestes Mykene in Besitz, das Königreich seines Vaters Agamemnon, dem er noch Argos und Lakonien hinzufügt. Iphigenie wird Priesterin des Artemis-Heiligtums in Brauron.

Iphigenie, die erst spät in der griechischen Mythologie erwähnt wird (erst nachdem die Geschichten von Agamemnon und Klytämnestra aufgezeichnet worden waren), wurde so sehr mit Artemis verknüpft, dass einige Interpreten glauben, sie sei ursprünglich eine rivalisierende Jagdgöttin gewesen, deren Kult später mit dem der Artemis zusammengefasst wurde.

Hesiod berichtet, aus ihr sei die Göttin Hekate geworden.

Bearbeitungen des Stoffes

Iphigenie war und ist – wie viele der Tantaliden – ein beliebtes Motiv in der Dichtkunst. Eine wichtige Version ist die Bearbeitung des Tantalidenmythos von Euripides um 480-406 v. Chr. Bekannte neuzeitliche Bearbeitungen sind Racines Tragödie Iphigénie, Goethes Schauspiel Iphigenie auf Tauris, Gerhart Hauptmanns Iphigenie in Aulis (1941), Rainer Werner Fassbinders Iphigenie auf Tauris von Johann Wolfgang von Goethe (1968), Jochen Bergs Im Taurerland (1977) und Volker Brauns Iphigenie in Freiheit (1992).

Moderne Interpretationen

1977 entstand der griechische Film „Ifigenia“ des Regisseurs Michael Cacoyannis (Mihalis Kakogiannis), der auf dem antiken Stück des Euripides beruhte. Die Hauptrolle der Iphigenie spielte dabei Tatiana Papamoschou. Der Film wurde 1977 für die Goldene Palme in Cannes und 1978 für den Oskar als bester fremdsprachiger Film nominiert. Mikis Theodorakis schrieb 1976 dafür die Filmmusik, der er auch den Titel „Iphigenia“ gab. Die Komposition besteht aus den Suiten I bis XI und ist inzwischen auf unterschiedlichen Tonträgern veröffentlicht worden.

Die Gruppe Goethes Erben hatte auf ihrem zweiten Album Der Traum an die Erinnerung (1992) ein Lied mit dem Titel „Iphigenie“. Die Handlung spielt zwar im Sommer 1943, jedoch sind thematische Parallelen zu dem Mythos zu sehen.

Siehe auch

Literatur

  • Mythos Iphigenie: Texte von Aischylos bis Volker Braun, hrg. von Stefan Matuschek, Reclam, Leipzig 2006. ISBN 3-379-20129-4
  • Christine Hermann : Iphigenie. Metamorphosen eines Mythos im 20. Jahrhundert, m-press, München 2005. ISBN 978-3-89975-539-8
  • Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen - Die Götter- und Menschheitsgeschichten. dtv, München 1998. ISBN 3-423-30030-2
  • Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen - Die Heroen-Geschichten. dtv, München 1992. ISBN 3-423-30031-0

Weblinks


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