Islam in Europa

Islam in Europa
Traditionell vorherrschende Religionen: katholisches (blau), evangelisches (lila) und orthodoxes (rot) Christentum in Europa sowie sunnitischer (hellgrün) und schiitischer (dunkelgrün) Islam in Westasien und Nordafrika

Inhaltsverzeichnis

Muslime in Europa

Im Jahr 2005 lebten in Europa zwischen 35 und 53 Millionen Muslime, das sind etwa 5 bis 7,5 % der über 700 Millionen Einwohner des Kontinents. Etwa ein Drittel (ungefähr 14–22 Millionen[1] ethnische Muslime) entfielen auf Russland, etwa 16 Millionen[2] davon auf die Europäische Union und knapp 6 Millionen auf den europäischen Teil der Türkei. Albanien ist der einzige Staat Europas mit einer muslimischen Mehrheit. Muslimische Mehrheiten gibt es aber auch in großen Teilen Bosnien-Herzegowinas, im Norden Zyperns, im Kosovo, dem Sandschak von Novi Pazar (Serbien), einigen Provinzen Bulgariens, Mazedoniens und Griechenlands sowie in den russischen Teilrepubliken Tatarstan, Baschkortostan, Dagestan, Tschetschenien, Inguschetien, Kabardino-Balkarien und Karatschai-Tscherkessien. Innerhalb der Europäischen Union haben Frankreich mit 5-6 Millionen und Deutschland mit über 4 Millionen[3] Gläubigen die größten muslimischen Minderheiten. Der EU-Durchschnitt lag vor der EU-Erweiterung 2004 bei 3,28 %, fiel dann etwas und ist 2007 durch die Aufnahme Bulgariens (etwa 12 %) wieder auf 3,23 % gestiegen. Über dem EU-Durchschnitt liegen[4] Frankreich mit 8,2 %, die Niederlande mit 4,9 % (anderen Angaben zufolge 5,7 Prozent Muslime in den Niederlanden[5]), Griechenland mit 4,7 %, Deutschland mit 4,5 % (anderen Angaben zufolge 5 %[3]) und Belgien mit 3,6 % (anderen Angaben zufolge 5 % Muslime in Belgien[6]), Österreich liegt mit 3,0 % knapp darunter (anderen Angaben zufolge 4,2 % Muslime in Österreich[7]). Die Schweiz weist einen Anteil von 5,8 % Muslimen an der Gesamtbevölkerung auf.[8]

Die Ausbreitung des Islam in Europa

Die Ausbreitung des Islam in Europa vollzog sich in drei voneinander unabhängigen Phasen, die jeweils verschiedene Regionen Europas betrafen. Während der beiden ersten wurde der Islam vor allem durch Eroberungen verbreitet und ebenso wieder zurückgedrängt. Die dritte vollzieht sich in Form von Zuwanderung und hält bis heute an:

  • Im 7. Jahrhundert drängte der junge Islam mit Macht nach Europa. Während der Zugang über die östlichen Meerengen auf die Balkanhalbinsel durch das Oströmische Reich blockiert wurde (674 und 717), eroberten die Araber über den Westen fast ganz Spanien und Portugal. Die Schlacht von Tours und Poitiers im Oktober 732 brachte den militärischen Vormarsch zum Stehen. Die Araber wurden in der Folge immer weiter aus ihren inzwischen besiedelten Gebieten zurückgedrängt, konnten sich im Süden des heutigen Spanien jedoch noch bis 1492 halten. Die betroffenen Gebiete wurden bei der christlichen Rückeroberung (Reconquista) wieder christianisiert, so dass es im Südwesten Europas keine islamischen Minderheiten mehr gab.
  • 1354 setzten die Osmanen über die Dardanellen nach Europa und eroberten in den folgenden Jahrzehnten große Teile des Balkans sowie 1453 die größte christliche Stadt, Konstantinopel. Die Expansion führte bis an die Hauptstadt des Heiligen Römischen Reichs, Wien (1529 und 1683). Die zweite erfolglose Belagerung Wiens gilt als das Ende dieser zweiten islamischen Expansionswelle in Europa. Das Osmanische Reich geriet daraufhin in die Defensive und wurde in zahlreichen Kriegen bis 1913 auf die heutigen türkischen Grenzen zurückgedrängt. Im Gegensatz zur ersten jahrhundertelangen islamischen Herrschaft in Südwesteuropa hatte die zweite im Südosten bleibende Folgen: Die Albaner und Bosniaken blieben auch nach der Rückeroberung mehrheitlich muslimisch, in Ländern wie Griechenland und Bulgarien verblieben türkische Minderheiten.
  • Die dritte muslimische Expansion nach Europa findet in Form von Zuwanderung in wohlhabende Industriestaaten statt und begann in größerem Umfang in den 1950er Jahren. Zielländer waren zunächst Staaten im nördlichen Westeuropa, etwa Frankreich, Großbritannien, die skandinavischen, Benelux- oder die deutschsprachigen Länder. In jüngerer Zeit sind auch Spanien und Italien Ziel muslimischer Zuwanderer. Die Immigranten stammen überwiegend aus Nordafrika, der Türkei oder Pakistan, mit unterschiedlicher Verteilung in den betreffenden Zielländern. In vielen europäischen Ländern sind Muslime durch Immigration zu starken und einflussreichen Minderheiten geworden.

Aufnahme muslimischer Länder in die Europäische Union

Im Jahr 1987 haben die Türkei und Marokko Anträge auf Aufnahme in die Europäische Union gestellt. Während nach langem Zögern mit der Türkei inzwischen Beitrittsverhandlungen geführt werden, wurde der Aufnahmeantrag Marokkos aus geographischen Gründen abgelehnt (1991/92 erneut). Marokko und Tunesien haben bereits seit 1968 Assoziierungsabkommen mit der EG, zusammen mit Libyen, Algerien, Ägypten, Syrien, Libanon und Israel (einschließlich Palästina) sind die arabischen Mittelmeeranrainer durch den "Barcelona-Prozess" in ein Abkommen zur Bildung einer Euro-Mediterranen Freihandelszone eingebunden, Libyen und Marokko wirken mit Auffang- bzw. Internierungslagern an der EU-Strategie zur Verhinderung von Einwanderung mit.

Nach einer EU-Aufnahme wäre die Türkei spätestens 2020 der bevölkerungsreichste Mitgliedstaat der Union, mit einer fast ausschließlich islamischen Bevölkerung. Bereits 2012 dürfte die Bevölkerungszahl der Türkei jene Deutschlands übertreffen, zwischen 2020 und 2025 dann würde die Türkei schon 10 Millionen Einwohner mehr als Deutschland haben, nur wenige Jahre später sogar 90-100 Millionen Einwohner insgesamt.

Der Schwarzmeeranrainer Georgien (10 % Muslime) strebt ebenfalls eine EU-Mitgliedschaft an, liegt aber geographisch in Asien. Bis zu 11 Prozent des Territoriums von Kasachstan liegen geographisch in Europa (gegenüber 3 Prozent des Territoriums der Türkei), auch kulturell ist das Land europäisch beeinflusst. 50–55 % der kasachischen Bevölkerung sind muslimische Turkvölker, die übrigen 45–50 %europäische Christen. Die meisten Christen Kasachstans sind zwar Russen und Ukrainer, die ehemaligen Herkunftsländer der übrigen aber sind bereits EU-Mitglieder: Deutschland, Polen und die Staaten des Baltikums.

Regionale Entwicklungen

Am längsten standen in Europa die dem islamischen Nordafrika und Westasien unmittelbar gegenüberliegende Iberische Halbinsel und die Balkanhalbinsel unter islamischem Einfluss, der durch jahrhundertelange Reconquista zurückgedrängt wurde. Spanien war schon 200 Jahre muslimisch, ehe z.B. der erste deutsche Staat entstand. Anders als auf der Iberischen Halbinsel wurde der Islam auf dem Balkan jedoch nicht vernichtet. Die autochthonen muslimischen Minderheiten dort sind seit 700 Jahren ebenso Bestandteil der Identität Europas wie das Christentum.

Osteuropa

In Ost- und Südost- und Nordosteuropa wird der Islam vorwiegend von Türken und Tataren dominiert und steht traditionell vorwiegend orthodoxen Christen oder slawischen Atheisten sowie katholischen Polen gegenüber. Als erste Stadt in Europa wurde schon im 7. Jahrhundert das nordkaukasische Derbent (Dagestan) islamisch – im Gegensatz war damals noch keines der Slawenvölker christianisiert, auch ein erster russischer Staat entstand erst im 9. Jahrhundert. In Rumänien siedelten sich erste Muslime an einige Jahrzehnte bevor die ersten rumänischen Fürstentümer überhaupt entstanden.

Moschee in Bulgariens zweitgrößter Stadt Plowdiw (vorn)
Türken und Tataren in der Ukraine, islamische Gebietsverluste

Balkanhalbinsel

Auf dem Balkan standen Bosnien und Herzegowina 550 Jahre, Mazedonien 540 Jahre, Bulgarien rund 500 Jahre und Albanien über 400 Jahre unter der Herrschaft der Osmanen, auch Serbien 400 Jahre, die rumänische Dobrudscha 380 Jahre und Griechenland 370 Jahre. Doch allein Ost-Thrakien (europäische Türkei) ist bis heute türkisch geblieben (Edirne seit 1361), das 1453 von den Türken eroberte Istanbul ist mit über 10 Millionen Einwohnern heute nach Moskau die zweitgrößte Stadt Europas. Im nordgriechischen Didymoticho befindet sich die Çelebi-Sultan-Mehmed-Moschee aus dem 14. Jahrhundert, welche somit die älteste auf europäischem Boden ist. Nach einem Sturmschaden, der das Minarett schwer beschädigte, wird das Gebäude ggw. aufwendig restauriert.

Doch islamische Herrschaft bedeutete nicht automatisch Islamisierung der Bevölkerung, nur Albaner und Bosniaken traten mehrheitlich zum Islam über. In Bulgarien, Rumänien, Griechenland und Mazedonien gibt es aber bis heute islamische Minderheiten der Balkan-Türken sowie Slawische Muslime in Bulgarien, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Montenegro (Sandschak) – in Mazedonien macht der Anteil der Muslime sogar 33 %, auf Zypern nach 1974 auf 18 %, in Bulgarien 12–15 %, in Rumänien nur 0,3 % aus.

Russland und Ukraine

In Russland, dem Land mit der zahlreichsten muslimischen Bevölkerung in Osteuropa, und der Ukraine ist der Islam vor allem von Tataren geprägt - in Russland seit über 750 Jahren von Wolgabulgaren bzw. Wolgatataren, in der Ukraine auch seit über 750 Jahren von Krimtataren.

Folgt man der klassischen Auffassung, dass Ural und Kaukasus die Grenzen zwischen Europa und Asien bilden, dann liegen die drei größten Moscheen Europas in Russland: die Achmat-Kadyrow-Moschee in Grosny, die Kul-Scharif-Moschee in Kasan sowie die Moschee in Machatschkala. (Dem steht die Strahlenberg-Definition entgegen, die Grosny, Machatschkala und den gesamten Nordkaukasus zum asiatischen Landesteil zählt, da es südlich der als Grenze angesehenen Manytschniederung liegt.) Zusammen mit dem islamischen Siedlungsgürtel an der Wolga ist der russische Nordkaukasus eine der politisch instabilsten Islamregionen Europas mit über 100 Ethnien. Aufgrund der schwierigen sozialen Lage haben sich in der letzten Zeit kaukasus- und islamfeindliche Einstellungen in der Bevölkerung verbreitet, was zur Benachteiligung und Diskriminierung der muslimischen Minderheit führt.

Westeuropa

In West-, Südwest- und Südeuropa wird der Islam traditionell von nordafrikanischen Arabern und Berbern geprägt und steht dem katholischen Christentum romanischer Nationen gegenüber.

Hof der Alhambra in Granada, Zentrum des spanischen Islam

Iberische Halbinsel

Während Portugal über 500 Jahre islamisch war, hielt sich die arabisch-berberische bzw. marokkanische Herrschaft (Umayyaden, Almoraviden, Almohaden und Nasriden) im spanischen Granada fast achthundert Jahre. Von der arabischen Eroberung 711 bis zur endgültigen Vertreibung der Muslime durch die christliche Inquisition 1614 waren es sogar über 900 Jahre.

In Spanien waren nur Andalusien und Murcia im Süden sowie Valencia und das Ebro-Becken (Saragossa) im Osten (Levante) Zentren arabischer Siedler, die dort zeitweise aber bis zu 80 Prozent der Bevölkerung ausmachten. Noch heute sind genau jene Gebiete Spaniens (aber auch Katalonien) die Hauptniederlassungsgebiete muslimischer Immigranten und Zentren des Islam in Spanien.

Frankreich

Teile Frankreichs waren bereits von Muslimen erobert und islamisiert worden (719), bevor das heutige Frankreich entstand (987). Die Südküste Frankreichs stand für kurze Zeit unter direkter arabischer Herrschaft, jahrhundertelang aber wurde sie Überfällen und Plünderungen der Araber (auch Sarazenen genannt) bedroht.

Andererseits war Frankreich das einzige Land Europas, das eine dauerhafte Allianz mit den türkischen Muslimen gegen seine christlichen Nachbarn schloss.

Die heutigen Muslime in Frankreich (über 4 Millionen) sind nicht Nachkommen der Araber oder Türken des Mittelalters, sondern nordafrikanische Einwanderer aus ehemaligen französischen Kolonien oder Gastarbeiter in der Industrie.

Italien

In Italien waren die Muslime von rivalisierenden Fürsten ins Land gerufen worden. Teile Italiens waren bereits von Muslimen erobert und islamisiert bevor etwa der Kirchenstaat 753 entstand (so die Insel Pantelleria im Jahr 700, Teile Sardiniens seit 720). In Sizilien, das von 827 bis 1091 unter arabischer Herrschaft stand, erreichte der muslimische Bevölkerungsanteil im Mittelalter immerhin 50 %, wie in Spanien blieben die meisten Araber und Berber auch noch weitere rund 150 Jahre nach der christlichen Eroberung auf der Insel. Die heutigen Muslime auf Sizilien sind überwiegend tunesische und marokkanische Einwanderer der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Das italienische Festland weist zahlreiche Gemeinsamkeiten mit Frankreich auf. Teile Süditaliens, insbesondere Apulien, standen (wie Teile Südfrankreichs) kurzzeitig unter direkter arabischer Herrschaft, jahrhundertelang aber wurde Italien, auch der Norden, von arabischen Überfällen und Plünderungen bis ins Landesinnere heimgesucht. Auch in Oberitalien waren die Muslime von König Hugo I. überhaupt erst ins Land gerufen worden.

Die heutigen Muslime Italiens, über eine Million, stammen zumeist aus Marokko, Albanien und Tunesien. Ägypter, Bangladescher und Senegalesen bilden die nächstgrößten Einwanderungsgruppen islamischen Glaubens.

Mittel- und Nordeuropa

Während in Deutschland und dem katholischen Österreich der Islam heute überwiegend westasiatisch geprägt ist, steht das protestantische Nordwesteuropa einem überwiegend südasiatischen Islam eingebürgerter Immigranten gegenüber. Die Präsenz des Islams in Deutschland beruht seit etwa 1960 zunehmend auf Einwanderung aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland.

Friedrich II. schließt 1229 Frieden mit Ägyptens Sultan Al-Kamil
Europas nördlichste Moschee in Uppsala, Schweden

Deutschsprachiges Mitteleuropa

In Deutschland gibt es heute etwa fünf Prozent Muslime.[3] Bei den Geburten beträgt der Anteil von Kindern mit muslimischem Hintergrund bereits mehr als 10 %[9], an Rhein und Ruhr in Nordrhein-Westfalen ist sogar fast jeder vierte Schüler islamischen Glaubens[10].

Wie Frankreich wies einst auch Deutschland traditionell gute Beziehungen zur islamischen Welt auf. Wie in Italien und Frankreich kamen die meisten Muslime erst im 20. Jahrhundert als Gastarbeiter nach Deutschland und Österreich, und wie in Frankreich dominiert unter den Muslimen eine Ethnie zahlenmäßig deutlich die anderen: in Frankreich über 3 Millionen Algerier bzw. Maghrebiner, in Deutschland 2,5 Millionen Türken und türkische Kurden. Das Bild des Islam in Deutschland wird daher türkisch dominiert.

Im Gegensatz zu Deutschland oder Frankreich sind die meisten Muslime in der Schweiz Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien (zweitgrößte Gruppe sind türkische Einwanderer). Auch in Österreich stellen muslimische Bosnier heute die zweitgrößte Gruppe muslimischer Immigranten nach den dominierenden Türken.

Österreich hatte aus der Geschichte der Österreich-Ungarischen Monarchie einen anderen Zugang zum Islam, er wurde dort bereits 1874 eine staatlich anerkannte Religion. Ab 1878 stand Bosnien vier Jahrzehnte unter österreichisch-ungarischer Herrschaft, seitdem lebten die ersten Bosniaken auch in Österreich. Innerhalb der k.-u.-k.-Armee waren deshalb Imame zur Betreuung muslimischer (bosniakischer) Soldaten tätig. In den letzten Jahren wird zunehmend der für alle Muslime alleinige Vertretungsanspruch durch die offizielle Islamische Religionsgemeinde, die sunnitisch dominiert ist, in Frage gestellt - von sunnitisch-türkischer Seite ebenso wie von Schiiten oder Aleviten. Das Vienna Institut of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entwarf in einer Studie verschiedene Szenarien für den zukünftigen Anteil der Religionen in Österreich. Für das Jahr 2051 errechnet das Institut bei den Jugendlichen unter 14 Jahren je nach Szenario einen Moslem-Anteil von 19 bis 51 %.[11]

Östliches Mitteleuropa und Baltikum

Im Gegensatz zum übrigen Mittel- und Nordeuropa gibt es bereits seit rund 600 Jahren eine kleine Minderheit muslimischer, aber assimilierter Tataren in Polen, Litauen und Weißrussland, das bis zur russischen Eroberung unter polnisch-litauischer Herrschaft stand, und Tausende gegen die Russen kämpfende Polen und Ungarn nahmen nach der Revolution 1849 im türkischen Exil den Islam an. Aus Polen und dem östlichen Mitteleuropa waren schon im Mittelalter die Saqaliba nach Andalusien, Tunesien und Ägypten gelangt und hatten dort, wie später die Polen als slawische Muslime Karrieren im islamischen Staat gemacht.

Mit der Aufteilung Polens fielen einige Tataren unter preußisch-deutsche Herrschaft. In Finnland ist seit dem 19. Jahrhundert eine muslimische Minderheit Tataren ansässig, die meisten Muslime in Finnland wie in ganz Skandinavien sind heute jedoch türkische oder arabische (vor allem marokkanische und irakische) sowie somalische Einwanderer.

In Ungarn kamen schon im Mittelalter immer wieder Muslime als Leibgardisten der Könige ins Land. Ungarn, Teile der Slowakei bzw. Kroatiens und das rumänische Banat allerdings standen zwischen der ersten Schlacht (1526) und der zweiten Schlacht bei Mohács (1687) über 150 Jahre wie der Balkan unter türkischer Fremdherrschaft.

Nordseeanrainer

Die meisten britischen Muslime sind Einwanderer aus den ehemaligen Kolonien oder deren Nachkommen. Zur Zeit seiner höchsten Blüte, vor rund 100 Jahren, hatte das Britische Empire rund ein Viertel der Erdoberfläche unterworfen und rund ein Viertel aller Muslime weltweit zu seinen Untertanen gemacht. Um 1900 beherrschte Großbritannien von damals über 240 Millionen Muslimen weltweit fast 60 Millionen allein in Britisch-Indien, und noch heute sind fast 70 % der Muslime in Großbritannien Inder bzw. Pakistaner und Bengalen. Der britische Islam ist daher im Gegensatz zu z. B. Frankreich und Deutschland eher indisch als arabisch und türkisch geprägt.

Den nach Frankreich (7–10 %) zweitgrößten Prozentsatz an Muslimen im "westlichen" Europa weisen die Niederlande (6 %) auf, gefolgt von Dänemark (5 %), der Schweiz und Österreich (je über 4 %), Deutschland steht noch nach Schweden (4 %) an siebter, Großbritannien nach Belgien (3,5 %) an neunter Stelle (Spitzenreiter Zypern ist nicht berücksichtigt, da die über 18 % Muslime im nicht zur EU gehörenden türkischen Nordteil der Insel leben). Staatsbürgerschaft und Wahlrecht hat eine Mehrheit der Muslime aber allein in Großbritannien (75 %) und den Niederlanden (50 %), in den übrigen EU-Staaten liegt der Anteil eingebürgerter Muslime bei 10-25 % (Deutschland 15 %). Durch die Ermordung des Islamkritikers Theo van Gogh in den Niederlanden (die dort lebenden Muslime sind überwiegend indonesischer Herkunft) und den Karikaturenstreit in Dänemark (überwiegend pakistanische Muslime) sind Dialogversuche liberaler Muslime (z. B. Nasr Hamid Abu Zaid) mit Behörden und Organisationen inzwischen verstärkter Konfrontation gewichen.

Europa und der Islam (Schlüsseldaten)

Die Hagia Sophia in Istanbul, nach 1453 als Moschee weitergenutzt
  • 1444 Abwehr eines letztes Kreuzzuges in der Schlacht bei Warna und 1448 zweite Schlacht auf dem Amselfeld
  • 1453 Belagerung und Eroberung von Konstantinopel, seit 1471 osmanische Vorstöße bis nach Österreich und Italien
  • 1492 fällt das muslimische Granada an spanische Christen, österreichischer Abwehrsieg gegen osmanische Überfälle
  • 1526 Eroberung Ungarns, aber 1529 erfolgloser Angriff der Türken auf Wien (1536 türkisch-französisches Bündnis)
  • 1552/56 Russland erobert Kasan und Astrachan, osmanischer Gegenangriff auf Astrachan 1569
  • 1571 Sieg einer christlichen Allianz über die Türken in der Seeschlacht von Lepanto
  • 1572 Das angeschlagene Russland verhindert eine Eroberung durch Krimtataren und Türken in der Schlacht von Molodi
  • 1609/14 Vertreibung der Muslime und Moriscos aus Spanien, aber fortan Überfälle maurischer Piraten bis nach Island, Dänemark und Irland
  • 1676 türkisches Protektorat über Südukraine
  • 1683 Niederlage der Türken vor Wien und Zusammenbruch ihrer Herrschaft in Ungarn und der Ukraine (1699)
  • 1739 nimmt mit dem Ausscheiden Österreichs aus den Türkenkriegen, dem Friede von Küçük Kaynarca (1774), der westeuropäischen Unterstützung für den Griechischen Unabhängigkeitskrieg (1821–32) und dem russisch-türkischen Vertrag von Hunkiar Skelessi (1833) der russische Druck auf das Türkische Reich zu, trotz westeuropäischen Eingreifens in den Krimkrieg (1853–56) gehen den Türken zwischen 1877 und 1912 alle Balkan-Provinzen verloren
  • ab 1798 Kolonisierung islamischer Staaten: 1798 erobert Frankreich Ägypten, 1830 Algerien, 1881 Tunesien und ab 1891 Westafrika, 1882 besetzen dann die Briten Ägypten bzw. 1898 Sudan, Deutschland erwirbt 1885 Sansibar und verbündet sich 1898 mit dem Osmanischen Reich, Italien erobert ab 1911 Libyen, Frankreich und Spanien teilen schließlich 1912 auch Marokko unter sich auf, nach der türkischen Niederlage in den Balkankriegen 1912/13 fallen muslimische Minderheiten auf dem Balkan unter christliche Herrschaft, Flucht und Vertreibung, Albanien wird unabhängig
  • Deutschland, Österreich-Ungarn und Osmanisches Reich sind Verbündete im Ersten Weltkrieg (1914-18), 1915/16 verlustreicher türkischer Abwehrsieg in der Dardanellenschlacht, aber Niederlage der deutsch-österreichisch-türkischen Allianz
  • ab 1920 verwestlicht Kemal Atatürk die restliche Türkei, Syrien und Libanon fallen an Frankreich, Palästina sowie Jordanien und Irak fallen an Großbritannien (Jerusalem 1917-47 britisch)
  • 1923 Im Vertrag von Lausanne wird vereinbart, dass 1,25 Mio. in der Türkei ansässigen türkische Staatsangehörige griechisch-orthodoxen Glaubens nach Europa (Griechenland) ausgewiesen werden.
  • 1956 scheitert die britisch-französisch-israelische Intervention in Ägypten, symbolisches Ende der europäischen Kolonialvorherrschaft über den Orient; Marokko und Tunesien werden im gleichen Jahr unabhängig, Algerien erst nach dem Algerienkrieg 1962
  • 1992–1995: u.a. werden beim Massaker von Srebrenica bis zu 8000 muslimische Bosniaken von der bosnisch-serbischen Armee ermordet.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Der Fischer Weltalmanach aktuell. Russland und der Kaukasus. Frankfurt 2005
  2. Frisch/Hengelhaupt/Hohm: Taschenatlas Europäische Union. Gotha 2007 (Summe der auf den Seiten 73–203 angeführten landesspezifischen Zahlen)
  3. a b c Peter Carstens: Viel mehr Muslime als gedacht FAZ.net vom 24. Juni 2009.
  4. alle Zahlen aus Frisch/Hengelhaupt/Hohm: Taschenatlas Europäische Union. Gotha 2007, Seiten 199, 81, 91, 121, 73, 87 und 147
  5. Fischer Weltalmanach 2009, Seite 349. Frankfurt/Main 2008
  6. Fischer Weltalmanach 2009, Seite 72. Frankfurt/Main 2008
  7. Fischer Weltalmanach 2009, Seite 359. Frankfurt/Main 2008
  8. Isabella Ackerl: Die Staaten der Erde – Europa und Asien, S. 97. Wiesbaden 2007
  9. [1]
  10. WDR.de-Nachrichten aus dem Ruhrgebiet vom 9. September 2008, 06:35: Fast jeder vierte Schüler islamischen Glaubens
  11. Anne Goujon, Vegard Skirbekk, Katrin Fliegenschnee, Pawel Strzelecki: New Times, Old Beliefs: Predicting the future of religions in Austria (PDF)

Literatur

  • Günter Kettermann: Atlas zur Geschichte des Islam. Darmstadt 2001. ISBN 3-89678-194-4
  • Mohammed Arkoun: L´islam et les musulmans dans le monde. Paris 1993
  • Jack Goody: Islam in Europe. Polity Press 2004. ISBN 975-269-110-2
  • Peter H. F. Jakobs Alber: Türkei. Antike, Christentum, Islam
  • Franco Cardini: Europa und der Islam. Geschichte eines Mißverständnisses. München. 2004. ISBN 3-406-51096-5
  • Georges Corm: Missverständnis Orient. Die islamische Kultur und Europa, Rotpunktverlag, Zürich, 2004, ISBN 3-85869-281-6
  • Shireen T. Hunter: Islam, Europe's Second Religion: The New Social, Cultural, and Political Landscape. ISBN 0-275-97608-4
  • AlSayyad Nezar: Muslim Europe or Euro-Islam: Politics, Culture, and Citizenship in the Age of Globalization. 2002. ISBN 0-7391-0338-5
  • Hichem Djait and Peter Heinegg: Europe and Islam. Berkeley 1985. ISBN 0-520-05040-1
  • Michael Frassetto and David R. Blanks: Western Views of Islam in Medieval and Early Modern Europe: Perception of Other ISBN 0-312-21891-5
  • Robert J., Jr. Pauly: Islam in Europe: Integration or Marginalization?. ISBN 0-7546-4100-7
  • Abderrahim Lamchichi: Islam-Occident, Islam-Europe: Choc des civilisations ou coexistence des cultures.2002. ISBN 2-7384-8783-1
  • Florian Remien: Muslime in Europa: Westlicher Staat und islamische Identität. Untersuchung zu Ansätzen von Yusuf al-Qaradawi, Tariq Ramadan und Charles Taylor, Schenefeld/Hamburg 2007, ISBN 978-3-936912-61-6
  • Silvia Kaweh: Islam in Deutschland (geschichtlicher Abriss). In: Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland, hg. von Michael Klöcker und Udo Tworuschka, (Loseblattwerk seit 1997, jährlich 2-3 Ergänzungslieferungen), Kapitel IV, 12. EL 2006.
  • Muslime im Rechtsstaat. Mit Beiträgen von Lord Nazir Ahmed, Janbernd Oebbecke, Muhammad Kalisch, Mohamed Mestiri, Murad Wilfried Hoffmann, Anas Schakfeh, Matthias König, Wolfgang Bock, Andreas Rieger, hg. v. Thorsten Gerald Schneiders u.a. Lit-Verlag. Münster 2005. ISBN 3-8258-8024-9

Weblinks



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