Islam in Italien

Islam in Italien

Im christlich-katholischen Italien war der Islam während des Mittelalters stets präsent. So stand Sizilien etwa 250 Jahre unter arabisch-muslimischer Herrschaft. Im 9. und nochmals im 13. Jahrhundert gab es auch in Apulien eine muslimische Minderheit.

Heute machen besonders in Norditalien über 1 Million Muslime zirka 2 Prozent der 60 Millionen Einwohner Italiens aus, weniger als etwa in Großbritannien (2-3 Millionen), Deutschland (4,3 Millionen) oder Frankreich (4-5 Millionen). Mindestens 150.000 von ihnen leben ohne gültige Aufenthaltspapiere in Italien, Schätzungen kirchlicher und Menschenrechtsgruppen gehen von weiteren 250.000 illegalen muslimischen Immigranten aus.

Etwa 50.000 Muslime in Italien haben die italienische Staatsbürgerschaft, davon sind 10.000 italienische Konvertiten. Einer der bekanntesten Konvertiten ist heute Torquato Cardilli, Italiens ehemaliger Botschafter in Saudi-Arabien.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Araber bzw. Sarazenen

Bemerkenswert ist, dass schon im 7. und 8. Jahrhundert einige der Italien zuvor beherrschenden germanischen Langobarden vom Arianismus zum Islam statt zum Katholizismus übergetreten waren. Diese al-Ankubarti dienten an der gegenüberliegenden Mittelmeerküste (vor allem im tunesischen Ifriqiya) zumeist als Söldner in arabischen Heeren und wurden von den arabischen Muslimen kurzerhand den Saqaliba zugerechnet. Im Mittelalter gab es in Palermo einen ganzen Stadtteil namens Saqaliba. Ein bekannter sizilianischer Saqaliba des 10. Jahrhunderts war Dschauhar as-Siqilli, Heerführer der Fatimiden und Erbauer Kairos. Ein anderer sizilianischer Saqaliba, der Slawe Sabir al-Fata, zerstörte 927 Tarent und Otranto.

Sizilien

Erste arabische Angriffe auf das byzantinische Sizilien misslangen 652, 667 und auch 720. Syrakus wurde 708 zwar erstmals kurzzeitig erobert, die für 740 angesetzte Invasion scheiterte aber an einem Aufstand der Berber des Maghreb und bis 771 (bzw. bis 799) anhaltenden Bürgerkriegen in Ifriqiya. Als erste war bereits im Jahr 700 die Insel Pantelleria von Arabern erobert worden, ab 720 setzten sich Muslime an den Küsten Sardiniens fest.

Um sich der ständigen Meutereien des Heeres zu entledigen, schickte der Aghlabiden-Gouverneur von Ifriqiya in den Jahren 827, 830 und 875 erneut arabische, berberische und andalusische Rebellen zur Eroberung Siziliens fort, u. a. unter Asad ibn al-Furat. 902 führte sein Nachfolger selbst ein Heer auf die Insel. Dort hatte der gegen Konstantinopel meuternde Gouverneur die Muslime zu Hilfe gerufen, die von den Europäern als Sarazenen bezeichnet wurden. Schon 831 fiel Palermo in ihre Hände, (seitdem Hauptstadt), 843 dann Messina, doch erst 878 Syrakus, 902 Taormina, 918 das auf dem benachbarten Festland liegende Reggio in Kalabrien und 965 mit Rometta auch der letzte byzantinische Stützpunkt auf der Insel.

Unter den Arabern blühte die Landwirtschaft und wurde auf den Export ausgerichtet, ebenso das Handwerk in den Städten. Mit etwa 300.000 Einwohnern hatte allein die arabische Inselhauptstadt Palermo damals mehr Einwohner als alle Städte Deutschlands zusammen. Der muslimische Bevölkerungsanteil auf der Insel machte zu Beginn des 11. Jahrhunderts rund 50 Prozent aus, wobei Araber zumeist den Norden um Palermo und Berber überwiegend den Süden um Agrigent dominierten.

Nach dem Sturz der Aghlabiden auch in Ifriqiya war Sizilien im 10. Jahrhundert an ihre fatimidischen Nachfolger gefallen, doch hatte sich nach Kämpfen zwischen Sunniten und Schiiten unter den Kalbiten bald ebenfalls für unabhängig erklärt.

Süditalienisches Festland

Die Seeschlacht von Ostia stoppte 849 den dritten arabischen Angriff auf Rom
Kaiser Ludwig bekämpft 871 die Araber vor Bari

Von Sizilien setzten die Muslime auf das Festland über und verwüsteten Kalabrien, 835 und 837 hatte der Herzog von Neapel im Kampf gegen den Herzog von Benevent die Muslime gerufen. 840 fielen Tarent und Bari in ihre Hände, 841 auch Brindisi. Capua wurde zerstört, das unter fränkischem Schutz stehende Benevent wurde besetzt (840–847 und nochmals 851–52), doch arabische Angriffe auf Rom scheiterten 843, 846 und 849. Schon 847 erklärten sich Tarent, Bari und Brindisi zu von den Aghlabiden unabhängigen Emiraten. Jahrzehntelang beherrschten die Muslime das Mittelmeer und überfielen die italienischen und adriatischen Küstenstädte, 868–70 stand das dalmatinische Ragusa unter arabischer Herrschaft. 856 attackierten und zerstörten arabische Invasoren die Kathedrale von Canosa in Apulien. Arabisch-muslimische Truppen belagerten im März 861 die Stadt Ascoli.

Erst nach dem Fall Maltas 870 gelang den abendländischen Christen die Aufstellung einer gleichwertigen Streitmacht zu Lande. Der fränkisch-römische Kaiser Ludwig II. eroberte Brindisi und schlug die Araber 871 bei Bari. Die Byzantiner eroberten 880 auch Tarent. Letzte arabische Festungen (z. B. Santa Severina Crotone in Kalabrien) hielten sich im Süden noch bis 885, und schon 882 hatten die Muslime weiter nördlich, an der Mündung des Garigliano zwischen Neapel und Rom, eine mit Gaeta verbündete neue Basis errichtet und Kampanien sowie Sabinia im Latium angegriffen. Hundert Jahre später riefen die Byzantiner gegen einen Eroberungszug des deutschen Kaisers nochmals die sizilianischen Araber zu Hilfe, die Otto II. 982 vor Tarent in der Schlacht bei Crotone schlugen und damit dessen Nachfolger für zweihundert Jahre von Unteritalien weitgehend fernhielten.

Noch 1002 wurde Bari erneut von Arabern erobert und von Byzantinern rasch zurückerobert. Gegen die Byzantiner aber erhob sich der Barenser Melus (Melo) 1009–1019 und rief die Normannen zu Hilfe, als Ismahel (Ismail) ist er auf dem goldbestickten Sternenmantel verewigt, den Meles dem deutschen Kaiser Heinrich II. geschenkt hatte.

Norditalien

Erstmals 729–765 hatten Araber und Berber nach der Eroberung des spanischen Westgoten-Reiches von Septimanien und Narbonne aus Raubzüge bis nach Oberitalien unternommen sowie 793 erneut Südfrankreich überfallen (Nizza 813, 859 sowie 880). 888 errichteten andalusische Muslime in Fraxinetum bei Fréjus in der französischen Provence einen neuen Stützpunkt, von wo aus sie Plünderzüge an der Küste und im Landesinnern durchführten.

926 rief Italiens König Hugo I. gegen norditalienische Rivalen die Araber ins Land. 934 und 935 wurden Genua und La Spezia überfallen, 942 wieder Nizza. Im Hinterland Piemont stießen die Muslime bis Asti sowie Novi Ligore vor und zogen entlang des Rhônetals und der Westflanke der Alpen nach Norden. Nach Siegen über Burgund eroberten sie 942–965 Savoyen und hielten 952–960 einen Teil der Schweiz besetzt. Schweizer Ortsnamen wie Saratz erinnern daran. Gegen die Araber wiederum hatte Hugos Gegenspieler, Kaiser Berengar I., die Ungarn zu Hilfe gerufen, die Norditalien daraufhin ebenfalls verwüsteten. Unter dem Druck deutscher Könige musste zwar Fraxinetum 972 aufgegeben werden, doch noch 1002 wurden Genua und 1004 Pisa geplündert.

Pisa und Genua verbündeten sich, um den arabischen Muslimen auch ihre Stützpunkte auf Korsika (Campomoro, Morsiglia) und auf Sardinien zu entreißen. Letztere standen aber seit 1015 unter dem Schutz der Flotte des andalusischen Emirs von Denia in Spanien, der von den verbündeten Italienern 1016 und nach seiner erneuten Invasion 1022 nochmals geschlagen wurde. Erst 1027 konnten die Italiener die sardinischen Muslime endgültig besiegen, der letzte muslimische Aufstand endete erst 1050.

Ende der arabischen Epoche

Umgebaute Moschee:
der Dom von Palermo
Umgebauter Emirssitz:
der Normannenpalast
Vorbild für das Abendland: Idrisi-Weltkarte (gesüdet)
Kirche San Giovanni: arabisch-byzantinisch-normannische Symbiose
Auf Moschee-Trümmern: Der Dom von Lucera
Arabische Inschrift am Krönungsmantel
Festung von Otranto
Paolo Veronese: Die Schlacht von Lepanto

Die auf Sizilien unter den Kalbiten begonnene kulturelle und wirtschaftliche Blütezeit war durch innermuslimische Kämpfe unterbrochen worden, in die 1027 tunesische Ziriden, 1030/35 Pisaner und ab 1035 Byzantiner eingriffen, Ostsizilien (Messina, Syrakus, Taormina) wurde 1038–42 kurzzeitig nochmals byzantinisch. Hinzu kamen 1059 schließlich auch süditalienische Normannen unter Roger I., die 1060 Reggio (1027 den Arabern von den Byzantinern abgenommen) eroberten. Schon 1061 fiel auch Messina in normannische Hände, eine Invasion der algerischen Hammadiden zur Rettung des Islam scheiterte 1063 an Genua und Pisa, der Verlust Palermos 1072 und Syrakus´ 1088 konnte nicht verhindert werden. Auch Noto und einige letzte muslimische Festungen auf Sizilien hielten sich nur noch bis 1091. Ebenfalls 1090/91 eroberten die Normannen auch Malta; Pantelleria fiel 1123.

Obwohl Italien und das normannische Tarent ab 1095/99 zum Ausgangspunkt der Kreuzzüge wurden und die sizilianischen Muslime ihren Glaubensvorschriften entsprechend vor nichtislamischer Herrschaft hätten emigrieren müssen, blieb die muslimische Bevölkerung auch unter den Normannen im Land. Ihr König beheimatete z. B. den berühmten Geographen Sharif al-Idrisi und den Dichter Mohammed ibn Zafar. Die Muslime wurden zunächst toleriert, bald aber diskriminiert und verfolgt, ihre Moscheen wurden zerstört oder zu Kirchen umgewandelt. Die ersten sizilianischen Normannen beteiligten sich zwar nicht direkt an den Kreuzzügen, führten aber eigene Eroberungskriege und Raubzüge gegen Ifriqiya, ehe sie dort nach 1157 den Almohaden unterlagen.

Auf Sizilien zerbrach spätestens nach des „guten“ König Wilhelms II. Tod 1189 das friedliche Nebeneinander, die muslimische Elite wanderte aus. Die übrigen Muslime zogen sich z. B. in Caltagirone zurück oder verschanzten sich in den Bergen und setzten von dort auch unter den Staufern, die die Normannen 1194 abgelöst hatten, ihren Widerstand fort. Im Landesinneren proklamierten diese Muslime Ibn Abbad zum letzten Emir der Insel.

Um diesen Aufstand zu brechen, ließ der Staufer-Kaiser Friedrich II. 1224–39 20.000-30.000 Muslime von Sizilien deportieren und errichtete mit ihnen eine militärisch organisierte Kolonie im apulischen Lucera, etwa 20 Kilometer nordwestlich von Foggia bzw. 150 Kilometer nordwestlich von Bari. Diese allerdings förderte er, gewährte Autonomie und verhalf dem Islam in Italien somit zu einer letzten Blüte. 1249 vertrieb er die Muslime auch von Malta. Friedrich umgab sich mit einer muslimischen Leibwache und sprach (möglicherweise) Arabisch, weshalb ihn der Papst als „Sultan von Lucera“ bannte. Ob er auch den in Palermo hergestellten Krönungsmantel mit einer arabischen Inschrift trug, ist nicht bekannt, da der Mantel vor 1246 nie in Quellen erwähnt wurde.[1]

Bei seinem Tode, Friedrich starb bei Lucera, sollen bereits 60.000 Muslime in der Stadt gelebt haben.

Nach dem Sturz der Staufer 1266 (Schlacht bei Benevent, die sizilianischen Muslime kämpften auf Seiten der sizilianischen Staufer) und der Niederlage in den Kreuzzügen 1291 wurde Lucera im Jahr 1300 auf Drängen des Papstes von König Karl II. von Neapel zerstört.

Eine arabisch-byzantinisch-normannische Symbiose in der Kunst überlebte als Sizilianische Romanik.

Türken bzw. Osmanen

Erst 600 Jahre nach dem Untergang des Emirats Tarent, 400 Jahre nach dem Verlust Siziliens und rund 180 Jahre nach der Vernichtung Luceras geriet wieder ein Teil Italiens unter muslimische Herrschaft, und wieder sollte Apulien zum Ausgangspunkt einer geplanten Unterwerfung der Halbinsel werden.

Brückenkopf Otranto

Apulien gehörte zum Königreich Neapel und stand seit Mitte des 15. Jahrhunderts unter Herrschaft der Spanier, die auf ihrer eigenen Halbinsel 1481 die Schlussoffensive zur Eroberung Granadas starteten. Dieser letzte Stützpunkt des Islam in Spanien hatte verzweifelte Hilferufe an alle islamischen Staaten des Mittelmeerraums gesandt.

Das Reich der Osmanischen Türken, das unter Sultan Mehmet II. 1453 bereits Konstantinopel und Galata, 1475 Genuas letzte Stützpunkte im Schwarzen Meer und 1479 die venezianische Insel Euböa in Griechenland erobert hatte, unternahm daraufhin 1480 einen halbherzigen Ablenkungsangriff auf die spanischen Besitzungen in Süditalien, nachdem in Norditalien bereits 1479 türkische Vorauseinheiten ins Friaul eingedrungen waren (1499–1503 erneut) und sogar Vicenza bedroht hatten. Die apulische Hafenstadt Otranto (knapp 100 Kilometer südöstlich von Brindisi) wurde erobert und zum Brückenkopf ausgebaut, aber schon 1481 wieder aufgegeben, als Mehmet starb und in Istanbul Thronkämpfe ausbrachen.

Der trotz päpstlicher Hilfe unterlegene Thronanwärter Dschem (Cem) floh mit seiner Familie ins Königreich Neapel, wo seine männlichen Abkömmlinge 1492 bzw. 1509 vom römischen Papst, dem neapolitanischen (spanischen) König und dem deutschen Kaiser den Titel „kaiserliche Fürsten von Said“ erhielten und bis 1600 in Neapel und bis 1668 auf Sizilien lebten, ehe sie nach Malta übersiedelten.

Angriffe im 16. Jahrhundert

Ob Otranto tatsächlich als Ausgangspunkt für weitere Eroberungen gedacht war, ist umstritten. Ihren Anspruch, nach der Eroberung Konstantinopels auch in der alten Kaiserstadt bzw. Papstresidenz Rom eine islamische Universalherrschaft zu errichten, hatten die osmanischen Sultane zunächst jedoch nicht aufgegeben, die „Türkengefahr“ war nicht vorüber.

Nach der Eroberung Ragusas und Ungarns 1526 und der Belagerung Wiens wäre mit einem Fall der österreichischen Hauptstadt bzw. deutschen Kaiserresidenz 1529 auch wieder Rom bedroht gewesen. Auch nach der Niederlage des türkischen Landheeres vor Wien griffen türkische Flotten wieder im Süden an. 1512/1526 und 1537 wurden kurz Reggio bzw. Teile Kalabriens erobert, im darauffolgenden Jahr die venezianische Flotte besiegt. Zwar wurde 1543 auch Nizza von Barbaresken geplündert (Belagerung von Nizza (1543)), doch im gleichen Jahr scheiterte eine türkische Landung auf Sizilien ebenso wie 1553 die Rückeroberung Pantellerias, 1563 die Behauptung Neapels und 1565 die Belagerung Maltas.

Den nach Spanien größten Anteil am Seesieg der christlichen „Heiligen Liga“ bei Lepanto 1571 hatte die Republik Venedig, die zwischen 1423 (intensiv seit 1463) und 1718 acht verlustreiche Türkenkriege gegen das Osmanische Reich führte. Doch auch noch nach der Niederlage von Lepanto setzten die Osmanen nach Apulien über, 1575 wurde kurzzeitig Castro[2] besetzt (erstmals 1537), 1620 Manfredonia. Eine erneute Invasion Maltas scheiterte 1614.

Italienische Konvertiten im Osmanischen Reich

Die Zeit der türkischen Bedrohung war auch die Zeit der Konversion einiger im Osmanischen Reich lebender Italiener zum Islam. Das betraf nicht nur von muslimischen Piraten ins Reich verschleppte Italiener, sondern auch italienische Küstenbewohner und Seefahrer, die sich selbst der Piraterie verschrieben hatten. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts war mit Cigalazade Yusuf Sinan Pascha (Scipione Sinan Cicala) ein italienischer Konvertit sogar Großadmiral und Großwesir des osmanischen Sultans. Ein dalmatinischer Konvertit namens Hasan, der Sarde Hasan Aga, der Korse Hasan Corso, der als Giovanni Dionigi Galeni geborene Kalabrese Uludsch Ali sowie der Venezianer Hasan Pasha Veneziano wurden Bey von Algier. Mourad Bey von Tunis, auf Korsika geboren, als dieses noch zu Genua gehörte, begründete 1613 die bis 1705 regierende Dynastie der Muraditen. Der Ligurier Osta Morat war ein mächtiger Admiral und Dey von Tunis (1638–1640).[3] Selbst noch Ahmad Beys (†1855) Mutter war Sardin.[4]

Kolonialvölker der Neuzeit

In den auf Lepanto folgenden 300 Jahren bis zum Abschluss der Einigung Italiens 1861 gab es kaum Berührungspunkte mit dem Islam, wenn auch Sinan Pascha 1594 erneut Reggio überfiel, ein anderer italienischer Konvertit namens Goloppo um 1700 für die Türken auf der Krim die Festung Jenikale baute (Islam in der Ukraine), 1722 ein Aufstand türkischer Gefangener und Said-Abkömmlinge auf Malta scheiterte, Venedig noch bis 1792 Krieg gegen Tunis führte oder vereinzelte Angriffe vor allem algerischer Piraten auf italienische und spanische Mittelmeerstädte und Schiffe bis maximal 1827 anhielten (1815 letzter Überfall auf Sardinien).

Doch ab 1885 hatte Italien mit der Kolonie Eritrea, 1905 mit Italienisch-Somaliland, ab 1911 mit Italienisch-Libyen und 1939 mit dem Königreich Albanien mehrheitlich islamische Kolonialgebiete erworben. Somalische Hilfstruppen in der italienischen Armee halfen 1931 bei der Vollendung der Eroberung Libyens und 1936 beim Sieg über Äthiopien (und damit die Vereinigung mit Somalia und Eritrea zu Italienisch-Ostafrika).

Zusammenfassung (Zeittafel)

  • 7. Jahrhundert – erste arabische Angriffe auf Sizilien
  • 8. Jahrhundert – Errichtung islamischer Stützpunkte auf Sardinien
  • 9. Jahrhundert – byzantinische Rebellen und neapolitanische Fürsten rufen die Araber ins Land, islamische Eroberung Siziliens und kurzlebige Emirate auch auf dem süditalienischen Festland, Plünderungen in vielen Küstenstädten Italiens
  • 10. Jahrhundert – burgundische Könige (gegen Italiener) und Byzantiner (gegen Deutsche) rufen die Araber ebenfalls, arabische Angriffe auch auf Oberitalien, Sizilien fällt an die Fatimiden
  • 11. Jahrhundert – Rückeroberung Sardiniens und Siziliens durch Normannen (Sizilien), Genuesen und Pisaer (Sardinien)
  • 12. Jahrhundert – arabisch-byzantinisch-normannische Symbiose in Architektur und Wissenschaft
  • 13. Jahrhundert – Deportation sizilianischer Muslime nach Apulien, letzte Blüte in Lucera
  • 15./16./17. Jahrhundert – Angriffe der Türken (zwischen 1480 und 1620)
  • 20. Jahrhundert – italienische Erwerbungen islamischer Kolonien und muslimische Einwanderung aus den Kolonien

Islam im heutigen Italien

Das islamische Zentrum in Rom

Die islamische Gemeinschaft in Italien vertritt unterschiedliche religiöse bzw. politische Richtungen. Geschlossen aber lehnte sie Italiens Beteiligung am Irak-Krieg ab.

Einen Tiefpunkt erreichten die Beziehungen zwischen Italien und der islamischen Welt, als Ministerpräsident Berlusconi diese als „minderwertig“ bezeichnete und das christliche Wesen des Abendlandes beschwor. Zudem versuchen seine populistischen Koalitionspartner aus der Furcht vor dem islamischen Fundamentalismus politisches Kapital zu schlagen.

Anfang der 1980er entstand eine Moschee in Palermo, 1995 wurde mit saudischen Geldern eine „Große Moschee“, in Rom eröffnet, die bis 2005 größte Moschee Europas war. Für großes Aufsehen sorgte der Fall um einen Imam von Mailand, Abu Omar, der 2003 auf offener Straße - mutmaßlich von CIA-Agenten - gekidnappt und nach Ägypten verschleppt wurde.

In ganz Italien, besonders im Norden, sind zudem islamische Gebets- und Kulturzentren (Centri Islamici) entstanden. Wichtigste Organisation ist das Islamische Zentrum in Mailand, das einen politischen Islamismus betreibt. Weitere kleinere, zumeist nach Zuwanderernationen getrennte Moslemorganisationen (z. B. das von den Saudis geförderte „Islamische Zentrum“ in Rom) beschäftigen sich eher mit religiösen und soziokulturellen Alltagsfragen wie Traditionspflege, Speisevorschriften und Religionsfreiheit.

Ein Kopftuchverbot gibt es in Italien nicht.

Muslimische Einwanderer

Etwa ein Viertel aller Immigranten mit oder ohne Aufenthaltspapieren sind Muslime. Die meisten von Ihnen kommen aus Marokko, weshalb aus Sicht der Italiener alle arabischen und nordafrikanischen Muslime einfach „Marokkaner“ sind. Die zweitgrößte Gruppe stammt aus Albanien: Etwa zwei Drittel der in Italien lebenden Albaner werden dem Islam zugeordnet.[5] Die nächstgrößten Muslimgruppen sind Tunesier und Ägypter, es folgen Bangladescher und Senegalesen.[6]

In Libyen sollen über zwei Millionen weitere Flüchtlinge auf die Gelegenheit warten, sich zur Küste und von dort aus nach Pantelleria, Lampedusa oder Sizilien durchzuschlagen.

Zudem hatten und haben zahlreiche exilorientalische Parteien und Politiker Asyl in Italien gefunden, so z. B. Iraker, Iraner, Somalier, Libyer, Kurden und 1973–2002 der afghanische Ex-König Mohammed Sahir Schah.

Blieben die muslimischen Einwanderer früher vorwiegend im Süden Italiens, so ziehen sie heute von ihren ersten Ankunftsorten Sizilien (Maghrebiner) oder Apulien (Albaner) meistens nach Norditalien weiter und tragen als Gastarbeiter dort nicht unwesentlich zum Wirtschaftswachstum der Region bei. So leben etwa 62% in den norditalienischen Industriezentren, weitere 25 %  in Mittelitalien - alleine in Rom und Provinz leben 110.000 Muslime.[7] Nur noch 13 % leben in den Regionen Süditaliens[8] und arbeiten z. B. im Fischereisektor Palermos, Marsalas usw.

Kontroverse um den Bau einer Moschee

In Colle di Val d’Elsa bei Florenz gingen im Frühjahr 2007 Minarett-Gegner gegen den Bau einer Moschee mit Minarett vor, das acht Meter hoch werden soll: sie stellten einen Schweinskopf auf der Baustelle hin, um das Gelände zu profanieren. In der Gemeinde gab es einen wahren Minarettstreit.[9]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Rotraud Bauer: Zur Geschichte der sizilischen Gewänder, später Krönungsgewänder der Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): Nobiles Officinae. Die königlichen Hofwerkstätten zu Palermo zur Zeit der Normannen und Staufer im 12. und 13. Jahrhundert. Milano 2004, ISBN 3-85497-076-5. S. 85–95
  2. Castro (Puglia) in der italienischsprachigen Wikipedia
  3. Franco Cardini: Europa und der Islam – Geschichte eines Mißverständnisses, Seiten 217–220. Beck München 2004
  4. Ahmad Bey Husayn
  5. Diese Schätzung ist aber umstritten: Vgl. Islam in Albanien
  6. ISTAT, Demographische Indikatoren, S. 8
  7. Beginn des Ramadans, 110 Tausend Muslime in Rom und Provinz zum Gebet versammelt, Corriere della Sera, 21. August 2009
  8. ISTAT, Demographische Indikatoren, S. 8 (PDF)
  9. Schweinsköpfe am Minarett. In: Berliner Zeitung, 13. März 2007

Literatur

  • Günter Kettermann: Atlas zur Geschichte des Islam. Darmstadt 2001
  • Burchard Brentjes: Die Mauren. Leipzig 1989
  • Ulrich Haarmann: Geschichte der Arabischen Welt. C.H. Beck München, 2001 ISBN 3-406-38113-8
  • Sigrid Hunke: Allahs Sonne über dem Abendland, Unser arabisches Erbe. Stuttgart 1960
  • Ibn Ğubair: Bericht über die Stadt Messina auf der Insel Sizilien. In: The Travels of Ibn Jubayr. Leyden 1906

Weblinks


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