Italia (Luftschiff)

Italia (Luftschiff)
Die Italia in Stolp, 1928

Die Italia war ein halbstarres Luftschiff, d. h. ein an seiner Unterseite durch ein metallisches Gitterwerk versteiftes, ansonsten durch inneren Gasdruck in Form gehaltenes Luftschiff des italienischen Generals und Luftschiffkonstrukteurs Umberto Nobile. Die Konstruktion entsprach weitgehend dem Vorgängerschiff N 1 Norge.

Sie wurde 1928 für eine Nordpolarexpedition fertiggestellt, auf der sie am 25. Mai 1928 im Eismeer havarierte und verloren ging. Neben ihrem Namen Italia trug sie die Bezeichnung N 4, wobei der Buchstabe N, analog zum Z bei den Zeppelinen, auf den Erbauer Nobile verwies.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Nach seiner erfolgreichen Überquerung des Nordpols mit dem Luftschiff N 1 Norge und zwischenzeitlicher Beschäftigung mit einem dann nicht realisierten größeren Luftschiffprojekt und einem Luftschiffentwurf für Japan, begann Umberto Nobile im Sommer 1927 die Konstruktion des halbstarren Luftschiffs N 4 Italia für eine erneute Nordpolarexpedition mit diesmal zahlreichen – hauptsächlich physikalischen – Forschungsaufgaben. (Denn die Norge hatte lediglich durch Messungen der elektrischen Leitfähigkeit der Luft zur Erforschung des Polarlichts beigetragen.)

Am 15. April 1928 startete die Italia bei Mailand in Italien ihre Fahrt zur Basisstation am Kongsfjord auf Spitzbergen. Zur Behebung von Schäden wurde ein Reparaturaufenthalt im deutschen Luftschiffhafen Seddin bei Stolp notwendig. Dort startete sie am 3. Mai 1928 wieder, um nach Zwischenlandung in Vadsø im Norden Norwegens am 6. Mai am Kongsfjord bei Ny-Ålesund, Spitzbergen einzutreffen. Hier standen ihr ein nach oben offener Zelthangar und das Versorgungsschiff Città di Milano zur Verfügung.

Umberto Nobile in der Tür der Italia

Vom 13. Mai bis 15. Mai unternahm die Italia eine erfolgreiche Forschungsfahrt in der Polarregion.

Am 23. Mai startete sie mit 16 Mann Besatzung und dem Hund des Expeditionsführers zu ihrer Fahrt zum Nordpol. Am nächsten Tag kreiste sie zwei Stunden lang in der Höhe von bis zu 150 m über dem Pol, doch ein starker Wind ließ eine Landung nicht zu. Eigentlich sollte eine Forschergruppe mit Messgeräten während einer geplanten Aufenthaltsdauer von einer Woche wissenschaftliche Aufgaben durchführen. Es sollte der Erdmagnetismus, die Gravitation und die Ozeantiefe gemessen werden. So wurden nur die italienische Flagge und das schwere päpstliche Kreuz abgeworfen.

Auf der Rückfahrt geriet das Luftschiff in schlechtes Wetter. Am Morgen des 25. Mai 1928 verlor es so stark an Höhe, dass die Führergondel auf dem Packeis aufschlug und abriss, wobei der Motorbediener Pomella ums Leben kam. Neun Überlebende blieben auf dem Eis zurück, vier davon verletzt, darunter auch der Expeditionsführer Umberto Nobile. Sein Hund blieb unversehrt.

Sechs Besatzungsmitglieder schwebten im Kielgerüst und den Motorgondeln mit der steuerungslosen Luftschiffhülle davon. Von ihnen wurde nie mehr eine Spur gefunden. Der tschechischen Expeditionsteilnehmers František Běhounek schildert in seinem Buch Die Gestrandeten des Polarmeers (Trosecníci polárního more), dass knapp eine halbe Stunde später von der Unglücksstelle am Horizont aus eine aufsteigende Rauchsäule in der Nähe der Weißen Insel beobachtet wurde. Da dies der Windrichtung entsprach, dürfte damit der endgültige Absturz des Schiffsrestes markiert gewesen sein.

Unter den vom Luftschiff abgerissenen Gegenständen befand sich neben anderen Gegenständen ein Zelt (von der Größe her allerdings für alle Gestrandeten nur sehr knapp ausreichend), eine gewisse Menge an Proviant, ein 12-mm-Revolver Marke Colt mit 100 Patronen, Vorrat an Zündhölzchen und ein sich nicht planmäßig an Bord befindlicher portabler Kurzwellensender (33 m Wellenlänge, 25 Watt Sendeleistung, getestete Reichweite 400 Seemeilen, 12 Volt Betriebsspannung), eine fürs erste ausreichende Menge an Batterien und Material zum Bau eines improvisierten Antennenmastes sowie Navigationsinstrumente und diverse Werkzeuge.

Mit dem Revolver gelang es, einen in die Nähe des Lagers gekommenen Eisbären zu erlegen und damit die Vorräte erheblich zu vergrößern. Mit Hilfe der Zündhölzer dienten die hölzernen Überreste der Gondel der Zubereitung warmer Mahlzeiten. Dennoch brachen zwei italienische Besatzungsmitglieder auf, um zu Fuß Hilfe zu suchen. Ihnen schloss sich – obschon leicht verletzt – der in seinem Land sehr populäre schwedische Ozeanologe Dr. Finn Malmgren an, weil er den Italienern ohne polarerfahrene Begleitung nur geringe Überlebenschancen einräumte. Er starb unter nicht ganz geklärten Umständen.

Zum Schlüssel der Rettung wurde jedoch der Radiosender. Er überstand den Absturz (im Gegensatz zur Filmdarstellung in Das rote Zelt, siehe unten) offenbar unbeschädigt. Während die Suche nach einem Echo des offiziellen Langwellensenders der Italia nach einiger Zeit als aussichtslos eingestellt wurde, begannen sich Radioamateure auf der ganzen Welt für die Wellenlänge 33 m zu interessieren, da Zeitungen über ein solches Notgerät an Bord des Luftschiffs berichtet hatten. Es war dann auch ein begeisterter Radioamateur, ein junger Lehrer aus Russland, der als erster die SOS-Signale der Gestrandeten empfing und so eine gezielte Suche ermöglichte.

Die Havarie löst eine große internationale Rettungsaktion aus, in deren Verlauf ihrerseits der berühmte norwegische Polarforscher Roald Amundsen ums Leben kam, der Nobiles erste Polarexpedition begleitet hatte. Dem schwedischen Oberleutnant Lundborg gelang es, mit einem Flugzeug in der Nähe des Zeltes zu landen. Es herrschten optimale Bedingungen und innerhalb von zwei Tagen wollte Lundborg alle retten. Von den Verletzten wurde aufgrund der nur geringen Nutzlast zunächst der zierliche Nobile ausgeflogen. Er sollte außerdem helfen, die Rettungsaktion von der schwedischen Hilfsbasis aus zu koordinieren. Beim zweiten Flug entledigte Lundborg seine Maschine überflüssigen Gewichts, um den ebenfalls verletzten, über 100 Kilogramm schweren Cecioni transportieren zu können, kam jedoch beim Landen nicht rechtzeitig zum Stillstand und havarierte am Ende der Piste. Nachdem der unverletzte Lundborg einige Tage später durch Landsleute ausgeflogen worden war, stellte Schweden seine Rettungsaktion ein. Die letzten Überlebenden der Italia wurden nach 49 Tagen auf dem Packeis vom sowjetischen Eisbrecher Krassin geborgen.

Trotz der besonderen Umstände der Rettungsaktion – selbst Cecioni ermunterte Nobile, als erster Lundborgs Flugzeug zu besteigen – wurde diesem später vorgeworfen, er habe sich als Kapitän frühzeitig anstatt zuletzt retten lassen und damit gegen eherne Grundsätze verstoßen.

Wissenschaftlich war die letzte Fahrt der Italia kein völliger Misserfolg. Einige Ergebnisse der Arbeiten vor dem Absturz konnten gerettet werden. Außerdem waren auch während des Ausharrens auf Rettung noch Experimente und Messungen durchgeführt worden.

Verfilmung

Das Italia-Unglück war u. a. Vorlage für den mit Sean Connery, Claudia Cardinale und Mario Adorf besetzten sowjetisch-italienischen Film Das rote Zelt (Krasnaya palatka – 1969).

Technische Daten

  • Länge: 104,00 m
  • Breite: 18,50 m
  • Höhe: 19,60 m
  • Volumen: 18.500 m³
  • Antrieb: 3 Maybach IV-L Luftschiffmotoren je 245 PS (Maybach-Motorenbau)
  • Marschgeschwindigkeit: 97 km/h
  • Höchstgeschwindigkeit: 117 km/h

Literatur

  • Franz [František] Běhounek: Sieben Wochen auf der Eisscholle. In: Arena-Sachbuchreihe Wissenschaft und Abenteuer. 1. Auflage. Band 7, Arena, Würzburg 1973 (Originaltitel: Trosečníci na kře ledové), ISBN 3-401-03651-3 (Lizenz des Brockhaus-Verlags, Wiesbaden; deutsche Erstausgabe 1929 bei F. A. Brockhaus, Leipzig).
  • Wilbur Cross: Tragödie am Pol. Schneekluth, München 2001 (Originaltitel: Disasters at the pole, übersetzt von Susanne Aeckerle), ISBN 3-7951-1769-0.
  • Ovidio Ferrante: SCA N4 Italia. In: Monografie Aeronautiche Italiane. Nr. 63, Rom 1985 (italienisch).
  • Ovidio Ferrante: Umberto Nobile. C. Tatangelo, Rom 1985, LCCN 87113823 - (Zwei Bände; italienisch).
  • Fergus Fleming: Neunzig Grad Nord. Der Traum vom Pol. Rogner und Bernhard bei Zweitausendeins, Hamburg 2003 (Originaltitel: Ninety degrees north, übersetzt von Michael Hein, Bernd Rullkötter), ISBN 3-8077-0172-9.
  • R. Samoilowitsch: S-O-S IN DER ARKTIS. Die Rettungsexpedition des Krassin. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Zweigniederlassung Berlin SW19/Abt. Luftfahrt Verlag GmbH, vor 1930.
  • Walter Erich Schäfer: Malmgreen. SÜRAG, Stuttgart 1929 (Hörspiel).

Weblinks


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