JSB

JSB
Johann Sebastian Bach im Jahre 1746, mit Rätselkanon. Ölgemälde von Elias Gottlob Haußmann
Bachs selbstentworfenes Siegel mit den ineinander verwobenen Anfangsbuchstaben seines Namens, JSB

Johann Sebastian Bach (* 21. Märzjul./ 31. März 1685greg. in Eisenach; † 28. Juli 1750 in Leipzig) war ein deutscher Komponist, Orgel- und Klaviervirtuose des Barock. Er ist heute einer der bekanntesten Tonschöpfer überhaupt, dessen Musik spätere Komponisten wesentlich beeinflusst hat und dessen Werke im Original und in zahllosen Bearbeitungen weltweit präsent sind.

Bach erlernte das Instrumentenspiel schon im Kindesalter bei seinem Vater, erweiterte seine Fertigkeiten später bei seinem Bruder in Ohrdruf sowie an der Michaelisschule in Lüneburg. Schon als er im Alter von 17 Jahren war, galt sein Spiel auf Tasteninstrumenten als virtuos.[1] Es folgten Anstellungen als Musiker an der Kapelle des Prinzen Johann Ernst und als Organist in Arnstadt, später in Mühlhausen. 1708 wurde Bach Hoforganist und Kammermusikus am Hof des Herzogs Wilhelm Ernst in Weimar, der ihn 1714 zum Konzertmeister ernannte. 1717 wechselte er als Kapellmeister an den Hof des musikalischen jungen Fürsten Leopold nach Köthen. Von 1723 bis zu seinem Tode war Bach als Thomaskantor und Musikdirektor in Leipzig tätig, wo er für die Musik in den vier Hauptkirchen der Stadt verantwortlich war. Ferner übernahm er 1729 die Leitung des Collegium Musicum der Stadt Leipzig. Seit 1736 trug er den Titel des Königlich Pohlnischen und Churfürstlich Sächsischen Hof-Compositeurs unter August III.

Einerseits wurde Johann Sebastian Bach zu seinen Lebzeiten innerhalb seines Wirkungsfeldes in erster Linie, jedoch nicht ausschließlich[2][3][4], als Virtuose, Organist und Orgelinspektor denn als Komponist hoch geschätzt, andererseits wiederum folgte schon kurz nach Bachs Tod eine Neuorientierung in der deutschen Musiktheorie, für die in erster Linie der dominierende Einfluss der Bach-Schule verantwortlich war.[5][6][7] Und spätestens seit dem 19. Jahrhundert erlebt sein Werk eine beispiellose Wiederentdeckung und Würdigung.

Bachs musikalisches Schaffen umfasst mit Ausnahme der Oper alle damals gebräuchlichen musikalischen Gattungen und enthält so bekannte und musikwissenschaftlich bedeutsame Werke[8] wie die Brandenburgischen Konzerte, die Orchestersuiten, das Wohltemperierte Klavier, die Goldberg-Variationen, die Chromatische Fantasie und Fuge, die h-Moll-Messe, die Matthäus- und Johannespassion, das Musikalische Opfer, Die Kunst der Fuge, Sonaten und Partiten für Violine Solo, Suiten für Violoncello Solo, über 200 überlieferte Kantaten und eine ähnlich große Zahl von Orgelwerken.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Eisenach

Johann Sebastian Bach stammt aus einer weitverzweigten lutherischen Musikerfamilie und war das jüngste von acht Kindern des Stadtpfeifers und Hoftrompeters Johann Ambrosius Bach und dessen Frau Elisabeth Bach, geborene Lämmerhirt.

Zur Geburt Bachs galt an seinem Geburtsort Eisenach noch der Julianische Kalender. So wird sein Geburtsdatum in der Regel mit dem örtlich gültigen Datum, dem 21. März 1685, angegeben, sein Todesdatum hingegen nach dem in Leipzig gültigen Gregorianischen Kalender. Gemäß Gregorianischem Kalender ist sein Geburtsdatum der 31. März.

Seine frühe Kindheit verbrachte er in Eisenach, wo er durch den Cousin seines Vaters, den Organisten der Eisenacher Georgenkirche, Johann Christoph Bach, auch erstmalig mit Kirchen- und Orgelmusik in Kontakt gelangte. Im Alter von acht Jahren kam Bach auf die Lateinschule des Eisenacher Dominikanerklosters.

Seine Mutter starb am 3. Mai 1694. Am 27. November 1694 heiratete sein Vater die Witwe Barbara Margaretha Bartholomäi, geborene Keul, starb aber nur wenige Monate danach, am 20. Februar 1695. Johann Sebastian zog mit seinem Bruder Johann Jacob zu seinem älteren Bruder Johann Christoph Bach (1671–1721) nach Ohrdruf.

Schulmatrikel des Lyzeums Ohrdruf. J. S. Bach ist der 4. Schüler in der zweiten Liste

Ohrdruf

Der vierzehn Jahre ältere Bruder Johann Christoph, Organist in Ohrdruf, übernahm seine weitere Erziehung und musikalische Ausbildung und vermittelte das Spielen auf den Tasteninstrumenten. Außerdem war Bach als Chorsänger tätig.

In Ohrdruf besuchte Johann Sebastian das Lyzeum bis zur Prima und bekam damit eine bessere Schulausbildung, als sie seine Vorväter vorweisen konnten. In der Secunda waren sein Vetter Johann Ernst Bach und sein lebenslanger Freund Georg Erdmann seine Mitschüler.

Lüneburg

Bach und Erdmann wurden in der Partikularschule des Lüneburger Michaelisklosters als Freischüler aufgenommen. Erstmals werden beide am 3. April 1700 bei der Verbuchung der Mettengeldzahlungen aufgeführt. Beide mussten kein Schulgeld zahlen, waren dafür aber verpflichtet, als Mettenchorsänger ihren Dienst zu tun.

Der Komponist Georg Böhm war zu dieser Zeit Organist an St. Johannis. Sein Einfluss auf Bachs frühe Orgelwerke und Klaviersuiten lässt sich bei stilkritischer Analyse vermuten, doch nicht belegen. Im Jahre 2006 im Altbestand der Weimarer Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek entdeckte Abschriften von Orgelwerken Dietrich Buxtehudes und Johann Adam Reinckens, des zu Bachs Zeit berühmten Organisten von St. Katharinen in Hamburg, legen allerdings nahe, dass der knapp 15-jährige Johann Sebastian Bach die Kopie der Choralfantasie Reinckens An Wasserflüssen Babylon für den Orgelunterricht bei Georg Böhm verfertigt hat. Sie ist von Bach mit einem Hinweis auf Böhm datiert: „â Dom. Georg: Böhme | descriptum aõ. 1700 | Lunaburgi:“.

Belegt ist eine Fußwanderung Bachs nach Hamburg zu Reincken, bei dem er sich im Orgelspiel weiterbildete. Der Nekrolog erwähnt, dass Bach in seiner Lüneburger Zeit die Gelegenheit hatte, „sich durch öftere Anhörung einer damals berühmten Capelle, welche der Hertzog von Zelle unterhielt, und die mehrenteils aus Frantzosen bestand, im Frantzösischen Geschmack […] fest zu setzen“. Diese „Capelle“ konnte Bach in der Lüneburger Residenz des Herzogs hören.

Zwischen Ostern 1702, als Bach seine Schulzeit in Lüneburg beendet hatte, und 1703 lassen sich Bachs Spuren nicht mehr genau verfolgen. Aus einem späteren Brief ergibt sich, dass er sich im Juli um die vakante Organistenstelle in Sangerhausen bewarb und beim dortigen Rat bevorzugter Kandidat war, dass sich aber Herzog Johann Georg von Sachsen-Weißenfels über dessen Votum hinwegsetzte.

Arnstadt

Bachkirche in Arnstadt
Autograph der Choralbearbeitung Wie schön leuchtet der Morgenstern BWV 739 aus Bachs Arnstädter Zeit
Herr Jesu Christ, dich zu uns wend, Orgelchoral Anhören

Spätestens ab März 1703 war Bach als Lakai und Violinist in der Privatkapelle des Mitregenten Johann Ernst von Sachsen-Weimar angestellt. Bei einer Orgelprobe am 17. März 1703 knüpfte Bach Kontakte zum Rat in Arnstadt. Am 9. August 1703 erhielt Bach ohne weiteres Probespiel seine Bestallung als Organist der Neuen Kirche in Arnstadt. Für ein ungewöhnlich hohes Gehalt von 50 Gulden und 30 Gulden für Kost und Logis war Bach an der Neuen Kirche offiziell zunächst nur für das Orgelspiel zuständig, später aber auch für das Zusammenarbeit mit dem Chor des Lyzeums verpflichtet.

Im Oktober 1705 erhielt er für eine Reise nach Lübeck zu Dietrich Buxtehude einen Urlaub über vier Wochen, den er allerdings eigenmächtig auf über drei Monate ausdehnte. Diese Reise zu Buxtehude bescherte Bach wertvolle musikalische Eindrücke. Buxtehudes Abendmusiken, Orgel- und Klavierwerke sowie dessen unvergleichliches Orgelspiel bildeten einen Ansporn für den jungen Organisten und Komponisten. Die ersten erhaltenen Orgel- und Klavierwerke Bachs lassen den Einfluss Buxtehudes erkennen. Dazu gehören Choralvorspiele wie beispielsweise Wie schön leuchtet der Morgenstern (BWV 739) und Präludien, Toccaten, Partiten und Phantasien.

Auf 1706 wird Bachs Capriccio sopra la lontananza del fratello dilettissimo datiert, das er zum Abschied von seinem Bruder Johann Jacob komponierte, der sich als Feldmusiker in der schwedischen Armee verdingt hatte.

In allen Biographien wird darüber berichtet, dass Bach mehrmals Konflikte mit dem Arnstädter Konsistorium hatte. Dies betraf sein Verhalten den Chormitgliedern gegenüber, seine Urlaubsübertretung und seine Art, Orgel zu spielen. So wurde er ermahnt, bei der Begleitung der Choräle im Gottesdienst die Gemeinde nicht durch befremdliche Zwischenspiele, Verzierungen und Modulationen zu verwirren. Der Enge dieser Verhältnisse hoffte Bach durch seinen Wechsel nach Mühlhausen zu entgehen.

Mühlhausen

Nachdem Bach am 24. April 1707 in Mühlhausen vorgespielt hatte, trat er dort an der Kirche Divi Blasii am 1. Juli seinen Dienst als Organist an. Sein Gehalt betrug 85 Gulden, dazu kamen Naturalien und Einkünfte aus den Nebenkirchen. Wie schon in Arnstadt fällt auf, dass er eine wesentlich höhere Bezahlung als sein Vorgänger und sein Nachfolger erzielte. Diese Verhältnisse erlaubten es ihm nun, eine Familie zu gründen. Am 17. Oktober 1707 heiratete er in Dornheim bei Arnstadt Maria Barbara Bach.

Bachs eigenhändiger Namenszug auf dem Deckblatt der Kantate Gott ist mein König, 1708. Er schreibt sich italienisch als Gio. Bast. Bach (= Giovanni Bastiano Bach)

Auftragsgemäß komponierte Bach zum Ratswechsel am 4. Februar 1708 die festliche Kantate Gott ist mein König (BWV 71), die als einzige aus dieser Zeit als Druck erhalten ist.

Im Juni 1708 reiste Bach im Zusammenhang mit dem Abschluss der Renovierungsarbeiten an der dortigen Orgel nach Weimar und spielte vor dem Herzog Wilhelm Ernst. Dieser bot ihm die Stelle als Hoforganist und Kammermusiker mit einem Gehalt von 150 Gulden zuzüglich Naturalien an. Ein großer Stadtbrand in Mühlhausen hatte zu einer Verteuerung der Lebenshaltungskosten geführt. Die Aussicht auf eine wesentlich bessere finanzielle Situation war offenbar ausschlaggebend dafür, dass Bach schon am 25. Juni 1708 – kaum ein Jahr nach seinem Amtsantritt – in Mühlhausen um seine Entlassung bat. Sein Nachfolger wurde Johann Friedrich Bach. Der Stadt Mühlhausen blieb Johann Sebastian Bach aber weiterhin verbunden. Jeweils für den Februar 1709 und 1710 bekam er Aufträge für Ratswechselkantaten, die ebenfalls auf Kosten des dortigen Rates gedruckt wurden, aber verschollen sind.

Weimar

Christian Richter (um 1660): Schlosskirche Weimar, Wirkungsstätte Bachs
Der Tag der ist so freudenreich, BWV 605, aus dem Orgelbüchlein, nicht später als 1713, obligate Pedalstimme im zweiten System, am unteren Rand Fortsetzung als Orgeltabulatur
Nun komm der Heyden Heyland, BWV 660a, abgeheftet in der Leipziger Handschrift, aber aus der Weimarer Zeit, kaum vor 1714, obligate Pedalstimme in eigenem, drittem System

Bach übersiedelte in der ersten Julihälfte 1708 mit seiner schwangeren Gattin nach Weimar. Am 29. Dezember desselben Jahres wurde das erste Kind, Catharina Dorothea, getauft. Während der Weimarer Zeit folgten noch fünf Kinder: Wilhelm Friedemann (* 22. November 1710), die Zwillinge Maria Sophia und Johann Christoph (* 23. Februar 1713, beide starben bald darauf), Carl Philipp Emanuel (* 8. März 1714) und Johann Gottfried Bernhard (* 11. Mai 1715).

Verbuchung der Gehaltszahlungen in Weimar: „Dem Laqueÿ Baachen“

Ein Großteil von Bachs Orgelwerk entstand während der Weimarer Zeit, darunter seine Passacaglia c-Moll und zahlreiche Toccaten, Präludien und Fugen. Hier begann er sein Orgelbüchlein, das als Sammlung von 164 Choralvorspielen angelegt war, von denen er aber nur 44 vollendete.

Am 21. und 22. Februar 1713 befand sich Bach in Weißenfels anlässlich der Feierlichkeiten zum Geburtstag des Herzogs Christian von Sachsen-Weißenfels. Möglicherweise wurde dort die Jagdkantate BWV 208 aufgeführt, Bachs früheste bekannte weltliche Kantate. Kirchenkantaten sind aus der früheren Weimarer Zeit nur wenige überliefert.

Gegen Ende des Jahres 1713 wurde Bach nach der Aufführung einer Probekantate die Organistenstelle an der Liebfrauenkirche in Halle angeboten. Der Grund für Bachs Interesse an der Stelle ist nicht bekannt. Er erhielt am 14. Dezember seine Bestallung vom Kirchenkollegium, zögerte aber mit der Vertragsunterzeichnung und schickte erst am 19. März 1714 eine endgültige Absage mit der Begründung, dass die Besoldung nicht seiner Erwartung entspräche.

J. E. Rentsch der Ältere: Bach (?) als Konzertmeister in Weimar, 1715

Am 2. März 1714 wurde Bach in Weimar zum Konzertmeister ernannt. Obwohl er in der Hierarchie immer noch unter dem Kapell- und dem Vizekapellmeister stand, bekam er mit 250 Gulden ein erheblich höheres Gehalt als beide.

Mit dem neuen Amt war die Pflicht verbunden, alle vier Wochen eine Kirchenkantate auf den jeweiligen Sonntag zu komponieren. Als erste erklang am 25. März (Palmsonntag und gleichzeitig Mariä Verkündigung) die Kantate Himmelskönig, sei willkommen (BWV 182). Ihr folgten in regelmäßigen Abständen noch mindestens 20 weitere Werke, die den Grundstock der späteren Leipziger Kantatenjahrgänge bildeten.

Über das Instrumentalrepertoire, das Bach mit der Weimarer Hofkapelle pflegte, ist nahezu nichts bekannt; alle Unterlagen und Noten wurden 1774 beim Brand der Wilhelmsburg vernichtet.

Wichtig für Bach waren offenbar auch seine Beziehungen zum Dresdner Musikdirektor Johann Georg Pisendel (1687–1755). Stilkritische Vergleiche von Bachs und Pisendels Solowerken für Violine legen nahe, Pisendel habe Bach zur Komposition der 6 Sonaten und Partiten angeregt. Bereits 1709 hatten Bach und Pisendel einige Zeit miteinander in Weimar verbracht und seither Kompositionen ausgetauscht. Durch Pisendel, der kurzzeitig ein Schüler Antonio Vivaldis war, wurden Bach möglicherweise Vivaldis Kompositionen vermittelt.

Anlässlich der Hochzeit seines Dienstherrn Ernst August in Nienburg am 24. Januar 1716 lernte er erstmals dessen Schwager, den dortigen jungen Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen, kennen. Als im folgenden Jahre der bisherige Hofkapellmeister Augustin Reinhard Stricker seinen Posten verließ, unterschrieb Bach bereits am 5. August 1717 den Vertrag als sein Amtsnachfolger in Köthen, ohne jedoch vorher um seine Entlassung in Weimar gebeten zu haben. Als er dies nachholen wollte, erhielt er seine Demission nicht, sondern wurde am 6. November wegen seiner „Halßstarrigen Bezeügung“ in der Landrichterstube in Haft genommen. Am 2. Dezember wurde er aus Haft und Dienstverhältnis in Ungnade entlassen. So konnte er erst im Dezember 1717 seine neue Stelle antreten.

Das Fürstliche Residenzschloss zu Köthen

Köthen

In Köthen trug Bach die Titel Kapellmeister und Director derer Cammer-Musiquen. Er schätzte den musikalischen jungen Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen, der oft als Violinist im Orchester mitwirkte, und stand ihm offenbar auch persönlich nahe, was man daran sieht, dass sowohl Leopold als auch seine Geschwister August Ludwig und Eleonore Wilhelmine Taufpaten von Bachs am 15. November 1718 geborenem Sohn Leopold August waren.

Bach konnte in Köthen für eine hervorragende Kapelle komponieren. Fürst Leopold hatte bis zu 17 Musiker angestellt, die zum Teil aus der 1713 aufgelösten Kapelle des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. stammten. Acht der Instrumentalisten, unter ihnen Christian Ferdinand Abel, hatten Solistenqualität und den Rang des Cammermusicus. Der Fürst stattete seine Kapelle mit guten Instrumenten aus und schickte Bach zum Kauf eines neuen Cembalos 1719 nach Berlin. Dort konnte Bach den kunstliebenden Markgrafen Christian Ludwig (1677–1734) kennen lernen. Für ihn stellte er 1721 ältere und neuere Instrumentalsätze als Six Concerts Avec plusieures Instruments zusammen, die deshalb später Brandenburgische Konzerte genannt wurden (BWV 1046–1051).

Clavier-Büchlein vor Anna Magdalena Bachin Anno 1722, Deckblatt
Sonata 1ma á Violino Solo senza Baßo di JSBach: Adagio; Autograph 1720

Als Bach 1720 nach einer zweimonatigen Reise des Hofs aus Karlsbad zurückkehrte, musste er erfahren, dass seine Gattin Maria Barbara nach kurzer Krankheit gestorben und schon am 7. Juli bestattet worden war. Am 3. Dezember 1721 heiratete er Anna Magdalena, die jüngste Tochter des fürstlichen Hof- und Feldtrompeters zu Sachsen-Weißenfels Johann Kaspar Wilcke, die 1720 als Sopranistin an den Köthener Hof gekommen war.

Auch dieser zweiten Ehe entstammen zahlreiche Kinder, von denen die meisten aber schon im Kindesalter starben: Christiana Sophia Henrietta (* Frühjahr 1723; † 29. Juni 1726), Gottfried Heinrich (* 26. Februar 1724), Christian Gottlieb (getauft 14. April 1725; † 21. September 1728), Elisabeth Juliana Friederica (getauft 5. April 1726), Ernestus Andreas (* 30. Oktober 1727; † 1. November 1727), Regina Johanna (10. Oktober 1728; † 25. April 1733), Christiana Benedicta (* 1. Januar 1730; † 4. Januar), Christiana Dorothea (* 18. März 1731; † 1732), Johann Christoph Friedrich (* 21. Juni 1732), Johann August Abraham (* 5. November 1733; † 6. November 1733), Johann Christian (* 5. September 1735), Johanna Carolina (getauft 30. Oktober 1737), Regina Susanna (getauft 22. Februar 1742).

Als Beitrag zur musikalischen Erziehung seiner Kinder hatte Bach am 22. Januar 1720 das Clavierbüchlein für den ältesten Sohn Wilhelm Friedemann begonnen, das unter anderem die zweistimmigen Inventionen und dreistimmigen Sinfonien enthält. Das 1722 angelegte Clavierbüchlein vor Anna Magdalena Bachin enthält die Frühfassungen der Französischen Suiten. Neben dem Wohltemperierten Klavier und den sechs Violinpartiten und -sonaten sind dies die mit Sicherheit auf die Köthener Zeit datierbaren autografen Instrumentalkompositionen.

Daneben sind noch einige Geburtstags- und Neujahrskantaten überliefert. Es gilt als sicher, dass Bach für den Hof eine beträchtliche Zahl an Konzerten und anderen Instrumentalkompositionen geschrieben haben muss, die aber weitgehend verschollen oder aber in späteren Bearbeitungen als Cembalokonzerte oder Kantatensätze erhalten sind.

Aus unbekannten Gründen schien sich Fürst Leopold in der Folgezeit von Bachs Ensemblemusik immer mehr abzuwenden, was diesen veranlasste, sich nach neuen Stellen umzusehen.

Im September 1720 wurde die Organistenstelle zu St. Jacobi in Hamburg frei, um die sich Bach bewarb. Er wurde vom Hamburger Rat zum Probespiel zugelassen, sagte aber dann doch ab, wahrscheinlich weil die Übernahme der Stelle mit einer beträchtlichen Kaufsumme verknüpft war.

Möglicherweise ist die Widmung der Brandenburgischen Konzerte vom 24. März 1721 für den Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg ebenfalls im Zusammenhang mit Bachs Suche nach einer neuen Stelle zu sehen.

Durch den Tod Johann Kuhnaus am 5. Juni 1722 wurde in Leipzig die Stelle des Thomaskantors frei. Nach einem ersten Probespiel am 14. Juli wurde von den Bewerbern, zu denen Johann Friedrich Fasch (Kapellmeister am Hofe zu Anhalt-Zerbst) und Christian Friedrich Rolle (Musikdirektor in Magdeburg) zählten, Georg Philipp Telemann gewählt. Da Telemann aufgrund einer Gehaltserhöhung in Hamburg blieb, wurde eine zweite Kantoratsprobe anberaumt, bei der neben Bach Georg Friedrich Kauffmann aus Merseburg, der freiwillig zurücktrat, Johann Christoph Graupner (Kapellmeister in Darmstadt) und Balthasar Schott (Organist an der Neuen Kirche zu Leipzig) kandidierten.

Bach führte am 7. Februar 1723 als Probestück die Kantaten Jesus nahm zu sich die Zwölfe, BWV 22, und Du wahrer Gott und Davids Sohn, BWV 23, auf. Gewählt wurde Graupner, der aber ablehnen musste, weil ihm vom hessischen Landgrafen die Entlassung verweigert wurde. Somit wurde Bach „als dritte Wahl“ Thomaskantor, ein Amt, das er bis zu seinem Tode behielt.

Den Titel eines Fürstlich Köthenischen Kapellmeisters durfte Bach weiter führen, und er lieferte noch bis zum Tod Leopolds (1728) Musik zu den Festtagen des Fürstenhauses.

Leipzig

Fotografie der Thomasschule in Leipzig von 1902. Bachs Familie wohnte im linken Drittel des Hauses

Ende Mai 1723 nahm Bach seinen Dienst in Leipzig auf. Als Kantor und Musikdirektor war er für die Musik in den vier Hauptkirchen der Stadt verantwortlich. Dazu zählte die Vorbereitung einer Kantatenaufführung an jedem Sonntag und an den Feiertagen. Außerdem unterlag ihm der Musikunterricht in der Thomasschule. Die Internatsschüler waren verpflichtet, als Chorsänger die Gottesdienste mitzugestalten. Sein Deputat als Lateinlehrer, das mit seiner Stelle traditionell verbunden war, übertrug er gegen eine Geldzahlung einem Lehrer der Schule.

Musik für die Kirche

Gleich nach seiner Ankunft fing Bach an, Kantaten für die jeweils anstehenden Aufführungen zu komponieren oder zu überarbeiten. Bei dieser systematischen Arbeit muss in den ersten beiden Jahren im Schnitt ungefähr ein Werk pro Woche entstanden sein, danach verlangsamte sich das Tempo. Insgesamt sind zwei vollständige Jahrgänge überliefert, der Nekrolog berichtet von drei weiteren (siehe Bachkantate). Insgesamt sollen in dieser Zeit ca. 300 Kantaten entstanden sein.

Für Weihnachten 1723 schrieb Bach die zweite Fassung des Magnificat in Es-Dur mit den weihnachtlichen Einlagesätzen (die erste Fassung erklang ohne die später erstellten Einlagesätze schon am 2. Juli 1723 zu Mariae Heimsuchung), für den Karfreitag 1724 sein bis dahin umfassendstes Werk, die Johannespassion, für Weihnachten 1724 ein Sanctus. Wohl Anfang 1725 begegnete Bach dem Textdichter Christian Friedrich Henrici alias Picander, der schließlich den Text für die Matthäuspassion lieferte, die 1727 oder 1729 uraufgeführt wurde.

Die Aufführungsbedingungen hatten sich in diesen ersten Leipziger Jahren insgesamt verschlechtert. Bach sah sich daher gezwungen, in einer Eingabe an den Rat der Stadt Leipzig vom 23. August 1730 seine Vorstellungen von der vokalen und instrumentalen Ausstattung einer „wohlbestallten Kirchen Music“ zu dokumentieren. Dieser „höchstnöthige Entwurff“ ist heute eine wichtige Quelle für die historische Aufführungspraxis seiner Werke.

Bach bemühte sich in dieser Zeit, den Titel eines Hofkompositeurs in Dresden zugesprochen zu bekommen, da er unzufrieden war mit der Bezahlung, den hohen Lebenshaltungskosten und der Leipziger Obrigkeit, die Bachs Schaffen nicht in Bachs Sinn förderte, wie sich einem Brief von 1730 an seinen Jugendfreund Georg Erdmann entnehmen lässt.[9]

Weltliche Musik

Zimmermannisches Caffee-Hauß (rechts), Ort der Musikalischen Concerten, oder Zusammenkünffte

1729 übernahm Bach die Leitung des 1701 von Telemann gegründeten Collegium musicum, die er bis 1741, vielleicht sogar bis 1746, behielt. Mit diesem studentischen Ensemble führte er deutsche und italienische Instrumental- und Vokalmusik auf, außerdem schrieb er dafür etliche seiner weltlichen Kantaten, wie z. B. Hercules am Scheidewege, die er „Dramma per la Musica“ oder „Dramma per Musica“ nannte und die strukturell der Oper nahestehen. In der Bauernkantate und der Kaffeekantate zeigt sich, dass er auch im humoristischen Genre schreiben konnte. Letztere wurde höchstwahrscheinlich im Zimmermannischen Caffee-Hauß aufgeführt, in dem er mit dem Collegium musicum konzertierte. Wöchentlich einmal, während der Leipziger Messe sogar zweimal, wurden hier oder im dazugehörigen Kaffehausgarten abends solche „Musikalischen Concerten, oder Zusammenkünffte“ abgehalten. Sie gelten als Nachweis des erwachenden bürgerlichen Verlangens nach hochstehender musikalischer Unterhaltung in Leipzig.

Dem dienten auch die vielen Cembalokonzerte für bis zu vier Solisten, die zum größten Teil als neue Arrangements meist eigener Violin- oder Oboenkonzerte und Instrumentalsätze aus Kantaten, aber auch aus fremden Vorlagen (z. B. Vivaldi) entstanden. Als Solisten standen neben Bach selbst seine Söhne und Schüler zur Verfügung.

In seiner gesamten Leipziger Zeit war Bach ein gesuchter Lehrer. Oft lebten die Schüler in seinem Haushalt. Ziel des Unterrichts war es, Musiker heranzubilden, die als Instrumentalisten und Komponisten den vielfältigen Aufgaben bei Hof, in der Kirche und im beginnenden bürgerlichen Musikleben gewachsen waren. Bachs Unterricht trug vor allem bei seinen Söhnen reiche Früchte. Für diesen Unterricht verwendete Bach ältere und neuere eigene Kompositionen. Viele davon fasste er zusammen und veröffentlichte sie als Clavierübung I, II, III und IV.

Das Apelische Haus

Bereits in Weimar und in Köthen hatte Bach Huldigungskantaten für die Fürstenhäuser in Weimar, Weißenfels und Köthen sowie Festmusiken in Form von Kantaten zu verschiedenen Anlässen komponiert. In Leipzig entstanden weitere derartige Werke, wobei Bach häufig ältere Vorlagen verarbeitete. Die Festmusiken und Huldigungskantaten galten dem Umkreis der Universität, den Kurfürsten von Sachsen, sonstigen Adligen und reichen Bürgern.

Diese Kantaten wurden meist im Freien aufgeführt und mussten daher in Chor und Instrumentalkapelle stark besetzt sein. Das war vor allem gewährleistet, nachdem Bach das Collegium musicum übernommen hatte. Zur Verstärkung standen ihm die Musiker der musicalischen Stadt Compagnie zur Verfügung.

Etliche seiner Huldigungskantaten arbeitete Bach kurz nach ihrer Entstehung in geistliche Werke um. Diesem Parodieverfahren ist das Weihnachtsoratorium von 1734/1735 zu verdanken, das Himmelfahrtsoratorium von 1735 und das Osteroratorium. Durch Parodierung geistlicher Kantaten entstanden die sogenannten Lutherischen Messen, ebenso die Urfassung der h-Moll-Messe von 1733 (die sogenannte Missa), die nur das Kyrie und das Gloria umfasste. Nach Einreichung dieses Werks beim kurfürstlichen Hof in Dresden erhielt Bach am 19. November 1736 die ersehnte Nachricht, sich Compositeur bey Dero Hoff-Capelle nennen zu dürfen, allerdings nicht den erhofften Ruf, fortan in der Residenzstadt Dresden zu wohnen und zu wirken.

Die letzten Jahre

Autograph des Endes der unvollendeten letzten Fuge aus der Kunst der Fuge mit C. Ph. E. Bachs Zusatz: „NB ueber dieser Fuge, wo der Nahme BACH im Contrasubject angebracht worden, ist der Verfaßer gestorben.“

In den 1740er Jahren scheint sich Bach weitgehend von Neukompositionen für die Kirche und für das Collegium musicum zurückgezogen haben.

Im Mai 1747 besuchte er auf Einladung Friedrichs des Großen, in dessen Hofkapelle Carl Philipp Emanuel Bach angestellt war, Potsdam und Berlin und improvisierte auf den dortigen Pianoforti und Orgeln. Er versprach, ein ihm vom König vorgegebenes Thema in einer Fuge auszuführen und in Kupfer zu stechen. Aus diesem Versprechen wurde das Musikalische Opfer, eine Sammlung von zwei Fugen (drei- und sechsstimmig), zehn Kanons und einer Triosonate, alle über das gleiche Thema.

Einige canonische Verænderungen über das Weynacht-Lied: Vom Himmel hoch da komme ich her vor die Orgel mit 2. Clavieren und dem Pedal lautet der Titel eines Variationenwerkes, das Bach zu seinem Eintritt 1747 in die von Lorenz Christoph Mizler gegründete Correspondierende Societæt der musikalischen Wissenschaften einreichte. Es gilt als bedeutendes kontrapunktisches Spätwerk Bachs.

Ein weiterer kontrapunktischer Werkzyklus ist die Kunst der Fuge, deren erste Reinschrift Bach 1742 abschloss, die er aber danach bis 1749 umfassend ergänzte und überarbeitete. Die Sammlung von einfachen Fugen, Gegenfugen, Spiegelfugen, Fugen mit mehreren Themen und Kanons stellt ein Kompendium der Techniken der Fugenkomposition dar.

Ebenfalls in Bachs letzte Jahre fällt die Vollendung der h-Moll-Messe unter Verwendung der Missa von 1733, des Sanctus von 1724 und anderer älterer Kompositionen.

Abkündigung vom 31. Juli 1750

In seinen letzten Jahren litt Bach an einer Augenkrankheit. Auch über motorische Störungen im rechten Arm und damit in der Schreibhand wird berichtet. Ab 1749 sind keine eigenhändigen Schriftstücke von ihm mehr erhalten. Die letzte bekannte Unterschrift stammt vom 6. Mai 1749. Seine Frau Anna Magdalena oder sein Sohn Johann Christian unterschrieben für ihn seitdem alle Dokumente. Das von Natur aus schlechte Sehvermögen ließ so stark nach, dass sich Bach von dem schon damals umstrittenen Okulisten (Starstecher) John Taylor operieren ließ, der vom 4. bis zum 7. April 1750 in Leipzig weilte. Komplikationen erforderten eine Nachoperation. Kurzzeitig konnte Bach wieder sehen, ihn traf aber einige Tage vor seinem Tod ein Schlaganfall. Bach starb am 28. Juli 1750.

Im hauptsächlich von Carl Philipp Emanuel Bach und Johann Friedrich Agricola verfassten, 1751 fertiggestellten und 1754 veröffentlichten Nekrolog heißt es zu Bachs Krankheit und Tod:

„Sein von Natur etwas blödes Gesicht,[10] welches durch seinen unerhörten Eifer in seinem Studieren […] noch mehr geschwächt worden, brachte ihm, in seinen letzten Jahren, eine Augenkrankheit zu Wege. Er wollte dieselbe […] durch eine Operation heben lassen. Doch diese […] lief sehr schlecht ab. Er konnte nicht nur sein Gesicht nicht wieder brauchen; sondern sein, im übrigen gesunder Cörper, wurde auch zugleich dadurch, und durch hinzugefügte Medicamente, und Nebendinge, gäntzlich über den Haufen geworfen: so daß er darauf ein völliges halbes Jahr lang, fast immer kränklich war. Zehn Tage vor seinem Tod schien es sich gähling mit seinen Augen zu bessern: so daß er einsmals des Morgens ganz gut wieder sehen, und auch das Licht wieder vertragen konnte. Allein wenige Stunden darauf, wurde er von einem Schlagflusse überfallen; auf diesen folgte ein hitziges Fieber, an welchem er […] am 28. Julius 1750, des Abends nach einem Viertel auf 9 Uhr, im sechs und sechzigsten Jahre seines Alters, auf das Verdienst seines Erlösers sanft und seelig verschied.““

Die neuere Bachforschung hält es allerdings auch für möglich, dass eine zunehmende Zuckererkrankung die Ursache für Bachs nachlassendes Sehvermögen und den Schlaganfall war.

Nach zweimaliger Umbettung befindet sich sein Grab heute in der Leipziger Thomaskirche.

Wohnorte von J. S. Bach

  

Musikalisches Schaffen

Überblick

Bach – ein Autodidakt im Komponieren

Glaubt man Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel Bach, dann betrachtete sich Bach im Komponieren als Autodidakt. Es gab keinen verbürgten Kompositionsunterricht. Die Unterweisung bei seinem Bruder in Ohrdruf „mag wohl einen Organisten zum Vorwurf gehabt haben u. weiter nichts“ (C. Ph. E. Bach 1775). Später wäre Bachs Aufenthalt bei Buxtehude eine mehrmonatige Gelegenheit gewesen, unterrichtet zu werden, doch gibt es dazu keinerlei Belege.

Dass Bach als Autodidakt zum bedeutenden Komponisten reifte, war möglich, weil er von Jugend auf die Werke der unterschiedlichsten Komponisten durchstudierte und aus ihnen lernte. Das geschah durch Hören, Lesen, Abschreiben, Transkribieren, Bearbeiten und Nachahmen der Musik sowie durch die Übernahme von kompositorischen Mitteln, Formen und Gattungen. Nochmals C. Ph. E. Bach dazu:

„Der seelige hat durch eigene Zusätze seinen Geschmack gebildet. […] Blos eigenes Nachsinnen hat ihn schon in seiner Jugend zum reinen u. starcken Fughisten gemacht. […] Durch die Aufführung sehr vieler starcken Musiken, […] ohne systematisches Studium der Phonurgie hat er das arrangement des Orchesters gelernt.“

In Bachs vielfältigem Werk treffen sich Einflüsse aus der Musik Mittel-, Nord- und Süddeutschlands bzw. Österreichs sowie Frankreichs und Italiens. Zu beachten ist dabei, dass sich die regionalen Traditionen gegenseitig beeinflusst haben. So enthalten die deutschen Traditionen auch italienische und französische Überlieferungen und Stilmittel. Daher sind manche Kompositionen nicht eindeutig zuzuordnen.

Kenntnis vom musikalischen Einfluss auf Bach verschaffen unter anderem:

  • Bachs Abschriften und Erwerbungen von Werken anderer Komponisten
  • Bachs Transkriptionen und Bearbeitungen
  • schriftliche und mündliche Erwähnungen durch Bach und seinen Umkreis
  • Berichte und Rezensionen des 18. Jahrhunderts
  • stilkritische Untersuchungen der Musikwissenschaft der Werke Bachs und seiner Schüler

Mitteldeutsche Einflüsse durch:

Johann Christoph Bach I, Johann Pachelbel, Johann Kuhnau, Johann Ludwig Bach, Johann Gottfried Walther, Johann Georg Pisendel, Silvius Leopold Weiss, Johann Friedrich Fasch

Norddeutsche Einflüsse durch:

Johann Adam Reincken, Dietrich Buxtehude, Nicolaus Bruhns, Georg Böhm

Süddeutsch-österreichische Einflüsse durch:

Johann Jakob Froberger, Johann Caspar Kerll, Johann Caspar Ferdinand Fischer, Johann Joseph Fux

Italienische Einflüsse durch:

Giovanni Pierluigi da Palestrina, Girolamo Frescobaldi, Arcangelo Corelli, Giovanni Legrenzi, Giovanni Bassani, Giuseppe Torelli, Alessandro Marcello, Tomaso Giovanni Albinoni, Antonio Vivaldi, Benedetto Marcello, Nicola Antonio Porpora, Francesco Durante, Giovanni Alberto Ristori, Giovanni Battista Pergolesi

Französische Einflüsse durch:

André Raison, François Dieupart, François Couperin, Louis Marchand, Nicolas de Grigny

Manche berühmte Musiker, die Bach teilweise persönlich kannte, sind nicht eindeutig zuzuordnen. Sie hatten selbst unterschiedlichste Musik verarbeitet und Bach mit ihren Werken beeinflusst, so etwa Jan Dismas Zelenka, Johann Mattheson, Georg Philipp Telemann, Reinhard Keiser und Georg Friedrich Händel.

Ob Bach auch Anregungen seiner Söhne Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel aufnahm, ist nicht gesichert, aber zu vermuten. Dass manche Kompositionen der beiden ältesten Bachsöhne als Werke des Vaters galten und umgekehrt, deutet darauf hin.

Die musikalischen Gattungen

Bach eignete sich bei seiner Arbeit an den verschiedenen Wirkungsstätten unter dem Einfluss der oben genannten Komponisten nach und nach die unterschiedlichsten Gattungen, Kompositionsstile und Musizierweisen an. Diesem Ziel galten auch einige von Bachs Reisen.

Mit Ausnahme der Oper komponierte Bach Werke in allen zu seiner Zeit verbreiteten musikalischen Gattungen:

Vokalmusik

  • Geistliche Kantate und weltliche Kantate: Concerto, Cantata, Serenata, Dramma per Musica
  • Motette, Messe, Magnificat, Passion, Oratorium
  • Choral, Geistliches Lied

Instrumentalmusik

  • Orgelmusik: Präludium und Fuge, Fantasie, Toccata, Passacaglia, Triosonate, Orgelchoral, Choralvorspiel, Choralbearbeitung, Choralpartita, Choralvariationen, Concerto [Bearbeitungen]
  • Klaviermusik: Invention, Duett, Sinfonie, Suite, Partita, Concerto, Fantasie, Ouverture, Thema mit Variationen, Präludium und Fuge, Fantasie und Fuge, Toccata, Sonate, Klavierkonzert für 1, 2, 3 und 4 Solisten
  • Lautenmusik: Suite, Präludium, Fuge
  • Kammermusik: Triosonate mit Basso Continuo, Solosonate mit obligatem Cembalo, Sonate und Partita für ein Soloinstrument senza basso
  • Orchestermusik: Concerto (mit bis zu 4 Solostimmen), Ouverture (Orchestersuite)
  • Ohne feste instrumentale Besetzung: Kanon, Fuge

Der „Clavier“-Komponist, „Harmonist“, Kontrapunktiker und Komponist funktionaler Musik

Bachs Werke sind großenteils funktional gebunden, beispielsweise als Kantoren- und Organistenmusik für die Kirche, Instrumentalmusik für den Hof und das Bürgertum oder Lehrwerke für den Unterricht.

Einige Werke überschreiten den tradierten Formenkanon weit. Das ist vor allem der Fall bei den vom überragenden eigenen instrumentalen Können geprägten Orgel- und Klavierwerken und bei den großen kontrapunktischen Sammelwerken.

Bach galt den Zeitgenossen zurecht als bedeutender „Harmonist“, der die Möglichkeiten der Tonarten und deren Eigenschaften durch den gesamten Quintenzirkel ausschöpfte wie vor ihm keiner. Kritik erfuhr er wegen der Nähe seiner vokalen Kirchenmusik zur Oper und – nur scheinbar im Widerspruch dazu  – wegen der Textbehandlung und instrumentalen Stimmführung der vokalen Solopartien.

Die Fülle der vokalen Kirchenmusik

Von Bach sind rund 200 Kirchenkantaten überliefert. In seinen Kantaten und Passionen griff Bach häufig auf populäre Choräle des evangelischen Kirchengesangbuches zurück. Eine größere Anzahl seiner Werke, vor allem aus der frühen Schaffenszeit, gilt als verschollen.

Bach schrieb wahrscheinlich fünf Passionen, erhalten sind aber nur die Johannes- und Matthäuspassion. Verschollen sind wahrscheinlich eine Lukaspassion und eine Markuspassion. Das fünfte Werk dürfte eine einchörige Variante der Matthäus-Passion sein.

Besonders bekannte Werke

Bach-Werke-Verzeichnisse

Johann Sebastian Bachs musikalische Werke sind in Wolfgang SchmiedersBach-Werke-Verzeichnis“ (BWV) katalogisiert. Ein neueres, aber weniger gebräuchliches Verzeichnis ist das „Bach-Compendium“ der Musikwissenschaftler Hans-Joachim Schulze und Christoph Wolff.

Bach und der Begriff »musicalische Wissenschaft« 

Bach sah sich selbst in erster Linie als Musikgelehrten, der Werke musikalischer Wissenschaft erstellte. Den Kernpunkt der musikalischen Wissenschaft bildet in Bachs Verständnis das alte Aristotelische Prinzip der Kunst als Nachahmerin der Natur: ars imitatur naturam. Für Bach lag die Kunst zwischen der realen Welt - der Natur - und Gott, der diese reale Welt ordnete. Folglich nimmt die musikalische Ordnung - harmonia in der Terminologie der Bach-Zeit - Bezug auf die Ordnung der Natur und ihren göttlichen Ursprung. Der »Traum von der Einheit der Wissenschaften« reizte Bach nicht weniger als die führenden Köpfe und Denker seiner Zeit, und so folgte er seinem eigenen empirischen Weg, indem er die »verstecktesten Geheimnisse der Harmonie in die künstlichste Ausübung« brachte, indem er die bis dahin bekannten Grenzen der Komposition und der musikalischen Darstellung im Ausmaß und im Detail aufhob und erweiterte.[11]

Im Jahre 1750 zieht Johann Friedrich Agricola in einem Brief eine Parallele zwischen Bach und Newton, in welchem er betont, dass Bachs Musik am besten von Musikkennern geschätzt werden könne und äußerte: „Nicht alle Gelehrte sind vermögend einen Neuton zu verstehen; aber diejenigen, die es in den tiefsinnigen Wissenschaften so weit gebracht haben, daß sie ihn verstehen können, finden hingegen ein desto größeres Vergnügen und einen wahren Nutzen, wenn sie seine Schriften lesen.“

Bedeutung

Zu seinen Lebzeiten fand Bachs kompositorisches Schaffen nur eingeschränkt Beachtung, verglichen etwa mit dem seiner Zeitgenossen Georg Friedrich Händel oder Georg Philipp Telemann. Europaweit bekannt war Bach zu Lebzeiten vor allem als Organist und Cembalovirtuose sowie als Meister der Improvisation (siehe auch Musikalisches Opfer). Ferner hatte er einen ausgezeichneten Ruf als Orgelgutachter. Daneben beherrschte Bach, wie viele damalige Musiker, auch die Violine und leitete Aufführungen seiner Werke häufig von der Bratsche aus.

Die weite Verbreitung und Rezeption von Bachs Werken nahm ihren Anfang in der Wiederaufführung der bis dahin nur in Einzelteilen bekannten Matthäuspassion durch Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahre 1829 und wurde gefördert durch die erste Gesamtausgabe seiner Werke (1851–1899), an der Johannes Brahms mitwirkte. Sowohl Mendelssohn als auch Brahms trugen zudem Bach'sche Klavierwerke öffentlich vor. Philipp Spittas zweibändige Biografie (1873–1879) machte das erst im 19. Jahrhundert so richtig entstehende Konzertpublikum erstmals umfänglich mit J. S. Bachs Leben und Wirken bekannt. Im Laufe des späten 19. und des 20. Jahrhunderts wurde Bach für Pianisten und Klavierschüler wieder, was er schon für Ludwig van Beethoven und Robert Schumann gewesen war: ein stetes musikalisches Lebenselixier. Die Pflege von J. S. Bachs Kirchenmusik wurde vor allem von seinen Nachfolgern im Amt des Thomaskantors in Leipzig vorangebracht. Im 20. Jahrhundert nahmen sich die großen Sinfonieorchester und ihre berühmten Dirigenten sowie namhafte Solisten immer mehr des Instrumentalwerkes an.

Bei Berufsmusikern und Komponisten war Bach nie aus dem Gedächtnis geschwunden. Haydn, Mozart und Beethoven kannten, schätzten und lernten viel aus seinem Werk und ließen sich von ihm inspirieren. Das Wohltemperierte Klavier war in Abschriften weit verbreitet und geschätzt, wenn auch nicht gedruckt erhältlich. Auch andere (musikdidaktische) Werke waren weitverbreitet. Seine Violinsonaten galten bei Violinisten stets als Maß der Dinge.

Bachs heutige Berühmtheit hat ihre Wurzeln zum einen in der Tatsache, dass seine Werke (zusammen mit denen von Heinrich Schütz und Georg Friedrich Händels Opern und Oratorien) die einzigen aus der Barockzeit waren, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in großem Umfang überliefert und bekannt waren. Zum anderen übte seine konsequente Anwendung des Kontrapunktes, verbunden mit der Affektwirkung seiner Melodik und der kühnen Harmonik, auf spätere Komponisten eine große Wirkung aus. Seit dem 19. Jahrhundert schätzen kirchliche Kreise Bachs geistliche Musik vor allem wegen ihrer starken Religiosität.

Einfluss auf Musiktheorie, Spieltechnik und Instrumentenbau

Eine Liste von Bachs wichtigsten Leistungen innerhalb der musikalischen Wissenschaft:[12]

Neben seiner Wirkung als Musiker und Komponist hatte Bach auch Einfluss auf die praxisbezogene Musiktheorie, die später vor allem in den Schriften Johann Philipp Kirnbergers erfasst wurde. Vermutlich angeregt durch die verschiedenen Temperierungen von Andreas Werckmeister komponierte Bach sein Wohltemperiertes Klavier, dessen Popularität später der wohltemperierten Stimmung zum Durchbruch verhalf. Bach ging es darin – wie es Kirnberger beschrieben hat – unter anderem darum, die von der Temperierung abhängige Vielfalt tonartbezogener Affekte darzustellen und zu lehren.

Siehe auch: Kirnberger-Stimmung und Die Kunst des reinen Satzes in der Musik

Daneben wird Bach häufig als Mitbegründer der Spieltechnik mit dem Daumen als vollwertigem Spielfinger bei den Tasteninstrumenten genannt. Diese Technik ermöglichte eine neue Virtuosität und einen eleganten vielstimmigen Vortrag. „Er hatte sich eine eigene Fingerordnung ausgesonnen, daß es ihm nicht schwer fiel, die größten Schwierigkeiten mit der fließensten Leichtigkeit herauszubringen … Man … weiß, daß es dabey hauptsächlich auf den Gebrauch des Daumens ankömmt…“.[13]

Zudem setzte sich Bach für die Weiter- und Neuentwicklung von Musikinstrumenten ein. Auch das war auf eine Erweiterung der kompositorischen Mittel ausgerichtet. Die Viola pomposa ist seine Erfindung. Bei den Tasteninstrumenten interessierten ihn besonders klangliche Neuentwicklungen. Er beschäftigte sich zum Beispiel mit deren Temperierung, bei den Orgeln mit deren Klangdisposition und mechanischen Qualitäten. Ein Beispiel ist Bachs Disposition der neüen reparatur des Orgelwercks ad D: Blasii (Mühlhausen 1708).

Bach war ein geschätzter und gut bezahlter Orgelinspektor. Dabei arbeitete er auch mit Gottfried Silbermann zusammen. Ihn forderte und förderte er in der Entwicklung des Pianofortes, das in Bachs späten Jahren nach einem Bericht seines Schülers Johann Friedrich Agricola „von ihm völlige Gutheißung erlangte“.



Reisen von 1701 bis 1721
  

Reisen von 1723 bis 1747

Nachwirkung und Rezeption

Tradierung durch Söhne und Schüler

Nach Bachs Tod bestand zunächst kaum ein Verlangen, seine Werke weiterhin aufzuführen. Das Andenken an ihn pflegten hauptsächlich seine von ihm unterrichteten Söhne, die selbst Komponisten geworden waren:

Während seiner gesamten Schaffenszeit war Bach als Instrumental- und Kompositionslehrer tätig, insgesamt 81 Schüler sind nachweisbar. Die Schüler lebten, oft über lange Zeit, im Haushalt der Familie und nahmen später wichtige Kapellmeister- und Kantorenposten ein. Sie waren es, die neben seinen Söhnen Bachs Namen und musikalischen Nachlass auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lebendig erhielten. Bekannte Schüler Bachs waren Johann Ludwig Krebs und (nach Ernst Ludwig Gerber und Friedrich Wilhelm Marpurg, aber zweifelhaft) Johann Philipp Kirnberger, der Bachs Kompositionslehre und Wohltemperierte Stimmung weitergab. Dadurch wurden zwar etliche Kompositionen Bachs zu Lehrwerken für spätere Komponisten (z. B. den jugendlichen Ludwig van Beethoven), wurden aber dennoch in den ersten achtzig Jahren nach Bachs Tod kaum öffentlich aufgeführt.

Einwirkung auf die Wiener Klassiker

Haydn und Mozart meinten zunächst Carl Philipp Emanuel Bach, wenn sie von Bach sprachen. Ihnen, vor allem Joseph Haydn, war dieser entscheidender Anreger auf dem Weg zu einem eigenen Stil. Johann Sebastian Bach trat erst spät in ihr Bewusstsein.

Ab April 1782 lernte Wolfgang Amadeus Mozart im Hause Gottfried van Swietens neben Werken von Händel auch Werke von Bach kennen. Mozart studierte vor allem Bachs Klavierfugen durch und eignete sich systematisch deren Kompositionstechniken an.

1789 hörte Mozart bei einem Besuch in der Thomaskirche Bachs Motette „Singet dem Herrn ein neues Lied“. Außergewöhnlich beeindruckt, vertiefte er sich in diese und andere Partituren Bachs. Die Spuren dieser Begegnung sind eine spontan komponierte Gigue und vermehrt polyphone Setzweisen in Mozarts späterem Schaffen.

Ludwig van Beethoven studierte bereits als Kind Klavierwerke J. S. Bachs. Sein Bonner Lehrer Christian Gottlob Neefe schrieb 1783 in Cramers Magazin der Musik über ihn: „Er spielt sehr fertig und mit Kraft das Clavier, ließt sehr gut vom Blatt, und um alles in einem zu sagen: Er spielt größtentheils das wohltemperirte Clavier von Sebastian Bach“.

Beethoven setzte sich besonders in seinen späten Werken mit auf Bach fußenden polyphonen Techniken, vor allem mit der Fuge, auseinander, so z. B. in der Klaviersonate op. 110 und in den Diabelli-Variationen sowie in seinen Streichquartetten op. 127, op. 130, op. 131, op. 132 und op. 133 (Große Fuge).

Wiederbelebung im 19. Jahrhundert

Dem Schüler Carl Friedrich Zelters, Felix Mendelssohn Bartholdy, gebührt das Verdienst, mit der Wiederaufführung der Matthäus-Passion in einer verkürzten Fassung am 11. März 1829 mit der 1791 gegründeten Sing-Akademie zu Berlin J. S. Bach fast achtzig Jahre nach seinem Tod wieder einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein gerückt zu haben. Er gab damit einen enormen Anstoß für die Publizität der Bach'schen Musik.

Die um 1810 geborene Generation romantischer Komponisten erlebte bachsche Kompositionen als poetische Musik und nahm sie sich vielfältig zum Vorbild. Für Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847), Robert Schumann (1810–1856) und Frédéric Chopin (1810–1849), ja selbst für Franz Liszt (1811–1886) waren Bachs Werke eine wichtige Voraussetzung für das eigene Schaffen.

Mendelssohn Bartholdy, Chopin und Liszt waren es neben Adolf Henselt, Ferdinand Hiller, Ignaz Moscheles, Clara Schumann, Sigismund Thalberg und vielen Lisztschülern, die Klavierwerke Bachs in ihre Konzertprogramme aufnahmen. Besonders das Konzert für drei Klaviere d-Moll (BWV 1063) und das Solokonzert d-Moll (BWV 1052) wurden häufig aufgeführt und machten das bürgerliche Konzertpublikum mit dem Instrumentalwerk Bachs bekannt. All das war freilich weit entfernt von einer historischen Aufführungspraxis. Die Musical Times schrieb im Januar 1848 in einem Nachruf auf Mendelssohn:

„Never shall we forget the triumphant cadence with which he concluded BACH’s concerto for three harpsichord’s, following MOSCHELES and THALBERG. He alone knew the style: it was the pedal solo of an organ fugue in double octaves. What gigantic power he put into these things!“
„Niemals werden wir die triumphale Kadenz vergessen, mit der er BACHs Konzert für drei Cembali im Anschluss an MOSCHELES und THALBERG beendete. Er allein beherrschte diesen Stil: es war das Pedalsolo aus einer Orgelfuge in Doppeloktaven. Welche gigantische Kraft er da hinein steckte!“

Ferdinand David und Joseph Joachim brillierten in ihren Konzerten mit der Chaconne d-Moll aus der Partita d-Moll für Violine senza Basso (BWV 1004). Robert Schumann sagte in einer Besprechung eines Konzertes vom 21. Januar 1840:

„David spielte die Chaconne nicht minder meisterlich und mit der feinen Begleitung Mendelssohns.“

Schließlich war das Publikum ab der Mitte des 19. Jahrhunderts mit Bachs Instrumentalmusik besser vertraut als mit den geistlichen Werken, einschließlich der Passionen.

Im Jahr 1850 wurde unter Beteiligung von Schumann, Liszt, Ignaz Moscheles, Louis Spohr, Otto Jahn, Carl von Winterfeld, Siegfried Wilhelm Dehn, Carl Ferdinand Becker und dem Thomaskantor Moritz Hauptmann in Leipzig die Bach-Gesellschaft gegründet, die das Ziel hatte, die Werke Bachs in einer Gesamtausgabe herauszugeben. Auch Johannes Brahms (1833–1897), dessen musikalischer Historismus sich auf J. S. Bach gründete, war maßgeblich an dieser ersten Gesamtausgabe von Bachs Werken beteiligt. Mit Beendigung dieser Aufgabe im Jahr 1900 löste sich die Bach-Gesellschaft satzungsgemäß wieder auf, zugleich konstituierte sich auf Initiative von Hermann Kretzschmar und unter Mitwirkung von Oskar von Hase, Martin Blumner, Siegfried Ochs, Joseph Joachim, Franz Wüllner und dem Thomaskantor Gustav Schreck die Neue Bachgesellschaft.

Im 20. und 21. Jahrhundert

Dennoch erlebten Bachs Kompositionen erst im 20. Jahrhundert eine systematische Pflege im öffentlichen Musikleben und in der Musikwissenschaft.

Die Werke Bachs wurden in den letzten 30 Jahren zunehmend Gegenstand der Historischen Aufführungspraxis. Sie hat vielen Interpreten und Hörern einen neuen Zugang zu seiner Musik ermöglicht. Einen Anfang dazu hatte bereits 1903 Wanda Landowska mit ihrem ersten öffentlichen Cembalo-Recital gemacht und mit ersten Schallplattenaufnahmen 1923 und der Gründung der École de Musique Ancienne im Jahre 1925 den Weg zum „Originalklang“ geebnet.

Im 20. Jahrhundert erfuhr das Werk Bachs auch eine Reihe populärer Adaptionen. Viele davon sind trivial und ohne größeren Wert, aber es gab auch ernsthaftere Annäherungen – so von Jacques Loussier mit seinem Projekt Play Bach und von Walter Carlos, der mit seinem Moog-Synthesizer eine neue klangliche Perspektive auf Bachs Werk eröffnete.

Ehrungen

Denkmäler und Gedenktafeln

Bach zu Ehren wurden, vor allem im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, zahlreiche Denkmäler errichtet. Dazu gehören unter anderem:

  • Das Denkmal in Bachs Geburtsstadt Eisenach vor dem Bachhaus. Diese Skulptur wurde im Jahr 1884 von Adolf von Donndorf entworfen und von Hermann Heinrich Howaldt ausgeführt.
  • Das Denkmal des jungen Johann Sebastian Bach des Bildhauers Bernd Göbel auf dem Marktplatz in Arnstadt. Es wurde 1985 enthüllt.
  • Das Bach-Denkmal in Köthen. Es wurde 1885 von dem Berliner Bildhauer Pöhlmann geschaffen.
  • Das Alte Bach-Denkmal in Leipzig (1843) nahe der Thomaskirche. Es wurde vom Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy gestiftet, von Eduard Bendemann, Ernst Rietschel und Julius Hübner entworfen und vom Leipziger Bildhauer Hermann Knaur ausgeführt. Es gilt als weltweit ältestes Bach-Denkmal.
  • Das wesentlich bekanntere und ebenfalls in Leipzig befindliche Neue Bach-Denkmal auf dem Thomaskirchhof. Auf einem 3,20 m hohen Muschelkalksteinsockel, der vom Leipziger Architekten und Stadtbaurat Otto Wilhelm Scharenberg entworfen wurde und den Namen des Geehrten trägt, befindet sich eine 2,45 m hohe Bronzestatue, die vom Leipziger Bildhauer Carl Seffner entworfen und von der Firma Noack & Brückner gegossen wurde. Es wurde 1908 enthüllt. Weitere Bach-Denkmäler sind unter anderem:

Gedenktafeln

Briefmarken und Münzen

Filme

  • Johann Sebastian Bachs vergebliche Reise in den Ruhm – Spielfilm, 107 Min., DDR, BR Deutschland 1979/1980, Regie: Victor Vicas, Produktion: DEFA, ZDF, Übersicht von Filmportal.de
  • Johann Sebastian Bach – TV-Film in vier Teilen, DDR, Ungarn 1983/1984, 1. Die Herausforderung, 85 Min. – 2. Bist Du bei mir …, 90 Min. – 3. Stürme und Jahre, 80 Min. – 4. Die Ordnung der Sterne, 90 Min., Regie: Lothar Bellag, Ulrich Thein als Johann Sebastian Bach, Angelika Waller als Maria Barbara Bach, Übersicht von Filmportal.de
  • Ein Denkmal für Johann Sebastian – Dokumentation 19 Min., DDR, 1984, Regie: Peter Milinski, Produktion: DEFA-Studio f. Dokumentarfilme, Bereich Kinofilm Kleinmachnow, AG Effekt, Matthias Eisenberg, Gewandhausorganist, u. Hans Wintoch, Rockmusiker, äußern sich über ihre Haltung zu Johann Sebastian Bach
  • Johann Sebastian Bach – Stationen seines Lebens (2 Folgen), – Dokumentation, DDR, 1984, Regie: Peter Milinski, Produktion: DEFA-Studio f. Dokumentarfilme, Bereich Kinofilm Kleinmachnow, AG Effekt, 1. Folge: Ich habe fleißig sein müssen, 2. Folge: Ich habe hier meine Behausung erkoren, J.S.Bach – Stationen seines Lebens in Eisenach, Arnstadt, Mühlhausen, Dornheim u. Weimar und sein Wirken in Köthen, Halle, Dresden und Leipzig
  • Mein Name ist Bach – Spielfilm, 99 Min., Deutschland, Schweiz, 2002/2003, Regie: Dominique de Rivaz, schildert das Treffen von Bach (Vadim Glowna) und Friedrich II. (Jürgen Vogel) 1747, Übersicht von Filmportal.de
  • Chronik der Anna Magdalena Bach. – Spielfilm, 90 Min., D 1967. Regie: Jean Marie Straub und Danièle Huillet; Gustav Leonhardt als Johann Sebastian Bach, Christiane Lang-Drewanz als Anna Magdalena Bach, mit Concentus Musicus Wien, Nikolaus Harnoncourt, Schola Cantorum Basiliensis, August Wenzinger, Knabenchor Hannover.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach, Fischer-Verlag, Juni 2007
  2. Aus Das beschützte Orchestre von Johann Mattheson aus dem Jahre 1717: „Ich habe von dem berühmten Organisten zu Weimar / Hrn. Joh. Sebastian Bach / Sachen gesehen / so wohl vor die Kirche (Kantaten) als vor die Faust (Orgelkompositionen) / die gewiß so beschaffen sind / daß man den Mann hoch æstimiren muß.“
    Quelle: Über Bach, Anthologie, Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1992, S. 17
  3. Brief von Giovanni Battista Martini, datiert 14. April 1750 (3 Monate vor Bachs Tod): „Ich halte es für überflüssig, das besondere Verdienst des Herrn Bach beschreiben zu wollen, weil er nicht allein in Deutschland, sondern auch in ganz Italien zu sehr bekannt und bewundert ist, nur sage ich, daß ich es für schwierig halte, einen Lehrer zu finden, der ihn übertrifft, weil er sich heutzutage mit Recht rühmen kann, einer der ersten zu sein, die es in Europa gibt.“ Aus: Über Bach, Anthologie, Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1992, S. 23
  4. Nekrolog-Gedicht von Georg Philipp Telemann, datiert Januar 1751: „Erblichner Bach! Dir hat allein dein Orgelschlagen / Das edle Vorzugs-Wort des Großen längst gebracht; / Und was für Kunst dein Kiel aufs Notenblatt getragen, / Das wird von Meistern selbst nicht ohne Neid betracht’t.“ aus: Über Bach, Anthologie, Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1992, S. 24
  5. Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach, Fischer-Verlag, Juni 2007, S.9
  6. Johann Friedrich Reichardt, Musikalisches Kunstmagazin, 1782: „Es hat nie ein Komponist, selbst der besten, tiefsten Italiener, keiner, alle Möglichkeiten unserer Harmonie so erschöpft wie Johann Sebastian Bach. Es ist fast kein Vorhalt möglich, den er nicht angewandt, alle echte harmonische Kunst und alle unechten harmonischen Künsteleien hat er in Ernst und Scherz tausendmal angewandt mit solcher Kühnheit und Eigenheit, daß der größte Harmoniker, der einen fehlenden Thematakt in einem seiner größten Werke ergänzen sollte, nicht ganz dafür stehen könnte, ihn wirklich so ganz, wie ihn Bach hatte, ergänzt zu haben“. Aus:Über Bach, Anthologie, Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1992, S. 41
  7. Joseph Haydn (1799): „Noch viel weniger es unrecht gefunden habe, daß Joh. Seb. Bach der Mittelpunkt der Sonne, folglich der Mann sey, von welchem alle wahre musikalische Weisheit ausgehe.“ Aus: Christoph Wolff: Johann Sebatian Bach, Fischer-Verlag, 2007, S.10
  8. Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach, Fischer-Verlag, Juni 2007, S. 8
  9. Wolfgang Hildesheimer: Der ferne Bach. Insel-Bücherei 1025/2, S. 47 ff.
  10. D. h: „schwaches Sehvermögen“
  11. Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach, Fischer-Verlag, Juni 2007, S.6
  12. Christoph Wolff; Johann Sebastian Bach, Fischer-Verlag, Juni 2007, S.8
  13. Aus: Johann Adam Hiller: Mein Leben; Carl Philipp Emanuel Bach: „Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen.

Literatur

Für eine um Vollständigkeit bemühte Bibliographie siehe Yo Tomitas „Bach Bibliography“

Aktuelle Literatur

  • Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach, 2. Auflage 2007. S. Fischer, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-596-16739-5
  • Hans Heinrich Eggebrecht: Geheimnis Bach. Nötzel, Wilhelmshaven 2001, ISBN 3-7959-0790-X
  • Klaus Eidam: Das wahre Leben des Johann Sebastian Bach. Piper Verlag GmbH 2005, ISBN 3-492-24435-1
  • Hartmut Ellrich: Bach in Thüringen, Erfurt 2006, ISBN 978-3-89702-945-3
  • Arno Forchert: Johann Sebastian Bach und seine Zeit. Laaber Verlag, Neuaufl. 2005, ISBN 3-89007-531-2
  • Martin Geck: Johann Sebastian Bach. Rowohlt, Reinbek 2002, ISBN 3-499-50637-8
  • Maarten 't Hart: Bach und ich. Piper Verlag 2003, ISBN 3-492-23296-5 (mit CD)
  • Friedrich von Hausegger, Johann Sebastian Bach – Im Kontext der Musikgeschichte. ABOD 2006, Hörbuch ISBN 3-8341-0171-0
  • Michael Heinemann (Hg.) Das Bach-Lexikon. Laaber-Verlag 2000, Band 6 des Bach-Handbuch, ISBN 3-89007-456-1
  • Eckart Kleßmann (Hg.) Über Bach: Von Musikern, Dichtern und Liebhabern: Eine Anthologie, Reclam, Stuttgart, 2000 (2. Auflage).
  • Malte Korff: Johann Sebastian Bach. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2000, ISBN 3-423-31030-8
  • Konrad Küster (Hg.): Bach Handbuch. Bärenreiter-Verlag, Kassel 1999, ISBN 3-7618-2000-3
  • Reinmar Emans, Sven Hiemke und Klaus Hofmann: Das Bach-Handbuch. Laaber-Verlag, 2000, ISBN 978-3-89007-450-4
  • Wolfgang Schmieder: Bach-Werke-Verzeichnis (BWV). Thematisch-systematisches Verzeichnis der musikalischen Werke von Johann Sebastian Bach. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1990, ISBN 3-7651-0255-5

Historische Literatur

  • Johann Nikolaus Forkel: Über Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Bärenreiter-Verlag, Kassel 2004, ISBN 3-7618-1472-0 (Reprint der Ausgabe Leipzig 1802, die erste Biographie über Bach)
  • Philipp Spitta: Johann Sebastian Bach, DOVER PUBN INC Vol. 1 1992 ISBN 0-486-27412-8, Vol. 2 2000 ISBN 0-486-27413-6, Vol. 3 1992, ISBN 0-486-27414-4 (Neuauflage der englischen Übersetzung)
  • Philipp Spitta: Johann Sebastian Bach. 2 Bände, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden, 1964 (Reprint auf deutsch, vergriffen)
  • Albert Schweitzer: Johann Sebastian Bach. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1990, ISBN 3-7651-0034-X (Neuauflage)
  • Percy M. Young, Die Bachs 1500–1850, Deutscher Verlag für Musik, Leipzig, 1978
  • Charles Sanford Terry: Johann Sebastian Bach. Insel Verlag 1999, ISBN 3-458-34288-5
  • Arnold Werner-Jensen: Reclams Musikführer Johann Sebastian Bach. Bd. 1: Instrumentalmusik, Bd. 2: Vokalmusik, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1993

Einzeldarstellungen

  • Ludwig Prautzsch: Die verborgene Symbolsprache Johann Sebastian Bachs, Band 1:Zeichen- und Zahlenalphabet der kirchenmusikalischen Werke; Kassel: Merseburger, 2004; ISBN 3-87537-298-0
  • Gottfried Scholz: Bachs Passionen. Ein musikalischer Werkführer; München: Beck, 2000; ISBN 3-406-43305-7
  • Gustav Adolf Theill: Beiträge zur Symbolsprache Johann Sebastian Bachs
    Band 1: Die Symbolik der Singstimmen; Bonn 1983; ISBN 3-922173-01-2
    Band 2: Die Symbolik der Musikinstrumente; Bonn 1983; ISBN 3-922173-02-0
  • Helmut Zeraschi: Bach und der Okulist Taylor; in: Bach-Jahrbuch 43 (1956); S. 52–64

Weblinks

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