James Lind

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James Lind (* 1716 in Edinburgh; † 1794 in Gosport) war der Pionier der Schiffshygiene in der Britischen Marine (Royal Navy). Er gilt als Entdecker der Therapie von Skorbut durch Zitronensaft, auch wenn gelegentlich Zitrusfrüchte und andere Vitamin-C-Quellen schon vorher für diesen Zweck eingesetzt worden waren. Außerdem schlug er vor, durch die Destillation von Meereswasser trinkbares Wasser zu gewinnen. Er bekämpfte die Feuchtigkeit auf den Schiffen durch Lüftung, verbesserte Kleidung und Reinlichkeit der Seeleute und führte das Ausräuchern mit Schwefel und Arsen ein. Mit seiner Arbeit beeinflusste er auch die Krankheitsprophylaxe und Ernährung britischer Soldaten an Land.

Inhaltsverzeichnis

Die Jahre auf See

James Lind lernte das medizinische Handwerk bei George Langlands, einem Fellow des Royal College of Surgeons of Edinburgh (Königliche Hochschule für Chirurgie in Edinburgh). 1739 trat er in die Marine als Maat eines Schiffsarzts ein und diente im Mittelmeer, vor Westafrika und in der Karibik. Bis 1746 war er zum Schiffsarzt der HMS Salisbury aufgestiegen, die zur Kanalflotte gehörte. Zwei Jahre später quittierte er den Dienst bei der Marine, verfasste eine Doktorarbeit über Geschlechtskrankheiten und erhielt die Lizenz, in Edinburgh praktizieren zu dürfen.

Eine Therapie für Skorbut

Skorbut ist eine Vitamin-C-Mangelkrankheit, wobei man beachten muss, dass zu Linds Zeiten Vitamine noch unbekannt waren. Vitamin C ist für den Zusammenhalt des Bindegewebes notwendig. Fehlt es, entstehen Geschwüre an den Unterschenkeln und Füßen, es kommt zu Blutungen, Zähne und Haare fallen aus, alte Wunden öffnen sich, es folgen Depressionen, Halluzinationen, Blindheit und schließlich der Tod. 1740 sorgte das katastrophale Ergebnis von Ansons Weltumsegelung für viel Aufsehen, als von 1900 Mann Besatzung 1400 umgekommen waren, die meisten von ihnen angeblich durch Skorbut. Nach Angaben von Lind forderte Skorbut seinerzeit mehr Tote in der Marine als alle französischen und spanischen Waffen zusammengenommen.

Dass Zitrusfrüchte gegen Skorbut helfen, war mindestens seit 1600 bekannt, als ein Arzt der East India Company sie für diesen Zweck empfohlen hatte, doch hatte sich ihre Verwendung nie durchgesetzt. Lind war also nicht der Erste, der an Zitrusfrüchte zur Therapie des Skorbuts dachte, aber er war der Erste, der 1747 ihren Effekt in einem systematischen Versuch untersuchte. Es handelt sich dabei um eines der ersten Experimente in der Geschichte der Medizin.

Lind glaubte, dass Skorbut eine Folge von Fäulnis im Körper sei, was durch Säuren verhindert werden könne. Deswegen experimentierte er vor allem mit säurehaltigen Nahrungszusätzen. Für seinen Versuch teilte er zwölf skorbut-kranke Matrosen in sechs Gruppen ein. Alle erhielten dieselbe Diät und die erste Gruppe außerdem ein Quart (einen knappen Liter) Apfelwein täglich. Gruppe zwei nahm 25 Tropfen Schwefelsäure ein, Gruppe drei sechs Löffel voll Essig, Gruppe vier ein halbes Pint (knapp ein Viertel Liter) Seewasser, Gruppe fünf zwei Apfelsinen und eine Zitrone täglich und die letzte Gruppe eine Gewürzpaste sowie Gerstenwasser. Die Behandlung von Gruppe fünf musste abgebrochen werden, als nach sechs Tagen die Früchte ausgingen, aber zu diesem Zeitpunkt war einer der Matrosen bereits wieder dienstfähig und der andere beinahe erholt. Bei den übrigen Versuchsteilnehmern zeigte sich nur in der ersten Gruppe ein gewisser Effekt der Behandlung.

Kurz nach diesem Experiment verließ Lind die Marine und praktizierte zunächst als niedergelassener Hausarzt. 1753 veröffentlichte er eine Abhandlung über Skorbut (A treatise of the scurvy), die praktisch ignoriert wurde. 1758 wurde er zum Leitenden Arzt des Königlichen Marinekrankenhauses Haslar in Portsmouth berufen. Als James Cook 1768 seine erste Weltumsegelung antrat, nahm er Stammwürze von Bier (0,1 mg Vitamin C pro 100 g), Sauerkraut (10-15 mg pro 100 g) und einen Sirup aus Orangen und Zitronen (Saft enthält 40-60 mg pro 100 g) als Skorbut-Mittel mit auf die Reise; allerdings wurden nur die Ergebnisse zur Stammwürze veröffentlicht. 1762 erschien Linds „Eine Abhandlung über die besten Mittel zur Erhaltung der Gesundheit von Seeleuten” (An essay on the most effectual means of preserving the health of seamen). Hier empfahl er, dass man "Salat", d.h. Brunnenkresse (79 mg Vitamin C pro 100 g), auf feuchten Tüchern ziehen solle. Diese Empfehlung wurde tatsächlich umgesetzt und die Britische Armee in Nordamerika wurde im Winter 1775 mit Senf- und Kressesamen versorgt. Lind propagierte auch weiterhin Zitrusfrüchte. Da er – wie auch die meisten anderen Ärzte – die heilende Wirkung jedoch auf ihre Säure zurückführte, lag es nahe, auf billigere, saure Lebensmittel auszuweichen.

Erst Gilbert Blane setzte endgültig Zitrusfrüchte in der Marine durch. In einem Experiment an Bord der Suffolk wurde 1794 auf einer 23-wöchigen Reise ohne Zwischenaufenthalt nach Indien Zitronensaft ausgegeben. Die Ration von täglich zwei Drittel einer Unze vermischt mit Grog enthielt so gerade eben den täglichen Mindestbedarf an Vitamin C von 10 mg. Es kam zu keinem ernsthaften Ausbruch von Skorbut. Im folgenden Jahr nahm die Admiralität Zitronensaft in die Verpflegung der gesamten Flotte auf. Damit war Skorbut allerdings noch nicht in der Marine beseitigt, denn Zitronensaft wurde zunächst als Heilmittel betrachtet und folglich nur vom Schiffsarzt ausgegeben. Erst nach 1800 wurden auch dessen vorbeugende Qualitäten zunehmend anerkannt.[1]

Trinkwasser aus dem Meer

Im 18. Jahrhundert nahmen die Seeleute Wasser und Bier in Fässern mit und nutzten überdies Regen als Trinkwasser. Nach den Bestimmungen (Regulations and Instructions relating to His Majesty's Service at Sea), die zum ersten Mal 1733 von der Admiralität ausgegeben worden waren, hatte jeder Matrose Anspruch auf eine Gallone schwaches Bier am Tag (es handelt sich bei diesem Maß um fünf Sechstel der üblichen britischen Gallone, was einer heutigen amerikanischen Gallone oder gut dreieinhalb Liter entspricht). Da Bier beim Brauen gekocht wird, ist es zunächst frei von Bakterien und sollte nicht wie Wasser faulen, wenn es monatelang in Fässern aufbewahrt wird. Im Mittelmeergebiet wurde auch Wein ausgegeben, der häufig mit Brandy verstärkt war.

Eine Fregatte mit einer Besatzung von 240 Mann und Proviant für vier Monate hatte zum Beispiel mehr als 100 Tonnen Wasser an Bord. Die Qualität hing von der ursprünglichen Quelle des Wassers, vom Zustand der Fässer und von der Lagerdauer ab. In normalen Zeiten durften Seeleute so viel Wasser aus einem bewachten Wasserfass trinken, wie sie wollten, durften jedoch kein Wasser mitnehmen. Wenn Wasser knapp wurde, wurde es rationiert und Regenwasser mit einem ausgebreiteten Segeltuch gesammelt. Wasser wurde auch aufgenommen, wenn sich unterwegs eine Gelegenheit ergab; allerdings waren Wasserstellen häufig versumpft und daher in den Tropen malaria-verseucht.

1758 entdeckte Lind, dass sich aus dem Dampf von erhitztem Meerwasser trinkbares Wasser gewinnen ließ, das wie Regenwasser schmeckte. Er schlug auch vor, Sonnenenergie zum Verdampfen des Wassers zu verwenden. Aber erst 1810, als ein neuer Typ von Kochofen auf den Schiffen eingeführt wurde, gab es die Möglichkeit, Trinkwasser in nennenswertem Ausmaß durch Destillation zu gewinnen.

Die letzten Jahre am Krankenhaus Haslar

James Lind arbeitete ab 1758 als Leitender Arzt des Haslar-Krankenhauses der Britischen Marine; 1783 folgte ihm sein Sohn auf diesem Posten. Er starb 1794 in Gosport, wo er in der Portchester-Kirche beerdigt ist. Eine Plakette am Fachbereich Medizin der Universität Edinburgh erinnert an seine Verdienste.

Quellen

  1. Janet Macdonald: Feeding Nelson’s Navy. The True Story of Food at Sea in the Georgian Era. Chatham, London, 2006. ISBN 978-1-86176-288-7, S. 154-166.

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