Japanische Teezeremonie

Japanische Teezeremonie
Impression einer japanischen Teezeremonie mit verschiedenen Zubehörteilen wie Eisenkessel und Bambuslöffel

Die japanische Teezeremonie (jap. 茶道, chadō oder sadō, dt. Teeweg; auch 茶の湯, cha-no-yu, dt. heißes Wasser für Tee), auch bekannt als Teeritual, steht in ihrer zugrundeliegenden Philosophie dem Zen nahe. Es ist eine in ihrem Ablauf bestimmten Regeln folgende Zusammenkunft, bei der ein oder mehrere Gäste von einem Gastgeber Tee und leichte Speisen gereicht bekommen. Um dem Gast die Möglichkeit zur inneren Einkehr zu bieten, findet die Zusammenkunft in einem bewusst schlicht eingerichteten Teehaus statt.

Daneben gibt es auch andere Teezeremonien.

Inhaltsverzeichnis

Ablauf

Teezeremonie

Im Folgenden wird im Groben der Ablauf einer formalen Teezeremonie skizziert. Der Ablauf ist vereinfacht und spart außerdem die Vor- und Nachbereitungsphasen aus, in denen zum Beispiel nach der Einladung ein kurzer Vorbesuch (zenrei) erfolgt.

Für eine Teezeremonie gibt es zwar feststehende Regeln, doch kann der Ablauf je nach den verschiedenen Schulen variieren. Eine gewisse Grundform ist jedoch allen gemein.

Auf Einladung des Gastgebers finden sich die Gäste im Garten des Teehauses ein. Dort nehmen sie im Warteraum (待合い, Machiai), oft ein offener Pavillon, Platz und werden vom Gastgeber mit einem leichten Tee begrüßt. Während sich die Gäste im Machiai platzieren und die vom Teemeister sorgfältig ausgesuchten Teeschalen, Geräte und Kunstgegenstände betrachten, füllt der Hausherr frisches Wasser in ein steinernes Wasserbassin und legt eine Schöpfkelle bereit. Sodann wäscht er sich Mund und Hände und bittet anschließend seine Gäste, es ihm gleich zu tun. Im Anschluss betreten sie nacheinander das Teehaus. Die zum Chanoyu Geladenen wandeln auf einem Gartenpfad (路地, Roji) – er symbolisiert die erste Stufe der Erleuchtung (Abstreifen des Alltags) – und bereiten sich so auf die nun folgende Teezeremonie vor. In den Teeraum (茶室, Chashitsu) gelangt man ausschließlich durch den knapp einen Meter hohen Eingang (躙り口, Nijiriguchi). Dadurch betreten die Gäste den Raum voller Demut und mit Respekt. Alle gesellschaftlichen Unterschiede werden an der Schwelle abgelegt. In mehreren Gängen werden nun leichte Speisen (Kaiseki), Suppen und Reiswein (Sake) gereicht. Nach dem Kaiseki gehen die Gäste in den Warteraum zurück, bis sie nach fünfmaligem Ertönen eines Gongs in den für die Teezeremonie vorgesehenen Teeraum gebeten werden. Sobald alle eingetreten sind, schließt der letzte Gast die Tür mit einem leichten Geräusch, dies ist das Zeichen für den Teemeister bzw. den Gastgeber, mit seinen Vorbereitungen zu beginnen. Er trägt nun die noch fehlenden Teeutensilien in den Teeraum. Sie werden so angeordnet, dass sie zugleich pragmatische als auch harmonische Bewegungsabläufe während der Teezubereitung ermöglichen. Die wichtigsten Utensilien (道具, Dōgu) bei der Teezeremonie sind: die Teeschale (茶碗, Chawan), die Teedose/Behälter für Pulvertee (茶入れ, Cha-ire), für den starken Tee (濃茶, Koi-cha) oder Natsume () für den leichten Tee (薄茶, Usu-cha), das Frischwassergefäß (水差し, Mizusashi), der eiserne Wasserkessel (, Kama), der Teebambuslöffel (茶杓, Chashaku) und der Teebesen (茶筅, Chasen). Das seidene Teetuch (袱紗, Fukusa) trägt der Gastgeber an seinem Obi.

Der Gastgeber kniet sich vor dem beweglichen Kohlebecken (風炉, Fūro) nieder, entnimmt dem Gebrauchtwassergefäß (建水, Kensui) den Schöpflöffel (柄杓, Hishaku) sowie den Untersetzer (蓋置, Futaoki) und platziert beide links vor dem Fūro. Er sammelt und konzentriert sich, verbeugt sich vor seinen Gästen und beginnt nun mit der Teezeremonie.

Als erstes rückt er das Gebrauchtwassergefäß (Kensui) bis zur Höhe seiner Knie vor. Dann nimmt er die Teeschalen und setzt sie ca. 20 cm vor seine Knie. Nun nimmt er die Natsume und setzt sie zwischen Teeschale und Knie. Jetzt holt er das seidene lila Teetuch aus seinem Obi und faltet es, reinigt die Natsume und setzt sie links vor das Frischwassergefäß. Nun faltet er noch einmal das Fukusa, nimmt den Teebambuslöffel aus der Teeschale, reinigt ihn und legt ihn auf der Natsume ab. Dann nimmt er den Teebesen aus der Teeschale und stellt ihn rechts neben die Natsume.

Als nächstes rückt er die Teeschale vor, dann nimmt er mit der rechten Hand den Schöpflöffel (Hishaku), greift ihn mit der linken Hand, um nun mit der rechten Hand den Deckel des Kessels abzuheben, abtropfen zu lassen und auf den Untersetzer (Futaoki) abzusetzen. Dann nimmt er das weiße Leinentuch (茶きん, Chakin) aus der Teeschale und setzt es auf den Deckel des Kessels. Nun entnimmt er mit dem Schöpflöffel heißes Wasser aus dem Kessel und gießt es in die Teeschale, als nächstes wird der Teebesen in dem heißen Wasser geschmeidig gemacht und geprüft. Durch Schwenken der Teeschale wird diese erwärmt, das Wasser wird dann in das Gebrauchtwassergefäß gegossen. Nun wird die Teeschale mit dem weißen Leinentuch gereinigt. Mit einem „Dōzō okashi o“ wird der Gast aufgefordert Süßigkeiten zu nehmen.

Der Gastgeber nimmt nun den Cha-ire (oder Natsume für dünnen Tee) und den Teebambuslöffel, öffnet den Teebehälter und legt den Deckel vor seinem rechten Knie ab, entnimmt mit Hilfe des Teebambuslöffels pulverisierten Tee (Matcha), gibt ihn in die Teeschale und gießt heißes Wasser, welches in dem Kama über Holzkohle zum Sieden gebracht wurde, hinzu. Nach dem Aufguss schlägt er mit einem Bambusbesen den dickflüssigen Tee schaumig. Der Gastgeber reicht dem Hauptgast die Teeschale, die dieser mit einer Verbeugung annimmt. Mit einer Geste entschuldigt sich der Hauptgast bei seinem Sitznachbarn dafür, dass er zuerst die Schale angenommen hat. Er dreht dreimal die Schale in seiner Hand, wobei er die Schale leicht betastet und bewundert, nimmt schlürfend drei kleine Schlucke, streicht den Rand der Schale mit einer eigenen Serviette sauber und reicht die Teeschale weiter. Reihum wird nun so der Tee den Anwesenden gereicht. Während dieses Rituals herrscht meistens Schweigen, das anschließend gebrochen wird, um sich über die verwendete Teesorte und deren typischerweise poetischen Namen zu erkundigen, sowie die Dōgu zu bestaunen. Falls Koicha (starker Tee) gereicht wurde, wird oft im Anschluss auch Usucha (dünner Tee) bereitet. In manchen Zeremonien wird auch nur Usucha gereicht. Nach der kleinen Konversation, bei der gewöhnlich keine Themen von außerhalb des Teezimmers angesprochen werden, klingt die Teezeremonie aus.

Teehaus

Das typische Teehaus ist von einem kleinen japanischen Garten, oft mit einem Wasserbecken, umgeben. Im Garten gibt es einen Wartebereich für die Gäste und einen Roji (路地), oder „taubedeckter Pfad“, der - nie in gerader Linie - zum Teehaus führt.

Ein Teehaus wird meist in Holz und Bambus ausgeführt. Der einzige Eingang ist eine kleine, rechteckige Schiebetür, die symbolisch den kleinen, einfachen, ruhigen Innenraum von der Welt außerhalb trennt. Sie ist so niedrig, dass sie nur im Knien passiert werden kann - dies soll einen Geist der Bescheidenheit fördern.

Teehäuser bestehen gewöhnlich aus zwei Räumen, einer der zur Vorbereitung des Tees dient, der andere für die Teezeremonie selbst. Der Hauptraum ist oft sehr klein, oft 4 1/2 Tatami groß, die Decke ist niedrig. Es gibt keine Möbel oder Einrichtung. Vorhanden ist meist eine Grube für ein Holzkohlenfeuer (, ro) in der Raummitte, um das Teewasser zu erwärmen. Der Boden ist mit Tatamimatten bedeckt. Gäste und der Gastgeber sitzen daher im Seiza auf dem Boden. Die Dekoration ist minimal: Meist nur eine Tokonoma (eine Nische, in der eine Schriftrolle, eine Pinselzeichnung oder ein einfaches, kleines Blumengesteck (茶花, cha-bana) ausgestellt ist. Alle Materialien sind absichtlich einfach und "bäuerlich".

Türen und Fenster werden im traditionellen Stil gehalten, bestehen aus dünnen Holzstreifen (oft Zeder), die mit durchscheinendem Japanpapier beklebt sind Shōji. Dies streut das Licht gleichmäßig im Raum, ermöglicht aber keinen Blick nach außen. Der Boden liegt erhöht, um ihn trocken zu halten.

Fenster des Joan-Teehauses im Urakuen-Teegarten in Inuyama

Teehäuser sind speziell für die Teezeremonie gebaut und jedes Detail wird mit größter Sorgfalt gestaltet. Das Haus selbst kann als eines der „Geräte“ für die Teezeremonie gelten. Die schlichte, nüchterne Architektur der Teehäuser hatte auch großen Einfluss auf die japanische Architektur.

Teehäuser kamen zuerst in der Sengoku-Zeit auf. Teehäuser wurden meist von Mönchen, Daimyō, Samurai und Händlern gebaut, die die Teezeremonie praktizierten. Sie suchten Einfachheit und Ruhe, was mit den Werten des Zen übereinstimmte.

Geschichte

Die Chinesen entdeckten bereits um 2780 v. Chr. beim Erforschen verschiedener Kräuter, Wurzeln und Pflanzen, dass aufgebrühte Teeblätter belebende und Müdigkeit vermindernde Eigenschaften haben.

Unter Prinz Shōtoku (572–622 n.Chr.) durchlief Japan eine Phase, in der viele neue kulturelle Werte, meist durch Vermittlung über das koreanische Königreich Baekje, von China übernommen wurden. Später reisten Japaner direkt nach China um dort den Buddhismus zu studieren, bei ihrer Rückkehr brachten sie unter anderem auch den Tee mit nach Japan. So wurde in der Nara-Zeit (709–784) der aus China importierte Tee erstmals von buddhistischen Mönchen getrunken, die das neue Getränk zunächst als Medizin verwendeten. Im Jahr 729 lud Kaiser Shōmu (724–748) hundert Priester ein, um die buddhistische Schrift Hannyakyo zu lesen. Am nächsten Tag bewirtete er sie mit Tee.

Das Teetrinken wurde nur langsam populär, erst in der Heian-Zeit (784–1185) gingen die japanischen Laien zum Teetrinken über. Auf den Gründer der Tendai-shū-Schule Saichō geht die erste Teezeremonie zurück, der um 805, nahe Kyōto (Sakamoto im Shikagen), aus China mitgebrachten Tee anbaute. Vom 10.–12. Jahrhundert geriet die Praxis aber fast vollständig in Vergessenheit.

Eingeführt soll das Teezeremoniell durch den buddhistischen Staatspriester Musō Kokushi worden sein. Ihm wurde ein aus China stammender Daisu, ein regalähnliches Gestell für den Aufbau der Teekult-Gerätschaften, übergeben. Er benutzte den Daisu bei der Zubereitung des Tees und begann damit Regeln festzulegen.

Als Vater der Teezeremonie betrachten die Japaner den buddhistischen Abt Shogu, dessen Herr, der Shōgun Yoshimasa, alle seine Regierungsämter niederlegte, um sich ausschließlich einem künstlerischen Leben zu widmen; er baute den Silberpavillon in Kyōto, wo er zusammen mit dem Abt das verfeinerte Ritual des Teetrinkens erfand. Damals schon wurde die Größe des Teezimmers genormt. Seit jener Zeit ist es immer vier und eine halbe Matte, ungefähr 3 mal 3 Meter, groß gewesen. Shogu und sein Herr waren auch die ersten, die auf Kunst und Stoffechtheit bei der Auswahl aller für den Teekult notwendigen Gegenstände Wert legten.

Die erste japanische Abhandlung über den Tee verdanken wir der Tatsache, dass ihr Verfasser, der buddhistische Abt Eisai, seinem Herrn, dem jugendlichen und anscheinend recht ausschweifenden Shōgun von Japan, Minamoto-no-Sanetomo (1203-1268), den reichlichen Weingenuss abgewöhnen wollte. Eisai beschreibt nicht nur die heilsamen Einflüsse des Tees auf die Gesundheit, sondern gibt zugleich genaue Vorschriften über die Zubereitung und die Art, wie man den Tee trinken müsse. Und zwar erhebt er das Teetrinken zu einer religiösen Handlung mit Gongschlagen und Weihrauchbrennen. Bis zum heutigen Tag hat die Teezeremonie etwas von diesem religiösen Ursprung bewahrt. Eisai verwendete Tee, den er in der Nähe von Fukuoka in Kyūshū anbaute. Auf diese Teepflanzen, die er aus China mitbrachte, gehen auch die heute noch existierenden Anpflanzungen von Uji zurück.

Bis 1400 hatte sich das Teetrinken schließlich von der Oberschicht über die Samurai-Kaste bis hin zu den Bürgern verbreitet. Es folgten Phasen, in denen sich sowohl besonders prunkvolle Formen der Teezeremonie wie auch Gegenbewegungen, die eine besonders schlichte Form der Teezusammenkunft (草庵茶, sōancha, „Grashüttentee“; bzw. 侘び茶, wabicha, „Tee des stillen Geschmacks“) propagierten, herausbildeten. Es ist nur eine Spielerei mit Worten, wenn man darüber streitet, ob die Teezeremonie ein künstlerischer Kult oder eine kultische Kunst ist. Sie gehört zu den japanischen Künsten im weiteren Sinne, zu jenen Künsten, die es nur in Japan gibt.

Oda Nobunaga und Toyotomi Hideyoshi, die größten Feldherren Japans, waren begeisterte Anhänger und Förderer des Teetrinkens und zwar in einem solchen Maße, dass man aus den Überlieferungen jener Zeit den Eindruck gewinnt, es handle sich um ästhetisierende Kunstgönner, nicht aber um die ruhmreichen Einiger Japans und schwertgewohnten Eroberer, die bereits vor der Armada die größte Flotte der Welt aufgestellt haben. Hideyoshi hat vermutlich die größte Teegesellschaft gegeben, die je auf Erden stattgefunden hat. Im Herbst 1587 lud er alle Teeliebhaber in Japan ohne Unterschied des Standes nach Kioto ein und forderte sie auf, ihre Teegeräte mitzubringen: Schalen, Feuerzangen, Weihrauchbehälter, Kessel und anderes mehr. Jeder der vielen Tausenden von Geladenen schlug ein kleines Zeltchen auf, und Hideyoshi soll seinem Versprechen gemäß jedes Zelt aufgesucht, den Tee gekostet und die Gegenstände begutachtet haben. Die Teegesellschaft dauerte neun Tage.

Kriegsherren und Fürsten schenkten damals ihren tapfersten und erfolgreichsten Vasallen als höchste Anerkennung Teetöpfe und -tassen. Manch einer soll sich über eine besonders kunstvolle Tasse mehr gefreut haben, als über wirtschaftliche Vergünstigungen oder Standeserhöhungen. In vielen aristokratischen Familien werden bis auf den heutigen Tag Teeschalen verwendet, die von Nobunaga, Hideyoshi oder Tokugawa Ieyasu einem Vorfahren der Familie geschenkt wurden. Bereits ab 1572 ist bezeugt, dass Chajin koreanische Teeschalen bevorzugten. Hideyoshis Imjin-Krieg (1592-8) wird auch als „Keramik-Krieg“ bezeichnet, da kaum ein Territorium, jedoch sehr viel Keramik den Besitzer wechselte.

1564 hielt der Teemeister Sen no Soeki, besser bekannt unter seinem Namen Rikyū, diese Regeln in ihrer klassischen Form fest. Er schrieb sie an die Wand der Wartehalle des ersten Teehauses in Higashiyama-ku. Man sagt oft, alle Teemeister nach Sen no Rikyū stehen unter seinem Einfluss. Hideyoshi war mit Rikyu eng befreundet. Der Feldherr brachte dem Meister eine Achtung und Verehrung entgegen wie kaum einem anderen Menschen. Aber es war ein gefährliches Zeitalter, in dem man selbst seinen Verwandten und Freunden nicht zu trauen pflegte. Es gelang den Feinden des Teemeisters, Hideyoshi einzureden, dass sein Freund Rikyu an einer Verschwörung gegen ihn beteiligt sei und ihn vergiften wolle. Hideyoshi schöpfte Verdacht und verurteilte ihn zum Tode. Als einzige Gunst erwies er Rikyu die Ehre, durch eigene Hand sterben zu dürfen.

Rikyūs Enkel Sōtan (1578-1658), begründete die wabi-Teetradition, die auf der Theorie fußt, dass Tee und Zen eins seien. Er verwendete auch die Namen Gempaku und Totsutotsusai. Insgesamt teilte sich die Familie in drei 'Stämme': Fushin'an, Konninchian, und Kankyuan (benannt nach dem jeweiligen, 4½ chō [] großen, Tee-Raum).

Yugensai Itto (1719-1771), der Familienvorstand der 8. Generation verfasste Shichijishiki Cha-no-yu Übungsanweisungen. Die männliche Linie wäre mit der 10. Generation ausgestorben, besteht jedoch dank Adoption fort.

Während der Meiji-Zeit verlor die Sekishu-Schule, die die Meinung vertrat, in der Teezeremonie müsse sich die soziale Struktur Japans widerspiegeln, schließlich an Einfluss, weil sie zu sehr mit dem alten Feudalsystem in Zusammenhang gebracht wurde und kaum Unterstützung aus der Bevölkerung erfuhr. Die von jeher egalitären, das wabicha vertretenden Senke-Schulen gewannen hingegen an Einfluss, die drei Senke-Schulen zählen heute zu den größten in Japan. Nachdem die Sens Familie in der Meiji-Restoration ihre Pfründe verloren hatte, gelang es Ennosai Tetchu (1872-1924) den Cha-dō wieder zu stärken, u.a. durch Bücher und die Zeitschrift Konnichian Monthly News und die Aufnahme des Cha-dō in den Lehrplan an Berufsschulen für Mädchen. Heute besteht ein Verein namens Tankokai, der sich der Förderung des Cha-dō verschrieben hat.

In der westlichen Welt trug Okakura Kakuzō mit der Veröffentlichung des Buches The Book of Tea (1906) in den USA zum Bekanntwerden der Teezeremonie bei. Darin wird auch Rikyūs letzte Stunde beschrieben.

Legenden des Tees

Tee ist ein segenspendender Baum des Südens“, so beginnt der oft zitierte Satz aus Lu Yus Werk Chajing (The Classic of Tea). Dies lässt vermuten, dass der Tee nicht aus China, sondern aus Indien, der Heimat Buddhas, stammt. Einige Quellen geben an, dass die Chinesen bereits um 2780 v. Chr. beim Erforschen verschiedener Kräuter, Wurzeln und Pflanzen, die anregende Wirkung der überbrühten Teeblätter entdeckten.

Es ranken sich viele Legenden um das Thema Tee und dessen Entdeckung. Eine der Legenden erzählt die Geschichte des chinesischen Kaisers Shennong, der im Jahre 2737 v. Chr. in seinem Garten wandelte, eine mit heißem Wasser gefüllte Trinkschale in den Händen haltend. Ein Windhauch wehte drei Blätter von einem wild gewachsenen Teestrauch in diese Schale. Ein angenehmer Duft stieg in des Kaisers Nase und er kostete. Der Ausspruch des Kaisers „Tee weckt den guten Geist und weise Gedanken. Er erfrischt das Gemüt. Du bist niedergeschlagen, so wird Dich Tee ermuntern.“ zeigt die von ihm gewonnene Erkenntnis über die belebenden Effekte des Teegetränkes.

Eine weitere Erzählung handelt vom ersten Patriarchen des Chan (jap. Zen), Bodhidharma (達磨, Daruma), der sitzend viele Jahre vor einer Felswand seine strengen Meditationsübungen betrieb. Eines Nachts fielen ihm vor Müdigkeit bei seiner religiösen Übung die Augen zu. Darüber erbost, riss er sich die Augenlider ab und warf sie weg. Über Nacht schlugen die Lider Wurzeln und zwei immergrüne Teesträucher sprossen empor. Bodhidharma kostete davon und fühlte sich sofort wacher und gestärkt um seiner Müdigkeit bei den nächtlichen Übungen entgegenzuwirken. In Japan besitzt das Schriftzeichen 茶 sowohl die Bedeutung Tee als auch Augenlid. Nach Japan gebracht wurde der Tee durch buddhistische Studentenmönche während der frühen Heian-Zeit.

In kaum einer anderen Kultur hat die Mystik des Tees einen derart nachhaltigen Einfluss hinterlassen wie in der japanischen. Sei es, dass sie ihren Niederschlag in speziellen Schriftzeichen fand oder in der Teezeremonie, die nach wie vor seit Jahrhunderten unverändert praktiziert wird.

Bezeichnung

Manche Anhänger des chadō halten die oft gewählten Übersetzungen Teezeremonie (bzw. tea ceremony im Englischen) oder Teeritual für Fehlübersetzungen. Sie argumentieren, die wortgetreue Bedeutung sei Teeweg, auch gehe es bei chadō nicht um das Vollziehen einer Zeremonie oder eines Rituals sondern um einen Lebensweg.[1] Die Übersetzung Teezeremonie ist schon deshalb fragwürdig, weil es Teezeremonien im wörtlichen Sinne auch gibt: sogenannte Kenchashiki (供茶式) eine Sonderform, die Opfertee-Zeremonie.

Wesen und Prinzipien des Teewegs (和敬清寂, wakeiseijaku)

Sen no Rikyū legte für den Sadō vier Prinzipien fest: Wa (Harmonie), Kei (Respekt), Sei (Reinheit) und Jaku (Ruhe).

  • (Wa) bedeutet Harmonie. Während der Chanoyu herrscht ein harmonisches Gefühl zwischen Gast und Gastgeber. Die angerichteten Speisen und verwendeten Teeutensilien sind harmonisch aufeinander abgestimmt, der wechselnde Rhythmus der Jahreszeiten und die Empfindung des Menschen mit sich und der Natur durchdringen den Teeweg. Diese Harmonie führt zu einem Einklang mit der Natur und dem Verständnis der Vergänglichkeit allen Seins.
  • (Kei) heißt Hochachtung, Ehrfurcht und Respekt zwischen den Menschen und allen Dingen, das aus einem natürlichen Dankbarkeitsgefühl heraus entsteht. Respekt gilt nicht nur den Menschen, sondern auch der sorgfältigen Handhabung der Teegeräte. Rücksichtnahme der Gäste untereinander und die Gastfreundlichkeit des Gastgebers erleichtern auch Laien den Zugang zum Sadō.
  • (Sei) meint die Reinheit, Sauberkeit und Ordnung der Dinge und des Herzens. Bevor die Gäste den Teeraum betreten, reinigt der Teemeister die Teeutensilien – wobei seine Aufmerksamkeit ausschließlich dem Akt des Reinigens gilt – und gleichzeitig sein Herz und seinen Geist. Die Gäste waschen sich vor dem Chanoyu die Hände und spülen den Mund an einem niedrigen Steinwasserbecken, das sich vor dem Teehaus befindet, um sich vom „Staub des Alltags“ zu befreien.
  • (Jaku) bedeutet Stille. Hierbei ist aber nicht nur das Fehlen äußerer Geräusche gemeint, sondern die innere Einkehr und deren Ausstrahlung in die Gemeinschaft. Achtsamkeit und Gelassenheit entstehen durch die kontinuierliche Ausübung von Wa, Kei und Sei.

Häufig wird folgende Anekdote zur Erklärung des Wesens des Teeweges genannt:

Ein Schüler Rikyūs fragte einst folgendes: „Was genau sind die wichtigsten Dinge, die bei einer Teezusammenkunft verstanden und beachtet werden müssen?
Bereite eine köstliche Schale Tee; lege die Holzkohle so, dass sie das Wasser erhitzt; ordne die Blumen so, wie sie auf dem Feld wachsen; im Sommer rufe ein Gefühl von Kühle, im Winter warme Geborgenheit hervor; bereite alles rechtzeitig vor; stelle dich auf Regen ein, und schenke denen, mit denen du dich zusammenfindest, dein ganzes Herz.
Der Schüler war mit dieser Antwort etwas unzufrieden, weil er in ihr nichts von so großem Wert finden konnte, dass es als Geheimnis des Verfahrens hätte bezeichnet werden können. „Das alles weiß ich bereits…
Rikyū antwortete, „Wenn du also eine Teezusammenkunft leiten kannst, ohne von einer der Regeln die ich nannte abzuweichen, dann will ich Dein Schüler werden!

(Antworten des Meisters nach dem Muster „...dann will ich Dein Schüler werden“ sind in Zen-Geschichten nicht unüblich.)

Siehe auch

Literatur

  • Ehmcke, Franziska: Der japanische Tee-Weg. Bewußtseinsschulung und Gesamtkunstwerk. DuMont Buchverlag, Köln 1991, ISBN 3-7701-2290-9
  • Wolfgang Fehrer: Das japanische Teehaus. Architektur und Zeremonie. Edition Niggli, Sulgen 2005, ISBN 3-7212-0519-7
  • Andreas Gruschke, Andreas Schörner, Astrid Zimmermann: Tee. Süßer Tau des Himmels. DTV, München 2001, ISBN 3-423-36242-1
  • Horst Hammitzsch: Cha-Do der Tee-Weg, Otto Wilhelm Barth-Verlag, München-Planegg 1958
  • Horst Hammitzsch: Japan-Handbuch. Land und Leute, Kultur und Geistesleben. Steiner, Stuttgart 1990, ISBN 3-515-05753-6
  • Horst Hammitzsch: Zen in der Kunst des Tee-Weges. O. W. Barth Bei Scherz, München 2000, ISBN 3-502-67011-0
  • Kantowsky, Detlef; CHADO - TEEWEG : Literatur und Praxis im deutschsprachigen Bereich; Verb. u. mit e. Nachtr. erg. 2. Aufl. (online)
  • Okakura Kakuzō: Das Buch vom Tee übertragen und mit einem Nachwort versehen von Horst Hammitzsch und einem Essay von Irmtraud Schaarschmidt-Richter; Insel-Verlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-458-34655-4
  • Jana und Dietrich Roloff: Zen in einer Schale Tee. Einführung in die japanische Teezeremonie. Lotos Verlag, München 2003, ISBN 3-7787-8154-5
  • Achim Schwarze: Teetrinker sind bessere Menschen. Anregungen für abgebrühte Kenner. Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 1991, ISBN 3-8218-2182-5
  • Sōshitsu Sen: Chado. Der Teeweg. Theseus-Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-89620-129-8
  • Sōshitsu Sen: Der Geist des Tees. Theseus-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-89620-237-5
  • Sōshitsu Sen: The Japanese way of tea. From it's Origins in China to Sen no Rikyû. University of Hawai Press, Honolulu 1998, ISBN 0-8248-1897-0
  • Sōtei Akaji; Hermann Bohner (Übs.); Zen-Worte im Tee-Raume (茶道掛物禅語道訳, Chashitsu-Kakemono Zengo); Tōkyō 1943 (Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens); Leipzig 1943 (Kommissionsverlag von O. Harrassowitz) 1943, 116 S; Sert.: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens; Suppl. XX (in sinnentstellender gekürzter Version neu aufgelegt vom iudicium-Verlag München 2007 ISBN 978-3-89129-199-3

Weblinks

 Commons: Teezeremonie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Siehe hierzu auch: Soshitsu Sen in einem (englischen) Interview

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