Jean Louis Marie Poiseuille

Jean Louis Marie Poiseuille

Jean Louis Léonard Marie Poiseuille (* 2. April 1797 in Paris; † 26. Dezember 1869 in Paris) war ein französischer Physiologe und Physiker.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Er war Sohn des Schreiners Jean Baptiste Poiseuille und dessen Frau Anne Victoire (Caumont). 1829 heiratete er die Tochter von Panay de la Lorette, einem Brücken- und Straßenbaumeister.

Ausbildung und Beruf

In den Jahren 1815 und 1816 studierte er an der École Polytechnique in Paris und promovierte 1828 mit einer Arbeit über die Physiologie des Blutkreislaufs (Recherches sur la force du cœur aortique). Welche berufliche Position er bis zum Jahre 1860 besaß, ist unbekannt, in diesem Jahr ernannte man ihn zum Inspektor der Pariser Grundschulen.

Leistung

Poiseuille beschrieb erstmals zur Blutdruckabschätzung ein Quecksilbermanometer (Poiseuille-Haemodynamometer) und zeigte, dass der Blutdruck bei Exspiration ansteigt und bei Inspiration sinkt (1828). Er beschäftigte sich hauptsächlich mit der Physiologie des Blutkreislaufs: die Bewegung von venösem Blut (1832) und Kapillarblut im Kreislaufsystem (1839) sowie dem Kälteeinfluss auf den Kapillarkreislauf (1839).

Weitere ausführliche Arbeiten Poiseuilles untersuchten das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten in Röhren (1840–1847), welche zu grundlegenden Erkenntnissen über Geschwindigkeitsprofile und Viskosität von Flüssigkeiten in Röhren führten (Hagen-Poiseuille-Gesetz 1840, 1846 veröffentlicht).

Poiseuille versuchte die durch physikalische Experimente gewonnenen Erkenntnisse auf die Physiologie zu übertragen. Er untersuchte die Wirkung von Arzneistoffen (1844), die Ventilation in Schiffen (1845), die Atmung (1855), den Glukosenachweis im Tierorganismus (1858, 1859), den Harnstoff (1859) und die Physiologie des Blutkreislaufs. Er postulierte unter anderem a priori die longitudinale (nicht radiale) Ausdehnung der Kapillaren während der Inspiration und beobachtete dabei auch den langsameren Blutfluss.

Ihm zu Ehren sind eine veraltete französische Maßeinheit der dynamischen Viskosität mit Poiseuille und später auch noch die CGS-Einheit mit Poise, benannt worden.

Poiseuille war Mitherausgeber des Dictionnaire de médecine usuelle.

Die International Society of Biorheology vergibt alle drei Jahre den Jean-Leonard-Marie Poiseuille Award.

Gesetz von Hagen-Poiseuille

Poiseuilles Interesse an der Physiologie des Blutkreislaufs führte ihn auch zu grundlegenden Experimenten, die das Strömungsverhalten von Flüssigkeiten in engen Röhren bei kleinen Geschwindigkeiten betraf. In den Jahren 1840 und 1841 veröffentlichte er erste Versuchsergebnisse über die Fließeigenschaften destillierten Wassers in Glaskapillarröhren mit Durchmessern von 0,65–0,015 mm. Im Prinzip handelte es sich um die Definition von Viskosität und Zähigkeit (bewegliche Flüssigkeiten zwischen festen Gefäßwänden). Es ging um die Berechnung der Geschwindigkeitsverteilung schlichter Strömungen durch Rohre (koaxiale Zylinderprofile).

Erste diesbezügliche Experimente waren zu Beginn des Jahrhunderts bereits von Franz Joseph von Gerstner und Pierre-Simon Girard durchgeführt worden, allerdings mit Röhren größeren Durchmessers (durch Turbulenzen verfälschte Messergebnisse). Genau gleiche Ergebnisse wie Poiseuille erzielte aber 1839 bereits der Berliner Baurat Gotthilf Heinrich Ludwig Hagen (1797–1884) mit Röhrenhalbmessern von 0,295–0,1276 cm (bei 1˚–15˚ C). Hagen gelangen korrekte Viskositätsberechnungen des Wassers, obwohl er von (falschen) kegelförmigen Geschwindigkeitsprofilen ausging. Er erkannte richtig, dass der Widerstand (Viskosität) sich aus einem linearen Reibungsglied und einem quadratischen Glied der „lebendigen Kraft“ (Druck) zusammensetzen muss.

1860 nannte Eduard Hagenbach (1833–1910) dieses Gesetz Poiseuille-Gesetz – Poiseuille selbst und das Komitee (François Arago [1786–1853], Jacques Babinet [1794–1872], Guillaume Piobert [1793–1871], Henri Victor Regnault [1810–1878]), das die Versuchsergebnisse beurteilte, erwähnten Hagens Arbeit nicht. Ab 1925 (durch Wilhelm Ostwald) wurde die Strömungsgröße dann zutreffend Gesetz von Hagen-Poiseuille genannt.

Auszeichnungen, Preise und Mitgliedschaften

  • Für seine Dissertation erhielt Poiseuille die Goldmedaille der Akademie der Wissenschaften.
  • 1842 wurde Poiseuille als Mitglied in die Académie de Médecine und die Société Philomatique in Paris aufgenommen.
  • Er besaß Mitgliedschaften in medizinischen Gesellschaften von Stockholm, Berlin und Breslau.
  • Für seine physiologischen Forschungsarbeiten wurde er mehrfach mit der Montyon Medaille ausgezeichnet (1829, 1831, 1835, 1843).

Werke

  • Recherches sur la force du cœur aortique. Thèse (No. 166), Paris 1828
  • Recherches sur la force du cœur aortique. Archives générales de médecine 8 (1828) 550
  • Recherches expérimentales sur le mouvement des liquides dans les tubes de très-petit diamètres. Comptes rendus hebdomadaires des séances de l’Académie des sciences 11 (1840) 961, 1041, 12 (1841) 112

Literatur

  • Dictionary of Scientific Biography 11 (1975) 62
  • Annales de Physique (Sér. 10) 15 (1913) 411
  • Ludwig Schiller (Hrsg.): Drei Klassiker der Strömungslehre: Hagen, Poiseuille, Hagenbach. Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 1933.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Jean-Louis-Marie Poiseuille — Jean Louis Poiseuille Naissance 22 avril 1797 Paris (   …   Wikipédia en Français

  • Jean-louis-marie poiseuille — (22 avril 1797, Paris 26 décembre 1869, Paris) : physicien polytechnicien et médecin français. On lui doit différents mémoires sur le cœur et la circulation du sang dans les vaisseaux (l hémodynamique), qui lui permirent… …   Wikipédia en Français

  • Jean Louis Marie Poiseuille — ( * París, 22 de abril de 1799 26 de diciembre de 1869) fue un médico fisiólogo francés que experimentó un largo periodo de su vida durante la transición de la primera revolución industrial a la segunda revolución industrial. Es considerado como… …   Wikipedia Español

  • Jean Louis Marie Poiseuille — Infobox Scientist name = Jean Louis Marie Poiseuille birth date = April 22, 1799 birth place = Paris death date = December 26, 1869 death place = Paris residence = citizenship = nationality = French ethnicity = field = physician and physiologist… …   Wikipedia

  • Poiseuille, Jean-Louis-Marie — ▪ French physician born April 22, 1799, Paris, France died Dec. 26, 1869, Paris       French physician and physiologist who formulated a mathematical expression for the flow rate for the laminar (nonturbulent) flow of fluids in circular tubes.… …   Universalium

  • Jean Louis Poiseuille — Jean Louis Léonard Marie Poiseuille (* 2. April 1797 in Paris; † 26. Dezember 1869 in Paris) war ein französischer Physiologe und Physiker. Inhaltsverzeichnis 1 Familie 2 Ausbildung und Beruf 3 Leistung …   Deutsch Wikipedia

  • Poiseuille, Jean Louis Marie — ► (1799 1869) Médico y físico francés. Estudió el movimiento de líquidos en tubos capilares y la circulación de la sangre en venas y arterias …   Enciclopedia Universal

  • Poiseuille — ist der Nachname von folgenden Personen: Jean Louis Marie Poiseuille (1797–1869), französischer Physiker Poiseuille bezeichnet: Poiseuille (Einheit), veraltete französische Maßeinheit Diese Seite ist eine …   Deutsch Wikipedia

  • Marie Curie — Madame Curie redirects here. For the 1943 biographical film about her, see Madame Curie (film). This article is about the chemist and physicist. For the schools named after her, see École élémentaire Marie Curie and Marie Curie High School …   Wikipedia

  • Poiseuille — Le poiseuille est une unité de viscosité dynamique, symbole Pl. Le poiseuille vaut 1 Pa·s, qui est l unité du système international SI. Son nom honore le physicien français Jean Louis Marie Poiseuille. Cette unité n est plus une unité SI, tout… …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”