Amoklauf von Zug

Amoklauf von Zug

Das Zuger Attentat wurde am 27. September 2001 während einer Sitzung des Kantonsrates im Parlamentsgebäude des Kantons Zug verübt. 14 Politiker wurden vom Attentäter Friedrich Leibacher erschossen, der sich kurz darauf selbst das Leben nahm. Leibacher hatte zuvor jahrelang durch exzessiven Gebrauch von Rechtsmitteln auf sich aufmerksam gemacht und fühlte sich vom Rechtsstaat derart schlecht und nachteilig behandelt, dass er sich zu dieser Tat gedrängt sah.

Der Attentäter gelangte mit einer selbstgefertigten Polizeiweste und mehreren Waffen, darunter ein Sturmgewehr 90 in der zivilen Ausführung, eine Pistole SIG Sauer, eine Pumpgun und ein Revolver, unbehelligt ins Zuger Parlamentsgebäude und schoss im Saal des tagenden Parlaments wild um sich. Er tötete dabei drei Regierungsräte und elf Kantonsräte, verletzte zahlreiche Politiker sowie einige Journalisten zum Teil schwer. Er feuerte 91 Schüsse ab. Zudem zündete er eine selbstgebastelte Bombe. Sein eigentliches Hauptziel, der Zuger Regierungsrat Robert Bisig, blieb unverletzt. Leibacher hinterließ am Tatort einen Abschiedsbrief mit dem Titel „Tag des Zornes für die Zuger Mafia“. Offenbar wähnte er sich als Opfer eines Komplottes gegen ihn.

Dieser Anschlag war der erste dieser Art in der Schweiz und für den gesamten Kanton Zug ein traumatisches Erlebnis. Die ganze Schweiz wurde in tiefe Trauer und Betroffenheit versetzt. Weltweit, auch unter dem Eindruck der kurz zuvor erfolgten Anschläge vom 11. September in New York, machte sich Entrüstung über diese Tat breit. Zahlreiche Parlamente und Organisationen rund um die Welt entsandten Beileids-Botschaften.

Inhaltsverzeichnis

Folgen

Als Folge dieses Attentats wurde in zahlreichen lokalen Parlamenten Sicherheitsmaßnahmen verschärft bzw. überhaupt erst vorgenommen und teilweise strenge Zutrittskontrollen für Besucher sowie Sicherheitsausweise für die Parlamentarierinnen und Parlamentarier eingeführt. Auf Bundesebene wurde nicht zuletzt deshalb die Sektion Sicherheit Parlamentsgebäude als Teil des Bundessicherheitsdienstes gebildet, eine rund 35 Personen starken Polizeieinheit, welche vor allem das Bundeshaus in Bern sichert. Es wurden im Rahmen der Einführung einer allgemeinen elektronischen Zutrittskontrolle für Besucher Türkontrollen mit Durchleuchtungsapparaten eingerichtet und verschiedene Trakte des Bundeshauses durch Sicherheitsschleusen abgesichert, welche von den Politikern mittels eines Badges geöffnet werden können.

Viele Kantone und Gemeinden haben zudem als Präventionsmaßnahme Listen von Personen eingerichtet, welche als sogenannte Querulanten aufgefallen sind. Personen also, welche die Instanzen mit Einsprachen und Einsprüchen bombardieren, damit scheitern; glauben, ungerecht behandelt zu werden und teilweise auch Drohungen gegen Behördenmitglieder aussprechen. Diese werden seither schärfer überwacht. Teilweise wurden auch Mediationsstellen eingerichtet. Polizeidienststellen reagierten fortan weitaus sensibler auf Hinweise derart Bedrohter und nehmen drohende Personen vorübergehend fest, wobei bei anschließenden Hausdurchsuchungen oft Waffen beschlagnahmt werden.

Getötete

  • Peter Bossard (Regierungsrat/Statthalter, FDP, Zug)
  • Monika Hutter-Häfliger (Regierungsrätin, SP, Baar)
  • Jean-Paul Flachsmann (Regierungsrat, SVP, Zug)
  • Herbert Arnet (Kantonsratspräsident, CVP, Cham)
  • Martin Döbeli (Kantonsrat, FDP, Zug)
  • Dorly Heimgartner (Kantonsrätin, FDP, Zug)
  • Kurt Nussbaumer (Kantonsrat, CVP, Oberägeri)
  • Rolf Nussbaumer (Kantonsrat, CVP, Baar)
  • Konrad Häusler (Kantonsrat, CVP, Unterägeri)
  • Erich Iten (Kantonsrat, FDP, Unterägeri)
  • Karl Gretener (Kantonsrat, CVP, Cham)
  • Willi Wismer (Kantonsrat, CVP, Risch)
  • Heinz Grüter (Kantonsrat, FDP, Baar)
  • Käthi Langenegger (Kantonsrätin, CVP, Baar)

Der Attentäter

Der Attentäter Friedrich Heinz Leibacher wurde 21. Juli 1944 in Zug geboren und war kaufmännischer Angestellter. Leibacher war Schweizer Staatsbürger. Er soll mehrere gescheiterte Ehen mit Frauen aus der Dominikanischen Republik, gegen die er gewalttätig geworden sein soll, gehabt haben, und er hatte aus einer dieser Ehen eine Tochter. 1970 wurde er durch das Strafgericht in Zug wegen verschiedener Vermögensdelikte, Unzucht mit Kindern, öffentlichen unzüchtigen Handlungen, Urkundenfälschung und Straßenverkehrsverstößen zu 18 Monaten Haft verurteilt, stattdessen jedoch in eine Arbeitserziehungsanstalt eingewiesen.

Er konnte sich nie richtig im Erwerbsleben zurechtfinden und war in verschiedenen Kantonen als Arbeitsloser gemeldet; schliesslich bezog er eine Invalidenrente. Bereits früher waren ihm eine Persönlichkeitsstörung, Alkoholkrankheit sowie Gehirnschwäche attestiert worden. Leibacher beschwerte sich aus bis heute unveröffentlichtem Grund fortwährend bei den Behörden. Gemäss Schlussbericht wurde 1996 über Leibacher ein psychiatrischer Bericht erstellt, wonach er Persönlichkeitsstörungen haben soll, der Grund des Berichts ist nicht angegeben. Daraufhin erwarb er mehrere Waffen und begann ein Schiesstraining in einem Verein.

Nach 2 Jahren fand ein aktenkundiger Vorfall statt: 1998 wurde er, nach einem Streit mit einem Buschauffeur der Zugerland Verkehrsbetriebe angezeigt, er hätte diesen mit einer Waffe bedroht. Leibacher sandte seine Tochter in ein Internat in Australien, und der Staatsanwalt reichte 2 1/2 Jahren nach dem Vorfall beim Gericht eine Anklage gegen Leibacher ein. Danach ereignete sich das Zuger Attentat. Am 22. Juli 2003 - zwei Jahre nach dem Attentat - erstellten die Behörden erneut einen psychiatrischen Bericht über Leibacher, mit einem vernichtenden Befund.

Der Theaterregisseur Samuel Schwarz verglich in seiner Inszenierung von Wilhelm Tell am 29. September 2006 im Stadttheater St. Gallen Wilhelm Tell kritisch mit Leibacher. Er stellt der Inszenierung die Aussage voraus: «Meine Gedanken waren rein von Mord. Du hast aus meinem Frieden mich heraus Geschreckt, in gärend Drachengift hast du Die Milch der frommen Denkart mir verwandelt.»

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