Joachim Ribbentrop

Joachim Ribbentrop
Joachim von Ribbentrop als Angeklagter in Nürnberg

Ullrich Friedrich Willy Joachim Ribbentrop, seit 1925 von Ribbentrop (* 30. April 1893 in Wesel; † 16. Oktober 1946 in Nürnberg) war ein deutscher Politiker (NSDAP). Er amtierte von 1938 bis 1945 als Außenminister des Deutschen Reiches.

Ribbentrop gehörte zu den 24 im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof angeklagten Personen; er wurde am 1. Oktober 1946 in allen vier Anklagepunkten schuldig gesprochen, zum Tod durch den Strang verurteilt und am 16. Oktober 1946 hingerichtet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft und Familie

Joachim von Ribbentrop war der Sohn des Oberstleutnants Richard Ullrich Friedrich Wilhelm Ribbentrop und der Johanne Sophie Hertwig. Am 15. Mai 1925 wurde er von seiner entfernt verwandten Tante Gertrud von Ribbentrop (1863-1943), deren Vater Karl Ribbentrop im Jahr 1884 geadelt worden war, adoptiert und führte von da an den Namen von Ribbentrop.

Ribbentrop heiratete am 5. Juli 1920 in Wiesbaden Anna Elisabeth (Annelies) Henkell (* 12. Januar 1896 in Mainz; † 5. Oktober 1973), die Tochter des Sektfabrikanten Otto Henkell (1869-1929) und seiner Frau Katharina (Käthe) Michel, dessen Berliner Vertretung Ribbentrop von nun an führte. Das Ehepaar hatte fünf Kinder:

  • Rudolf von Ribbentrop (* 10. Mai 1921 in Wiesbaden)
  • Bettina von Ribbentrop (* 20. Juli 1922 in Berlin)
  • Ursula von Ribbentrop (* 19. Dezember 1932 in Berlin)
  • Adolf von Ribbentrop (* 2. September 1935 in Berlin), Stiefvater von Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg
  • Barthold von Ribbentrop (* 27. Dezember 1940 in Berlin)

Auslandsaufenthalte und Erster Weltkrieg

Zwischen 1908 und 1914 verbrachte Ribbentrop viel Zeit im Ausland. Zwischen 1910 und 1914 lebte er fast ausschließlich in Kanada, wo er ein Importgeschäft für Weine aus Deutschland besaß und 1914 Mitglied einer Eishockey-Mannschaft war.[1] Er sprach fließend Französisch und Englisch.

Unmittelbar nach Beginn des Ersten Weltkrieges verließ er Kanada, um auf deutscher Seite zu kämpfen. Er reiste zunächst in die damals neutralen Vereinigten Staaten aus und fuhr von New York auf einem niederländischen Dampfer nach Rotterdam. Der Verhaftung durch die britische Marine, die alle Schiffe, die zu dieser Zeit das europäische Festland anliefen, kontrollierte, konnte er sich entziehen, indem er sich im Kohlenbunker des Dampfers verborgen hielt. In Deutschland wurde er auf Vermittlung seines Vaters in ein Kavallerieregiment aufgenommen. Im Verlauf des Krieges wurde er mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse ausgezeichnet und zum Oberleutnant befördert. Nach einer Verletzung an der Front wurde er in die deutsche Botschaft in Istanbul versetzt.

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Drittes Reich

Nachdem er 1932 Adolf Hitler kennengelernt hatte, trat er der NSDAP bei. Wegen seiner Bewunderung für Adolf Hitler stellte Ribbentrop, mittels seiner gesellschaftlichen Beziehungen, im Verlauf des Jahres 1932 Kontakt zwischen einflussreichen Persönlichkeiten Berlins und Adolf Hitler her. Diese Kontakte erleichterten es Hitler, die „Machtergreifung” im Jahr 1933 ohne großen Widerstand durchzuführen.

Ribbentrop wurde 1933 bei der Kabinettsbildung nicht, wie von ihm erhofft, Außenminister, da von Seiten der NSDAP der „alte KämpferAlfred Rosenberg für dieses Amt vorgesehen war, das dann jedoch die Konservativen für sich beanspruchten: Reichsaußenminister blieb der bereits unter den Reichskanzlern Franz von Papen und Kurt von Schleicher amtierende Konstantin Freiherr von Neurath. Ribbentrop erhielt aber bereits 1934 als eine Art parteiamtlicher Sonderbotschafter den Titel „Außenpolitischer Berater und Beauftragter der Reichsregierung für Abrüstungsfragen”. Zudem wurde er Ende 1934 zum Beauftragten für außenpolitische Fragen im Stabe Heß ernannt.[2]

Im Juni 1935 wurde er dann zum „Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschafter des Deutschen Reiches” befördert, und schloss in dieser Position - als Außerordentlicher Botschafter - noch im selben Monat in London das deutsch-britische Flottenabkommen mit Großbritannien ab, das es dem Deutschen Reich nun trotz der Bestimmungen des Versailler Vertrages erlaubte, eine Flotte von einem Drittel der Größe der britischen Flotte zu bauen, also auch Schlachtschiffe - allerdings nur mit einer Standardverdrängung von maximal 35.560 metrischen Tonnen. Dies ermöglichte nun auch offiziell die Kiellegung (1936) der bereits seit 1933 geplanten Schlachtschiffe Bismarck und Tirpitz. Die Entwürfe für beide Schiffe sahen mit jeweils über 41.000 Tonnen aber von Anfang an eine Verletzung des Versailler Vertrages (der nur Tonnagen bis maximal 10.000 Tonnen erlaubte) vor, wobei dann nach Fertigstellung 1940/41, die tatsächliche Standardverdrängung der Konstruktionen sogar jeweils fast 46.000 Tonnen betrug, während die offizielle Angabe, gegenüber der britischen Regierung, pro Schiff 35.560 Tonnen auswies, um den Eindruck zu erwecken, die Reichsregierung hielte sich an das Flottenabkommen.

Im Juli 1935 unternahm Rudolf Heß eine Neuverteilung von Zuständigkeiten, wobei Ribbentrop zusätzlich die Bearbeitung der "volksdeutschen Fragen in Europa und den USA", ebenfalls im Stabe Heß ("Stellvertreter des Führers"), übertragen wurde. Dieser Erlass stellte für die NSDAP/AO (Auslandsorganisation der NSDAP) und deren Leiter Ernst Wilhelm Bohle eine wesentliche Beschneidung des Einflussbereiches dar, da nunmehr nur noch "volksdeutsche Fragen" in Mittel- und Südamerika bearbeitet werden durften. Für Rudolf Heß, aber auch für Ribbentrop - der in Bohle einen direkten Konkurrenten sah, bedeutete dies einen deutlichen Machtzuwachs. Ribbentrop erhielt eine kleine Sonderbehörde, die Dienststelle Ribbentrop, die in Konkurrenz zum Auswärtigen Amt, zum Außenpolitischen Amt der NSDAP und zur Auslandsorganisation der NSDAP (NSDAP/AO) stand. Dieser Konkurrenzkampf war für NS-Organisationen in dieser Zeit nicht untypisch. Das Auswärtige Amt unterstand Hitler direkt, die Dienststellen von Bohle und Ribbentrop unterstanden jedoch Rudolf Heß.[3] Referent für die Ostpolitik im Büro von Ribbentrop wurde Peter Kleist.[4]

Bei der Entwicklung dieser Dienststelle und dem weiteren Ausbau der NS-Außenpolitik kam ihm die Unterstützung der SS zugute, deren Mitglied er seit dem 30. Mai 1933 als SS-Ehrenführer, zuerst im Range eines SS-Standartenführers, war. Erst 1938 erhielt er durch Heinrich Himmler die SS-Mitgliedsnummer 63.083 zugeteilt und wurde nun auch offiziell als Mitglied des „Stabes Reichsführer-SS“ geführt.

Von 1936 - 1938 war er auch deutscher Botschafter in London, wobei er gleich zu Beginn für einen Eklat sorgte, als er bei seinem Antrittsbesuch am britischen Hof den König mit „Heil Hitler“ begrüßte. Ribbentrop sollte für Hitler, der lange an einem Pakt mit Großbritannien interessiert war, ein Bündnis mit der britischen Regierung aushandeln, was von dieser jedoch abgelehnt wurde. Die während dieser Zeit erfahrene Ablehnung, und vermutlich auch die Sticheleien der über ihn witzelnden britische Presse, machten ihn zu einem recht entschiedenen Gegner Großbritanniens.

Am 25. November 1936 schlossen das Deutsche Reich und Japan den von Ribbentrop arrangierten Antikomintern-Pakt. Dieser sah eine Kooperation zwischen Japan und dem Deutschen Reich zur Bekämpfung der Kommunistischen Internationale (Komintern) vor. In einem geheimen Zusatzprotokoll verpflichteten sich beide Staaten Neutralität für den Fall zu bewahren, dass die Sowjetunion einen nicht provozierten Angriff auf einen der beiden Vertragspartner ausführen sollte. Außerdem wurde vereinbart, keine Verträge mit der Sowjetunion abzuschließen, die den betont antikommunistischen Zielen des Antikomintern-Paktes zuwiederliefen. Diesem Pakt traten 1937 Italien, 1939 Mandschukuo, Ungarn und Spanien, sowie 1941 Bulgarien, Kroatien, Dänemark, Finnland, Nanking-China, Rumänien und die Slowakei bei.

Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop als SS-Brigadeführer

Im Zuge der Blomberg-Fritsch-Krise löste Ribbentrop am 4. Februar 1938 Konstantin Freiherr von Neurath als Reichsaußenminister ab: Neurath hatte in einer geheimen Sitzung (siehe Hoßbach-Niederschrift) gemeinsam mit Kriegsminister Werner von Blomberg und dem Oberbefehlshaber des Heeres, Werner von Fritsch die Kriegspläne Hitlers kritisiert. In der Folge wurden alle drei Kritiker aus ihren Ämtern gedrängt, und mit Ribbentrop schließlich ein bedingungsloser Gefolgsmann Hitlers Chef des Auswärtigen Amtes.

Ribbentrop bei der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes (hinten stehend, dritter von links)

Nachdem im März 1939 Reichstruppen in die Tschechoslowakei einmarschiert waren, versuchten die Briten, ein Bündnis mit der Sowjetunion auszuhandeln. Als das Reichsaußenministerium im April davon erfuhr, begann für Ribbentrop ein wahrer Verhandlungsmarathon, den er am 23. August 1939, zum Erstaunen der Briten, mit der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes durch den sowjetischen Außenminister Wjatscheslaw Molotow auch gewann. Dieser Pakt sah, in einem geheimen Zusatzprotokoll, auch die Aufteilung des besiegten Polen zwischen dem Deutschen Reich und der UdSSR und die Neutralität der UdSSR im Falle eines Krieges in Westeuropa vor. Zusätzlich wurde die Zuteilung der baltischen Staaten, von Bessarabien und Finnland zu den jeweiligen Interessensphären beschlossen.

Nur rund eine Woche später begann dann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg mit dem Angriff auf Polen, in dessen Verlauf Polen zwischen dem Deutschen Reich und der UdSSR aufgeteilt wurde. Ein weiterer (am 28. September 1939 unterzeichneter und) von Ribbentrop verhandelter Grenz- und Freundschaftsvertrag sah, ebenfalls per geheimer Zusätze, die Übergabe von ursprünglich der UdSSR zugeschlagenen mittelpolnischen Gebieten an Deutschland vor - im Austausch mit Litauen, das ursprünglich von Deutschland besetzt werden sollte. Ferner wurde die Umsiedlung deutschstämmiger Bewohner aus dem sowjetischen Einflussbereich in die nun von Deutschland besetzten Gebiete beschlossen.

Am 27. September 1940 schlossen Deutschland, Italien und Japan den Dreimächtepakt, welcher von Ribbentrop offiziell verkündet wurde, und den Antikomintern-Pakt um die militärische Komponente ergänzen sollte. Die Balkan-Staaten, ferner Ungarn und Bulgarien schlossen sich diesem Pakt 1940/41 zwar ebenfalls an, Ribbentrop und Hitler scheiterten jedoch mit dem Versuch Spanien und Vichy-Frankreich ebenfalls zum Beitritt zu bewegen.

Da das Außenministerium nach dem Westfeldzug 1940 für die Juden in den vom Reich besetzten westeuropäischen Gebieten zuständig war, konnte die SS ohne Widerstand aus dem Auswärtigen Amt die Vernichtung der europäischen Juden fortsetzen, Ministerialbeamte des Auswärtige Amtes waren mitunter sogar aktiv an Deportationen beteiligt, z.B. durch Erstellen von Deportationsbefehlen für französische Juden (siehe z.B. Wilhelmstraßen-Prozess). Die Kooperation Ribbentrops mit Himmlers SS bei der Judenvernichtung erfolgte in erster Linie über die Referatsgruppe „Inland II“ des Auswärtigen Amtes mit dessen Leiter Horst Wagner, der als Verbindungsmann zwischen Ribbentrop und Himmler fungierte, sowie dem Judenreferenten des Auswärtigen Amtes, dem promovierten Juristen Eberhard von Thadden, während die propagandistische Absicherung, Verschleierungs- und Rechtfertigungsmaßnahmen der Judenverfolgungen durch Ribbentrops Pressechef Paul Karl Schmidt alias Nachkriegsbestsellerautor Paul Carell durchgeführt wurden. In einem Telegramm an die Deutsche Botschaft in Rom vom 13. Januar 1943 prangerte Ribbentrop Italiens passive Rolle bei der Judenverfolgung an: „Während wir das Judentum als eine Krankheit erkannt haben ... glaubt die italienische Regierung, die Juden individuell behandeln zu können“.[5] Im selben Jahr erhielt Ribbentrop eine Dotation Hitlers von 1 Million Reichsmark.[6]

In Hitlers Politischem Testament vom 29. April 1945, in dem er eine Nachfolgeregierung bestimmt hatte, war Ribbentrop nicht mehr vorgesehen. Seine Rolle als Außenminister sollte Arthur Seyß-Inquart übernehmen.[6]

Verhaftung, Prozess und Hinrichtung (1945 bis 1946)

Joachim von Ribbentrop (vordere Reihe, dritter von links) in Nürnberg auf der Anklagebank

Am Ende des Krieges tauchte Ribbentrop in Hamburg unter, wo er sich ein Zimmer mietete. Er nannte sich 'Reiser'. Nach seiner Verhaftung am 14. Juni 1945 fand man bei der Durchsuchung im britischen Hauptquartier bei ihm eine versteckte Zyankali-Ampulle, ferner drei von ihm geschriebene Briefe (an Feldmarschall Montgomery, an Außenminister Eden, an 'Vincent' [von ihm falsch geschrieben, gemeint ist Winston] Churchill). Gedacht waren sie für später, wenn sich die allgemeine Lage wieder beruhigt habe.[7]

Nach Kriegsende wurde Ribbentrop vor dem Nürnberger Tribunal angeklagt. Ihm wurden Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt. Während der 218 Verhandlungstage in Nürnberg zeigte Ribbentrop auf der Anklagebank keinerlei Reue. Er wurde schließlich am 1. Oktober 1946 in allen Anklagepunkten für schuldig befunden, zum Tod durch den Strang verurteilt und als erster der zehn zum Tode Verurteilten am 16. Oktober 1946 um 1.12 Uhr im Nürnberger Justizgefängnis hingerichtet.

Seine letzten Worte waren: „Gott schütze Deutschland. Gott sei meiner Seele gnädig. Mein letzter Wunsch ist, dass Deutschland seine Einheit wiederfindet, dass eine Verständigung zwischen Ost und West kommt für den Frieden der Welt.“ Sieben Jahre später veröffentlichte seine Witwe Anna Elisabeth Erinnerungen und die letzten Aufzeichnungen aus seinem Nachlass unter dem Titel „Zwischen London und Moskau” im rechtsextremen Druffel-Verlag. Später folgte aus ihrem Nachlass der Werktitel „Die Kriegsschuld des Widerstandes“, der von Rudolf von Ribbentrop herausgegeben wird.

Rezeption

Schon zu seinen Lebzeiten war Joachim von Ribbentrop eine höchst umstrittene Figur. Hitler selbst hielt große Stücke auf „seinen“ Diplomaten, den er als „Genie“ und - nach dem erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Britischen Flottenvertrages - als „meinen eigenen Eisernen Kanzler, ein zweiter Bismarck“ bezeichnete. Im Gegensatz dazu fällten viele andere führende NS-Politiker dezidiert negative Urteile über Ribbentrop. Joseph Goebbels meinte beispielsweise, wie er seinem Tagebuch anvertraute, Ribbentrop habe seinen Namen, sein Geld geheiratet und seinen Weg in Amt und Würden durch Schwindelei erreicht. Außerdem, so der Propagandaminister, könnten fast alle Spitzenvertreter des Reiches wenigstens eine lobenswerte Eigenschaft vorweisen - Ribbentrop hingegen besitze gar keine.

Der französische Botschafter Robert Coulondre beschrieb Ribbentrop als einen Mann mit „kalten, leeren, mondähnlichen Augen“, der zwar auf den ersten Blick gut aussehe, bei genauerem Hinsehen jedoch „nichts Menschliches“ an sich habe, außer „den niederen Instinkten.“[8] Hans-Otto Meissner, der als Attaché im Auswärtigen Amt und als Sohn von Hindenburgs Staatssekretär Otto Meissner Gelegenheit hatte, Ribbentrop aus der Nähe zu beobachten, erinnerte sich an ihn als einen „überaus eitle[n], und wenn man von seinem arroganten Gesichtsausdruck absieht, auch gutaussehenden Mann.“[9]

Auch andere Zeitgenossen betonten routinemäßig den Eindruck von Arroganz und Parvenühaftigkeit, den Ribbentrop auf sie machte und der in eigentümlichem Kontrast zu seinen als wenig beeindruckend empfundenen Leistungen stand. Der Diplomat von Ribbentrop wurde dementsprechend, in Anspielung auf seinen früheren Beruf, von vielen als „Sektreisender“ verspottet. Im Volksmund machten seit den späten 1930er Jahren verschiedene Wendungen die Runde, die Ribbentrop in ein wenig respektvolles Licht rückten, zum Beispiel der wenig schmeichelhafte Vergleich, jemand sei „dumm wie Ribbentrop“. Noch in den 1950er Jahren sah ein deutscher Journalist Ribbentrop als den Prototyp des „aufgeblasenen“ Diplomaten.[10]

Neville Henderson, der als britischer Botschafter in den 1930er Jahre in engem Kontakt zu Ribbentrop stand, erblickte in diesem eine rare „Verbindung aus Eitelkeit, Dumpfheit und Oberflächlichkeit.“ Des Weiteren meinte er, dass die Ressentiments und Fehleinschätzungen, die der deutsche Diplomat Großbritannien entgegengebracht habe, ein schwerwiegendes Hindernis gewesen seien, das einem besseren Verständnis beider Länder im Wege gestanden habe.

Die Gewohnheit Ribbentrops, Hitlers rhetorischen Stil, seine Gesten und Posen nachzuahmen, veranlasste Göring zufolge viele Nazi-Funktionäre, den Außenminister als „Papagei“ zu verspotten. Henderson nannte ihn, in dieselbe Kerbe schlagend, sprachmalerisch „Brickanddrop“.

Fritz Günther von Tschirschky, der als Adjutant von Hitlers Vizekanzler Franz von Papen die politischen Ereignisse in Berlin in den Jahren 1933/1934 aus nächster Nähe beobachten konnte, erblickte in Ribbentrop einen Mann, der keine Qualitäten mitbrachte, die ihn für ein hohes Amt qualifiziert hätten, außer dem Ehrgeiz, den er besessen habe: „Ribbentrop war farblos, ohne Geist, er wollte ein Herr sein und eine Rolle spielen.“[11]

Ribbentrops langjähriger Staatssekretär Ernst von Weizsäcker schließlich wertete rückblickend den Umstand, dass „eine Erscheinung [von Ribbentrops] Art“ im nationalsozialistischen Staat ein so hohes Amt wie das des Außenministers erreichen konnte, ein schlagender Beweis dafür sei, dass das System, in dem dies möglich war, einen Fehler in sich barg.[12]

Schriften

  • Annelies von Ribbentrop: Die Kriegsschuld des Widerstandes. Aus britischen Geheimdokumenten 1938/39. Aus dem Nachlass herausgegeben von Rudolf von Ribbentrop. Druffel-Verlag, Leoni am Starnberger See 1974.
  • Joachim von Ribbentrop: Zwischen London und Moskau. Erinnerungen und letzte Aufzeichnungen. Aus dem Nachlass herausgegeben von Annelies von Ribbentrop. Druffel-Verlag, Leoni am Starnberger See 1954.

Verweise

Literatur

  • Christopher R. Browning: The final solution and the German Foreign Office. A study of Referat D III of Abteilung Deutschland 1940–43. Holmes & Meier, New York 1978, ISBN 0-8419-0403-0.
  • Hans-Jürgen Döscher: SS und Auswärtiges Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der „Endlösung”. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin 1991, ISBN 3-548-33149-1.
  • Joachim Fest: Das Gesicht des Dritten Reiches. Profile einer totalitären Herrschaft. zahlr. Auflagen, u. a. München, 11. Auflage 1994, ISBN 3-492-11842-9. Band enthält auch ein Profil Ribbentrops.
  • Milan Hauner: The Professionals and the Amateurs in National Socialist Foreign Policy. Revolution and Subversion in the Islamic and Indian World. In: Hirschfeld, Gerhard Kettenacker Lothar: Der „Führerstaat“: Mythos und Realität. Stuttgart 1981, 305-328.
  • Joe J Heydecker, Johannes Leeb: Der Nürnberger Prozess [= KiWi 761]. Köln 2003
  • Guido Knopp, Matthias von Hellfeld: Hitlers Helfer. Goldmann, 1999. ISBN 3 442 15017 5. S. 231 ff.
  • Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser B Band V, Seite 306, Band 26 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1961, ISSN 0435-2408.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Joachim von Ribbentrop (1893 - 1946), Geschrieben von André Krajewski auf Shoa.de
  2. Tammo Luther: Volkstumspolitik des Deutschen Reiches 1933-1938: die Auslandsdeutschen im Spannungsfeld zwischen Traditionalisten und Nationalsozialisten. Franz Steiner Verlag Taschenbuch Verlag, 2004, S. 126. ISBN 3515085351
  3. Tammo Luther: Volkstumspolitik des Deutschen Reiches 1933-1938: die Auslandsdeutschen im Spannungsfeld zwischen Traditionalisten und Nationalsozialisten. Franz Steiner Verlag Taschenbuch Verlag, 2004, Diagramm "Versuche zur Zentralisierung der Volkstumspolitik (Volksdeutscher Rat) / Stufe II (15.10.1934)", Organigramm Stab Rudolf Heß/Bormann<->Hitler<->Auswärtiges Amt - S. 113. ISBN 3515085351
  4. Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“. Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941–1945. Vögel, München 2006, S. 74. (Quelle: Kleist, Auch du warst dabei; Kriegstagebuch von Otto Bräutigam, S. 171.)
  5. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 494.
  6. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 494.
  7. Heydecker, Joe J.; Leeb, Johannes: Der Nürnberger Prozess [= KiWi 761]. Köln 2003, S. 65f
  8. Joachim C. Fest: The Face of the Third Reich, 1970, S. 178.
  9. Hans-Otto Meissner: Junge Jahre im Reichspräsidentenpalais, 1987 S. 339.
  10. Der Spiegel 1950 Nr. 8, S. 15.
  11. Fritz Günther von Tschirschky: Erinnerungen eines Hochverräters, 1973, S. 140.
  12. Fritz Karl Michael Hillebrand: Underground Humour in Nazi Germany, 1995, S. 47. Hier lautet die Passage in englischer Sprache: „The fault was in the system as such which made it possible that an apparition of this kind could become foreign secretary and in that capacity serve a nation of seventy million for seven years.“

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