Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger

Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger
Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger

Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger (* 5. Juni 1765 in Simmozheim (Württemberg); † 19. April 1831 in Tübingen) war ein deutscher Astronom, Mathematiker und Physiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gedenktafel an der Wirkungsstätte in Tübingen

Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger war der Sohn des Pfarrers und Maschinenbauers Gottlieb Christoph Bohnenberger. Vater und Sohn sind Erfinder vollkommen unterschiedlicher, aber übereinstimmend mit Bohnenberger Maschine bezeichneter Apparate.

Bohnenberger studierte in Tübingen und wurde 1789 Pfarrvikar. Bald wandte er sich aber seiner heimlichen Liebe, den Naturwissenschaften, zu. Ferner ist in einem von Wilhelm Jordan verfassten Artikel in der Zeitschrift für Vermessungswesen des Jahrgangs 1897 zu lesen, dass Bohnenberger in der kleinen väterlichen Werkstatt einen hölzernen Quadranten baute, mit dem er die geographische Lage von Altburg ziemlich genau bestimmte. Parallel dazu stellte er Untersuchungen über den Einfluss der Fehler dieses Instruments an. Und als ihm ein englischer Sextant von Ramsden in die Hände kam, war es endlich soweit, dass er zuverlässigere Messungen und Fehleruntersuchungen durchführen konnte. Diese lieferten den Stoff für seine im Jahre 1795 erschienenen Anleitung zur geographischen Ortsbestimmung vorzüglich vermittelst des Spiegelsextanten. Mit dieser Schrift gelang es Bohnenberger nicht nur, eine komplizierte Materie anschaulich aufzuarbeiten, er wurde wegen seiner Ausführungen auch mit einem Mal bekannt. Zur Ausbildung in Astronomie hielt er sich bei Franz Xaver von Zach an der Sternwarte Gotha auf. 1796 erhielt er mit der Berufung zum Adjunkt eine Anstellung an der Sternwarte Tübingen und wurde 1798 außerordentlicher sowie 1803 ordentlicher Professor der Mathematik in Tübingen. 1809 wurde er Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Universität Tübingen zu Zeiten Bohnenbergers

Der Weg Tübingens zu seiner ersten naturwissenschaftlichen Fakultät im heutigen Sinne fällt in die Zeit Bohnenbergers. Bereits die Reformation bescherte der Tübinger Artistenfakultät 1535 eine Professur, deren Inhaber die „Physica“ zu vertreten hatte. Die Stelle diente dem Zweck, den jungen Theologen die aristotelische Naturphilosophie nahe zu bringen. Einen bedeutenden Beitrag zur Physik in unserem Sinn hat rückblickend keiner ihrer Inhaber geleistet. Im Jahre 1687 hob man diese Professur zunächst auf, um sie später wieder zu besetzen.

1803 wurden in den Räumen im Schloss Hohentübingen eine Wohnung für den Astronomen Bohnenberger eingerichtet und es wurden zugleich erhebliche Verbesserungen an der Sternwarte vorgenommen. Auch das große Turmzimmer unter dem Observatorium wurde Bohnenberger überlassen. Für ein neues Fernrohr ließ er im Garten vor dem Schloss, wahrscheinlich auf eigene Kosten, einen Rundbau mit drehbarem Dach erbauen. Des Professors Freud’ war damals zugleich des Hausmeisters Leid. Der nämlich hatte bis dahin eine gut gehende Wirtschaft im Turmrondell betrieben und musste nun auf erhebliche Einnahmen verzichten, wie er in beredter Klage den Behörden vorrechnete.

Das Jahr 1806 brachte mit der Einführung des Königtums das Ende der Universität als einer Korporation, die sich aus ihrer eigenen Gütermasse unterhält. Sie wurde nun aus der Staatskasse finanziert. Ihr weiterer Ausbau konnte damit den Bedürfnissen experimenteller Fächer, wie der Physik, eher angepasst werden. Dementsprechend konstruierte und beschaffte Bohnenberger viele neue Geräte.

Nachfolge

Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger starb am 19. April 1831 in Tübingen nach 34 Jahren als Professor. Als der Begründer der Landesvermessung, Physiker und Astronom starb, reimte man in Tübingen: „Die Sternwarte ist jetzt verwaist / seit Bohnenberger den Himmel selbst bereist.“

1832 wurde der Physiker Johann Gottlieb Christian Nörrenberg als Nachfolger auf Bohnenbergers Lehrstuhl berufen.

Die letzten Reste der Sternwarte hat man erst 1955 beseitigt und dem Turm anschließend wieder sein herkömmliches Kegeldach zurückgegeben.

Tätigkeiten und Erfindungen

Württembergische Landesvermessung

Johann Gottlieb Bohnenberger suchte durch theoretische Analyse instrumentelle Messfehler zu beheben. Wie Carl Friedrich Gauß, der mit ihm korrespondierte, widmete er späterhin seine Arbeitskraft der Landesvermessung, für die er auch theoretische Grundlagen schuf.

Er leitete von der Festung Hohentübingen aus die wissenschaftliche Vermessung Württembergs. Praktischerweise legte er den Nullpunkt für die Kartierung in sein hoch über der Stadt gelegenes Büro im Nordostturm. Bis heute sind sämtliche württembergischen Flurkarten auf diesen Nullpunkt hin ausgerichtet.

Bohnenberger leitete im folgenden eine auch eine neue, vollständige Landesvermessung für das Königreich Württemberg mit dem Tübinger Observatorium als Mittelpunkt und einer Grundmesslinie im Ammertal.

Bohnenberger Maschine/Gyroskop

Original-Gyroskop

Basierend auf einer Erfindung Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenbergers wurde 1852 das Gyroskop konstruiert und gefertigt. Heute werden die Begriffe Gyroskop und Kreiselkompass synonym verwendet. Das erste ‚Gyroskop‘ (1817) ist als Idee nicht unterscheidbar und wesentliche Grundlage zur späteren Erfindung des Kreiselkompass. Bohnenbergers Verwendung der grundlegenden Idee diente der Verdeutlichung der bereits im Altertum beobachteten Schlingerbewegung (sogenannte Präzession) der Erdachse.

Der eigentliche, heute gebräuchliche Kreiselkompass basiert auf dem Meridiankreisel von Jean Bernard Léon Foucault 1852. Dessen praktische Anwendbarkeit für die Seefahrt wurde erst im Jahr 1907 durch Hermann Anschütz-Kaempfe durch entsprechende Entwicklung und Bau hergestellt. Dass die Zuschreibung der Urheberschaft in technischen Bereichen nicht immer ganz unproblematisch ist, erkennt man daran dass es zur Originalität der Erfindung des Kreiselkompasses zwischen Anschütz-Kaempfe und Elmer Ambrose Sperry im Jahr 1914 einen Patentstreit gab, bei dem unter anderem Albert Einstein als Patentgutachter tätig wurde.

Im Rahmen einer 2004 gestarteten Satellitenmission Gravity Probe B wird mit extrem genauen Gyroskopen versucht, mehrere, auf Einsteins Theorien basierende Vorhersagen der Raumkrümmung nachzumessen. Dabei ist nicht nur die Raumkrümmung – durch die bloße Existenz der Erde – sondern besonders die Verzerrung der Raumkrümmung durch die Erdrotation, das sog. Frame-Dragging und damit ein, der ursprünglichen Anwendung von Bohnenbergers Erfindung (Präzession) sehr ähnliches Thema der Untersuchungsgegenstand. Vier auf dieser Erfindung basierenden Gyroskope unterstützen z. B. die Lagekontrolle und die Kurskorrekturmanöver der ISS. (Sie wurden im Rahmen von STS-114 repariert.)

Anfang 2005 wurde das älteste erhaltene Original-‚Gyroskop‘ von Bohnenberger, gefertigt aus Messingringen und Elfenbein, zufällig im Keller des Kepler-Gymnasiums in Tübingen gefunden.

Elektroskop

Bohnenbergers Elektroskop

Eine weitere Erfindung war die eines speziellen, bipolaren Elektroskopes. Im Gegensatz zum Vorgängermodell von Alessandro Volta konnte hiermit durch die Ausrichtung eines Goldplättchens, das zwischen zwei Polen aufgehängt wird, bei der Messung auch die Ausrichtung einer Ladung (Negativ oder Positiv) festgestellt werden.

Reversionspendel

Bohnenberger wird in mehreren Quellen die Entwicklung des Reversionspendels (nach Prony und vor Kater) nachgesagt.[1][2][3]

Werke

  • Anfangsgründe der höheren Analysis. - Tübingen: Cotta, 1812
  • Anleitung zur geographischen Ortsbestimmung. - Göttingen: Cotta, 1795
  • Astronomie. - Tübingen: Cotta, 1811
  • Beschreibung einer Maschine zur Erläuterung der Gesetze der Umdrehung der Erde um ihre Axe und der Veränderung der Lage der letztern. - Tübingen Ossiander, 1817 (Handelt von einer Erfindung Bohnenbergers, des so genannten Bohnenbergerschen Maschinchens, einer Schwungmaschine)
  • Tübinger Blätter für Astronomie und verwandte Wissenschaften. -Tübingen: Cotta, 1816 ff (Bohnenberger gründete diese erste astronomische Fachzeitschrift mit seinem Kollegen Bernhard August von Lindenau und führte sie später zusammen mit Johann Heinrich Ferdinand von Autenrieth)

Ehrungen

1818 erhielt er das Ritterkreuz des Ordens der Württembergischen Krone, welches mit dem persönlichen Adelstitel verbunden war.[4]

Literatur

Weblinks

 Commons: Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1997 Uni Bonn (PDF-Datei; 13 kB)
  2. Uni Tübingen
  3. Naturkrafterna och deras användning (Naturkräfte und deren Anwendung) S. 99 (1873-1875) Autor: Friedrich Georg Wieck, Otto Wilhelm Alund
  4. Königlich Württembergisches Hof- und Staatshandbuch 1831, Seite 30

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