Johann Jacob Scheuchzer

Johann Jacob Scheuchzer
J. J. Scheuchzer
Die Teufelsbrücke auf Scheuchzers Karte von 1712
Beispielabbildung aus dem Herbarium diluvianum
Andrias scheuchzeri
Gedenktafel an der Trittligasse in Zürich
Zwingli-Platz, Grossmünster: Geburtshaus Scheuchzers und Wohnhaus von Konrad von Mure († 1280)
Gedenktafel

Johann Jakob Scheuchzer (* 2. August 1672 in Zürich; † 23. Juni 1733) war ein Schweizer Arzt und Naturforscher, der vor allem durch seine Deutung von Fossilien als Überbleibsel der Sintflut (Sintfluttheorie) bekannt wurde. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „J.J.Scheuchzer“.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Geboren wurde Scheuchzer 1672 in Zürich als Sohn eines Stadtarztes. Sein Medizinstudium absolvierte er ab 1692 in Altdorf bei Nürnberg und ab 1693 in Utrecht, wo er 1694 promovierte. Im gleichen Jahr unternahm er, angeregt durch August Quirinus Rivinus, den Rektor der Leipziger Universität, seine erste Forschungsreise in die Alpen.

Da Scheuchzer nach seinem Studium warten musste, bis einer der vier amtlichen Ärzte Zürichs verstarb, um dessen Position einnehmen zu können, arbeitete er bei den wissenschaftlichen Gesellschaften und Akademien der Stadt mit. Durch den Tod des Zürcher Waisenhausarztes Johann Jakob Wagner, dem Verfasser einer ersten Historia naturalis Helvetiae curiosa (Zürich 1689), bekam er 1695 schließlich doch eine Anstellung als Mediziner. Zugleich übernahm er auch die Stelle als Direktor der Bürgerbibliothek und der Kunst- und Naturalienkammer, in der er sich für die Erforschung seines Heimatlandes entschied. Diese Forschungsreisen sollten ihn dann bis 1714 durch das Land führen.

Mit einem grossen und detaillierten Fragenkatalog mit 220 Fragen informierte er sich im Vorfeld bei Bekannten in der gesamten Schweiz über die Natur und die Wetterverhältnisse an ihren Heimatorten; die Beteiligung war allerdings nicht sehr hoch. Vor allem zur Hebung der Volksbildung und zur Widerlegung von Volksmärchen schrieb Scheuchzer als Zusammenfassung seiner Forschungsergebnisse von 1705 bis 1707 die Seltsamen Naturgeschichten des Schweizer-Lands wochentliche Erzehlung, in der er etwa die Meinung widerlegte, dass die Gewitter am Pilatussee von Dämonen herrührten, sobald man dem See näher komme oder gar einen Gegenstand in ihn werfe. Er selbst schrieb dazu 1714 „Ich selbst habe im Beisein der Sennen, welche diese Fabeln verlachen, Stein, Holz und anderes nicht nur einmal in diese Pfütze geworfen ohne Gefahr und Schaden“. Ebenfalls zur Volksbildung schrieb Scheuchzer 1701 das erste Physikbuch in deutscher Sprache mit dem Titel Physica, oder Natur-Wissenschaft.

Von besonderer Bedeutung sind die wissenschaftlichen Leistungen Scheuchzers, der als erster Höhenmessungen mit barometrischen Instrumenten statt der wesentlich unzuverlässigeren trigonometrischen Berechnungen durchführte. Durch Untersuchungen an Bergkristallen wurde er mit dem Luzerner Stadtphysikus Moritz Anton Kappeler und seinem Schüler Heinrich Hottinger zu einem der Mitbegründer der modernen Kristallographie, und aufgrund seiner klimatologischen Beobachtungen konnte er regelmässige Wetterberichte abfassen.

Bekannt ist Johann Jakob Scheuchzer jedoch vor allem für seine paläontologischen Arbeiten. In seiner Lithographia Helvetica beschrieb er die Fossilien noch als „Naturspiele“ oder Überreste der Sintflut. Durch die Übersetzung des Buches Essay toward a Natural History of the earth von John Woodward ins Lateinische wurde er allerdings von den Denkweisen des René Descartes überzeugt, der ein Nebeneinander von göttlicher Allmacht und der Existenz von Naturgesetzen in Gottes Werk darstellte. Scheuchzer befasste sich intensiver mit den Fossilien, insbesondere denen der Tiere, und stellte 1726 in den Philosophical Transactions of the Royal Society das am Schiener Berg gefundene Skelett eines in der Sintflut ertrunkenen Menschen als „Homo diluvii testis“ vor. Mit dieser Deutung des Fossils lag er allerdings falsch und es wurde etliche Jahre später durch den Franzosen Georges Cuvier (1769 bis 1832) als das Skelett eines ausgestorbenen Riesensalamanders erkannt und als Andrias scheuchzeri benannt.

Durch das 1709 erschienene Herbarium diluvianum wurde Johann Jakob Scheuchzer zum Begründer der Paläobotanik. In diesem Werk zeigt er auf 14 Tafeln Pflanzenabdrücke, die vor allem aus dem Karbon, Perm und Tertiär stammende Pflanzen darstellen. Diese Tafeln sind so naturgetreu gemacht, dass aufgrund der Bilder bei den meisten Abbildungen eine Artbestimmung möglich ist. Seine umfangreiche Sammlung von Versteinerungen und Mineralien ist heute im Paläontologischen Museum von Zürich ausgestellt.

1713 entstand eine vierblättrige Karte der Schweiz, die Nova Helvetiae tabula geographica, die einige Zeit als die beste und die gültige Karte der Schweiz galt. Durch seine wissenschaftliche Arbeit erlangte Johann Jakob Scheuchzer internationale Anerkennung. So beteiligte sich etwa der damalige Präsident der Royal Society in London, Isaac Newton, am Druck Scheuchzers ersten Werkes Itinera alpina tria, und 1710 bot ihm der russische Zar Peter der Große auf Empfehlung von Gottfried Wilhelm Leibniz die gut bezahlte Stelle als Leibarzt an, die Scheuchzer allerdings ablehnte.

In der Schweiz selbst jedoch wurde Scheuchzer gemieden, vor allem wegen seiner neuartigen Ideen und Interpretation des göttlichen Wirkens. Besonders durch das Werk Physica Sacra, oder Geheiligte Natur-Wissenschaft (kurz Kupfer-Bibel) verspielte er sich die Sympathien der Landsleute. In diesem vierbändigen Werk sollte versucht werden, die Existenz Gottes durch die Naturwissenschaft zu belegen. Biblische Geschichten wurden durch naturwissenschaftliche Erklärungen dargestellt. Eine Druckgenehmigung der Kupfer-Bibel wurde Scheuchzer in der Eidgenossenschaft verweigert. 1731 bis 1735 erschien die Physica sacra allerdings doch, und zwar in Augsburg. Mit vier Foliobänden und 2098 Seiten sowie 750 Kupfern wurde sie zu einem Meisterwerk der Druckkunst der damaligen Zeit. Scheuchzer konnte zwar die Manuskripte für die deutsche und die lateinische Ausgabe noch fertigstellen, durch seinen Tod am 23. Juni 1733 erlebte er allerdings die Vollendung nicht mehr. Nach der lateinischen und der deutschen Fassung folgten eine niederländische und eine französische Version des Werkes.

Ehrungen

Das Scheuchzerhorn und das Scheuchzerjoch in den Berner Alpen sind nach Johann Jakob Scheuchzer benannt.

Carl von Linné benannte ihm und seinem Bruder Johannes Scheuchzer (1684–1738) zu Ehren die Gattung Scheuchzeria der Pflanzenfamilie der Blumenbinsengewächse (Scheuchzeriaceae).[1][2]

Werke

  • Physica, oder Natur-Wissenschaft, Zürich 1701
  • Specimen lithografiae helveticae, Zürich 1702
  • Seltsamen Naturgeschichten des Schweizer-Lands wochentliche Erzehlung, Zürich 1707
  • Piscium Querelae et vindiciae, Zürich 1708
  • Herbarium deluvianum, Zürich 1709
  • Naturgeschichte des Schweitzer Landes, Zürich 1716
  • Jobi physica sacra, Oder Hiobs Natur-Wissenschafft, vergliechen mit der Heutigen, Zürich 1721
  • Homo diluvii testis, Zürich 1726
  • Sceleton duorum humanorum petrefactorum pars, ex epistola ad H. Sloane, in Philosophical Transactions of the Royal Society 34, 1728
  • Physica sacra, 4 Bände, Augsburg und Ulm 1731–35

Literatur

  • Irmgard Müsch: Geheiligte Naturwissenschaft. Die Kupfer-Bibel des Johann Jakob Scheuchzer, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000. ISBN 3-525-47903-4
  • Paul Michel: „Das Buch der Natur bei Johann Jacob Scheuchzer“. In: W. Haubrichs, W. Kleiber, R. Voss (Hrsg.). Vox Sermo Res. Festschrift Uwe Ruberg. Stuttgart, Leipzig: Hirzel, 2001. S. 169–193. ISBN 3-7776-1069-0.
  • B. Milt: J. J. Scheuchzer und seine Reise ins Land Utopia. In: Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte 91. 1946. S. 143–146.

Einzelnachweise

  1. Carl von Linné: Critica Botanica. Leiden 1737, S. 94
  2. Carl von Linné: Genera Plantarum. Leiden 1742, S. 153

Weblinks


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