Johann Konrad Dippel

Johann Konrad Dippel
J. K. Dippel alias Christianus Democritus

Johann Konrad Dippel (* 10. August 1673 auf Burg Frankenstein (Bergstraße); † 25. April 1734 auf Schloss Wittgenstein bei Berleburg) war ein deutscher Theologe, Alchemist, Anatom und Arzt, der auch die Pseudonyme Christianus Democritus, Ernst Christian Kleinmann und Ernst Christoph Kleinmann führte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Er absolvierte zunächst ein philosophisches Grundstudium an der Universität Gießen, das er 1693 als Magister artium abschloss. Danach begann er mit dem Theologiestudium, bevor er im Odenwald als Hauslehrer wirkte. Schon in der Zeit seines Gießener Studiums kam er mit dem Pietismus in Berührung. So wohnte er in der von dem Pietisten Johann Heinrich Mey geleiteten Gießener Stipendiatenanstalt mindestens vier Semester lang und musste die dortigen Lehrveranstaltungen besuchen. In Gießen mochte er sich der neuen Frömmigkeitsbewegung jedoch noch nicht anschließen. Stattdessen gebärdete er sich geradezu als Pietistenhasser und schrieb sogar eine antipietistische Streitschrift[1], deren Manuskript jedoch verloren ging. Während eines Studienjahres in Straßburg 1695/96 ging aber die Saat auf, die in der stark pietistisch ausgerichteten Gießener Universität gesät worden war. Hatte sich Dippel zunächst in Straßburg offenbar auch mit alchimistischen Studien beschäftigt, wandte er sich nach der Lektüre mehrerer Schriften von Philipp Jakob Spener dem Pietismus in dessen Sinne zu.

Nach der Rückkehr in die hessische Heimat bemühte sich Dippel vergeblich um eine Professur an der Gießener Hochschule. Für eine kurze Zeit wurde er stattdessen als Prinzenerzieher am hessen-darmstädtischen Hof beschäftigt. Im Sommer 1697 kam es zu einer folgenschweren Wende im Leben des jungen Theologen. Seit dieser Zeit kann er als radikaler Pietist gelten. Doch für diese Entwicklung ist der Einfluss von Gottfried Arnold wohl weit geringer, als bisher angenommen. Seit dieser Zeit veröffentlichte Dippel zahlreiche populäre Streitschriften gegen die Orthodoxie.

1704 bis 1707 lebte er in Berlin, wo er als Alchemist versuchte, Silber und Quecksilber in Gold zu verwandeln. Bis 1714 hielt er sich in Holland auf, wo er in Leiden in Medizin promovierte und als Arzt erfolgreich tätig war. 1714 bis 1717 lebte er in Altona, wo er wegen einer Verleumdung eines hohen Beamten zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Aus der Haft wurde er 1726 entlassen. Ab 1728 besuchte er seine Anhänger in Lauenburg, Lüneburg, Celle, Hannover und Goslar. Die Superintendenten von Lüneburg und Clausthal erreichten, dass er im Dezember 1729 des Landes verwiesen wurde.

In seinen letzten Lebensjahren lebte er auf dem Schloss des Grafen Casimir zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg. Bestattet wurde er in der ev. Kirche Bad Laasphe, dem Sitz der damaligen Grafen von Sayn-Wittgenstein-Hohenstein. Der bei Traisa, einem Ortsteil der Gemeinde Mühltal im Landkreis Darmstadt-Dieburg gelegene Dippelshof ist nach seinem älteren Bruder Johann Albert Dippel benannt, der den Hof im Jahre 1710 neu aufbauen ließ[2].

Der gut zehn Jahre später im in der Nähe von Berleburg liegenden Hilchenbach aufgewachsene Johann Heinrich Jung-Stilling setzte ihm folgendes Denkmal, das Dippel zutreffend charakterisieren dürfte: „Dippel war ein großer Kopf, zugleich aber unbiegsam, stolz, emporstrebend, und ein beißender Tadler; er fürchtete nichts in der ganzen weiten Welt; es scheint, dass er gerne ein Geistlicher geworden wäre, und mir kommts so vor, als wenn er in diesem Stande das unterste zu oberst gekehrt haben würde […] Er verband also die mystische Moral mit der Glaubenslehre unserer neuesten Theologie, und nebenher noch mit allerhand Grillen. Das war in der That ein wunderlicher Mischmasch!“[3]

Wirken

1697 wandte er sich, unter dem Einfluss der Schriften Jakob Böhmes, unterstützt von Gottfried Arnold, dem Pietismus zu, freilich stark geprägt von dem ihm eigenen Individualismus und seiner Radikalität. Die pietistische Vorstellung der Wiedergeburt steigerte er bis zur Selbsterlösung durch substantielle Umwandlung als Folge der Wiedergeburt. Die dogmatische Aussage vom stellvertretenden Leiden Christi (insbesondere in der Form der Satisfaktionslehre) des Anselm von Canterbury wurde ebenso Ziel seiner scharfen Angriffe wie der kirchenfreundliche Pietismus. Dass seine streitbare und zuweilen unflätig-polemische Art daneben der Bekämpfung der Orthodoxie wie dem philosophischen Determinismus galt, versteht sich fast von selbst. Im Mittelpunkt seines Denkens stand die Freiheit des Individuums. Deshalb lehnte er auch den Determinismus Hobbes und Spinozas ab. Seine Radikalität verhinderte seine Berufung auf die 3. theologische Professur in Gießen, für die er vorgeschlagen worden war.

Er ist der erste Autor, der den Begriff „aufgeklärt“ in die Literatur einbrachte:

„Es suchten nemlich die aufgeklärte und erleuchtete Gemüther / durch die Bibel das Recht der Natur zu verjagen / und wenn ihnen den dieser Schein-heilige Anschlag gelungen wäre/ so würden sie sich bemühen / die Bibel / durch ihre Erleuchtungen ebenmäßig zu vertreiben / damit sie / wenn solche Mittel denen Menschen aus den Händen gedrehet wären/ sich eines Dominats desto sicherer über Selbige anmassen könten.“[4]

Er betrachtete die Alchemie als eine ernsthafte Wissenschaft, die nicht „im Geheimen“ auszuüben sei. Durch Destillation von Knochen und/oder Fleisch gewonnene animalische Öle waren schon vor ihm bekannt. Das nach ihm benannte ätherische Öl (Dippels Tieröl) wurde bekannt durch seine in der Dissertation aufgestellte Behauptung, damit ein Elixir vitae, eine Universalarznei gefunden zu haben. Es wurde als Mittel gegen Würmer und zur Behandlung der Epilepsie eingesetzt. Doch schon Diderot fragte in der Encyclopédie nach veröffentlichten Beweisen für die Wirksamkeit. Dippel war laut Georg Ernst Stahl an der Entdeckung bzw. ersten Herstellung des Pigments Berliner Blau durch Diesbach beteiligt.[5]

Kontroverse

Laut dem Historiker Radu Florescu existierten schon seinerzeit Gerüchte, in denen ihm Experimente mit Leichen nachgesagt wurden.[6] Ob sich die englische Schriftstellerin Mary Shelley bei ihrem Welterfolg Frankenstein tatsächlich von diesen inspirieren ließ, ist umstritten. Diese auch vom Burgschreiber der Burg Frankenstein Walter Scheele unter anderem auch in Fernsehdokumentationen wiederholt aufgestellte These wird vom Geschichtsverein Eberstadt-Frankenstein e. V.[7] angezweifelt.

Werke

  • De Nihilo (1693), Magisterarbeit, Gießen
  • Orcodoxia orthodoxorun oder die verkehrte Wahrheit und wahrhaftige Lüge der unbesonnenen und eifrigen Lutheraner (1697), eine populäre Streitschrift
  • Das gestäupte Pabsttum an den blinden Verfechtern der dörfftigen Menschensatzungen in protestierender Kirch (1698), eine populäre Streitschrift
  • Wein und Öl in die Wunden des gestäupten Pabsttums (1698), eine populäre Streitschrift
  • Unschuld und Nothwendigkeit des Rechts der Natur und dessen Lehre wider das ungegründete Vorgehen des AUTHORIS des Licht- und Rechts / dargethan von einem Liebhaber der Wahrheit. (1704), hieraus ist das oben angegebene Zitat
  • Fatum fatuum (1708) eine gegen Descartes, Hobbes, Spinoza gerichtete Schrift zur Willensfreiheit
  • Eröffneter Weg zum Frieden mit Gott und mit allen Kreaturen durch die Publikation der sämtlichen Schriften des Christianus Democritus (1709, diese von ihm selbst besorgte Gesamtausgabe ist unvollständig. Vollst. Neudruck, Bd. I–III, Berleburg 1747
  • Vittae animalis morbus et medicina suae vindicata origini (1711), Dissertation in Medizin, Leiden
  • Der von den Nebeln der Verwirrung gesäuberte helle Glanz des Evangelio Jesu Christi oder Entwurf der Heilsordnung in 153 Fragen (1727), ein aufklärerischer Katechismus
  • Vera demonstratio evangelica, Das ist, ein in der Natur in dem Wesen der Sache selbst so wohl, als in heiliger Schrift gegründeter Beweiß der Lehre und des Mittleramts Jesu Christi (1729)

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. diese wohl im Schloss Ernsthofen, wo er 1694 (bis 1695) als Hauslehrer der Herren von Wallbrunn, wohl auf Vermittlung seines Vaters, tätig war.
  2. muehltal-odenwald
  3. Jung-Stilling: Theobald oder die Schwärmer, Sämtl. Schriften Bd. VI, 1837, S. 30 f., 33
  4. Hanns-Johann Ehlen: Neue Funde zur Geschichte des Wortes „aufgeklärt“. Auf: www.stjuergen-kiel.de
  5. Stahl, Georg Ernst: Experimenta, Observationes, Animadversiones, CCC Numero, Chymicae et Physicae, Berlin 1731, S. 281 ff.
  6. Radu Florescu: In Search of Frankenstein: Exploring the Myths behind Mary Shelley's Monster. Robson Books, London 1996. ISBN 1-86105-033-X
  7. Michael Müller: Any Monsters at home? Die Burg Frankenstein an der Bergstraße und der Roman von Mary Shelley (PDF), Archiv für hessische Geschichte Nr. 67 (2009), S. 367 ff.

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