Johann Stephan Pütter

Johann Stephan Pütter
Johann Stephan Pütter
(Gemälde von Carl Lafontaine)

Johann Stephan Pütter (* 25. Juni 1725 in Iserlohn; † 12. August 1807 in Göttingen) war ein deutscher Staatsrechtslehrer und Publizist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Johann Stephan Pütter wurde als Sohn eines Iserlohner Kaufmanns geboren, seine Mutter entstammte der Iserlohner Pastorenfamilie Varnhagen. Seine Bildung erhielt er ausschließlich von einem örtlichen Pfarrer als Hauslehrer. Durch diesen lernte er nicht nur Latein und Griechisch, sondern auch Hebräisch, Chaldäisch und Syrisch. Daher wäre er beinah Orientalist geworden, bis ihn der Tod des Vaters veranlasste, die juristische Tradition von Teilen der Familie fortzusetzen.

Pütter begann sei Studium mit kaum 13 Jahren zunächst an der Universität Marburg unter anderem bei dem Aufklärer Christian Wolff, wechselte 1739 an die Universität Halle (wo er mit Gottfried Achenwall Freundschaft schloss) und beendete sein Rechtsstudium an der Universität Jena. 1744 habilitierte er sich in Marburg, 1746 wurde er als außerordentlicher Professor der Rechte an die Universität Göttingen berufen, wo er trotz mehrerer weiterer Rufe bis zu seinem Lebensende verblieb, wohl nicht zuletzt, weil er dort die Fürsprache und schützende Hand seines Förderers David Georg Strube genoss. Selbst Angebote als Minister nach Braunschweig, als Reichshofrat nach Wien oder als Reformator des Rechtswesen nach St. Petersburg zu gehen, schlug Pütter aus. Dreimal allerdings war er 1764, 1790 und 1794 als Gesandter des Kurfürsten von Hannover (damals in Personalunion König von England) bei den Kaiserwahlen in Frankfurt.

Pütter war (wie Achenwall; s.o.) Mitglied der 1743 gegründeten Freimaurerloge "Zu den drey Löwen" in Marburg.

Die Pütterstraße im Stadtzentrum Iserlohns erinnert an den großen Sohn der Stadt.

Werk

Titelblatt: Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung

In der juristischen Praxis machte sich Pütter als Verteidiger in einem Prozess gegen einen hessischen Offizier einen Namen, der in Notwehr einen Untergebenen getötet hatte. In diesen und anderen Reichsgerichtsprozessen machte er sich einen Namen und wurde ein gesuchter Rechtsvertreter vor allem adeliger Kreise.

„Seinerzeit galt Pütter als der wohl bedeutendste und erfolgreichste Staatsrechtslehrer, wenn nicht Rechtslehrer überhaupt. (…) Durch Pütter wurde Göttingen zum Mekka der Adepten des Staats- und Verfassungsrechts“.[1] Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des alten Reichsstaatsrechts. Pütters weitverbreitete Handbücher haben die Auffassung verbreitet, dass das Heilige Römische Reich aus wirklichen Staaten zusammengesetzt sei.[2] Seine Schriften zur Rechts- und Verfassungsgeschichte jedoch machen ihn auch zum ersten echten Verfassungshistoriker.[3] Bedeutende Schriften Pütters sind u.A. sein Entwurf einer juristischen Encyclopädie und Methodologie, das Gutachten Der Büchernachdruck nach ächten Grundsätzen des Rechts geprüft und Historische Entwickelung der heutigen Staats-Verfassung des Teutschen Reiches. Pütters Beitrag zur Elementa iuris naturae von 1750 kann als eher gering eingeschätzt werden und ab der dritten Ausgabe wurde dieses Werk nur noch von Achenwall fortgeführt.[4]

Seine Kenntnisse bezog Pütter nicht nur aus der Literatur sondern er unternahm - wie bei bedeutenden Staatsrechtlern seiner Zeit üblich - eine ausgedehnte Studienreise zum Reichskammergericht in Wetzlar, zum Reichstag in Regensburg und zum Reichshofrat in Wien. Seine Vorlesungen waren die am meisten besuchten, seine Lehrbücher waren begehrt und erzielten hohe Auflagen. Sein bekanntestes Werk, Die Entwicklung der deutschen Staatsverfassung schrieb er im Auftrag der Königin von England. Einige Historiker meinen, dass erst durch ihn das Staatsrecht zu einer Wissenschaft wurde. Er war auch einer der Ersten, die anstatt des üblichen Latein Deutsch als Unterrichtssprache benutzten. Sein freier und lebhafter Vortragsstil wurde von Johann Wolfgang von Goethe im 7. Buch von Dichtung und Wahrheit gerühmt.

Wichtig am Werk Pütters war, dass er neben dem römischen Recht auch das germanische Recht wieder anerkannte, für ein getrenntes Verfassungs- und Verwaltungsrecht plädierte. Im Gegensatz zum bisher umfassenden Polizeibegriff, hat Pütter das Wohlfahrtswesen als einen eigenständigen Verwaltungsbereich abgetrennt. Einige seiner Theorien fanden Eingang im preußischen Allgemeinen Landrecht. Jenseits der juristischen Themen gilt er als derjenige, der 1776 den Begriff „Gegenreformation“ prägte.

Schriften (Auswahl)

  • „Vollständiges Handbuch der deutschen Reichshistorie“, Göttingen, 1762, (2. Aufl. 1772).
  • „Litteratur des teutschen Staatsrechts“, Göttingen, 1776-1783, (3 Bände), 3. Band hier online.
  • „Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Deutschen Reichs“, Göttingen, 1786-87, (3 Bde.), (3. Aufl. 1798).
  • Doktor-Dissertation des Johann Stephan Pütter, vorgelegt am 16. April 1744. Marburg, Müller o.J.
  • Vorbereitung zu einem praktischen Kollegium des Öffentlichen Rechts. Göttingen, J.W. Schmid 1749.
  • Anleitung zur juristischen Praxi … Göttingen, Vandenhoeck 1753.
  • Elementa juris publici Germanici. Göttingen 1754. hier online
  • Der Büchernachdruck nach ächten Grundsätzen des Rechts geprüft, 1774.
  • Institutiones juris publici Germanici - 1776, 1782 hier online, 1787, 1792, 1802
    • Deutsche Übersetzung 1791 unter dem Titel: Anleitung zum teutschen Staatsrechte
  • Grundriß der Staatsveränderungen des Teutschen Reichs. Göttingen, Vandenhoek 1753, 1755, 4. Aufl. 1769 hier online, 7. Aufl. 1795 hier online
  • Historisch-politisches Handbuch von den besonderen teutschen Staaten, erster Theil: Oesterreich, Bayern und Pfalz. Göttingen, Vandenhoeck 1758. hier online
  • Auserlesene Rechts-Fälle aus allen Theilen der in Teutschland üblichen Rechtsgelehrsamkeit in Deductionen, rechtlichen Bedenken, Relationen und Urteilen. 3 Bde. Göttingen, Vandenhoeck 1760 - 1785.
  • Öffentliche Rede zur Feier des allgemeinen Friedens am 19. September in der Universitätskirche. Göttingen 1763.
  • Versuch einer academischen Gelehrtengeschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen. Göttingen, Vandenhoek 1765.
  • Opuscula rem judiciariam Imperii illustrantia. Göttingen, Vandenhoek 1766.
  • Neuer Versuch einer juristischen Encyclopädie und Methodologie. Göttingen, Vandenhoek 1767.
  • Tabulae Genealogicae ad illustrandam Historiam Imperii Germaniamque Principem. 2 Bde. Göttingen, Vandenhoeck 1768 - 1788.
  • Rechtliches Bedenken in Sachen der Bürgerschaft zu Rostock … Göttingen, Vandenhoeck 1769.
  • Unparteyisches rechtliches Bedenken über die zwischen der Krone Böhmens und den Herren von Zedwitz … Göttingen, J. Ch. Dieterich 1772.
  • Der einzige Weg zur wahren Glückseligkeit deren jeder Mensch fähig ist. Göttingen, Dieterich 1775.
  • Wahre Bewandtniß der am 8. May 1776 erfolgten Trennung der bisherigen Visitation des kayserlichen und Reichs-Cammergerichts. Göttingen, Vandenhoeck 1776.
  • Neuester Reichsschluß über einige Verbesserungen des Kaiserlichen und Reichs-Kammergerichts … Göttingen, Vandenhoeck 1776.
  • Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte. Göttingen, Vandenhoeck 1777.
  • Teutsche Reichgeschichte in ihrem Hauptfaden entwickelt. Göttingen, Vandenhoeck 1778.
  • Primae Lineae Juris Privati Principum Speciatim Germaniae. Göttingen, Vandenhoeck 1779, 1789 hier online.
  • Kurzer Begriff der teutschen Reichsgeschichte. Göttingen, Vandenhoeck 1780.
  • Nova Epitome Processus Imperii. Göttingen, Vandenhoeck 1786.
  • Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung des teutschen Reichs. 3 Bde. Göttingen, Vandenhoeck 1786 - 1787.
  • Unmaßgebliche Gedanken über die von der Osnabrückischen Stadt Fürstenau wegen der daselbst gestatteten catholischen Religionsübung geführten Beschwerde. Göttingen, Vandenhoeck 1788.
  • Erörterungen und Beispiele des teutschen Staats- und Fürstenrechts. 2 Bde. Göttingen, Vandenhoeck 1793 - 1794.
  • Über das gemeine Reichs- oder fürstlich Taxische Postwesen gegen den Herrn geheimen Justizrath Pütter in Göttingen. Hildburghausen, J.G. Hanisch 1793.
  • Synopsis Historiae Imperii Romano-Germanici. Göttingen, Vandenhoeck 1793.
  • Über den Unterschied der Stände … Göttingen, Vandenhoeck 1795.
  • Ueber Mißheiraten Teutscher Fürsten und Grafen. Göttingen, Vandenhoeck 1796.
  • Geist des Westphälischen Friedens … Göttingen, Vandenhoeck 1795.
  • Ueber die beste Art Acten zu referiren … Göttingen, P.G. Schröder 1797.
  • Selbstbiographie zur dankbaren Jubelfeier seiner 50jährigen Professorstelle zu Göttingen. 2 Bde. Göttingen, Vandenhoeck 1798.

Literatur

  • Thomas Gergen: Johann Stephan Pütter (1725-1807) und der Büchernachdruck, in: Archiv für Urheber- und Medienrecht (UFITA) 2009/III, 715-744.
  • Ferdinand Frensdorff: Pütter, Johann Stephan. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 749–777.
  • Martin Otto: Pütter, Johann Stephan. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, S. 1 f.
  • Arno Buschmann (2004): Estor, Pütter, Hugo - Zur Vorgeschichte der Historischen Rechtsschule. In: Vielfalt und Einheit in der Rechtsgeschichte. Festgabe für Elmar Wadle. Herausgegeben von Thomas Gergen. Köln [u. a.], 75-101. ISBN 3-452-25711-8
  • Gerd Kleinheyer, in: Ders., Jan Schröder (Hrsg.): Deutsche Juristen aus fünf Jahrhunderten, C. F. Müller Verlag, Heidelberg, 5. Auflage, 2008, S. 345-349.
  • Patrick Ernst Sensburg: Johann Stephan Pütter aus Iserlohn. In: „Die großen Juristen des Sauerlandes“, Arnsberg, 2002. S.31-46. ISBN 3-930264-45-5
  • Jan Schröder: Gottfried Achenwall, Johann Stephan Pütter und die »Elementa Iuris Naturae«, in: Gottfried Achenwall und Johann Stephan Pütter, „Anfangsgründe des Naturrechts (Elementa Iuris Naturae)“ (herausgegeben und übersetzt von Jan Schröder), Insel Verlag, Frankfurt a.M. und Leipzig, 1995.
  • Wilhelm Schulte: „Westfälische Köpfe“, Münster, 1977. S.251f. ISBN 3-402-05700-X
  • Pütter-Gesellschaft Iserlohn (Hrsg.): Ausstellung: 250 Jahre Johann Stephan Pütter. Haus der Heimat, Iserlohn vom 27. Juni bis 13. Juli 1975-
  • Wilhelm Ebel: Joh. Stefan Pütter, Professor in Göttingen. Essen, Verband der Pütter-Familien (Eigenverl.), 1972
  • Ulrich Schlie: Johann Stephan Pütters Reichsbegriff. Göttingen, Schwartz 1961.
  • Wilhelm Ebel: Catalogus Professorum Gottingensium 1734 - 1962. Göttingen, Vandenhoeck 1962.
  • Friedrich Ellermeier: Denkwürdiges und Merkwürdiges aus Johann Stephan Pütters „Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen“. Herzberg, Erwin Jungfer 1966.
  • Heinrich Marx: Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der Natur der Sache bei den Göttinger Germanisten Johann Stephan Pütter und Justus Friedrich Runde. (Dissertation) Göttingen, Andreas Funke 1967.

Einzelnachweise

  1. Kleinheyer, S. 346.
  2. Willoweit, S. 236, S. 259f.
  3. Kleinheyer, S. 347.
  4. Schröder, S. 334.

Weblinks


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